European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T094009.20110331 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 31 März 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0940/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06723618.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | C04B 35/106 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Gebranntes, keramisches feuerfestes Produkt | ||||||||
Name des Anmelders: | Refractory Intellectual Property GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (ja) Zurückverweisung an erste Instanz |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde betrifft die am 5. März 2009 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung EP 06723618.2 zurückzuweisen.
II. Die Prüfungsabteilung befand, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Haupt- und des Hilfsantrags durch ein in
D1: Cemail Aksel et al., "The influence of zircon in a model aluminosilicate glass tank forehearth refractory", Journal of the European Ceramic Society Nr. 23 (2003), Seiten 2083 bis 2088,
beschriebenes, gesintertes, feuerfestes Produkt, überwiegend bestehend aus Aluminiumsilikat und t-Zirkonia, sowohl hinsichtlich seines Anteils an offener Porosität als auch seiner Porengrößenverteilung vorweggenommen sei.
III. Mit der Beschwerdebegründung legte die Beschwerdeführerin neue Ansprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag vor.
In einem weiteren Schreiben vom 29. Juni 2009 diskutierte die Beschwerdeführerin Versuche aus der Patentanmeldung und Vergleichsversuche zum Stand der Technik.
IV. Die Kammer wies in einer Mitteilung vom 21. März 2011 auf das folgende, aus dem Prüfungsverfahren bekannte Dokument hin:
D2: WPI Derwent Abstract AN 1997-029371
&
PAJ 08290958 (5.11.1996)
&
JP-A-08 290 958 (NIPPON STEEL CORP)
D2a: Maschinell erstellte Übersetzung von D2 ins Englische
Wie die Kammer ausführte, offenbare D2 oxidische Feuerfestkeramik aus Al2O3 und ZrO2 mit hoher Hitzeschockbeständigkeit als feuerfeste Auskleidung in Behältern für geschmolzenes Metall (Übersetzung, Abschnitte [0003] und [0005]). Die scheinbare Porosität der Sinterkörper betrage 5% bis 50%, wobei >= 80% der Gesamtporosität von Poren mit einen Porendurchmesser von <= 1 mym gebildet sei.
Die Kammer kündigte an, die Angelegenheit zur weiteren Behandlung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen, falls der Neuheitseinwand ausgeräumt werden sollte.
V. Am 31. März 2011 fand eine mündliche Verhandlung statt.
Die Beschwerdeführerin zog die bisher geltenden Anträge zurück und legte einen neuen Hauptantrag als einzigen Antrag vor.
VI. Dessen unabhängiger Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. Gebranntes, keramisches, feuerfestes Produkt, dessen Gefüge zu > 90 Masse-% aus mindestens einer der folgenden Werkstoffgruppen besteht:
a) ZrSiO4
b) ZrSiO4 + ZrO2
c) Al2O3
d) Al2O3 + ZrO2 und
e) eine offene Porosität von 2-30 Vol.-% besitzt, wobei
f) mehr als die Hälfte der offenen Porosität aus Poren besteht, deren Durchmesser >= 1 mym und deren maximaler Durchmesser 15 mym beträgt und diese Poren in einem Porengrößenintervall liegen, dessen Maximalwert kleiner oder gleich dem l0-fachen des Minimalwertes ist."
VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:
Die vorliegende Anmeldung befasse sich mit feuerfester gebrannter Keramik als Steine und Formteile für Auskleidungen und dgl. In solchen Anwendungen seien insbesondere hohe Temperaturbeständigkeit, Korrosionsfestigkeit, Thermoschockresistenz und eine gewisse Gefügeelastizität gefragt. Die Erfindung ziele nicht auf eine Verbesserung der chemischen Zusammensetzung zum Erreichen dieser Eigenschaften ab, sondern auf die Verbesserung des Mikrogefüges. Zu diesem Zweck schlage die Anmeldung eine besondere, feinteilige Aufbereitung des Versatzes, eine Granulierung und ein spezielles Sinterverfahren mit besonders langsamem Aufheizen vor. Dadurch würde das Auftreten von Kleinstporen < 15 mym in einem engen Porenintervall begünstigt.
D1 offenbare nicht die Anspruchsmerkmale, wonach mehr als die Hälfte der offenen Porosität aus Poren bestehen solle, deren maximaler Durchmesser 15 mym beträgt und deren Größe in einem Porengrössenintervall liegen sollen, dessen Maximalwert kleiner oder gleich dem 10-fachen des Minimalwertes ist.
Aus Figur 7 der D1 gehe nur hervor, dass ein gewisser Anteil der offenen Porosität durch Poren kleiner als 5 mym gebildet werde, nicht aber, ob dieser Anteil mindestens 50% der gesamten offenen Porosität ausmache. In Figur 7 betrage die Summe der Volumina offener Poren kleiner als 5 mym 0,0988 cm**(3); sie sei ermittelt an einem Probenkörper von 2,209 cm**(3) Volumen. Laut Figuren 2 und 5 läge die offene Gesamt-Porosität aber bei 24% bis 32%. Daraus folge, dass die in Figur 7 erfasste Porosität nur ca. 5% an Porosität darstelle und somit wesentlich kleiner als 50% der gesamten offenen Porosität sei.
Die aus D2 bekannten feuerfesten Produkte seien von einem anderen Typus als diejenigen der Anmeldung, da sie aus reiner Oxydkeramik bestünden, wie sie industriell nicht eingesetzt würde. Die Gefügestruktur sei aus D2 nicht bekannt. Gemäß D2 lägen >= 80% der Gesamtporosität im Bereich <= 1 mym Durchmesser, während gemäß Anspruch 1 der Anmeldung mindestens 50 % des Porenvolumens von Poren in einem Bereich von >= 1 mym bis maximal 15 mym Durchmesser lägen. Die Neuheit gegenüber D2 sei daher anzuerkennen.
Die Neuheit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei daher gegeben und die angefochtene Entscheidung aufzuheben.
VIII. Anträge:
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 9 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag zu erteilen.
Entscheidungsgründe
1. Artikel 123(2) EPÜ
1.1 Anspruch 1 basiert auf der Kombination der Merkmale der Ansprüche 1 und 5 in der ursprünglich eingereichten und als WO-A-2007/006350 veröffentlichten Fassung (nachstehend als "ursprünglich eingereichte Unterlagen" bezeichnet).
Die Werkstoffgruppen gemäß Anspruchsmerkmalen a) bis d) entstammen dem Anspruch 9 bzw. der Beschreibung, Seite 12, Zeilen 4 bis 17, der ursprünglich eingereichten Unterlagen.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 9 entsprechen in ihrem Wortlaut den jeweiligen Ansprüchen 2, 3, 6, 7, 8, 10, 11 und 14 der ursprünglich eingereichten Unterlagen.
Die vorgenommenen Änderungen genügen daher den Bestimmungen des Artikels 123(2) EPÜ.
2. Neuheit
2.1 Dokument D1 befasst sich mit der Herstellung von gesinterter, feuerfester Keramik auf Basis von Aluminiumsilikat mit Zusätzen von Zirkonoxid (Zirkonia). Das Verfahren geht von einer Basismischung aus 71,4 Gew.-% Aluminiumoxid, 24,5 Gew.-% Mullit und 4,1 Gew.-% Ton aus (siehe Tabelle 1), welcher jeweils Anteile von 9 Gew.-%, 17 Gew.-% bzw. 26 Gew.-% (bezogen auf die gesamte Mischung) von sehr feinem (Submikron-) Pulver von Zirkon, Aluminiumoxid und Zirkonia zugesetzt wurden (Seite 2084, linke Spalte, "Experimental"; Seite 2084, rechte Spalte, Tabelle 2). Dieser Versatz wurde nach Trocknen und Verpressen zu scheibenförmigen Körpern bei Temperaturen von 1500 bis 1600 ºC mit Haltezeiten von bis zu 5 Stunden gesintert.
Die gesinterten Proben wiesen eine offene Porosität von ca. 24% bis 32% auf, die mit Zunahme des Anteils an sehr feinem Pulver abnahm (Figur 2). Gleichzeitig stieg die mechanische Festigkeit (Figur 3).
Die Porengrößenverteilung ist beispielhaft an Produkten mit und ohne Zusatz von t-Zirkonia (17,2%) in Figur 7 gezeigt. Im wesentlichen liegt alle Porosität im dargestellten Bereich von 0 bis 25 mym in dem engen Porengrößenbereich von 1 bis 5 mym.
D1 offenbart aber entgegen erstem Anschein nicht das Anspruchsmerkmal f), wonach mehr als die Hälfte der offenen Porosität aus Poren bestehen solle, deren Durchmesser >= 1 mym und deren maximaler Durchmesser 15 mym beträgt und die in einem Porengrößenintervall liegen, dessen Maximalwert kleiner oder gleich dem 10-fachen des Minimalwertes ist, und zwar aus folgenden Gründen:
Gemäß einem zutreffenden Argument der Beschwerdeführerin geht aus Figur 7 der D1 nur hervor, dass eine gewisser Anteil der offenen Porosität durch Poren kleiner 5 mym gebildet wird, nicht aber, ob dieser Anteil mindestens 50% der gesamten offenen Porosität betrage. Die Summe der Volumina aller offenen Poren kleiner ca. 5 mym in Figur 7 berechnete die Beschwerdeführerin durch Integration der Fläche unter der in Figur 7 dargestellten Kurve zu 0,0988 cm**(3). Unter Zugrundelegung der Angaben auf Seite 2084, rechte Spalte, erster Absatz, hatte der Probenkörper Abmessungen von 25 mm Ø und 4,5 mm Höhe und somit ein Volumen von 2,209 cm**(3), womit sich die in Figur 7 dargestellte Porosität zu 0,0988 cm**(3)/ 2,209 cm**(3) = 0,0447 = ca. 4,5% berechnet. Wie aus den Figuren 2 und 5 hervorgeht, liegt die gesamte offene Porosität der Proben aber im Bereich von 24% bis 32%. Daraus folgt, dass die in Figur 7 erfasste Porosität nur einen geringen Bruchteil der Poren darstellt, der wesentlich kleiner als 50% der gesamten offenen Porosität sei.
Die obige, von der Beschwerdeführerin angestellte Berechnung beruht auf der Annahme, dass die Abmessungen des kompaktierten Rohlings auch auf das in Figur 7 untersuchte, gesinterte Produkt zutreffen. Diese Annahme ist nach Meinung der Kammer zwar unzutreffend, da beim Sintern jedenfalls mit einem gewissen Schwinden des Preßlings zu rechnen ist. Dies ändert aber nichts an der zumindest größenordnungsmäßigen Richtigkeit der berechneten Werte. Es gibt in D1 auch keinen Hinweis dafür, dass die der Figur 7 zugrundeliegenden Proben andere, etwa deutlich kleinere, Abmessungen gehabt hätten als die gemäß Seite 2084, rechte Spalte, erster Absatz, hergestellten Sinterkörper. Die in Figur 7 dargestellte Kurve erfasst also viel weniger als die Hälfte der gesamten offenen Porosität der Probe.
Angesichts dieser Indizien, dass die in Figur 7 untersuchten Proben außer den dargestellten Poren im Bereich von 0 bis 25 mym Durchmesser offenbar auch noch größere Poren in beträchtlichem Ausmaß aufwiesen, kommt die Kammer ebenfalls zum Schluss, dass das in Frage stehende Anspruchsmerkmal f), wonach mehr als die Hälfte der offenen Porosität aus Poren bestehen solle, deren Durchmesser >= 1 mym und deren maximaler Durchmesser 15 mym beträgt, in D1 nicht offenbart ist.
Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher neu gegenüber D1.
2.2 D2 befasst sich mit oxidischer Feuerfestkeramik mit hoher Hitzeschockbeständigkeit als feuerfeste Auskleidung in Behältern für geschmolzenes Metall (Übersetzung, Abschnitte [0003] und [0005]). Aus D2 (Übersetzung, Abschnitte [0010] und [0014]) geht hervor, dass es sich bei den oxidischen Feuerfestkeramiken u.a. um solche aus Al2O3 und ZrO2 handelt. Die scheinbare Porosität beträgt 5 bis 50%, wobei >= 80% der Gesamtporosität einen Porendurchmesser von <= 1 mym aufweisen (siehe Abstracts). Ein ausgewählter Bereich von 2% bis 30% Porosität gemäß vorliegendem Anspruch 1 stellt an sich gegenüber dem aus D2 vorbekannten Bereich von 5 bis 50% keine neue Auswahl dar, jedoch liegen gemäß D2 >= 80% der Gesamtporosität im Bereich von <= 1 mym Porendurchmesser, während gemäß Anspruch 1 der Anmeldung mindestens 50 % des Porenvolumens an Poren in einen Bereich von >= 1 mym bis maximal 15 mym Durchmesser fallen.
Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher auch neu gegenüber D2.
2.3 Andere Dokumente
Die Kammer hat auch untersucht, ob die beanspruchten Gegenstände in einem anderen, im Prüfungsverfahren bekannt gewordenen Dokument offenbart sind.
Jedoch beschreibt keines dieser Dokumente ein keramisches gesintertes feuerfestes Produkt, bei dem die offene Porosität und die Porengrößenverteilung den im vorliegenden Anspruch 1 gegebenen Definitionen genügt.
2.4 Die Gegenstände des Anspruchs 1 und der von ihm abhängigen Ansprüche 2 bis 9 sind daher neu, sodass die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ erfüllt sind.
3. Zurückverweisung
Die Kammer stellt fest, dass sich die angefochtene Entscheidung ausschließlich auf den Einwand mangelnder Neuheit gegenüber Dokument D1 stützt.
Im Zuge des Prüfungsverfahrens wurden aber auch andere Einwände von der Prüfungsabteilung vorgebracht, die u.a. die Ausführbarkeit und die Frage der Stütze der Ansprüche durch die Beschreibung betreffen. Diese sowie die Frage der erfinderischen Tätigkeit waren aber noch nicht Gegenstand einer abschließenden Beurteilung durch die erste Instanz.
Die Kammer übt daher ihr Ermessen nach Artikel 111(1) EPÜ aus und weist die Angelegenheit zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an die erste Instanz zurück.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurückverwiesen.