European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T077209.20130314 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 März 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0772/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99926183.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | C12N 9/64 A61K 38/36 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Pharmazeutisches Faktor VII-Präparat | ||||||||
Name des Anmelders: | Baxter Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Bayer HealthCare LLC F.Hoffmann-La Roche AG LABORATOIRE FRANCAIS DU FRACTIONNEMENT ET DES BIOTECHNOLOGIES (Groupement d'Intérêt public) |
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Kammer: | 3.3.08 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Hauptantrag - Neuheit (nein) Hilfsantrag I - erfinderische Tätigkeit (nein) Hilfsantrag II - Bestimmungen des EPÜ erfüllt |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin I) und der Einsprechenden I (Beschwerdeführerin II) richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 26. Januar 2009, das europäische Patent mit der Nummer 1 133 555 gemäß Artikel 101 (3) (a) EPÜ aufrechtzuerhalten. Der Zwischenentscheidung lagen ein Haupt, sowie zwei Hilfsanträge zu Grunde. Die Einspruchsabteilung entschied, dass der am 22. August 2008 eingereichte zweite Hilfsantrag gewährbar sei wogegen der in der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2008 eingereichte Hauptantrag sowie der am gleichen Tage eingereichte erste Hilfsantrag wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ) nicht gewährbar seien.
II. Gegenstand des Streitpatents ist ein Verfahren zur Reinigung von Blutgerinnungsfaktor VII (im folgenden Faktor VII) sowie gereinigter Faktor VII. Während der Aufreinigung des Faktors VII erfolgt eine Aktivierung deren Produkt als Faktor VIIa bezeichnet wird.
III. Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Hilfsantrags II lautet:
"1. Verfahren zur Reinigung von Faktor VII aus einem biologischen Material und Herstellung eines Faktors VII-Präparates durch Adsorption des Faktor VII an einen Anionen-Austauscher in einer Säule, fraktionierte Elution des Faktor VII mit einer spezifischen amidolytischen Aktivität von mindestens 50 E/mg, wobei die Elution mit einem Puffer ohne Zusatz von Inhibitoren der Blutgerinnung vorgenommen wird und die Flussrate der Elution mindestens 0,15 Säulenvolumina pro Minute beträgt, und Gewinnen des Faktor VII aus dem Eluat, so dass das Faktor VII-Präparat einen Anteil von weniger als 5% Faktor VIIa, bezogen auf die Gesamtmenge Faktor VII, aufweist."
Die Ansprüche 2 und 3 dieses Hilfsantrags beziehen sich auf spezifische Ausführungsformen des Verfahrens gemäss Anspruch 1.
IV. In der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung teilte die Kammer den Beschwerdeführerinnen ihre vorläufige Meinung zu einigen der vorgebrachten Argumente mit, insbesondere mit Bezug auf die Artikel 83, 54 und 56 EPÜ.
V. Die mündliche Verhandlung fand am 14. März 2013 statt.
VI. Anspruch 1 des Hauptantrags sowie des Hilfsantrags I lautet gleich wie obengenannter Anspruch 1 (vgl. Punkt III).
Der unabhängige Anspruch 4 des Hauptantrags lautet:
"4. Präparat auf Basis von Blutgerinnungsfaktor VII mit einem Anteil von weniger als 5% Faktor VIIa, bezogen auf die Gesamtmenge Faktor VII, mit einer spezifischen amidolytischen Aktivität von mindestens 50 E/mg und einer Stabilität in Abwesenheit von Inhibitoren der Blutgerinnung, welches Präparat frei ist von Inhibitoren der Blutgerinnung, erhältlich durch in Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3."
Der unabhängige Anspruch 4 des Hilfsantrags I lautet:
"4. Pharmazeutisches Präparat auf Basis von Blutgerinnungsfaktor VII mit einem Anteil von weniger als 5% Faktor VIIa, bezogen auf die Gesamtmenge Faktor VII, mit einer spezifischen amidolytischen Aktivität von mindestens 50 E/mg und einer Stabilität in Abwesenheit von Inhibitoren der Blutgerinnung, welches Präparat frei ist von Inhibitoren der Blutgerinnung, erhältlich durch in Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3."
VII. Die folgenden Entgegenhaltungen werden in dieser Entscheidung zitiert:
D3: WO 94/22905
D4: Bajaj et al., J. Biol. Chem. (1991), 256(1):253-259
D8: Pedersen et al., Biochemistry (1989), 28:9331-9336
D19: "FVII P2" vom 19.11.1997
D22: Assessment Report RD_080801, Seiten 1-9.
VIII. Soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, lassen sich die Argumente der Beschwerdeführerin I wie folgt zusammenfassen:
Dokument D8 offenbarte ein Faktor VII Präparat, welches gemäß Gelelektrophorese sehr rein war und, obwohl Dokument D8 selber keine diesbezüglichen Daten enthielt, eine hohe spezifische Aktivität aufwies. Nach Dialyse wies das von Inhibitor befreite Faktor VII Präparat zwar eine spezifische Aktivität von mindestens 50 Einheiten (E) pro mg Protein auf, enthielt aber einen Anteil von mehr als 5% an aktiviertem Faktor VIIa, denn aus Dokument D4 war bekannt, dass während der Dialyse eine Autoaktivierung stattfand. Ferner wurde in Dokument D8 eine Halbwertszeit von ungefähr 100 Stunden für Faktor VII ohne Inhibitor beschrieben, während der gereinigte Faktor VII nach Anspruch 4 wesentlich stabiler war. Daher war der Gegenstand des Anspruchs 4 des Hauptantrags neu.
Auf jeden Fall war der Gegenstand von Anspruch 4 des ersten Hilfsantrags, der ein pharmazeutisches Präparat betraf, neu. Der Ausdruck "pharmazeutisches Präparat" implizierte gewisse Verfahrensmerkmale bei der Herstellung des Faktors VII, die in Dokument D8 weder beschrieben noch angewendet wurden, weil der Herstellungszweck in Dokument D8 ein anderer war. Das in Dokument D8 beschriebene Präparat konnte deshalb unmöglich unter diesen Anspruch fallen. Der Gegenstand des Anspruchs beruhte auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da der Fachmann Dokument D8 nicht herangezogen hätte, um ein pharmazeutisches Präparat herzustellen.
Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Bezug auf Anspruch 1 stellte Dokument D3 den nächstliegenden Stand der Technik dar. Obwohl die Notwendigkeit bestand, hochreinen Faktor VII mit einem möglichst geringen Anteil an Faktor VIIa bereitzustellen, ließ sich die hier beanspruchte Lösung nicht in naheliegender Weise aus Dokument D3 in Kombination mit Dokument D8 ableiten. Es war keineswegs vorhersehbar, dass die schnelle Eluierung von einer Anionentauschersäule die Autoaktivierung von Faktor VII weitgehend eliminierte.
Beispiel 1 des Patents enthielt alle für die erfolgreiche Durchführung der Methode nach Anspruch 1 nötigen Informationen. Zudem zeigte Dokument D22, dass die beanspruchte Methode mit einer Vielzahl von Säulenmaterialien und Säulengeometrien zum gewünschten Resultat führte. Daher war die beanspruchte Methode auch ausreichend offenbart.
IX. Soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, lassen sich die Argumente der Beschwerdeführerin II wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand des Anspruchs 4 des Hauptantrags war schon deshalb nicht neu, weil Faktor VII bereits kloniert, exprimiert und gereinigt worden war. Weiter zeigte das Faktor VII Präparat aus Dokument D8 alle Merkmale von Anspruch 4. Das Präparat mit Inhibitor war hochrein mit einem Anteil an Faktor VIIa von lediglich 1%. Ohne Inhibitor war es über mehrere Tage stabil und musste, da es keinen technischen Grund gab weshalb dies nach einer Dialyse nicht mehr der Fall sein sollte, einen Anteil von weniger als 5% an Faktor VIIa enthalten.
Anspruch 4 des Hilfsantrags I war nicht neu weil die Einführung des Merkmals "pharmazeutisch" keine Abgrenzung vom Stand der Technik bewirkte.
Ausgehend von Dokument D3 als nächstliegendem Stand der Technik bestand das Anspruch 1 zu Grunde liegende technische Problem in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens zur Herstellung eines hochreinen Faktor VII Präparats. Dokument D3 selbst wies auf Dokument D8 und den klaren Zusammenhang zwischen der Kontaktdauer von Anionentauscher mit Faktor VII und dem Gehalt an aktiviertem Faktor VIIa hin. Die beanspruchte Lösung, die Reinigung über eine Anionentauschersäule und Elution von derselben mit einer bestimmten Mindestflussrate, wurde deshalb durch Dokument D3 in Kombination mit Dokument D8, insbesondere durch die Resultate in Figur 2, nahegelegt.
Ferner fehlten in der Patentschrift für die Durchführung des Reinigungsverfahrens nach Anspruch 1 wesentliche Angaben. Zur Erzielung des gewünschten Reinheitsgrades war nicht nur die Elutionsrate von der Anionentauschersäule relevant sondern auch weitere Parameter, die den Puffergradienten definierten, wie beispielsweise Schrittvolumen und Flussraten der Präelutionsphase.
X. Die Beschwerdeführerin I beantragte, die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des am 22. Oktober 2008 eingereichten Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage des am selben Tag eingereichten Hilfsantrags I aufrechtzuerhalten, oder hilfsweise die Beschwerde der Beschwerdeführerin II zurückzuweisen.
XI. Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung und den Widerruf des Patents.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerdeführerin II erhob gegen keinen der Anspruchssätze Einwände unter Artikel 123 (2) oder 123 (3) EPÜ und die Kammer hat keine Veranlassung, die diesbezügliche Entscheidung der Einspruchsabteilung in Frage zu stellen.
2. Die Ansprüche 1 bis 3 aller Anträge sind identisch. Einwände gegen diese Ansprüche betreffen daher alle Anspruchssätze gleichermaßen und werden im Zusammenhang mit dem zweiten Hilfsantrag behandelt (vgl. Punkte 16 bis 36).
Hauptantrag
Artikel 54 EPÜ
3. Das Faktor VII Präparat nach Anspruch 4 enthält
a) einen Anteil von weniger als 5% Faktor VIIa bezogen auf die Gesamtmenge an Faktor VII,
b) Faktor VII mit einer spezifischen amidolytischen Aktivität von mindestens 50 E/mg,
besitzt
c) eine Stabilität in Abwesenheit von Inhibitoren der Blutgerinnung
und ist
d) frei von Inhibitoren der Blutgerinnung.
4. Dokument D8 offenbart ein Faktor VII Präparat, das rekombinant hergestellten, in Gegenwart des Aktivierungsinhibitors Benzamidin gereinigten Faktor VII, enthält. Der Anteil an Faktor VIIa im gereinigten benzamidinhaltigen Faktor VII Präparat wurde mittels Western Blot auf weniger als 1% geschätzt (Seite 9333, linke Spalte). Für diverse Aktivitätsbestimmungen wurde dieses benzamidinhaltige Präparat gegen einen Puffer ohne Inhibitor dialysiert und gelfiltriert (Seite 9332, rechte Spalte).
5. Zwischen den Parteien bestand Einigkeit, dass dieses dialysierte Präparat die oben genannten Merkmale b) und d) erfüllt. Die Beschwerdeführerin I war aber überzeugt, dass dies für die Merkmale a) und c) nicht zutreffe.
6. Das Merkmal c), "eine Stabilität in Abwesenheit von Inhibitoren der Blutgerinnung" kann unterschiedlich und daher breit ausgelegt werden, da es im Anspruch gar nicht und in der Beschreibung unterschiedlich und nur vage definiert ist. Gemäß Beschreibung soll das Präparat ausreichende Stabilität besitzen (Seite 3, Zeilen 4 bis 8), sowie in gebrauchsfertigem Zustand "die erfindungsgemässen Stabilitätskriterien" erfüllen (Seite 4, letzter Absatz). Es soll nach 12 Stunden, vorzugsweise nach mehr als 30 Stunden, Inkubation bei Raumtemperatur immer noch weniger als 5% Faktor VIIa enthalten (Seite 4 unten, Seite 5 oben). Es finden sich aber keine Angaben, in welcher Konzentration oder in welchem Puffersystem der gereinigte Faktor VII getestet werden soll.
7. Gemäß Dokument D8, Seite 9333, linke Spalte, zweiter Absatz, wurde eine spontane Aktivierung von inhibitorfreien FVII Präparaten in Gegenwart von Ca**(2+)Ionen beobachtet. Während einer Inkubation bei Raumtemperatur über mehrere Tage wurde eine langsame Aktivierung des Faktors VII zu Faktor VIIa beobachtet, welche stark von den gewählten Pufferbedingungen abhing. Die geschätzte Halbwertszeit der Autoaktivierung bei Raumtemperatur in 100 mM NaCl, 50 mM Tris, 0,25 mM CaCl2 bei pH 8,6 betrug ungefähr 100 Stunden. Bei Inkubation bei 4**(0)C verdoppelte sich diese Halbwertszeit. Ferner war die Aktivierung in CaCl2 freien Puffern oder bei stark erhöhter CaCl2 Konzentration signifikant reduziert.
Die Kammer schließt aus diesen Angaben, dass die dialysierten Präparate aus Dokument D8, insbesondere die bei 4**(0)C dialysierten und diejenigen ohne CaCl2 im Puffersystem, eine gewisse Stabilität zeigen und somit das oben angeführte Merkmal c) erfüllen.
8. Es bleibt noch zu klären, ob diese dialysierten Präparate weniger als 5% aktivierten Faktor VIIa enthielten.
9. Explizit wird in Dokument D8 lediglich der Gehalt von ca. 1% an aktiviertem Faktor VIIa im gereinigten, benzamidinhaltigen Faktor VII Präparat offenbart. Dieses Material wurde gegen verschiedene Puffer dialysiert, um die Autoaktivierung des inhibitorfreien Präparats zu studieren. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin I wurde ein Teil des gereinigten Faktors VII während der Dialyse, unter anderem durch Kontakt mit der Dialysemembran, autoaktiviert, so dass das dadurch erhaltene Produkt auf jeden Fall mehr als 5% Faktor VIIa enthalte. Die Beschwerdeführerin I stützte dieses Argument auf entsprechende Aussagen auf Seite 256 in Dokument D4. Die Beschwerdeführerin II hielt dagegen, dass es keinen stichhaltigen Grund für die Annahme gebe, dass während der Dialyse eine nennenswerte Aktivierung des Faktors VII stattfinden sollte.
10. Dokument D4 beschreibt ein aus menschlichem Plasma erhaltenes, hochreines Faktor VII Präparat, welches unter Verwendung des Aktivierungsinhibtors Benzamidin erhalten wurde. Gemäß Tabelle I enthielt das gereinigte benzamidinhaltige Produkt weniger als 5% Faktor VIIa. Wurde dieses Präparat während acht Stunden gegen einen benzamidinfreien Puffer dialysiert, so wurde eine langsame Aktivierung festgestellt. Der Anteil an aktiviertem Faktor VII erhöhte sich in einigen Präparaten beispielsweise von einem Verhältnis von Faktor VIIc zu Faktor VIIam von 1.5 auf 2.5 (Seite 256, linke Spalte, zweiter Absatz). Gemäß des vorhergehenden Absatzes entsprechen ein Verhältnis VIIc zu VIIam von 1.5 und 2.5 ungefähr 5% bzw. 10% an aktiviertem Faktor VIIa. Der Anteil an Faktor VIIa verdoppelt sich also während einer Dialyse von 8 Stunden. Nach Ansicht der Kammer dürfte sich der Anteil an aktiviertem Faktor VIIa in den Produkten von Dokument D8 durch die Dialyse, sofern überhaupt eine Aktivierung stattfindet, ausgehend von ursprünglich 1% ebenfalls ungefähr verdoppeln, jedenfalls aber unter 5% bleiben. Daher erfüllt dieses Dialysepräparat auch das vorstehend genannte Merkmal a).
11. Die Kammer kommt zu Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Offenbarung von Dokument D8 vorweggenommen ist.
Hilfsantrag I
Artikel 54 und 56 EPÜ
12. Gegenstand des Anspruchs 4 des Hilfsantrags I ist ein pharmazeutisches Präparat, das, abgesehen vom Merkmal "pharmazeutisch", durch die gleichen technischen Merkmale charakterisiert ist wie der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags (vgl. Punkt 3, oben).
13. Wie von der Beschwerdeführerin I ausgeführt beinhaltet das Merkmal "pharmazeutisch" gewisse, dem Fachmann bekannte Eigenschaften eines Produkts wie beispielsweise Sterilität, welche durch Einhaltung entsprechender Maßnahmen bei dessen Herstellung sichergestellt werden müssen.
14. Dokument D8 offenbart, wie oben beschrieben, ein gereinigtes Faktor VII Präparat. Dokument D8 ist eine wissenschaftliche Publikation deren Ziel die Reinigung von Faktor VII zum Zweck der Erforschung seiner Aktivierung war, aber nicht die Herstellung eines pharmazeutischen Präparates. Dementsprechend offenbart dieses Dokument weder explizit noch implizit Maßnahmen zur Herstellung von Faktor VII in pharmazeutischer Qualität. Die Kammer kommt deshalb zum Schluss, dass Dokument D8 den Gegenstand des Anspruchs 4 nicht vorwegnimmt.
15. Allerdings sind dem Fachmann, wie explizit in Absatz [0030] der Patentschrift festgehalten, die üblichen Maßnahmen zur Herstellung eines pharmazeutischen Präparats wie Dialyse/Diafiltration, Sterilfiltration und Aufkonzentrierung bekannt. Es war dem Fachmann daher ohne erfinderisches Zutun möglich, aus dem in Dokument D8 offenbarten Präparat ein pharmazeutisches Präparat herzustellen. Deshalb kommt die Kammer zum Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.
Hilfsantrag II
Artikel 83 EPÜ - Ansprüche 1 bis 3
16. Die Beschwerdeführerin II brachte vor, dass die Patentschrift keine ausreichende Offenbarung eines kompletten Reinigungsverfahrens von Faktor VII enthalte. Insbesondere enthalte die Patentschrift keine ausreichenden Angaben zu denjenigen Schritten, die der Elution vom Anionentauscher vorausgehen. Ausserdem sei aus dem nachgereichten Dokument D19 ersichtlich, dass das gewünschte Resultat nur bei Verwendung von Antithrombin III als Inhibitor der Blutgerinnung erhältlich sei. Daher sei der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 3 nicht ausreichend, insbesondere nicht über die ganze Breite der Ansprüche, offenbart.
17. Der Verfahrensanspruch 1 spezifiziert nicht nur, dass Faktor VII an eine Anionentauschersäule zu binden und unter bestimmten Bedingungen zu eluieren ist, sondern auch, dass das Verfahren so zu führen ist, dass das Faktor VII Präparat einen Anteil von weniger als 5% Faktor VIIa aufweist. Da diese funktionelle Limitierung Teil des Anspruchs ist, sind Chromatgraphieverfahren, welche nicht zum gewünschten Resultat führen, von Anspruch 1 nicht umfasst. Der Einwand, dass der Anspruch Verfahren umfasst, die nicht zum gewünschten Resultat führen, ist deshalb nicht stichhaltig.
18. Die Beantwortung der Frage, ob das beanspruchte Verfahren ausreichend offenbart ist, hängt vielmehr davon ab, ob der Fachmann die zum Ziel führenden Verfahrensschritte ohne unzumutbaren Aufwand ausführen kann.
19. Die Patentschrift offenbart in Beispiel 1 ein Verfahren zur Reinigung von Faktor VII. Die Beschwerdeführerin I hat zum Beleg der Nacharbeitbarkeit Resultate von zusätzlichen Experimenten in Form der Dokumente D19 und D22 vorgelegt. Dokument D19 beschreibt eine Wiederholung von Beispiel 1 der Patentschrift und Dokument D22 zeigt, dass das gewünschte Resultat unter Verwendung verschiedener Anionentauschermaterialien und Säulengeometrien erhalten werden kann.
20. Bei dieser Sachlage obliegt es der einsprechenden Partei, zu zeigen, dass der Fachmann nicht in der Lage ist, die in der Patentschrift beispielhaft ausgeführten Verfahren zu reproduzieren, und die Erfindung über die ganze Breite der Ansprüche auszuführen. In beiden Fällen ist es gemäß ständiger Rechtsprechung Aufgabe der Beschwerdeführerin II, diesen Einwand durch das Vorbringen verifizierbarer Fakten zu belegen.
21. Die Beschwerdeführerin II hat zur Untermauerung ihres Einwandes jedoch keinerlei Daten vorgelegt.
22. Unter diesen Umständen und in Anbetracht der Dokumente D19 und D22 kommt die Kammer zum Schluss, dass der Fachmann auf Grund seines allgemeinen Fachwissens und der Angaben in Beispiel 1 in der Lage ist, das Verfahren nach Anspruch 1 ohne unzumutbaren Aufwand durchzuführen.
23. Die Beschwerdeführerin II hat unter Bezugnahme auf Dokument D19 ausserdem vorgebracht, dass die in Beispiel 1 beschriebene Methode nur deshalb das gewünschte Resultat lieferte, weil der Inhibitor Antithrombin III erst im, der Elution von Faktor VII unmittelbar vorhergehenden, Waschschritt mit 150 mM NaCl vom an die Anionentauschersäule gebundenen Faktor VII getrennt wurde. Bei der Verwendung anderer Inhibitoren sei dies jedoch nicht der Fall.
24. Die Kammer kann diesem Argument der Beschwerdeführerin II nicht folgen.
Zum einen kann die Kammer keine technischen Gründe erkennen, die à priori die Verwendung anderer Inhibitoren ausschliessen würden. Zum andern war dem Fachmann beispielsweise aus den Dokumenten D3 und D8 bekannt, dass die Zugabe von alternativen Inhibitoren zum Bindungspuffer die Aktivierung von Faktor VII bei der Aufreinigung mit Anionentauschersäulen weitgehend eliminierte. Die Beschwerdeführerin II hat keine Beweise dafür vorgelegt, dass der Fachmann nicht in der Lage ist, die zur Erzielung des gewünschten Resultats nötigen Bindungs-, Wasch- und Elutionsschritte so auszuführen, dass das gewünschte Präparat erhalten wird.
25. Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass das Verfahren der Ansprüche 1 bis 3 so deutlich und vollständig offenbart ist, das ein Fachmann es ausführen kann.
Artikel 56 EPC
26. Das Verfahren nach Anspruch 1 bezweckt die Reinigung von Faktor VII aus einem biologischen Material und die Herstellung eines Faktor VII Präparats mit einem Anteil von weniger als 5% Faktor VIIa.
27. Dokument D3 stellt den nächsten Stand der Technik dar. Es beschreibt die Reinigung von rekombinant hergestelltem Faktor VII unter Verwendung von Anionentauschersäulen und Zn**(2+)Ionen zur Inhibierung der Autoaktivierung mit dem Ziel, ein hochreines Faktor VII Präparat mit einem möglichst geringen Anteil an Faktor VIIa bereitzustellen (vgl. Seite 3, Zeilen 1-2) .
28. Ausgehend von Dokument D3 bestand das zu lösende technische Problem in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens zur Herstellung eines nicht oder nur geringfügig aktivierten Faktor VII Präparats.
29. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Patent die Adsorption von Faktor VII an einen Anionen-Austauscher in einer Säule, fraktionierte Elution des Faktors VII mit einer spezifischen Mindestaktivität von 50 E/mg durch Elution mit einem Puffer ohne Zusatz von Inhibitoren und mit einer Flussrate von mindestens 0.15 Säulenvolumina pro Minute und Gewinnen des Faktor VII aus dem Eluat, so dass der Anteil an Faktor VIIa unter 5% bleibt, vor.
30. Beispiel 1 der Patentschrift beschreibt die Reinigung von Faktor VII an einer Anionentauschersäule und Elution unter den Anspruchsbedingungen. Gemäß Tabelle 1 enthält das Eluat (TMAE-Eluat) Faktor VII und Faktor VIIa, wobei das Aktivitätsverhältnis "E FVII/E FVIIa" 0.25 beträgt, was einem Anteil von Faktor VIIa von ca. 1.7% entspricht (für den Umrechnungsfaktor vgl. Dokument D22). Das vorstehend genannte technische Problem ist daher tatsächlich gelöst worden.
31. Es bleibt, zu prüfen, ob die beanspruchte Lösung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
32. Die Beschwerdeführerin II vertrat die Ansicht, dass sich die beanspruchte Lösung in naheliegender Weise aus Dokument D3 unter Heranziehung von Dokument D8 ergebe.
33. Dokument D8 offenbart neben dem bereits erwähnten Reinigungsverfahren (vgl. Punkt 4, oben) Untersuchungen zur Autoaktivierung von Faktor VII in Gegenwart von Anionentauschermaterialen (Figur 2 sowie Seite 9332, rechte Spalte, 2. Absatz und Seite 9333, linke Spalte, zweitletzter Absatz). Inkubation von gereinigtem Faktor VII mit Q Sepharose bewirkte eine verstärkte Autoaktivierung von Faktor VII zu Faktor VIIa mit einer Halbwertszeit von ungefähr 43 Minuten.
34. Die Beschwerdeführerin II stützte ihr Argument der fehlenden erfinderischen Tätigkeit darauf, dass Dokument D3 (Seite 2, Zeilen 8-10) unter Bezugnahme auf Dokument D8 auf das Problem der Aktivierung von Faktor VII durch Kontakt mit Anionentauschermaterial hinwies. Ferner zeige die Figur 2 von Dokument D8 den quantitativen Zusammenhang zwischen Kontaktzeit und Aktivierung. Aus dieser Figur sei ersichtlich, dass eine Kontaktzeit von 15 bis 20 Minuten zu einer Aktivierung von ca. 5% führe. Bei einer Flussrate von 0.15 Säulenvolumina pro Minute passiere ein gesamtes Säulenvolumen die Säule in ca. 7 Minuten, genügend schnell um 5% an aktiviertem Faktor VII nicht zu überschreiten. Es sei für den Fachmann daher nahegelegen, die Flussrate der Elution so zu wählen, dass die technische Aufgabe gelöst werde.
35. Die Kammer kann sich dieser Meinung nicht anschließen. Die Bedingungen unter denen die Faktor VII Aktivierung in Dokument D8 untersucht wurde unterscheiden sich deutlich von den zur Elution vom Anionentauschermaterial notwendigen Bedingungen. Gemäß Dokument D8 wurde gereinigter Faktor VII in Gegenwart von 100 mM NaCl und 0.25 mM CaCl2 an Anionentauschermaterial gebunden und nach Ende der Inkubationszeit zur Bestimmung des Anteils von Faktor VIIa direkt in SDS-Gel Probenpuffer gekocht (vgl. S 9332, rechte Spalte, Absatz 2). Der für das beanspruchte Verfahren maßgebliche Schritt betrifft aber nicht die Phase, in welcher Faktor VII bei einer Konzentration von 100 mM NaCl (in Gegenwart eines Inhibitors) an die Anionentauschersäule gebunden ist, sondern die Phase, in der mit einem inhibitorfreien Puffer in Gegenwart von 200 mM NaCl eluiert wird (vgl. Beispiel 1). Unter diesen Umständen ist die Interaktion des Faktors VII mit dem Säulenmaterial aber völlig verändert, da dieser bei der genannten Salzkonzentration nicht mehr an das Säulenmaterial bindet. Deshalb lässt sich aus den Daten von Dokument D8 nicht in naheliegender Weise eine Vorhersage über die Aktivierung von Faktor VII während der Elution von einer Anionentauschersäule treffen.
36. Die Kammer kommt zum Schluss, dass die beanspruchte Lösung weder durch eine Kombination der Lehre von Dokument D3 mit jener von Dokument D8, noch durch Kombination mit der Lehre eines der anderen zitierten Dokumente nahegelegt wird.
Der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 3 beruht deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Beide Beschwerden werden zurückgewiesen