T 0723/09 () of 22.1.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T072309.20130122
Datum der Entscheidung: 22 Januar 2013
Aktenzeichen: T 0723/09
Anmeldenummer: 98114012.2
IPC-Klasse: H01Q 1/24
H01Q 9/16
G01R 31/28
H01Q 13/10
H01Q 21/30
H04B 1/38
H01Q 9/28
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Antennenkoppler zum Testen von Mobiltelefonen
Name des Anmelders: Aeroflex GmbH
Name des Einsprechenden: Rohde & Schwarz GmbH & Co KG
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100
Schlagwörter: Zulassung eines in der Patentbeschreibung genannten Dokuments in das Verfahren trotz später Vorlage
Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Nicht angekündigtes Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 20. März 2009 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr eingelegte Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 16. Februar 2009 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent 0895300 zurückzuweisen. Die Beschwerdebegründung wurde am 16. Juni 2009 eingereicht.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Der Einspruch stützte sich auf Artikel 100 a) EPÜ 1973 und wurde zunächst nur im Hinblick auf den Grund der erfinderischen Tätigkeit im Sinne der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ 1973 substantiiert. In einer mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung wurde darüber hinaus der Einwand fehlender Neuheit erhoben. Die Einspruchsabteilung ließ diesen Grund als verspätet vorgebracht und prima facie nicht relevant nicht ins Verfahren zu.

Mit der Beschwerdebegründung vertiefte die Beschwerdeführerin den Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit unter Bezugnahme auf weitere Dokumente und erhob erneut den Einwand fehlender Neuheit. Sie bezog sich in diesem Zusammenhang u.a. auf das in der Beschwerde erstmalig vorgelegte Dokument :

D13 : AF15911 PHS Handbuch, Ando Electric Co. Ltd. Japan, 1995

D13A: AH5911 PHS Handbuch, Ando Electric Co. Ltd. Japan, 1995, partielle Übersetzung ins Englische.

III. In einer Erwiderung vom 10. Mai 2010 auf die Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) die Zurückweisung der Beschwerde. Darüber hinaus wandte sie sich gegen die Zulassung des Einspruchsgrundes fehlender Neuheit sowie des Dokuments D13/D13A in das Verfahren.

IV. Auf ihren jeweiligen Antrag hin wurden die Parteien am 14. September 2012 zu einer mündlichen Verhandlung geladen. In einem der Ladung als Anlage gemäß Artikel 15(1) VOBK beigefügten Bescheid verwies die Kammer einerseits auf die Lückenhaftigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin und bezweifelte andererseits geltend gemachte Wirkungen für den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1.

V. In einer Stellungnahme vom 21. Dezember 2012 erläuterte die Beschwerdeführerin u.a. die Relevanz der Lehre des Dokuments D13/D13A für die Frage der Neuheit bzw. erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung.

Mit einem weiteren Schreiben vom 3. Januar 2013 nahm die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und kündigte an, an der anberaumten Verhandlung nicht teilzunehmen. Einspruch und Beschwerde wurden jedoch ausdrücklich aufrechterhalten.

VI. Die mündliche Verhandlung fand am 22. Januar 2013 in Abwesenheit beider Parteien statt.

Trotz einer einstündigen Verschiebung des Beginns der Verhandlung gelang es der Kammer nicht, Kontakt mit dem Vertreter der Beschwerdegegnerin aufzunehmen und die Gründe für das Fernbleiben dieser Partei zu klären.

VII. Der Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung lautet wie folgt :

"1. Antennenkoppler (100) mit einer Leiterplatte (1) auf deren Oberseite wenigstens ein Element in Streifenleiter-Technik ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Antennenkoppler (100) zum Testen von Mobiltelefonen (10) vorgesehen ist, daß das wenigstens eine Element eine Antenne (7,8) ist, daß der Antennenkoppler (100) ferner ein über der Leiterplatte (1) befestigtes Aufnahmeelement für ein Mobiltelefon (10) aufweist, und daß die Antenne (7,8) eine Schlitzantenne (7) oder eine Dipol-Antenne (8) ist."

Die Ansprüche 2 bis 18 sind abhängige Ansprüche.

VIII. Gemäß ihrem schriftlichen Vortrag erachtet die Beschwerdeführerin den Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung u.a. als durch das Dokument D13/D13A vorweggenommen, zumindest aber dem Fachmann durch dieses Dokument nahegelegt.

IX. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin sollte Dokument D13/D13A als verspätet vorgelegt und nicht relevant nicht ins Verfahren zugelassen werden.

Abgesehen davon, dass es sich bei D13A um eine unvollständige Übersetzung von D13 handele, die nicht beglaubigt sei und an deren Korrektheit Zweifel bestehen, lehre das Dokument ein von der Erfindung völlig unterschiedliches Testprinzip für Mobiltelefone.

Das Dokument betreffe eine als Koffer ausgebildete Miniatur-Messkammer in Kombination mit einer integrierten Dipolantenne zum Zwecke der Übertragung elektromagnetischer Prüfstrahlung in das Innere der Kammer. Wo genau die Dipolantenne räumlich angeordnet ist, bleibe mit Ausnahme der Angabe, dass sie sich in Relation zu einem in der Kammer befindlichen Koordinatensystem ("coordinate sheet") an einer fixen Position ("K31") befinde, jedoch unklar. Jedenfalls sei eine von der Beschwerdeführerin behauptete Anordnung der Antenne direkt unterhalb der Leiterplatte des Antennenkopplers der Druckschrift D13/D13A nicht zu entnehmen.

Zum Zwecke des Testens werde ein zu testendes Mobiltelefon (Prüfling) lose auf das Koordinatensystem in der Messkammer gelegt und Bedientasten des Prüflings werden mit einer Bedienstange durch Löcher im Deckel des Koffers bedient. Aufgrund der losen Art der Positionierung und der fehlenden Fixierung ergeben sich unreproduzierbare Messergebnisse. Darüber hinaus sei der Frequenzbereich der Prüfstrahlung durch den geschlossenen, kofferartigen Aufbau in einem unerwünscht hohen Ausmaß begrenzt und die Koppeldämpfung zwischen der Messkammer mit dem Prüfling und der Messantenne sehr hoch bzw. sehr stark schwankend. Als nachteilige Folge davon könne die Dynamik der Messkammer nicht ausreichen bzw. die Sende- und Empfangsleistung des Prüflings nicht genau gemessen werden.

Im Gegensatz dazu bestünden wesentliche Merkmale des erfindungsgemäßen Antennenkopplers darin, mittels der räumlich fixierten Anordnung der Prüflinge im Nahfeld der Antenne eine für alle Prüflinge definierte Koppeldämpfung zwischen dem Prüfling und dem Antennenkoppler während eines vollständigen Testzyklus bereitzustellen und auszunützen, wodurch unterschiedlichste Typen von Mobiltelefonen bei zufriedenstellender Reproduzierbarkeit und Interpretierbarkeit der Testergebnisse getestet werden können. Ein weiterer, sich daraus ergebender wesentlicher Vorteil des erfindungsgemäßen Antennenkopplers sei die Entbehrlichkeit einer Abschirmeinrichtung, welche systemimmanent sei und von der Druckschrift D13 aufgrund der dort gezeigten, unterschiedlichen Testphilosophie gar nicht nahegelegt sein könne.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 sowie der Regel 99 EPÜ und ist damit zulässig.

2. Nicht angekündigtes Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung und rechtliches Gehör

Trotz ordnungsgemäßer Ladung nahmen weder die Beschwerdeführerin noch die Beschwerdegegnerin an der mündlichen Verhandlung vor der Kammer teil.

Im Gegensatz zur Beschwerdeführerin und entgegen der Empfehlung des epi Rates in der epi Information 4/2009, Seiten 133-134, zog es die Beschwerdegegnerin vor, die Beschwerdeführerin und die Kammer nicht über ihr Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung zu informieren. Es blieb daher der Kammer überlassen, am Verhandlungstag (letztlich erfolglose) Nachforschungen darüber anzustellen, ob die Partei nur unverschuldet aufgehalten war oder ob sie die Absicht hatte, nicht zu erscheinen.

In Übereinstimmung mit Regel 115(2) EPÜ wurde das Verfahren in Abwesenheit beider Parteien fortgesetzt, wobei sich die Kammer in ihrer in der Verhandlung getroffenen Entscheidung in Übereinstimmung mit Artikel 15 (3) VOBK auf den schriftlichen Vortrag der Parteien stützte. Dabei war die Kammer in der Lage, eine Entscheidung über die Beschwerde zu treffen, da der Fall entscheidungsreif war (Artikel 15 (5) und (6) VOBK) und die selbstgewählte Abwesenheit der Parteien keinen Grund für einen Aufschub der Entscheidung darstellt (Artikel 15 (3) VOBK).

3. Zulassung des Dokuments D13/D13A

In ihrem Bescheid vom 14. September 2012 verwies die Kammer darauf, dass Dokument D13 einen Stand der Technik belegt, der als Ausgangspunkt für die vorliegende Erfindung im erteilten Patent zitiert ist (Paragraph [0005] der Patentbeschreibung), und dass das Dokument schon aus diesem Grunde in das Verfahren zuzulassen ist.

Die Beschwerdegegnerin ist dieser Auffassung nicht entgegengetreten und die Kammer hat keine Veranlassung diesbezüglich ihre Haltung zu ändern. Sie entschied deshalb in der mündlichen Verhandlung, das Dokument D13/D13A ins Verfahren zuzulassen.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ 1973)

4.1 Die aus Dokument D13/D13A bekannte Messkammer stellt unbestritten einen Antennenkoppler zum Testen von Mobiltelefonen dar (D13 : Figuren 3-4 und 3-6; D13A : Seiten 1, 3 und 4).

Wie von der Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 21. Dezember 2012 zutreffend dargelegt, weist der bekannte Antennenkoppler zu diesem Zwecke eine Dipolantenne auf (D13A : Seiten 1, 3 und 4; Tabelle 1-1 auf Seite 2 und Tabelle 1 auf Seite 5). Einer konkreten Ausführungsform zufolge wird ein zu testender Prüfling auf ein sich im Inneren der Messkammer befindendes Koordinatensystem aufgelegt. Was den Ort anbetrifft, an dem die Dipolantenne angeordnet ist, findet sich in D13A auf Seite 4 die Angabe, dass der Koordinatenpunkt "K31" der Mitte der Antenne entspreche, und auf Seite 5 die Angabe "mounted to main body". In Verbindung mit den in den Abbildungen der Messkammern auf den Seiten 3-2, 3-3 und 3-9 von D13 dargestellten und mit der Figur 3-1 im Detail gezeigten Koaxial- und Multipin-Stecker auf der Höhe des Bodens der Messkammer, lässt das Dokument für einen fachkundigen Leser keinen Raum für Zweifel daran, dass sich am Boden der Messkammer unterhalb des dargestellten Koordinatensystems eine Leiterplatte befindet, auf oder in der die Dipolantenne mit der zugehörigen Signalempfangs- und Sendeschaltung ausgebildet ist. Auch wenn diesbezüglich eine explizite Angabe fehlt, ist dabei davon auszugehen, dass eine in oder auf einer Leiterplatte ausgebildete Dipolantenne in aller Regel in Streifenleiter-Technik ausgeführt ist.

4.2 Von diesem sich für den Fachmann aus Dokument D13/D13A mittelbar oder unmittelbar ergebenden Antennenkoppler unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nur noch durch ein über der Leiterplatte befestigtes Aufnahmeelement für ein Mobiltelefon. Eine Ergänzung des aus D13/D13A bekannten Antennenkopplers mit einem Aufnahmeelement für das zu testende Mobiltelefon zum Zwecke einer mechanischen Fixierung des Prüflings auf dem Koordinatensystem, stellt jedoch nach Ansicht der Beschwerdekammer eine banale Maßnahme ohne erfinderische Bedeutung dar, zumal Dokument D13A auf Seite 3 bereits auf die Notwendigkeit einer stabil festgelegten Position des Prüflings in der Messkammer hinweist.

4.3 Aus den vorstehenden Gründen ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ 1973 beruht und demzufolge der Einspruchsgrund des Artikels 100 a) EPÜ 1973 der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht (Artikel 101 (2) EPÜ).

Der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Zurückweisung der Beschwerde ist daher nicht gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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