European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T137609.20091006 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 October 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1376/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04012909.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | B23K 9/09 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Schutzgase und Verfahren zum Metall-Schutzgas-Fügen mit wechselnder Polarität | ||||||||
Name des Anmelders: | Linde AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (verneint) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 5. März 2009, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 04 012 909.0 widerrufen wurde. Zur Begründung hat die Prüfungsabteilung angeführt, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 2 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, weil der beanspruchte Gegenstand sich aus der naheliegenden Kombination der Dokumente
D12 EP-A-1 103 329 und
D8 EP-A-1 321 217;
D12 und
D5 EP-A-0 949 038 oder
D12 und
D10 EP-A-1 101 559
ergebe.
II. Am 30. April 2009 hat die Patentanmelderin Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die vorgeschriebene Beschwerdegebühr bezahlt, sowie die Beschwerdebegründung eingereicht. Die Beschwerdeführerin erläutert darin ihre Auffassung, dass die Zurückweisung der Patentanmeldung auf einer unzulässigen ex-post-Betrachtung beruhe und beantragt die Entscheidung aufzuheben und das Patent mit den gleichzeitig eingereichten Ansprüchen 1 und 2 zu erteilen sowie hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
III. Die Beschwerdekammer hat in ihrem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Bescheid vom 22. Juli 2009 mitgeteilt, dass das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren nur für Aluminium offenbart zu sein scheine, sowie dass die Beurteilung der Prüfungsabteilung in Bezug auf die mangelnde erfinderische Tätigkeit nachvollziehbar scheine.
IV. Mit Schreiben vom 1. September 2009 reichte die Beschwerdeführerin einen geänderten Antrag ein, der zwei Patentansprüche enthielt.
V. Am 6. Oktober 2009 fand eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein europäisches Patent auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentanspruchs zu erteilen.
Der einzige Anspruch lautet wie folgt:
"Verfahren zum Metall-Schutzgas-Schweißen von Aluminium, Aluminiumlegierungen, Titan, Titanlegierungen, Magnesiumlegierungen oder Nickelbasislegierungen mit wechselnder Polarität und abschmelzender Elektrode (MSG-AC), dadurch gekennzeichnet, dass ein Schutzgas verwendet wird, welches 10 - 55 % , vorzugsweise 25 - 35 % Helium, Argon oder ein anderes Inertgas und als Dotierungskomponente 0,01 bis 0,1 % O2 enthält, mit Hilfe dessen eine Oxidmenge am heißen Drahtende erzeugt wird, um Elektronen hier leichter austreten zu lassen."
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
D12 offenbare für das Schweißen von Aluminium und Aluminiumlegierungen die Verwendung von Argon als Schutzgas. Der Fachmann hätte keinen Grund davon abzuweichen. Die in D8 offenbarten Schutzgase beträfen nur MSG-DC Schweißverfahren und der Fachmann hätte keinen Anlass diese Schutzgase auch bei AC-Verfahren einzusetzen.
Des weiteren sei im Anspruch nun die besondere Funktion enthalten, die bei der Auswahl von Sauerstoff als Dotierungskomponente eine Rolle spielt. Ein derartiger Effekt sei im Stand der Technik nicht beschrieben. Daher beinhalte das beanspruchte Verfahren eine erfinderische Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
Die Frage, ob der Anspruch 1 die Erfordernisse der Artikel 84 EPÜ 1973 und 123(2) EPÜ erfüllt, kann dahinstehen, da die Kammer, wie im Folgenden dargestellt, keine erfinderische Tätigkeit im Gegenstand des Anspruchs 1 sieht.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Das in D12 offenbarte Verfahren stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar. Es offenbart den Oberbegriff des einzigen Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung, insofern als ein MSG-AC Schweißverfahren offenbart wird, wobei für das Schweißen von Aluminium Argon als Schutzgas verwendet wird (Spalte 24, Zeilen 28 - 35).
3.2 Der vorliegenden Erfindung liegt das technische Problem zugrunde, bei den aus D12 bekannte Verfahren unter Beibehaltung der Prozessstabilität, Nahtqualität und Arbeitsgeschwindigkeit alternative Gasmischungen einzusetzen.
3.3 Diese Aufgabe wird in der vorliegenden Anmeldung dadurch gelöst, dass ein Schutzgas verwendet wird, welches 10 - 55 % Helium, Argon oder ein anderes Inertgas und als Dotierungskomponente 0,01 bis 0,1 % Sauerstoff enthält. Die weiteren Merkmale des kennzeichnenden Teils betreffen einen vorzugsweise definierten Anteilsbereich an Helium bzw. erläutern die Wirkungsweise der Dotierungskomponente.
3.4 Ein mit obiger Aufgabenstellung konfrontierter Fachmann wird die Verwendbarkeit und den Einfluss der bekannten Schutzgase in Bezug auf dieses Verfahren in Betracht ziehen. Auch gemäß Absatz [0007] der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung wird davon ausgegangen, dass der Fachmann zunächst die vom typischen DC-Prozess bekannten Gase auch für die AC-Technik einsetzt, insbesondere, wenn es um das Schweißen von Aluminium oder Aluminiumlegierungen geht.
3.5 Ein Verfahren zur Herstellung einer Schutzgasmischung offenbart D8 und bleibt bezüglich der verwendeten Elektroden, sowie des DC- oder AC-Schweißverfahrens unspezifisch. Die Vorteile der beschriebenen Schutzgasmischungen beim Lichtbogen-Schweißen und Lichtbogen-Löten von Aluminium und Aluminiumlegierungen sowie Nickel-Basis-Legierungen, welches Helium beinhaltet, werden dargestellt (Absätze [0012, 0013, 0020, 0022]). Demzufolge ist diese Schutzgasmischung für diese Materialien und Methoden im Prinzip geeignet. In Absatz [0013] wird diesbezüglich ein bevorzugter Helium-Anteil von 10 - 50 % offenbart.
3.6 In den Absätzen [0012] und [0016] verweist D8 auf eine Gasvormischung, welche neben Helium und/oder Argon ein Dotiergas in einer Konzentration von 0,005 bis 1 % enthält, wobei die Konzentration des Dotiergases in der fertigen Schweißschutzgasmischung zwischen 0,001 und 0,7 % liegen soll. Als vorteilhafte Dotiergase werden reine Gase oder Gemische aus NO, N2, O2 oder CO2 offenbart (Absatz [0014, 0017]). Diese würden zum einen für gutes Nahtaussehen und Oxidationsvermeidung sorgen und zum anderen für eine Verbesserung der Lichtbogen-Stabilität (Absatz [0012, 0014]). Eine derartig dotierte Schutzgasmischung ist daher geeignet, die gestellte Aufgabe zu lösen.
3.7 D8 gibt keinen Hinweis auf einen Effekt, der ausschließlich mit einem der Dotiergase zu erzielen wäre. In den Absätzen [0019 - 0022] offenbart D8 drei Beispiele. In Beispiel 1 wird als Dotiergas 0,03 % NO verwendet und als hervorragend geeignet zum Schweißen von Aluminium und Aluminium-Legierungen empfohlen; in Beispiel 2 wird als Dotiergas 0,03 % O2 verwendet und als hervorragend geeignet zum Fügen von Aluminium und Stahlblechen dargestellt; in Beispiel 3 wird als Dotiergas 0,05 % CO2 verwendet und als hervorragend für das Metall-Schutzgas-Schweißen von Nickel-Basis-Legierungen offenbart. Aus diesen Beispielen kann der Fachmann entnehmen, dass sowohl die Auswahl des Dotiergases als auch der Anteil des Dotiergases den Gegebenheiten des speziellen Verfahrens (Art und Dicke des Metalls, Art des Verfahrens, Werte der elektrischen Leistung) angepasst werden muss. Die allgemeine Lehre der D8, dass die Dotiergase alternativ zu verwenden seien, wird durch keines der Beispiele in Frage gestellt oder gar negiert.
3.8 Ein Effekt, der durch die Auswahl von O2 als Dotierungskomponente über die durch die ansonsten identischen Gasmischungen mit den alternativen Dotierungskomponenten NO, N2 oder CO2 zu erzielenden Effekte hinausgeht, ist auch in der vorliegenden Anmeldung nicht offenbart. Die Auswahl von O2 als Dotierungskomponente ist daher willkürlich und eine erfinderische Tätigkeit kann dadurch nicht begründet werden.
3.9 In Bezug auf den Anteilsbereich der Dotierkomponenten verweisen die in D8 offenbarten Beispiele darauf, die Dotierkomponenten NO, O2 oder CO2 in einer Konzentration von 0,03 % (NO oder O2) beziehungsweise 0,05 % (CO2) in Verbindung mit Argon und Helium zu verwenden. Damit wird der mittlere Bereich des insgesamt offenbarten Bereichs von 0,001 bis 0,7 % als bevorzugt herausgestellt. Da somit alle drei Beispiele der D8 das Dotiergas im nunmehr beanspruchten Bereich von 0,01 bis 0,1 % offenbaren, kann in der Auswahl des gewählten Bereiches keine erfinderische Tätigkeit erkannt werden, zumal wiederum keine Beispiele in der vorliegenden Anmeldung einen aus dieser Auswahl resultierenden Effekt belegen.
3.10 Es ist sogar festzustellen, dass mit Blick auf die Beschreibung (Absatz [0019]) der vorliegenden Anmeldung nicht belegt ist, dass die der Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe überhaupt im gesamten beanspruchten Bereich gelöst ist. Gemäß der Beschreibung in Spalte 4, Zeilen 25-28, der Anmeldung heißt es in Zusammenhang mit dem dort beschriebenen Lichtbogen - stabilisierenden Effekt: "Der Effekt konnte schon bei 0,03% O2, bzw. 0,05% CO2, bzw. 0,0275% NO, bzw. 0,02% N2 in Ar oder Ar/He-Gemischen beobachtet werden". Demnach ist dieser Lichtbogen - stabilisierende Effekt zum einen sowohl mit O2 als auch mit den alternativen Dotierungsgasen CO2, NO und N2 beobachtbar, zum anderen gibt es diesbezüglich jeweils unterschiedliche untere Grenzen. Für den beanspruchten Teilbereich von 0,01 - 0,02 % wird somit bei der Verwendung von O2 als Dotierungskomponente kein Lichtbogen - stabilisierender Effekt beobachtet. Ohne diesen Lichtbogen - stabilisierenden Effekt bleibt es jedoch fraglich, ob die gestellte Aufgabe (verbesserte Prozessstabilität und Nahtqualität sowie erhöhte Arbeitsgeschwindigkeit) überhaupt erreicht werden können.
3.11 Die theoretische Begründung des Effekts, welche dem Anspruch zugefügt wurde ("mit Hilfe dessen eine Oxidmenge am heißen Drahtende erzeugt wird, um Elektronen hier leichter austreten zu lassen") trifft laut Beschreibung, Absatz [0019], auch auf die nicht beanspruchten Dotiergase (wie CO2 und NO) zu. Sie kann somit keinen überraschenden Effekt für die Auswahl von O2 begründen und stellt zudem kein unabhängiges zusätzliches Merkmal dar, um das der Anspruch ergänzt wurde, sondern erläutert lediglich, warum die Wirkung der Dotierungskomponenten theoretisch plausibel ist. Derartige theoretische Erläuterungen stellen kein technisches Merkmal dar, das eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte.
3.12 Die aus D8 bekannte bevorzugte Schutzgasmischung ist somit geeignet, die gestellte Aufgabe zu lösen und würde daher in dem Verfahren gemäß D12 zumindest ausprobiert werden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 der vorliegenden Patentanmeldung weist daher keine erfinderische Tätigkeit auf.
3.13 Die Meinung der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann ausgehend von D8 NO (und nicht O2) als Dotiergas gewählt hätte, beruht zum einen auf Beispiel 1. Da jedoch gemäß der Beschreibung der D8 (Absätze [0014, 0017]) die Dotiergase NO, N2, O2 und CO2 als gleichwertige Alternativen dargestellt sind und sie einzeln oder im Gemisch verwendet werden können, kann nicht angenommen werden, dass dieses eine Beispiel den Fachmann davon überzeugen würde, dass grundsätzlich nur NO für das MSG-AC Schweißen von Aluminium, Aluminiumlegierungen, Titan, Titanlegierungen, Magnesiumlegierungen oder Nickelbasislegierungen in Betracht zu ziehen wäre.
3.14 Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann ausgehend von D8 NO (und nicht O2) als Dotiergas gewählt hätte, beruht zum anderen auf der Offenbarung in den Absätzen [0015 - 0018]. Diese Absätze beinhalten, dass eine Verwendung von maximal 0,1 % NO vorteilhaft ist, da dann zum einen die Kennzeichnungspflicht nach der "Gefahrenverordnung Straße" entfällt und zum anderen der Umgang mit der Gasmischung unproblematisch ist, da erst Konzentrationen von über 2,3 % NO als giftig und ätzend gelten. Derartige Überlegungen entfallen bei der Verwendung von O2 als Dotierkomponente, da es weder giftig noch ätzend ist. Die Kenntnis dieser Sachlage NO betreffend beeinflusst jedoch nicht die grundlegenden Ausführungen in der Beschreibung der D8 (Absätze [0014, 0017]), welche die Dotiergase NO, N2, O2 und CO2 als gleichwertige Alternativen darstellt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.