European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T127709.20111201 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 01 Dezember 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1277/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99102643.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | C09J 7/02 C09J 7/04 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Foggingfreies Klebeband | ||||||||
Name des Anmelders: | TESA SE | ||||||||
Name des Einsprechenden: | BASF SE LOHMANN GmbH & Co KG certoplast Vorwerk & Sohn GmbH |
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Kammer: | 3.3.09 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Unzureichende Offenbarung - bejaht (Hauptantrag, Hilfsanträge III und V) Änderungen - Erweiterung - bejaht (Hilfsanträge I, II, IV und VI) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde des Patentinhabers richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent EP 0 937 761 zu widerrufen.
II. Die Einsprechenden BASF Aktiengesellschaft (Einsprechender 01, jetzt "BASF SE"), LOHMANN GmbH & Co. KG (Einsprechender 02), certoplast Vorwerk & Sohn GmbH (Einsprechender 03) und Coroplast Fritz Müller GmbH & Co. KG (Einsprechender 04) hatten den Widerruf des Patentes im gesamten Umfang auf der Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) sowie Artikel 100 b) EPÜ beantragt.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2003 wurde der Einspruch des Einsprechenden 04 zurückgenommen.
Im Einspruchsverfahren wurde u. a. vorgelegt:
U13: US 5,681,654 A.
III. Der am 22. Januar 2009 mündlich verkündeten und am 2. März 2009 schriftlich begründeten Entscheidung der Einspruchsabteilung lagen die in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegten bzw. umnummerierten Anträge (Hauptantrag sowie Hilfsanträge 1-4) zugrunde.
Anspruch 1 des Hauptantrages lautete wie folgt:
"1. Verwendung eines foggingfreien Selbstklebebands zur Ummantelung eines Kabelbaums, umfassend einen foggingfreien Träger aus Gewebe, Vliesen, Folien, Papier, Filze, Schaumstoff oder Coextrudat, auf den zumindest einseitig eine foggingfreie, druckempfindliche Klebemasse auf Acrylathotmelt-Basis mit einem K-Wert von mindestens 20 aufgetragen ist."
Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 unterschied sich von Anspruch 1 des Hauptantrages lediglich dadurch, dass die Klebemasse auf Acrylathotmelt-Basis durch das Merkmal "UV-vernetzt" eingeschränkt wurde.
IV. Die Auffassung der Einspruchsabteilung kann wie folgt zusammengefasst werden:
Der Hauptantrag erfülle die Erfordernisse der Artikel 123(2) und (3) EPÜ. Jedoch sei die Erfindung gemäß Hauptantrag nicht ausreichend offenbart. Insbesondere seien anspruchsgemäß unvernetzte Klebemassen mitumfasst, die, wie Beispiel 2 des Streitpatentes belege, das erfindungsgemäße Ziel der Foggingfreiheit nicht erreichten.
Der Gegenstand des Hilfsantrages 1 stehe im Einklang mit den Erfordernissen des Artikels 123(2) und (3) sowie 84 EPÜ. Auch die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ seien erfüllt. Beispiel 1 gebe wenigstens einen Weg zur Ausführung der beanspruchten Erfindung an und enthalte ausreichende Informationen über Einzelheiten, insbesondere auch über die UV-Vernetzung. Auch das Beispiel 2, das als Vergleichsbeispiel anzusehen sei, verdeutliche, was bei der Ausführung berücksichtigt werden müsse. In der Beschreibung gebe es auch Verweise auf im Handel erhältliche Acrylathotmeltklebemassen mit den gewünschten K-Werten, wie Acronal® DS 3458. Daher sei es für den Fachmann möglich, die Erfindung ohne unzumutbaren Aufwand auszuführen. Die Behauptung, dass der Aufwand, herauszufinden, ob Foggingfreiheit vorliege, unzumutbar sei, könne nicht überzeugen, weil der Fachmann mit Hilfe der im Streitpatent gemachten Angaben und der darin enthaltenen Messmethode in der Lage sei, festzustellen, ob sich das gewünschte Ergebnis einstelle.
Auch die Neuheit des Hilfsantrages 1 sei zu bejahen. Jedoch sei der Gegenstand des Hilfsantrages 1 nicht erfinderisch. Gleiches gelte für die Hilfsanträge 2-4.
V. Gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer (Patentinhaber) am 11. Mai 2009 Beschwerde ein, wobei die vorgeschriebene Gebühr am selben Tag entrichtet wurde. Die Einreichung der Beschwerdebegründung erfolgte am 10. Juli 2009 zusammen mit einem Hauptantrag sowie einem Hilfsantrag I.
VI. Die Erwiderungen der Beschwerdegegner I-III (Einsprechende 01-03) erfolgten mit Schreiben vom 12. November 2009 (Beschwerdegegner I), 24. November 2009 (Beschwerdegegner II) und 1. Februar 2010 (Beschwerdegegner III).
VII. Mit Bescheid vom 25. März 2011 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung geladen. In der der Ladung beigefügten Anlage wurde von der Kammer ausgeführt, dass es fraglich sei, ob das Streitpatent eine verallgemeinerbare Lehre enthalte, wie Klebemassen auf Acrylathotmelt-Basis erhalten werden können, die die von Anspruch 1 geforderte Foggingfreiheit aufweisen. Insbesondere scheine im Hinblick auf Beispiel 2 eine Vernetzung allein nicht zu genügen, um die anspruchsgemäße Foggingfreiheit zu erreichen. Darüber hinaus sei die in der Beschreibung und in den Beispielen gegebene Information auf eine spezifische Acrylathotmeltklebemasse (Acronal® DS 3458) beschränkt. Es erscheine daher zumindest fraglich, ob die in der Beschreibung des Streitpatentes enthaltene Lehre auf weitere, von Acronal® DS 3458 verschiedene Acrylathotmeltklebemassen verallgemeinert werden könne.
VIII. Mit Schreiben vom 1. November 2011 wurden vom Beschwerdeführer ein neuer Hauptantrag sowie Hilfsanträge I-VI vorgelegt, wobei Anspruch 1 des Hauptantrages wie folgt lautet:
"1. Verwendung eines foggingfreien Selbstklebebands zur Ummantelung eines Kabelbaums, umfassend einen foggingfreien Träger aus Gewebe, Vliesen, Folien, Papier, Filze, Schaumstoff und Coextrudat, auf den zumindest einseitig eine foggingfreie, UV-vernetzte, druckempfindliche Klebemasse auf Acrylathotmelt-Basis aufgetragen ist, wobei die Klebemasse vor der Vernetzung einen K-Wert von mindestens 20 aufweist." [Hauptantrag]
Anspruch 1 der jeweiligen Hilfsanträge unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrages lediglich dadurch, dass folgende Merkmale am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurden:
- "und wobei die Vernetzung so weit erfolgt, dass die Klebemasse kein Fogging zeigt" [Hilfsantrag I];
- "und wobei die Vernetzung so weit erfolgt, dass das Selbstklebeband einen Foggingwert von 100 aufweist" [Hilfsantrag II];
- "und wobei das Selbstklebeband einen Foggingwert von 100 aufweist" [Hilfsantrag III];
- "wobei die Vernetzung so weit erfolgt, dass die Klebemasse kein Fogging zeigt, und wobei das Selbstklebeband einen Foggingwert von 100 aufweist" [Hilfsantrag IV];
- "und wobei foggingfrei einen Messwert nach den jeweiligen Methoden bedeutet von
nach Ford FLTM BO 116-03 100
nach Volvo STD1027,2711 100
nach VW - PV3015 <3mg" [Hilfsantrag V];
- "und wobei die Vernetzung soweit erfolgt, dass die Klebemasse kein Fogging zeigt, und wobei foggingfrei einen Messwert nach den jeweiligen Methoden bedeutet von
nach Ford FLTM BO 116-03 100
nach Volvo STD1027,2711 100
nach VW - PV3015 <3mg" [Hilfsantrag VI].
IX. Am 1. Dezember 2011 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Die Parteien hielten an ihren im schriftlichen Verfahren gestellten Anträgen fest. Neue Anträge wurden nicht gestellt.
X. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente können, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, wie folgt zusammengefasst werden:
Die im Hauptantrag vorgenommenen Änderungen erfüllten die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 84 EPÜ. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Hauptantrages hinsichtlich der anspruchsgemäß geforderten Foggingfreiheit ausreichend offenbart. Im Beispiel 1 des Streitpatentes würde ein mit Acronal® DS 3458 beschichteter Träger vernetzt und ein Foggingwert von 100, d. h. Foggingfreiheit erhalten. Im Beispiel 2 des Streitpatentes würde die Vernetzung bei geringerer Strahlendosis erfolgen und nur ein Foggingwert von 84 erreicht. Es werde in Beispiel 2 darauf hingewiesen, dass bei reduzierter Vernetzungsdosis ein guter Foggingwert auftritt. Der Fachmann würde hieraus ableiten, dass die fehlende Foggingfreiheit in Beispiel 2 durch die im Vergleich zu Beispiel 1 geringere Vernetzungsdosis hervorgerufen wird. Es sei daher für den Fachmann offensichtlich, dass die Klebemasse mit ausreichender Intensität vernetzt werden müsse, um ein Fogging zu verhindern. Der Fachmann brauche somit lediglich in Routineexperimenten die Vernetzungsdosis soweit zu steigern, bis der anspruchsgemäße Foggingwert von 100, d. h. Foggingfreiheit erhalten würde. Hierbei sei die UV-Vernetzung an sich bekannt, was dadurch bestätigt würde, dass in keinem der im Streitpatent zitierten Dokumente Einzelheiten zur UV-Vernetzung enthalten seien.
Hinsichtlich der Hilfsanträge wurde ausgeführt, dass die darin vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen der Artikel 123(2) und 84 EPÜ genügen.
XI. Die von den Beschwerdegegnern vorgebrachten Argumente können, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, wie folgt zusammengefasst werden:
Der Gegenstand des Hauptantrages sei nicht ausreichend offenbart. Der Fachmann wisse nicht, welche Vernetzungsdosis erforderlich sei, um die anspruchsgemäße Foggingfreiheit zu erreichen. Der Aussage in Beispiel 2 des Streitpatents, dass bei reduzierter Vernetzungsdosis ein guter Foggingwert auftritt, sei kein Zusammenhang zwischen Vernetzungsdosis und Foggingfreiheit entnehmbar. Wenn überhaupt, so folge aus dieser Aussage im Umkehrschluss, dass bei erhöhter Vernetzungsdosis gerade keine Foggingfreiheit gegeben sei. Darüber hinaus werde in den Beispielen explizit darauf hingewiesen, dass die Vernetzungsdosis einen Einfluss auf die klebetechnischen Eigenschaften habe, an keiner Stelle werde jedoch ein Einfluss auf das Foggingverhalten beschrieben. Unabhängig hiervon läge ein Offenbarungsmangel auch deswegen vor, weil im Streitpatent keine Lehre vorhanden sei, wie im Falle anderer Klebemassen vorzugehen sei, um die anspruchsgemäße Foggingfreiheit zu erreichen.
Die Hilfsanträge erfüllten nicht die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 84 EPÜ.
XII. Hinsichtlich des Hauptantrages wurde von der Kammer in der mündlichen Verhandlung noch darauf hingewiesen, dass sich Beispiel 1 und 2 des Streitpatents nicht nur in der Vernetzungsdosis, sondern zusätzlich durch weitere Merkmale unterscheiden. Auch aus diesem Grund sei kein Einfluss der Vernetzungsdosis auf das Foggingverhalten aus den Beispielen ableitbar. Bezüglich des Dokumentes U13 wurde dargelegt, dass es sich bei diesem Dokument nicht um allgemeines Fachwissen handelt und dieses Dokument daher nicht für die Frage der ausreichenden Offenbarung des Hauptantrages relevant sei.
Ferner wurde darauf hingewiesen, dass die mangelnde Offenbarung des Hauptantrages eine mangelnde Offenbarung der Hilfsanträge III und V sowie einen Verstoß der Hilfsanträge I, II, IV und VI gegen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ bedinge.
XIII. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge I-VI, alle Anträge eingereicht mit Schreiben vom 1. November 2011.
XIV. Die Beschwerdegegner (Einsprechende 01-03) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Ausreichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ)
2.1 Zur Erfüllung des in Artikel 100 b) EPÜ verankerten Erfordernisses der ausreichenden Offenbarung muss der Fachmann in der Lage sein, auf der Grundlage der Streitpatentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, sofern nötig unter Zuhilfenahme seines allgemeinen Fachwissens, die in den Ansprüchen definierte Erfindung auszuführen.
2.2 Im vorliegenden Fall ist Anspruch 1 des Hauptantrages auf die Verwendung eines foggingfreien Selbstklebebandes zur Ummantelung eines Kabelbaums gerichtet, wobei das Selbstklebeband einen foggingfreien Träger aus Gewebe, Vliesen, Folien, Papier, Filze, Schaumstoff und Coextrudat umfasst, und auf den Träger zumindest einseitig eine foggingfreie, UV-vernetzte, druckempfindliche Klebemasse auf Acrylathotmelt-Basis aufgetragen ist und wobei die Klebemasse vor der Vernetzung einen K-Wert von mindestens 20 aufweist.
Um die durch den Anspruch definierte Verwendung ausführen zu können, müssen dem Fachmann die im Anspruch definierten, foggingfreien Selbstklebebänder zur Verfügung stehen.
2.2.1 Zur Herstellung solcher foggingfreier Selbstklebebänder wird in der ursprünglich eingereichten Anmeldung vorgeschlagen, einen Träger mit einer Klebemasse auf Acrylathotmelt-Basis zu beschichten, wobei die Klebemasse einen K-Wert von mindestens 20 aufweist und erhalten wird durch Aufkonzentrieren einer Lösung einer solchen Masse zu einem als Hotmelt verarbeitbaren System (5. Absatz der Seite 5 der ursprünglich eingereichten Anmeldung). Als einzige spezifische Klebemasse offenbart die ursprünglich eingereichte Anmeldung Acronal® DS 3458 (beginnend mit dem 4. Absatz der Seite 7). Es wird festgestellt, dass nach Vernetzung dieser Klebemasse ein Foggingwert von circa 100 erreicht wird (letzter Absatz der Seite 7 und erster Absatz der Seite 8). Eine spezielle Ausführungsform eines foggingfreien Selbstklebebandes auf Basis von vernetztem Acronal® DS 3458 ist in Beispiel 1 dargestellt. In diesem Beispiel wird ein Vliesträger sowie ein Gurtband mit 80 g/m**(2) beziehungsweise 50 g/m² Acronal® DS 3458, welches eine Temperatur von 90-110ºC beziehungsweise 80ºC aufweist, beschichtet, und jeweils mit 6 Mitteldruck Hg-Lampen à 120 W/cm vernetzt. Es resultiert ein Foggingwert von 100. Gemäß dem drittletzten Absatz der Seite 9 entspricht ein solcher Foggingwert einem foggingfreien Artikel.
Somit erhält der Fachmann aus der Beschreibung, sowie Beispiel 1 des Streitpatentes in seiner ursprünglich eingereichten Fassung die Information, dass er zum Erhalt einer foggingfreien Klebemasse und damit eines foggingfreien Selbstklebebandes Acronal® DS 3458 vernetzen muss.
2.2.2 Diese Lehre steht jedoch im Widerspruch zu Beispiel 2 des Streitpatents. In diesem Beispiel wird ein Pflasterfolienträger mit 38 g/m² Acronal® DS 3458, welches eine Temperatur von 145ºC aufweist, beschichtet und mit 4 Mitteldruck Hg-Lampen à 120 W/cm vernetzt. Das resultierende Selbstklebeband weist lediglich einen Foggingwert von 84 auf. Somit genügt eine Vernetzung von Acronal® DS 3458 allein nicht, um ein anspruchsgemäßes, foggingfreies (Foggingwert von 100) Selbstklebeband zu erhalten.
2.3 Es stellt sich daher hinsichtlich der ausreichenden Offenbarung die Frage, ob die Streitpatentschrift in ihrer ursprünglich eingereichten Form eine Lehre darüber enthält, welche zusätzliche Verfahrensmaßnahme im Falle des Beispiels 2 zu ergreifen ist, um zu einem anspruchsgemäßen foggingfreien Selbstklebeband zu gelangen.
2.3.1 Gemäß Beschwerdeführer würde der Fachmann dem Beispiel 2 des Streitpatentes entnehmen, dass die fehlende Foggingfreiheit in diesem Beispiel durch die im Vergleich zu Beispiel 1 geringere Vernetzungsdosis hervorgerufen wird. Hierbei stützte der Beschwerdeführer seine Argumentation insbesondere auf den ersten Satz der Seite 11 der ursprünglich eingereichten Anmeldung, der wie folgt lautet:
"Auch dieses Material [des Beispiels 2] weist bei reduzierter Vernetzungsdosis einen guten Fogging-Wert auf" (Hinzufügung in Klammern durch die Kammer).
Auf der Grundlage dieser Aussage in Beispiel 2 sei es für den Fachmann offensichtlich, dass die Klebemasse mit ausreichender Intensität vernetzt werden müsse, um ein Fogging zu verhindern. Der Fachmann brauche daher lediglich in Routineexperimenten die Vernetzungsdosis soweit zu steigern, bis der anspruchsgemäße Foggingwert von 100, d. h. Foggingfreiheit, erhalten würde. Dem Fachmann stünden somit foggingfreie Selbstklebebänder zur Verfügung, so dass er die in Anspruch 1 definierte Erfindung ausführen könne.
2.3.2 Die Kammer kann sich den Ausführungen des Beschwerdeführers aus folgenden Gründen nicht anschließen:
Es ist zwar richtig, dass in Beispiel 2 nur ein Foggingwert von 84 erreicht wird und dieser Foggingwert geringer ist, als der in Beispiel 1 erhaltene Wert von 100. Die vom Beschwerdeführer angezogene Textstelle des Beispiels 2 enthält jedoch keinerlei Kausalzusammenhang zwischen diesem geringeren Foggingwert in Beispiel 2 einerseits und der reduzierten Vernetzungsdosis andererseits. Insbesondere kann dieser Textstelle kein Kausalzusammenhang dahingehend entnommen werden, dass zum Erreichen einer Foggingfreiheit (Foggingwert von 100) eine erhöhte Vernetzungsdosis erforderlich ist. Im Gegenteil könnte diese Textstelle auch so verstanden werden, dass bei einer Erhöhung der Vernetzungsdosis gerade keine guten Foggingwerte mehr und damit keine Foggingfreiheit erhalten wird.
Auch der übrigen Offenbarung der Beispiele 1 und 2 kann nicht entnommen werden, dass die fehlende Foggingfreiheit in Beispiel 2 auf eine zu geringe Vernetzungsdosis zurückgeht. Insbesondere liegen neben der reduzierten Vernetzungsdosis weitere Unterschiede zwischen Beispiel 2 und 1 vor, beispielsweise hinsichtlich der Art des Trägers, sowie der Temperatur und der Menge der Klebemasse pro Fläche. Somit könnte die fehlende Foggingfreiheit im Beispiel 2 auch durch einen oder mehrere dieser weiteren Unterschiede bedingt sein. Darüber hinaus wird in den Beispielen explizit darauf hinweisen, dass durch die Wahl der Vernetzungsdosis die klebetechnischen Eigenschaften, wie beispielsweise die Kleb- und Abrollkraft, einstellbar sind (drittletzter Absatz der Seite 8 des Beispiels 1 und zweiter Absatz des Beispiels 2 der ursprünglich eingereichten Anmeldung). Daher würde der Fachmann aus den beiden Beispielen, wenn überhaupt, lediglich einen Einfluss der Vernetzungsdosis auf die klebetechnischen Eigenschaften, nicht jedoch auf das Foggingverhalten ableiten.
Auch in der übrigen Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung fehlt ein Hinweis hinsichtlich des Einflusses der Vernetzungsdosis auf das Foggingverhalten.
Somit kann entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers der Fachmann dem Streitpatent in seiner ursprünglich eingereichten Fassung nicht entnehmen, dass zum Erhalt einer foggingfreien Schmelzklebemasse in Beispiel 2 eine bestimmte Vernetzungsdosis erforderlich ist.
2.3.3 Eine solche Lehre stellt auch nicht Teil des allgemeinen Fachwissens dar. Dem die Spalten 3 und 4 der U13 überbrückenden Absatz ist zwar entnehmbar, dass durch chemische Vernetzung ein Fogging verhindert werden kann. U13 stellt jedoch eine Patentschrift dar, so dass die Lehre dieses Dokuments nicht das allgemeine Fachwissen widerspiegelt. Auch vom Beschwerdeführer wurde kein Beleg dafür vorgelegt, dass die genannte Lehre Teil des allgemeinen Fachwissens darstellt.
2.3.4 Die ursprünglich eingereichte Anmeldung enthält auch keine Information hinsichtlich anderer Maßnahmen, die zu einer Foggingfreiheit der Klebemasse des Beispiels 2 führen.
2.3.5 Der Fachmann ist somit auf der Grundlage des Streitpatents in seiner ursprünglich eingereichten Fassung und seines allgemeinen Fachwissens nicht in der Lage, das Beispiel 2 zielgerichtet so abzuwandeln, dass das vernetzte Acronal® DS 3458 und damit das Selbstklebeband dieses Beispiels foggingfrei wird.
2.4 Somit fehlt dem Streitpatent in seiner ursprünglich eingereichten Fassung eine verallgemeinerbare Lehre, wie foggingfreie Selbstklebebänder auf Basis von Acronal® DS 3458 erhalten werden können. Erst recht fehlt eine Lehre, wie die anspruchsgemäße Foggingfreiheit erreicht werden kann, wenn von Acronal® DS 3458 verschiedene Klebemassen verwendet werden.
Die Ausführungen des Beschwerdeführers, dass Schmelzklebemassen sowie deren UV-Vernetzung allgemein bekannt gewesen seien, sind in diesem Zusammenhang nicht von Belang, da die hinsichtlich der ausreichenden Offenbarung relevante Frage nicht darin besteht, ob UV-vernetzbare Massen sowie deren Vernetzung bekannt waren, sondern wie mit Hilfe dieser bekannten Schmelzklebemassen foggingfreie Klebemassen und damit foggingfreie Selbstklebebänder erhalten werden können.
2.5 Aus den oben genannten Gründen ist die dem Hauptantrag zugrundeliegende Erfindung nicht ausreichend offenbart, so dass der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der Form des Hauptantrages entgegensteht.
2.6 Bei dieser Sachlage braucht nicht mehr auf die während der mündlichen Verhandlung diskutierten Erfordernisse der Artikel 123(2) und 84 EPÜ eingegangen zu werden.
Hilfsanträge III und V
Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge III und V unterscheiden sich von Anspruch 1 des Hauptantrages lediglich dadurch, dass die Foggingfreiheit
- durch einen Foggingwert von "100" (Hilfsantrag III), beziehungsweise
- durch einen Foggingwert von "100" / "<3 mg" (Hilfsantrag V)
näher definiert wurde. Aus den bereits für den Hauptantrag genannten Gründen fehlt im Streitpatent aber eine verallgemeinerbare Lehre, wie eine solche Foggingfreiheit erreicht werden kann. Daher steht der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ auch der Aufrechterhaltung des Streitpatents im Umfang der Hilfsanträge III und V entgegen.
Hilfsanträge I, II, IV und VI
Die Ansprüche 1 dieser Hilfsanträge unterscheiden sich von Anspruch 1 des Hauptantrages u.a. dadurch, dass das Merkmal
- "und wobei die Vernetzung so weit erfolgt, dass die Klebemasse kein Fogging zeigt" (Hilfsanträge I, IV und VI) beziehungsweise das Merkmal
- "und wobei die Vernetzung so weit erfolgt, dass das Selbstklebeband einen Foggingwert von 100 aufweist" (Hilfsantrag II)
hinzugefügt wurde.
Die in die Ansprüche 1 dieser Hilfsanträge aufgenommenen Merkmale stellen genau die Lehre dar, die, wie bei der Diskussion der ausreichenden Offenbarung bereits ausgeführt wurde, dem Streitpatent in seiner ursprünglich eingereichten Form fehlt, nämlich dass eine genügend hohe Vernetzungsdosis gewählt und damit die Vernetzung soweit erfolgen muss, dass die anspruchsgemäße Foggingfreiheit (Foggingwert von 100) erreicht wird. Den neu hinzugefügten Merkmalen in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge I, II, IV und VI fehlt somit eine Basis in der ursprünglich eingereichten Anmeldung. Die Hilfsanträge erfüllen daher nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.