European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T126109.20110405 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 April 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1261/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03767733.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | B23Q 17/22 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Befestigen eines Werkzeugs in einer bestimmten axialen Position | ||||||||
Name des Anmelders: | E. Zoller GmbH & Co. KG Einstell- und Messgeräte | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Bilz Kelch & Links GmbH |
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Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit der Änderungen - ja Klarheit - ja Neuheit und erfinderische Tätigkeit - ja |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 3. Dezember 2003 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 7. Dezember 2002 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 03767733.3 wurde das europäische Patent Nr. 1 525 072 erteilt.
II. Gegen das erteilte Patent wurden, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ 1973, zwei Einsprüche eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.
Mit ihrer am 16. April 2009 zur Post gegebenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.
III. Gegen diese Entscheidung legten die Beschwerdeführerin I (Einsprechende 02) am 12. Juni 2009 und die Beschwerdeführerin II (Patentinhaberin) am 25. Juni 2009 Beschwerden ein und bezahlten jeweils am gleichen Tag die Beschwerdegebühr.
Mit ihrer am 14. August 2009 beim Europäischen Patentamt eingegangenen Beschwerdebegründung verfolgte die Beschwerdeführerin I ihren Antrag auf Widerruf des Patents wegen fehlender Neuheit und erfinderischer Tätigkeit weiter, legte noch eine neue Entgegenhaltung E9 vor und beantragte die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen eines Verfahrensmangels im Einspruchsverfahren.
Die Beschwerdeführerin II begründete ihren Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents gemäß dem im Einspruchsverfahren vorgelegten Hauptantrag vom 9. Januar 2009 mit ihrer am 21. August 2009 eingereichten Beschwerdebegründung.
IV. Die Beschwerdekammer teilte in ihrem Bescheid als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung ihre vorläufige Meinung mit, wonach sie den von der Beschwerdeführerin I geltend gemachten Begründungsmangel zu Artikel 123(3) EPÜ in der Begründung der Einspruchsentscheidung nicht sehe. Möglicherweise verstießen die vorgenommenen Änderungen jedoch gegen Artikel 123(2) EPÜ. Das zur Begründung mangelnder Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 herangezogene Dokument E4.1 dürfte Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ sein, so dass die Folgerungen der Einspruchabteilung daraus - auch ohne Berücksichtigung der "Eidesstattlichen Versicherung" E4.9 - nicht zu beanstanden seien. Die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit werde von der Vorlage eines prima facie zulässigen Antrags abhängen.
Mit Schreiben vom 2. März 2011 reichte die Beschwerdeführerin II weitere 14 Hilfsanträge ein.
V. Am 5. April 2011 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Als für die Entscheidung relevanter Stand der Technik wurden wieder aufgegriffen:
E3: DE-A-100 15 322
E4.1: Prospekt Hoffmann/ KELCH (August 1997): Die KELCH-Schrumpftechnik - für beste Werkzeug-Verbindungen.
Die Beschwerdeführerin I (Einsprechende 02) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 525 072.
Die Beschwerdeführerin II (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents mit folgenden Unterlagen:
Ansprüche 1 bis 14,
Beschreibung Spalte 1 mit Einfügungsseite, Spalten 2 bis 11, jeweils vom 5. April 2011;
Zeichnungen Figuren 1 bis 3, wie erteilt.
Anspruch 1 lautet:
"Verfahren zum Befestigen eines Werkzeugs (10, 22, 64) mit einem Schaft in einem Werkzeugfutter (8, 18, 60), bei dem das Werkzeug (10, 22, 64) in das Werkzeugfutter (8, 18, 60) eingeführt und bei Erreichen einer axialen Sollposition im Werkzeugfutter (8, 18, 60) fixiert wird, wobei das Werkzeug (10, 22, 64) mit seinem Schaft an einen Anschlag gebracht wird, wobei ein charakteristisches Element des Werkzeugs (10, 22, 64) auf seine Position hin vermessen wird und die Positionierung des Werkzeugs (10, 22, 64) auf die exakte Sollposition durch eine Bewegung des Anschlags (26, 70) um eine aus der Messung errechnete Positionierstrecke (Z1) durchgeführt wird, dadurch gekennzeichnet, dass das Werkzeug (10, 64) vor dem Einführen vor eine Vermessungsoptik gebracht und die Vermessungsoptik (2) auf das charakteristische Element fokussiert wird und die Vermessungsoptik (2) während des Einführens auf das charakteristische Element fokussiert bleibt."
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin I lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Durch die Änderung des Anspruchs 1 sei eine Unklarheit entstanden, weil sich die Ansprüche 8 und 9, die den erteilten Ansprüchen 8 und 9 entsprechen, nicht mehr dem Anspruch 1 unterordnen ließen, denn nach Anspruch 1 sei eine Vorpositionierung, wie sie in den beiden abhängigen Ansprüchen beansprucht werde, nicht mehr vorgesehen.
Ein Verfahren gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 sei aus E4.1 bekannt. Wenn der einschlägige Fachmann dieses Verfahren beschleunigen wolle, so finde er in D3 die Anregung, zur Ermittlung der Werkzeugabmessung eine Vermessungsoptik zu verwenden, wie sie dort als Bildverarbeitungssystem mit einer auf einem Messschlitten verfahrbaren Kamera beschrieben sei. Bei Anwendung dieser Lehre komme er in naheliegender Weise zum Verfahren nach Anspruch 1, ohne erfinderisch tätig zu werden.
VII. Die Beschwerdeführerin II trug vor, die Lehre des Patents sei klar und widerspruchsfrei, denn die in den abhängigen Ansprüchen 8 und 9 angegebene Vorpositionierung lasse sich auch bei der Lösung nach Anspruch 1 durchführen.
Das Verfahren nach Anspruch 1 beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit, denn es sei für den Fachmann nicht nahegelegt, die Dokumente E4.1 und E3 zu kombinieren. E3 führe von der beanspruchten Lösung weg, weil dort neben dem Werkzeughalter zum Einschrumpfen des Werkzeugs ein weiterer Werkzeughalter als Messplatz zur Ermittlung der Werkzeugdimension vorgesehen sei, was einen erheblich größeren Bauaufwand bedeute. Ein Anstoß zur erfindungsgemäßen Lösung sei diesem Stand der Technik deshalb nicht entnehmbar.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen (Artikel 123(2), 123(3) EPÜ und 84 EPÜ 1973)
2.1 Anspruch 1 enthält die Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 10 und 12, die jeweils mit den ursprünglich eingereichten Ansprüchen übereinstimmen. Diese Änderung bedeutet auch eine Einschränkung des Schutzbereichs, so dass die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 123(3) EPÜ erfüllt sind.
2.2 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern lässt Artikel 102(3) EPÜ 1973 keine auf Artikel 84 EPÜ 1973 gestützten Einwände zu, die nicht auf diese Änderungen zurückgehen. Unklarheiten allein durch die Kombination der erteilten Ansprüche sind nicht aufgetreten. Die Kammer schließt sich insoweit der Auffassung der Beschwerdeführerin II (siehe Punkt VII oben) an. Folglich sind die geänderten Ansprüche nach Artikel 84 EPÜ 1973 nicht zu beanstanden.
3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ 1973)
3.1 Der Firmenprospekt E4.1 offenbart ein Schrumpfgerät zum Befestigen eines Werkzeugs mit Schaft in einem Werkzeugfutter (S. 2, Mitte). Es sind dort Mittel vorgesehen, um das Werkzeug mittels Vermessungseinrichtung (S. 8 unten) und durch die Bewegung eines Anschlagelements (Anschlagstangen, S.9 unten) um eine errechnete Positionierstrecke in die axiale Sollposition zu bringen. Dem fachkundigen Leser erschließt sich aus diesem Stand der Technik bei sachgerechtem Einsatz der beschriebenen Einrichtungen zwanglos das Verfahren gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1.
3.2 Von diesem bekannten Verfahren unterscheidet sich das Verfahren nach Anspruch 1 durch die kennzeichnenden Merkmale, denn die Werkstückvermessung wird nach E4.1 durch eine mechanische Messeinrichtung durchgeführt.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)
4.1 Als nächstkommender Stand der Technik wurde übereinstimmend das in E4.1 offenbarte Verfahren angesehen, welches die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 enthält.
4.2 Aufgabe der Erfindung ist es, ein Verfahren zum Befestigen eines Werkzeugs anzugeben, bei dem das Werkzeug sehr schnell mit einer sehr hohen Genauigkeit in einer gewünschten axialen Sollposition im Werkzeugfutter fixiert werden kann (Patentschrift, Spalte 1, Zeilen 21 bis 25).
4.3 Dieses technische Problem wird durch das Verfahren nach Anspruch 1 gelöst, insbesondere indem das Werkzeug vor dem Einführen vor eine Vermessungsoptik gebracht und die Vermessungsoptik auf das charakteristische Element fokussiert wird und die Vermessungsoptik während des Einführens auf das charakteristische Element fokussiert bleibt. Dabei kann nach der Lehre des Anspruchs 1 das Werkzeug in das zum Einschrumpfen bereits erwärmte Werkzeugfutter eingeführt werden, weil die optische Vermessung während des Einführens des Werkzeugs aufrechterhalten wird und dadurch eine sehr schnelle und präzise Einstellung des Anschlags ermöglicht wird.
4.4 Das aus E3 bekannte Verfahren kann den Fachmann nicht zur beanspruchten Lösung führen. Dort ist neben dem Werkzeughalter zum Einschrumpfen des Werkzeugs ein weiterer Werkzeughalter als Messplatz zur Ermittlung der Werkzeugdimension vorgesehen. Die am Messplatz ermittelte Anschlagslänge wird zum Werkzeughalter des Einschrumpfplatzes übertragen, wonach dort das Einschrumpfen des Werkzeugs erfolgt. Ein Anregung zur erfindungsgemäßen Lösung ist diesem Stand der Technik nicht entnehmbar, da es im Gegensatz zum beanspruchten einstufigen Verfahren in zwei Stufen arbeitet, nämlich der Messung im ersten Werkzeughalter und dem Einschrumpfen im zweiten Werkzeughalter, wozu das Werkzeug aus dem ersten in den zweiten Werkzeughalter überführt werden muss. In Richtung einer Vereinfachung des bekannten Verfahrens fehlt jeglicher Hinweis, und es ist auch nicht vorgetragen oder sonst erkennbar, warum der Fachmann die an sich präzise und technisch funktionsfähige Lösung von sich aus als verbesserungswürdig betrachten sollte.
Näherkommender Stand der Technik als der oben diskutierte wurde in der Verhandlung nicht vorgebracht. Das Verfahren nach Anspruch 1 gilt somit als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend.
4.5 Mit dem patentfähigen Verfahren nach Anspruch 1 sind die abhängigen Ansprüche 2 bis 14, die weitere Ausgestaltungen der beanspruchten Erfindung enthalten, ebenfalls aufrecht zu erhalten.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückgewiesen mit der Anordnung, das europäische Patent mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:
Ansprüche 1 bis 14,
Beschreibung Spalte 1 mit Einfügungsseite, Spalten 2 bis 11, jeweils vom 5. April 2011;
Zeichnungen Figuren 1 bis 3, wie erteilt.