T 1468/09 () of 13.1.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T146809.20110113
Datum der Entscheidung: 13 Januar 2011
Aktenzeichen: T 1468/09
Anmeldenummer: 98100688.5
IPC-Klasse: G07F 19/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Autorisierung in Datenübertragungssystemen
Name des Anmelders: Schmitz, Kim
Name des Einsprechenden: 02 Telefonaktiebolaget
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 112(1)(a)
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
Schlagwörter: Neuheit (nein) - Hauptantrag, zweiter Hilfsantrag
Unzulässige Erweiterung (ja) - erster Hilfsantrag
Vorlage an die Große Beschwerdekammer (abgelehnt) - Frage bereits in der Rechtsprechung beantwortet
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent Nr. 0 875 871 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Dokument

D1: EP 0 745 961 A

zu widerrufen.

II. Das Patent wurde bereits mit einer früheren Entscheidung der Einspruchsabteilung wegen unzulässiger Erweiterung und unzureichender Offenbarung widerrufen. In dem anschließenden Beschwerdeverfahren T 1378/05 wurde diese Entscheidung aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung an die erste Instanz zurückverwiesen.

III. Die Einsprechende 1 hat ihren Einspruch mit Schreiben vom 17. September 2010 zurückgenommen.

IV. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Patentinhaberin, Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent in folgendem Umfang aufrechtzuerhalten:

Hauptantrag:

Ansprüche 1 bis 17 eingereicht mit Schreiben vom 19. August 2009.

Erster Hilfsantrag:

Anspruch 1 eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 13. Januar 2011;

Ansprüche 2 bis 17 eingereicht mit Schreiben vom 19. August 2009.

Zweiter Hilfsantrag:

Anspruch 1 eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 13. Januar 2011;

Ansprüche 2 bis 17 eingereicht mit Schreiben vom 13. Dezember 2010.

Dritter Hilfsantrag:

Anspruch 1 eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 13. Januar 2011;

Ansprüche 2 bis 17 eingereicht mit Schreiben vom 13. Dezember 2010.

Zudem beantragte die Beschwerdeführerin, die folgende Frage der Großen Beschwerdekammer zur Entscheidung vorzulegen:

"Kann eine technische Beschwerdekammer einen Patentanspruch wegen fehlender Neuheit widerrufen, dessen Neuheit in dem nur von der Patentinhaberin aber nicht von der Einsprechenden mit einer Beschwerde angegriffenen Beschluss der Einspruchsabteilung bejaht wurde, welcher Anspruch in dem Beschluss wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit widerrufen wurde, ohne den Grundsatz der "reformatio in peius" zu verletzen?"

V. Die Einsprechende 2, Beschwerdegegnerin, beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin lautet:

"Verfahren zur Autorisierung in Datenübertragungssystemen unter Verwendung einer Transaktionsnummer (TAN) oder eines vergleichbaren Passworts mit den Merkmalen

- dass der Benutzer in einem 1. Schritt über ein

Dateneingabegerät (1) seine Identifizierung und/oder eine Identifizierungs-Kennung des Dateneingabegeräts (1) zusammen mit der Aufforderung zur Generierung oder zur Auswahl einer TAN oder eines vergleichbaren Passworts aus einer Datei über eine Datenleitung an einen Autorisierungsrechner (2) sendet,

- dass in einem 2. Schritt der Autorisierungsrechner (2) die TAN oder das vergleichbare Passwort generiert oder aus einer Datei auswählt,

- dass in einem 3. Schritt der Autorisierungsrechner (2) die TAN oder das vergleichbare Passwort über eine

Funkverbindung an einen Empfänger (3) sendet,

- dass in einem 4. Schritt der Benutzer diese TAN oder

das vergleichbare Passwort von dem Empfänger abliest,

- in einem 5. Schritt manuell in das Dateneingabegerät (1) eingibt,

- dass in einem 6. Schritt dies [sic] TAN oder das

vergleichbare Passwort über die Datenleitung wieder an den Autorisierungsrechner (2) übermittelt wird,

- dass in einem 7. Schritt der Autorisierungsrechner (2) prüft, ob diese TAN oder das vergleichbare Passwort noch

gültig ist, um dann

- in einem 8. Schritt einen Verbindungsaufbau zwischen

dem Dateneingabegerät und einer Empfangseinheit (4)

herzustellen oder freizuschalten,

wobei es sich um eine nur einmal verwendbare TAN oder

ein vergleichbares Passwort handelt, welche eine

vordefinierte Benutzerzeit haben."

VII. Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag der Beschwerdeführerin entspricht dem des Hauptantrags mit folgender Ergänzung im Anschluss an den 6. Schritt:

"wobei der Autorisierungsrechner (2) die Übereinstimmung zwischen allen von ihm vergebenen gültigen TANs oder vergleichbaren Passwörtern überprüft,"

VIII. Anspruch 1 gemäß dem zweiten Hilfsantrag der Beschwerdeführerin entspricht dem des Hauptantrags mit folgender Ergänzung:

"wobei der Autorisierungsrechner (2) die Übereinstimmung zwischen allen von ihm vergebenen gültigen TANs oder vergleichbaren Passwörtern überprüft, und wobei der Autorisierungsrechner (2) so programmiert ist, dass die Gültigkeit der TAN oder des vergleichbaren Passworts zwischen ihrer Versendung an den Empfänger (3) und ihrer Übermittlung über das Dateneingabegerät (1) zeitlich begrenzt ist."

IX. Anspruch 1 gemäß dem dritten Hilfsantrag der Beschwerdeführerin entspricht dem des zweiten Hilfsantrags mit folgender Ergänzung:

"und wobei die Gültigkeit der TAN oder des vergleichbaren Passworts von einer vordefinierten Anzahl der übertragenen Dateien und/oder einer vordefinierten Größe der übertragenen Dateien abhängig ist."

X. Zudem umfassen alle Anträge einen auf eine Vorrichtung mit Mitteln zur Ausführung der Schritte des Verfahrens gerichteten Anspruch.

XI. Die Beschwerdeführerin hat, insofern relevant zu der vorliegenden Entscheidung, im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag unterscheide sich von dem aus dem Dokument D1 bekannten Verfahren dadurch, dass der 5., 7. und 8. Schritt nicht aus D1 bekannt seien. Insbesondere werde gemäß Streitpatent im 5. Schritt des Verfahrens die TAN vom Benutzer eingegeben und nicht vom Verkäufer wie in D1. Zudem hänge im Unterschied zu D1 im Streitpatent die Benutzerzeit an der TAN. Somit umfasse die im 7. Schritt des Anspruchs 1 definierte Prüfung, ob die TAN noch gültig sei, die Maßnahme, dass die eingegebene TAN zunächst vom Autorisierungsrechner auf ihre Richtigkeit, d.h. auf ihre Übereinstimmung mit der vergebenen TAN, und erst dann auf ihre zeitliche Gültigkeit, d.h. ob sie innerhalb der zu der TAN gehörigen vordefinierten Benutzerzeit übermittelt wurde, geprüft werde. Weiter werde gemäß Anspruch 1, anders als bei der Kreditkartentransaktion in D1, im 8. Schritt ein Verbindungsaufbau zwischen dem Dateneingabegerät und einer Empfangseinheit hergestellt oder freigeschaltet.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag sei somit neu gegenüber D1. Die Änderungen gemäß dem ersten bis dritten Hilfsantrag definieren weitere Unterschiede gegenüber D1 und somit sei der Gegenstand der Ansprüche 1 dieser Hilfsanträge ebenfalls neu gegenüber D1.

XII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen wie folgt argumentiert:

Dokument D1 zeige nicht nur eine Kreditkartentransaktion sondern auch ein Verfahren zur Autorisierung eines sicheren Computerzugriffs. Dabei müsse der Benutzer den Code (TAN) für den Zugriff eingeben, wie im 5. Schritt des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin. Zudem werde dabei ein Verbindungsaufbau zwischen Dateneingabegerät und einer Empfangseinheit wie im 8. Schritt des Anspruchs 1 hergestellt oder freigeschaltet. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Reihenfolge, nach welcher zunächst die Übereinstimmung der eingegebenen TAN mit der vergebenen TAN, und erst dann die zeitliche Gültigkeit der TAN überprüft werde, sei weder dem Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag noch sonst dem Patent zu entnehmen. Die Prüfung im 7. Schritt des Anspruchs 1 entspreche somit der Prüfung der zeitlichen Gültigkeit des Codes mittels eines Timeout-Ablaufes in D1. Dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag fehle somit die Neuheit gegenüber D1. Die Änderungen gemäß dem ersten bis dritten Hilfsantrag, insofern diese verspäteten Anträge zuzulassen seien, und die vorgenommenen Änderungen ursprünglich offenbart seien, definieren auch keinen Unterschied gegenüber D1. Somit sei der Gegenstand der Ansprüche 1 dieser Hilfsanträge ebenfalls nicht neu gegenüber D1.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag der Beschwerdeführerin

2.1 Neuheit

2.1.1 Dokument D1 zeigt, in der Terminologie des Anspruchs 1, ein Verfahren zur Autorisierung in Datenübertragungssystemen unter Verwendung einer Transaktionsnummer (TAN) ("confirmation code"). Insbesondere zeigt D1 als Beispiel ein Autorisierungsverfahren für eine Transaktion, bei der ein Benutzer als Kunde eine Kredit- oder Debitkarte benutzt, um einen Verkäufer zu bezahlen (Spalte 5, Zeilen 15 bis 27; Spalte 13, Zeile 47 bis Spalte 17, Zeile 40; Spalte 19, Zeilen 28 bis 38; Figuren 9 bis 12). Insbesondere wird nach dem vierten Ausführungsbeispiel einer solchen Transaktion (Spalte 16, Zeile 51 bis Spalte 17, Zeile 40; Figur 12), nachdem in einem 1. Schritt über ein Dateneingabegerät ("card reader") eine Identifizierung des Benutzers zusammen mit der Aufforderung zur Generierung einer Transaktionsnummer über eine Datenleitung an einen Autorisierungsrechner gesendet worden ist, in einem 2. Schritt durch den Autorisierungsrechner eine TAN generiert (Spalte 17, Zeilen 2 bis 11; Figur 12, Schritt 41).

Anschließend wird in einem 3. Schritt vom Autorisierungsrechner die TAN über eine Funkverbindung an einen Empfänger (z.B. einen Pager) gesendet (Spalte 17, Zeilen 7 bis 11; Figur 12, Schritt 42).

In einem 4. Schritt liest der Benutzer diese TAN vom Empfänger ab. In einem 5. Schritt wird diese TAN manuell in das Dateneingabegerät eingegeben und in einem 6. Schritt über die Datenleitung wieder an den Autorisierungsrechner übermittelt (Spalte 17, Zeilen 17 bis 26; Figur 12, Schritt 42).

In D1 wird, wenn das System keine TAN als Antwort ("responsive confirmation code") empfängt, nachdem eine vorbestimmte Zeit abgelaufen ist, die Transaktion verweigert (Spalte 17, Zeilen 37 bis 40). Wie dem Diagramm der Figur 12 zu entnehmen ist, wird in Schritt 43 auf einen Input, der eine TAN beinhaltet, gewartet (Figur 12; Spalte 17, Zeilen 27 bis 31). In dem darauffolgenden Schritt 44 wird nach Ablauf einer vorbestimmten Zeit ("Timeout") eine negative Entscheidung getroffen und daraufhin ein Verweigerungscode gebildet (Figur 12). Wird andererseits die TAN innerhalb dieser vorbestimmten Zeit eingegeben (Figur 12, Schritt 43), dann wird die TAN, die für die Transaktion vergeben wurde, mit der empfangenen TAN verglichen, um sicherzustellen, dass der Benutzer tatsächlich eine Bestätigung der Autorisierung abgibt (Figur 12, Schritt 44). Wenn die vergebene TAN mit der empfangenen TAN übereinstimmt, autorisiert das System die Transaktion (Spalte 17, Zeilen 31 bis 37; Figur 12, Schritte 28 und 29).

Damit prüft in D1 in einem 7. Schritt der Autorisierungsrechner, ob diese TAN noch gültig ist, um dann in einem 8. Schritt die Transaktion zu autorisieren.

Bei jedem Transaktionsautorisierungsvorgang wird gemäß D1 eine neue TAN generiert. Damit verliert die vorhergehende TAN ihre Gültigkeit. Folglich handelt es sich in D1 um eine nur einmal verwendbare TAN. Zudem hat die TAN in D1 eine vordefinierte Benutzerzeit, die der vordefinierten Zeit entspricht, in der das System auf die Eingabe der TAN wartet, nach Ablauf welcher ("Timeout") die Autorisierung verweigert wird und die Benutzung der TAN nicht mehr möglich ist.

2.1.2 Zudem wird in D1 darauf hingewiesen, dass, obwohl die Ausführungsbeispiele, und damit auch das vorstehende, in Bezug auf den Wortlaut des Anspruchs 1 ausgewertete vierte Ausführungsbeispiel, sich auf eine Kauftransaktion mittels einer Kreditkarte konzentriert haben, die Prinzipien auf eine Reihe von anderen Anwendungen angewandt werden können, wie beispielweise auf Transaktionen für einen gesicherten Zugriff, wie etwa den Zugriff auf einen Computer (Spalte 19, Zeilen 28 bis 38).

Bei einem gesicherten Zugriff auf einen Computer ist aber, anders als in dem vorstehend diskutierten vierten Ausführungsbeispiel, üblicherweise kein Verkäufer oder sonstige dritte Partei vorhanden. Damit muss in diesem Fall zwangsläufig der Benutzer über das Dateneingabegerät selbst seine Identifizierung und/oder eine Identifizierungs-Kennung des Dateneingabegeräts zusammen mit der Aufforderung zur Generierung oder zur Auswahl einer TAN oder eines vergleichbaren Passworts aus einer Datei über eine Datenleitung an einen Autorisierungsrechner senden, wie es im ersten Schritt des beanspruchten Verfahrens beansprucht ist. Zudem wird der Benutzer selbst die von dem Empfänger abgelesene TAN manuell in das Dateneingabegerät eingeben müssen, wie im fünften Schritt des Anspruchs 1.

Außerdem wird bei einer Anwendung des vorstehenden Autorisierungsverfahrens für den Zugriff auf einen Computer ein Verbindungsaufbau zwischen dem Dateneingabegerät und dem Computer als Empfangseinheit hergestellt oder freigeschaltet, wie im achten Schritt des Anspruchs 1 gefordert.

2.1.3 Nach Meinung der Beschwerdeführerin sind der 5., 7. und 8. Schritt des Anspruchs 1 nicht aus D1 bekannt.

Insbesondere wurde von der Beschwerdeführerin argumentiert, dass im Unterschied zu D1 im Streitpatent die Benutzerzeit an der TAN hänge. Somit ergebe sich für die im siebten Schritt des Anspruchs 1 definierte Prüfung, ob die TAN noch gültig sei, dass zunächst die eingegebene TAN von dem Autorisierungsrechner auf ihre Richtigkeit, d.h. auf ihre Übereinstimmung mit der vergebenen TAN, geprüft werde, und erst dann auf ihre zeitliche Gültigkeit, d.h. ob sie innerhalb der zu der TAN gehörigen vordefinierten Benutzerzeit übermittelt wurde.

2.1.4 Gemäß D1 wird nach Eingabe des Bestätigungscodes ("confirmation code") überprüft, ob der gelieferte Bestätigungscode mit dem empfangenen Bestätigungscode übereinstimmt, worauf bei Übereinstimmung das System die Transaktion bewilligt. Wenn aber die Codes nicht übereinstimmen oder das System keinen Bestätigungscode innerhalb eines vorbestimmten Zeitraumes empfängt, wird die Transaktion abgelehnt (Spalte 17, Zeilen 35 bis 40 und "Timeout" in Figur 12).

Laut dem Streitpatent überprüft der Autorisierungsrechner, ob diese TAN (oder das vergleichbare Passwort) noch gültig ist. Zu diesem Zweck kann der Autorisierungsrechner so programmiert sein, dass die Gültigkeit der TAN (oder des vergleichbaren Passworts) zwischen ihrer Versendung an den Empfänger (3) und ihrer Übermittlung über das Dateneingabegerät (1) zeitlich begrenzt ist. Die zeitliche Begrenzung kann beispielsweise zwei Minuten betragen (Patent, Absatz [0035] bzw. ursprüngliche Anmeldung, Seite 9, Zeilen 22 bis 28).

Damit entspricht die vorstehende Programmierung des Autorisierungsrechners einem Timeout wie in D1, wobei die beanspruchte vordefinierte Benutzerzeit der TAN, wie in D1, dem Zeitraum ab Versendung der TAN an den Benutzer entspricht, innerhalb welchem die TAN, wenn vom System empfangen, noch für gültig gehalten wird.

Eine besondere Zuordnung der Benutzerzeit zu der jeweiligen TAN, die zunächst eine Identifizierung der TAN mittels einer Überprüfung der TAN auf ihre Übereinstimmung mit der vergebenen TAN erforderlich machen würde, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, ist in dem Streitpatent an keiner Stelle erwähnt und auch nicht notwendig. Wie dem Anspruch 1 und auch sonst dem Streitpatent zu entnehmen ist, wird dem Benutzer für die Autorisierung eine einzige TAN übermittelt, die anschließend, nach Eingabe durch den Benutzer in dem Eingabegerät, wieder an den Autorisierungsrechner übermittelt wird. Die Benutzerzeit ist somit zwangsläufig dieser einen TAN zugeordnet und eine vorrangige Prüfung der TAN auf ihrer Richtigkeit daher nicht erforderlich. Folglich ist grundsätzlich sowohl eine Richtigkeitsprüfung und anschließende zeitliche Gültigkeitsprüfung, als auch die umgekehrte Reihenfolge dieser beiden Prüfungen möglich.

In D1 findet durch den Timeout-Vorgang zunächst die zeitliche Gültigkeitsprüfung statt. Falls die Benutzerzeit nicht überschritten ist und somit kein Timeout eintritt, findet anschließend die Überprüfung der Richtigkeit der TAN statt.

Anspruch 1 definiert im 7. Schritt, mit der Prüfung, ob die TAN noch gültig ist, lediglich die Überprüfung der zeitlichen Gültigkeit der TAN und lässt offen, ob eine Prüfung der Richtigkeit vorher oder nachher stattfindet.

2.1.5 Auch wurde von der Beschwerdeführerin argumentiert, dass die Lehre der D1 aus einer ersten Liste mit Ausführungsbeispielen bestehe, die auf eine Kreditkartentransaktion gerichtet seien, und einer zweiten Liste mit möglichen weiteren Anwendungen. Eine Auswahl aus zwei Listen sei aber nach dem Zwei-Listen-Prinzip grundsätzlich neu.

2.1.6 Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin muss jedoch im vorliegenden Fall nicht eine Auswahl aus zwei oder mehr Listen einer gewissen Länge getroffen werden, um eine spezifische Kombination von Merkmalen zu erhalten. Vielmehr zeigt D1 verschiedene andere Anwendungen außer der Kreditkartentransaktion, anhand derer die Ausführungsbeispiele der D1 näher erläutert sind. Somit liegt hier keine Auswahl der Anwendung im Sinne einer Auswahlerfindung vor, sondern es gelten alle Anwendungsmöglichkeiten als in D1 offenbart. Dabei sind die Ausführungsbeispiele im Lichte der verschiedenen angezeigten Anwendungen zu verstehen.

2.1.7 Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag gegenüber D1 nicht neu (Artikel 54(1) und (2) EPÜ 1973).

Der Hauptantrag der Beschwerdeführerin ist somit nicht gewährbar.

3. Frage zur Vorlage an die Große Beschwerdekammer

3.1 In der angefochtenen Entscheidung wurden von der Einspruchsabteilung zwei Merkmale des Anspruchs 1 gemäß dem damaligen Hauptantrag, welcher mit dem vorliegenden Anspruch 1 des Hauptantrags im Beschwerdeverfahren übereinstimmt, als sich von D1 unterscheidend herausgearbeitet (Entscheidungsgründe, Punkt 2.3).

Gemäß der angefochtenen Entscheidung sei der Gegenstand des Anspruchs 1 somit neu gegenüber D1.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe aber laut angefochtener Entscheidung gegenüber D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Aus diesem Grund, und weil auch der Hilfsantrag nicht gewährbar sei, wurde das Patent widerrufen (Entscheidungsgründe, Punkte 2 und 4).

3.2 Die Beschwerdeführerin sieht sich dadurch, dass die Kammer bezüglich des Hauptantrags zum Ergebnis kommt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber D1 nicht neu ist, im Vergleich zu der angefochtenen Entscheidung als einzige Beschwerdeführerin schlechter gestellt.

3.3 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist jedoch eine Verschlechterung für die Beschwerdeführerin unter den vorliegenden Umständen ausgeschlossen, da das Patent ohnehin widerrufen worden ist, so dass damit keine Verletzung des Verbots einer reformatio in peius vorliegt (vgl. auch "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", 6. Auflage 2010, VII.E.6.1.d).

Im Übrigen können von der Beschwerdeführerin schon deswegen keine Rechte aus einer bestimmten Feststellung in der Entscheidungsbegründung der Einspruchabteilung, wie im vorliegenden Fall der Feststellung der Neuheit des Anspruchsgegenstandes gegenüber D1, abgeleitet werden, da die Beschwerdegegnerin keine Beschwerde gegen eine solche Feststellung einlegen kann, da sie, weil ihrem Antrag auf Widerruf des Patents stattgegeben worden ist, nach Artikel 107 EPÜ 1973 nicht beschwert ist.

3.4 Die Kammer ist folglich in der Lage, vor dem Hintergrund einer gefestigten Rechtsprechung, diese Frage selbst zu entscheiden. Damit ist eine Vorlage an die Große Beschwerdekammer nicht erforderlich (Artikel 112(1)(a) EPÜ 1973).

4. Erster Hilfsantrag der Beschwerdeführerin

4.1 Der Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag der Beschwerdeführerin entspricht dem des Hauptantrags mit folgender Ergänzung im Anschluss des 6. Schrittes:

"wobei der Autorisierungsrechner (2) die Übereinstimmung zwischen allen von ihm vergebenen gültigen TANs oder vergleichbaren Passwörtern überprüft,".

4.2 Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, den ersten Hilfsantrag mit dem erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten geänderten Anspruch 1, aufgrund der verspäteten Einreichung nicht ins Verfahren zuzulassen.

Gegenüber dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten ersten Hilfsantrag unterscheidet sich jedoch die in der mündlichen Verhandlung eingereichte Fassung des Anspruchs 1 nur dadurch, dass das letzte Anspruchsmerkmal innerhalb des Anspruchs verschoben wurde und sich nun im Anschluss des sechsten Schrittes des Verfahrens befindet. Die vorgenommene Änderung ist zudem als Versuch der Beschwerdeführerin zu werten, dem im Bezug auf den Hauptantrag in der Verhandlung ausführlich diskutierten Einwand, der Anspruch 1 würde die von der Beschwerdeführerin argumentierte Reihenfolge von Richtigkeitsprüfung der TAN und anschließender zeitlicher Gültigkeitsprüfung nicht definieren, auszuräumen. Insofern werfen die Änderungen keine neuen Fragen auf, deren Behandlung der Beschwerdegegnerin oder der Kammer ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten wäre (Artikel 13(3) VOBK).

Der in der mündlichen Verhandlung eingereichte erste Hilfsantrag der Beschwerdeführerin wird somit ins Verfahren zugelassen.

4.3 Laut Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung überprüft der Autorisierungsrechner, nach Übertragung der TAN, "nunmehr die Übereinstimmung zwischen allen (von ihm vergebenen) gültigen TANs (oder vergleichbaren Passwörtern) und ermöglicht nach dieser Autorisierungsprüfung eine Freigabe des Datenflusses zwischen dem Dateneingabegerät und einer Empfangseinheit. Bei der TAN (oder dem vergleichbaren Passwort) kann es sich um eine nur einmal verwendbare TAN handeln. Es sind jedoch auch andere Begrenzungen wie die Benutzerzeit und/oder die Zahl oder Größe der übertragenen Dateien für die Gültigkeit der TAN (oder des vergleichbaren Passworts) denkbar" (Seite 3, zweiter und dritter Absatz). Hieraus lässt sich aber nicht ableiten, dass der Autorisierungsrechner die Übereinstimmung zwischen allen von ihm vergebenen gültigen TANs (wohl gemeint ist zwischen der übermittelten TAN und allen von ihm vergebenen gültigen TANs) überprüft, bevor in dem siebten Schritt des beanspruchten Verfahrens der Autorisierungsrechner prüft, ob diese TAN oder das vergleichbare Passwort noch gültig ist.

Auch den restlichen Anmeldungsunterlagen ist die im Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags definierte Reihenfolge einer Richtigkeitsprüfung der TAN (Übereinstimmung) vor einer zeitlichen Gültigkeitsprüfung nicht zu entnehmen. Insbesondere geht auch aus der von der Beschwerdeführerin herangezogen Offenbarung des konkreten Ausführungsbeispiels in der Anmeldung (Seite 9, zweiter Absatz) eine solche Reihenfolge nicht hervor.

Damit geht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 123(2) EPÜ).

Der erste Hilfsantrag der Beschwerdeführerin ist somit nicht gewährbar.

5. Zweiter Hilfsantrag der Beschwerdeführerin

5.1 Der Anspruch 1 gemäß dem zweiten Hilfsantrag der Beschwerdeführerin enthält gegenüber dem des Hauptantrags folgende Ergänzung:

"wobei der Autorisierungsrechner (2) die Übereinstimmung zwischen allen von ihm vergebenen gültigen TANs oder vergleichbaren Passwörtern überprüft, und wobei der Autorisierungsrechner (2) so programmiert ist, dass die Gültigkeit der TAN oder des vergleichbaren Passworts zwischen ihrer Versendung an den Empfänger (3) und ihrer Übermittlung über das Dateneingabegerät (1) zeitlich begrenzt ist."

5.2 Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, auch den zweiten Hilfsantrag mit dem erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten geänderten Anspruch 1, aufgrund der verspäteten Einreichung nicht ins Verfahren zuzulassen.

Die Änderungen stammen jedoch im Wesentlichen aus den geänderten Ansprüchen 1 der bereits vor der mündlichen Verhandlung eingereichten ersten und zweiten Hilfsanträge und werfen auch keine neuen Fragen auf, deren Behandlung der Beschwerdegegnerin oder der Kammer ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten wäre (Artikel 13(3) VOBK).

Der in der mündlichen Verhandlung eingereichte zweite Hilfsantrag der Beschwerdeführerin wird somit ins Verfahren zugelassen.

5.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 basiert im Wesentlichen auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 3 sowie auf der ursprünglichen Beschreibung Seite 3, zweiter und dritter Absatz sowie Seite 9, zweiter Absatz.

5.4 Wie bereits vorstehend zum Hauptantrag dargelegt, wird auch in D1 von dem Autorisierungsrechner die Übereinstimmung zwischen der empfangenen TAN und der von ihm vergebenen gültigen TAN überprüft.

Gemäß D1 wird nur jeweils eine einzige TAN an den Benutzer vergeben und daraufhin die Übereinstimmung zwischen dieser und der empfangenen TAN überprüft. Aber auch in diesem Fall wird die Übereinstimmung zwischen "allen" vergebenen gültigen TANs, wie in Anspruch 1 definiert, überprüft.

5.5 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass im Gegensatz zu D1 das Verfahren nach dem Streitpatent in der Lage sei, die Vergabe mehrerer TANs, insbesondere mehrerer TANs an einen Benutzer, zu bewältigen. Dies werde durch die Überprüfung der Übereinstimmung zwischen der empfangenen TAN und allen vergebenen gültigen TANs ermöglicht, im Anschluss an welche die zugehörige Benutzerzeit ermittelt und damit die zeitliche Gültigkeit der TAN überprüft werden könne.

Es ist jedoch festzustellen, dass das in Anspruch 1 definierte Verfahren sich lediglich mit der Vergabe einer einzigen TAN befasst. Auch die Beschreibung offenbart an keiner Stelle die Vergabe von mehreren TANs an einen Benutzer. Auch bezieht sich, entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung, der Hinweis in der Beschreibung auf die Vergabe von TANs in größeren Blöcken (Patent, Absatz [0002]) nicht auf eine Ausführungsform der Erfindung, sondern auf ein bereits bekanntes, aus diesem Grund missbrauchsanfälliges Verfahren. Wenn überhaupt, führt dieser Hinweis somit gerade weg von der Vergabe mehrerer TANs an einen Benutzer.

5.6 Zudem entspricht die beanspruchte Programmierung des Autorisierungsrechners, wie bereits vorstehend zum Hauptantrag dargelegt, dem Timeout in D1. Dabei ist auch in D1 durch das Timeout die Gültigkeit der TAN zwischen ihrer Versendung an den Empfänger und ihrer Übermittlung über das Dateneingabegerät zeitlich begrenzt.

5.7 Die Beschwerdeführerin hat hierzu argumentiert, in D1 sei das Timeout nicht mit dem Versenden der TAN verbunden, sondern eher mit dem Verbindungsaufbau.

Gemäß D1 wartet das System, nach der Versendung der TAN an den Empfänger (Figur 12, Schritt 42), auf die Übermittlung der TAN über das Dateneingabegerät (Figur 12, Schritt 43) (Spalte 17, Zeilen 27 bis 31). Daraufhin wird die vergebene TAN mit der empfangenen TAN verglichen (Figur 12, Schritt 44) (Spalte 17, Zeilen 31 bis 35). Wenn die TANs nicht übereinstimmen, oder wenn das System keine TAN als Antwort ("responsive confirmation code") empfängt, nachdem eine vorbestimmte Zeit abgelaufen ist (d.h. bei einem Timeout), wird de Transaktion verweigert (Spalte 17, Zeilen 37 bis 40).

Es ist nach Auffassung der Kammer klar, dass dieses Ablaufen einer vorbestimmten Zeit sich auf das Warten des Systems, nach der Versendung der TAN, auf die Übermittlung der TAN bezieht. Damit aber ist, entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin, in D1 das Timeout mit dem Versenden der TAN verbunden.

5.8 Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem zweiten Hilfsantrag gegenüber D1 nicht neu (Artikel 54(1) und (2) EPÜ 1973).

Der zweite Hilfsantrag der Beschwerdeführerin ist somit ebenfalls nicht gewährbar.

6. Dritter Hilfsantrag der Beschwerdeführerin

6.1 Der Anspruch 1 gemäß dem dritten Hilfsantrag der Beschwerdeführerin enthält gegenüber dem des zweiten Hilfsantrags folgende Ergänzung:

"und wobei die Gültigkeit der TAN oder des vergleichbaren Passworts von einer vordefinierten Anzahl der übertragenen Dateien und/oder einer vordefinierten Größe der übertragenen Dateien abhängig ist."

6.2 Auch bei dem dritten Hilfsantrag mit dem erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten geänderten Anspruch 1 hat die Beschwerdegegnerin beantragt, diesen aufgrund der verspäteten Einreichung nicht ins Verfahren zuzulassen.

Tatsächlich wurde der dritte Hilfsantrag erst in einem fortgeschrittenen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgelegt. Zudem war der mündlichen Verhandlung ein mehrjähriges Einspruchsverfahren vorangegangen, im Laufe dessen das Patent bereits zum zweiten Mal von der Einspruchsabteilung widerrufen wurde. Damit hätte die Beschwerdeführerin die nunmehr als dritten Hilfsantrag vorgelegte Einschränkung des Anspruchsgegenstandes als Rückfallposition bereits wesentlich früher im Beschwerdeverfahren, wenn nicht schon im erstinstanzlichen Verfahren, vorbringen können.

Die Änderungen werfen eine Reihe von neuen Fragen auf, deren Behandlung der Beschwerdegegnerin und der Kammer ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist (Artikel 13(3) VOBK).

Der dritte Hilfsantrag der Beschwerdeführerin wird somit nicht ins Verfahren zugelassen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Befassung der Grossen Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.

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