T 0683/09 () of 28.6.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T068309.20120628
Datum der Entscheidung: 28 Juni 2012
Aktenzeichen: T 0683/09
Anmeldenummer: 01951485.0
IPC-Klasse: G08B 5/00
F21S 8/00
F21Y 101/02
F21W 111/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 39 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Flugbefeuerungseinrichtung an Windenergieanlagen
Name des Anmelders: Wobben, Aloys
Name des Einsprechenden: REpower Systems AG
Vestas Wind Systems A/S
GE Wind Energy GmbH
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nein (Hauptantrag)
Zulässigkeit verspätet eingereichter Hilfsanträge - nein
Zurückverweisung an die erste Instanz - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde des Patentinhabers richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 282 888.

II. In der angefochtenen Entscheidung wurden u. a. folgende Dokumente berücksichtigt:

E4: DE-U1-200 08 289,

F1: "Obstruction Marking and Lighting", Advisory Circular AC 70/7460-1K, US Department of Transportation, Federal Aviation Administration (US), effective from 1 March 2000.

Die Einspruchsabteilung hat u. a. entschieden, dass im Prioritätsdokument E4 nicht dieselbe Erfindung wie in Anspruch 1 des Streitpatents enthalten sei. Dem Streitpatent könne deshalb nur der Anmeldetag der internationalen Anmeldung (8. Mai 2001) zuerkannt werden. Das am 14. September 2000 veröffentlichte Dokument E4 sei somit Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ. Die Einspruchsabteilung kam ferner zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruhe.

III. Mit Schreiben vom 25. Mai 2012 reichte der Beschwerdeführer die Hilfsanträge 1 bis 9 ein.

IV. Am 28. Juni 2012 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. In dieser Verhandlung beantragte der Beschwerdeführer, von den mit Schreiben vom 25. Mai 2012 eingereichten neuen Hilfsanträgen die Hilfsanträge 4, 6 und 7 in das Verfahren zuzulassen.

Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 01 und 03) beantragten, diese Hilfsanträge nicht ins Verfahren zuzulassen.

Nach Beratung entschied die Kammer, die mit Schreiben vom 25. Mai 2012 eingereichten Hilfsanträge 4, 6 und 7 nicht ins Verfahren zuzulassen.

V. Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Einsprüche zurückzuweisen; hilfsweise, die Sache zur weiteren Behandlung an die 1. Instanz zurückzuverweisen, um dort die mit Schreiben vom 25. Mai 2012 eingereichten Hilfsanträge 4, 6 und 7 stellen zu können.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag des Beschwerdeführers lautet wie folgt:

"Windpark bestehend aus mehreren Windenergieanlagen, wobei einzelne Windenergieanlagen des Windparks mit einer Flugbefeuerungseinrichtung ausgestattet sind, wobei die Flugbefeuerungseinrichtung aufweist:

zwei verschiedenfarbige Leuchtmittel (10),

eine Einrichtung zur Erfassung eines Helligkeitswerts in der Umgebung der Flugbefeuerungseinrichtung,

eine Schalteinrichtung, welche mit der Einrichtung zum Erfassen des Helligkeitswertes verbunden ist, wobei die Schalteinrichtung die gemessenen Daten der Einrichtung zum Erfassen des Helligkeitswertes auswertet,

eine Synchronisationseinrichtung, mittels der die Leuchtmittel derart synchronisiert werden, dass die Leuchtmittel der Windenergieanlagen eines Windparks zur gleichen Zeit an- bzw. ausgeschaltet werden, und

wobei die Schalteinrichtung mit einer Umschaltvorrichtung zum Umschalten von einem Leuchtmittel einer Farbe auf ein andersfarbiges Leuchtmittel zusammenwirkt, wenn ein bestimmter Helligkeitswert erreicht wird."

Ansprüche 2 bis 15 sind von Anspruch 1 abhängig.

VII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente des Beschwerdeführers lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Das Dokument E4 betreffe einen Windpark, der aus mehreren Windenergieanlagen besteht und eine Flugbefeuerungseinrichtung aufweist, welche durch einen Dämmerungsschalter aktiviert wird. E4 sehe ferner eine Synchronisationseinrichtung vor, mittels der die Leuchtmittel der Windenergieanlagen derart synchronisiert werden, dass sie zur gleichen Zeit an bzw. ausgeschaltet werden.

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents unterscheide sich von dem in E4 offenbarten Windpark durch zwei verschiedenfarbige Leuchtmittel und eine Schalteinrichtung mit einer Umschaltvorrichtung zum Umschalten von einem Leuchtmittel einer Farbe auf ein andersfarbiges Leuchtmittel, wenn ein bestimmter Helligkeitswert erreicht ist.

Das Dokument F1 stelle eine Richtlinie für eine Flugbefeuerung von Gebäuden dar. Kapitel 5 beziehe sich auf ein rotes Flugbefeuerungssystem, Kapitel 6 auf ein weißes Flugbefeuerungssystem mit mittlerer Intensität und Kapitel 8 auf ein Flugbefeuerungssystem mit rotem und weißem Licht. Für Windenergieanlagen seien lediglich Absatz 55 (Kapitel 5), Absatz 65 (Kapitel 6) und Absatz 85 (Kapitel 8) relevant. Auf einer Windenergieanlage könnten entweder zwei simultan blinkende, weiße Leuchtmittel (Absatz 65) oder zweifarbige Leuchtmittel (Absatz 85) vorgesehen werden.

Absatz 81 von F1 verweise auf Kapitel 4, 5 und 6, nicht jedoch auf Kapitel 7. Damit erhalte der Fachmann eindeutig den Hinweis, lediglich Kapitel 4, 5 und 6 zur Ausgestaltung der Leuchteinheit heranzuziehen, wobei Kapitel 4 unterschiedliche ein- bzw. zweifarbige Befeuerungssysteme allgemein beschreibt.

In Absatz 83 werde eine Steuereinrichtung beschrieben, welche das System ändert, wenn sich die Helligkeit der Umgebung ändert. Diese Änderungen seien: a) twiligt-to-night und b) night-to-day. Damit sei in diesem Absatz eher ein zeitliches Umschalten als ein Umschalten in Abhängigkeit von einem bestimmten Helligkeitswert beschrieben. So sei z. B. bei "night-to-day" nicht der Fall eingeschlossen, dass es tagsüber witterungsbedingt so dunkel wird, dass die Nachtbefeuerung eingeschaltet werden muss.

Kapitel 9 von F1 beschreibe ein "dual lighting with red/high intensity flashing white systems". Absatz 90 nehme Bezug auf Windenergieanlagen. In Absatz 91 werde auf Kapitel 4, 5 und 7 verwiesen. In Absatz 74.2 werde zwar angegeben, dass die Lichter auf zwei benachbarten Gebäuden simultan blinken sollen. Diese Gebäude seien jedoch nicht weiter als 153 m voneinander entfernt. Eine derartige Entfernung zwischen zwei Windenergieanlagen mache absolut keinen Sinn, da eine Windenergieanlage im Windschatten der anderen stehen würde. Aus diesem Grund würde der Fachmann sofort sehen, dass der Verweis in Kapitel 9 auf Kapitel 7 bzw. Absatz 74 für Windenergieanlagen nicht gelten kann.

Es sei ferner hervorzuheben, dass ein Windpark nicht lediglich eine willkürliche Anordnung einzelner Windenergieanlagen sei. Im Gegenteil zeichne sich ein Windpark durch eine zentrale Organisation der einzelnen Anlagen aus.

F1 sehe zwar eine Synchronisation von weißen Blinkleuchten vor, die auf zwei benachbarten Strukturen angebracht sind. Eine Synchronisation von roten und weißen Blinkleuchten eines Flugbefeuerungssystems sei jedoch in F1 gar nicht erwähnt. Ferner offenbare F1 keine Schalteinrichtung, welche mit einer Umschaltvorrichtung zum Umschalten von einem Leuchtmittel einer Farbe auf ein andersfarbiges Leuchtmittel zusammenwirkt, wenn ein bestimmter Helligkeitswert erreicht wird. In der Tat enthalte F1 nur Richtlinien, die dem Fachmann keine eindeutige technische Lehre vermitteln. Der Fachmann hätte überhaupt keinen Anlass gehabt, das Dokument E4, das ausschließlich ein Nachtbefeuerungssystem für einen Windpark betrifft, mit allgemeinen Richtlinien zur Flugbefeuerung von Luftfahrthindernissen zu kombinieren. Aber selbst wenn der Fachmann dies getan hätte, wäre er nicht zum Gegenstand des Streitpatents gelangt, da eine Umschaltvorrichtung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents in F1 nicht offenbart sei.

Aus diesen Gründen sei der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents nicht nur neu, sondern auch erfinderisch gegenüber dem genannten Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).

Die Zulassung der Hilfsanträge 4, 6 und 7 ins Beschwerdeverfahren sei gerechtfertigt. Gegenstand dieser Anträge sei nur eine Kombination erteilter Ansprüche. Die Einsprechenden hätten sich schon im Einspruchsverfahren mit sämtlichen abhängigen Ansprüchen befasst. Da der Gegenstand der Hilfsanträge schon aus dem Einspruchsverfahren bekannt sei, werde mit deren Einreichung nicht der Versuch unternommen, einen neuen Sachverhalt in das Beschwerdeverfahren aufzunehmen. Außerdem seien die Hilfsanträge vier Wochen vor der mündlichen Verhandlung, d. h. fristgerecht übermittelt worden. Die Beschwerdegegnerinnen hätten daher ausreichend Zeit gehabt, sich mit der neuen Antragslage zu befassen.

Sollte die Kammer die Hilfsanträge nicht ins Beschwerdeverfahren zulassen, entspräche der Fairness, die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen, um dem Patentinhaber die Möglichkeit zu geben, die Hilfsanträge 4, 6 und 7 nochmals zu stellen und sein Patenbegehren entsprechend einzuschränken.

VIII. Die Beschwerdegegnerinnen haben in erster Linie gegen die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber F1 argumentiert. Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit und der Zulässigkeit der Hilfsanträge des Beschwerdeführers haben sie Folgendes geltend gemacht:

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents unterscheide sich von E4 lediglich durch die zweifarbigen Leuchtmittel der Flugbefeuerungseinrichtung und durch eine Umschaltvorrichtung, welche die Leuchtmittel zwischen Tag- und Nachtbetrieb umschaltet.

Es sei aus F1 bekannt, dass die Flugbefeuerung eines Bauwerks und insbesondere einer Windenergieanlage aus zwei verschiedenfarbigen Leuchtmitteln bestehen kann (F1, Absatz 90) und dass die roten Leuchtmittel der Nachtbefeuerung und die weißen Leuchtmittel der Tagesbefeuerung nicht gleichzeitig aktiv sein dürfen (F1, Absatz 92). Dies impliziere für den Fachmann, dass die Steuereinrichtung einer zweifarbigen Flugbefeuerung eine Umschaltvorrichtung benötigt, die zwischen den Leuchtmitteln für den Tagesbetrieb und den Leuchtmitteln für den Nachbetrieb umschaltet. F1 sehe auch ein Ein- bzw. Ausschalten der Leuchtmittel in Abhängigkeit mit dem gemessenen Helligkeitswert vor. Es liege daher auf der Hand, dass bei einer zweifarbigen Flugbefeuerung die in F1 vorgesehene Schalteinrichtung mit einer Umschaltvorrichtung gemäß Anspruch 1 des Streitpatent zusammenwirken muss.

Es wäre für den Fachmann naheliegend, bei der Ausgestaltung einer von der zuständigen Behörde zuzulassenden Flugbefeuerung für einen Windpark gemäß E4 auch geltende Richtlinien zu berücksichtigen und insbesondere F1 heranzuziehen. Aus dieser für einen Fachmann selbstverständigen Kombination von E4 und F1 ergebe sich der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents ohne erfinderisches Zutun.

Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ.

Der Beschwerdeführer habe kurz vor Ablauf der für eine Erwiderung auf einen Bescheid der Kammer gesetzten Frist und ohne jegliche Rechtfertigung neun Hilfsanträge eingereicht, wovon erst in der mündlichen Verhandlung sechs zurückgezogen worden seien. Da sich die Sachlage im Laufe des Einspruchs- bzw. Beschwerdeverfahrens nicht geändert habe, hätte der Patentinhaber sein eingeschränktes Patentbegehren erstinstanzlich oder zumindest mit der Beschwerdebegründung einreichen können.

Die drei übriggebliebenen Hilfsanträge stellten unterschiedliche Ansätze dar und zielten nicht darauf, den gegen die Patentierbarkeit des beanspruchten Gegenstandes erhobenen Einwänden zu begegnen. Im Gegenteil, sie würfen neue Fragen in Bezug auf Artikel 123 (2), 83 und 84 EPÜ auf.

Es sei daher nicht gerechtfertigt, die verspätet eingereichten Hilfsanträge ins Verfahren zuzulassen.

Es wäre der Rechtssicherheit abträglich, durch eine Zurückverweisung der Sache an die ersten Instanz dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu gewähren, weitere Hilfsanträge zu stellen und somit das Einspruchsverfahren beliebig zu verlängern. Das Einspruchsbeschwerdeverfahren sei mit der Entscheidung bezüglich des vorliegenden Antrags des Beschwerdeführers zu beenden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2.1 Anspruch 1 des Streitpatents lässt sich wie folgt untergliedern:

A.) Windpark bestehend aus mehreren Windenergieanlagen, wobei einzelne Windenergieanlagen des Windparks mit einer Flugbefeuerungseinrichtung ausgestattet sind, wobei die Flugbefeuerungseinrichtung aufweist:

B.) zwei verschiedenfarbige Leuchtmittel,

C.) eine Einrichtung zur Erfassung eines Helligkeitswerts in der Umgebung der Flugbefeuerungseinrichtung,

D.) eine Schalteinrichtung, welche mit der Einrichtung zum Erfassen des Helligkeitswertes verbunden ist, wobei die Schalteinrichtung die gemessenen Daten der Einrichtung zum Erfassen des Helligkeitswertes auswertet,

E.) eine Synchronisationseinrichtung, mittels der die Leuchtmittel derart synchronisiert werden, dass die Leuchtmittel der Windenergieanlagen eines Windparks zur gleichen Zeit an- bzw. ausgeschaltet werden, und

F.) wobei die Schalteinrichtung mit einer Umschaltvorrichtung zum Umschalten von einem Leuchtmittel einer Farbe auf ein andersfarbiges Leuchtmittel zusammenwirkt, wenn ein bestimmter Helligkeitswert erreicht wird.

2.2 Der Beschwerdeführer hat nicht bestritten, dass das Dokument E4 zum Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ gehört. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 des Streitpatents ist somit E4 zu berücksichtigen.

3.1 E4 bezieht sich auf eine Flugbefeuerungseinrichtung an Windenergieanlagen und weist u.a. darauf hin (Seite 1, erster Absatz), dass Bauwerke ab einer gewissen Höhe "je nach Standort und Behördenauflage mit einer sog. Nachtkennzeichnung bzw. Flugbefeuerungseinrichtung zur Flugsicherung ausgestattet werden" müssen. "Die Nachtkennzeichnung besteht bei einer Gesamthöhe (Rotorblatt in 12.00 Uhr Position) unter 100 m aus einem sog. Hindernisfeuer, während bei einer Gesamthöhe über 100 m ein sog. Gefahrenfeuer notwendig ist" (Unterstreichung hinzugefügt).

"Eine Hindernisbefeuerung besteht üblicherweise aus zwei Leuchtmitteln (zwei Leuchtkörpern), die nachts permanent leuchten, während das Gefahrenfeuer zwei Blitzleuchten (und zwei Reserveleuchten) aufweist, die im vorgegebenen Rhythmus abwechselnd leuchten. Die Leuchtstärke eines Gefahrenfeuers ist um ein Vielfaches stärker als die Leuchtstärke eines Hindernisfeuers" (Seite 1, Absatz 2 - Unterstreichung hinzugefügt).

Im letzten Absatz von Seite 2 und im ersten Absatz von Seite 3 befasst sich E4 insbesondere mit der Flugbefeuerung mehrerer Windenergieanlagen. "Werden mehrere Windenergieanlagen zusammen aufgestellt, was regelmäßig in Windparks der Fall ist, und müssen diese Windenergieanlagen aufgrund ihrer großen Höhe mit einer Gefahrenbefeuerung ausgestattet werden, ist es für den Flug- und Autoverkehr oftmals sehr störend/irritierend, wenn die Gefahrenfeuer an jeder einzelnen Windenergieanlage zu unterschiedlichen Zeiten aufblitzen (d. h. also eingeschaltet bzw. ausgeschaltet werden). Hierzu sieht die Erfindung die Ausbildung einer Synchronisationseinrichtung vor, mittels der die Blitzleuchten derart synchronisiert werden, dass sämtliche Blitzleuchten aller Windenergieanlagen eines Windparks zur gleichen Zeit aufblitzen (d. h. also an- bzw. ausgeschaltet werden)".

3.2 Zusammenfassend lehrt E4, die Blitzleuchten von mit Gefahrenfeuern auszustattenden Windenergieanlagen eines Windparks synchron an- bzw. auszuschalten, um den Flug- und Autoverkehr nicht mehr als unbedingt nötig zu stören.

Es ist in der Tat unstreitig, dass E4 die o. g. Merkmale A.), C.), D.) und E.) von Anspruch 1 des Streitpatents offenbart.

3.3 Was die Ausgestaltung der Flugbefeuerung von Windenergieanlagen anbelangt, lehrt E4 im Wesentlichen, dass die Gefahrenbefeuerung aus je zwei Haupt- und zwei Reserveleuchten besteht und dass die Lichtstärke der Blitze mehr als 1600 cd/Blitz beträgt. Da E4 keine weiteren Angaben über die Leuchtmittel und insbesondere über deren Farbe(n) enthält, stellt sich für den Fachmann u. a. die Frage, wie die Leuchtmittel der Gefahrenbefeuerung eines Windparks nach geltenden Vorschriften tatsächlich ausgestaltet werden sollen.

4.1 Bei dem Dokument F1 handelt es sich um Richtlinien über die Markierung und Befeuerung von Flughindernissen.

Kapitel 4 von F1 enthält allgemeine Richtlinien für die Befeuerung. In Absatz 40 wird darauf hingewiesen, dass F1 lediglich Mindeststandards festlegt, die überschritten werden dürfen bzw. müssen, wenn das Luftfahrthindernis eine besondere Gefährdung für die Luftfahrt darstellt. So kann die empfohlene Befeuerung für Windenergieanlagen von deren Anzahl und Anordnung abhängen.

In Absatz 42.a wird angegeben, dass nachts rote Leuchten bzw. Blitzleuchten verwendet werden können. Vorgesehen ist auch eine doppelte Befeuerung, die aus roten Leuchten für den Nachtbetrieb und aus weißen Blitzleuchten für den Tagesbetrieb besteht, wobei für Bauwerke unter 153m weiße Blitzleuchten mit mittlerer Intensität und für Bauwerke jeglicher Höhe weiße Blitzleuchten mit stärkerer Intensität zugelassen sind.

Kapitel 8 befasst sich mit Befeuerungssystemen, die aus roten Leuchten für den Nachtbetrieb und aus weißen Blitzleuchten mittlerer Intensität für den Tagesbetrieb bestehen. Bezüglich der Aufstellung der Leuchtmittel verweist Absatz 81 u. a. auf Kapitel 4. In Absatz 82 wird darauf hingewiesen, dass die roten und weißen Leuchten nicht gleichzeitig betrieben werden dürfen, wobei das Umschalten der Leuchtmittel weniger als 2s in Anspruch nehmen darf. Dafür ist eine Einrichtung vorgesehen, welche die Leuchtmittel in Abhängigkeit vom erfassten Helligkeitswert steuert (siehe F1, Absatz 83).

Für Windenergieanlagen sind ausdrücklich zwei zweifarbige Leuchtmittel vorgeschrieben, die auf der Gondel angeordnet sind und gleichzeitig aufblitzen (siehe F1, Absatz 85).

Kapitel 9 bezieht sich auf Befeuerungssysteme, die aus roten Leuchten für den Nachtbetrieb und aus weißen Blitzleuchten stärkerer Intensität für den Tagesbetrieb bestehen. Im Absatz 90 wird darauf hingewiesen, dass die Empfehlungen für die Befeuerung von Windenergieanlagen von deren Anzahl und Anordnung abhängen können. Im Vergleich zu Kapitel 8 sieht Kapitel 9 zusätzlich vor, bei Dämmerung die Intensität der weißen Leuchtmittel herabzusetzen.

4.2 Zusammenfassend schreibt F1 u. a. vor, Windenergieanlagen mit je zwei verschiedenfarbigen Leuchtmitteln zu befeuern, wobei diese Leuchtmittel als Blitzleuchten ausgebildet sind. Die Tatsache, dass die weißen Blitzleuchten ausschließlich für den Tagesbetrieb und die roten Blitzleuchten ausschließlich für den Nachtbetrieb vorgesehen sind, impliziert für den Fachmann, dass die Schalteinrichtung der Blitzleuchten mit einer Umschaltvorrichtung zum Umschalten von einem Leuchtmittel einer Farbe auf das andersfarbige Leuchtmittel zusammenwirken muss, wenn ein bestimmter Helligkeitswert erreicht ist oder unterschritten wird.

4.3 Für den Fachmann, der sich vor die Aufgabe gestellt sieht, einen Windpark gemäß E4 mit einer Flugbefeuerungseinrichtung auszustatten, die geltenden Vorschriften bzw. Normen entspricht, ist es naheliegend, entsprechende Richtlinien der Flugsicherungsbehörden und insbesondere F1 zu berücksichtigen. Wie vorstehend ausgeführt, schreibt F1 zweifarbige Blitzleuchten für die Flugbefeuerung von Windenergieanlagen vor (vgl. Merkmal B.)), wobei der Tages- bzw. Nachtbetrieb dieser Blitzleuchten eine Schalteinrichtung gemäß Merkmal F.) impliziert. Es liegt auf der Hand, dass der Fachmann durch die Anwendung der in F1 aufgestellten Richtlinien auf E4 unmittelbar zum beanspruchten Gegenstand gelangt.

4.4. Aus diesen Gründen beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ.

Zulässigkeit der Hilfsanträge

5.1 Gemäß Artikel 12 (2) der "Verfahrensordnung der Beschwerdekammern" (VOBK) müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten. "Sie müssen deutlich und knapp angeben, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, abzuändern oder zu bestätigen, und sollen ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen".

"Es steht im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt" (Artikel 13 (1) VOBK).

5.2 Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer mit der Beschwerdebegründung lediglich beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten, d. h. die Einsprüche zurückzuweisen. Erst kurz vor Ablauf der Frist für die Einreichung von Stellungnahmen zu einer Mitteilung der Kammer, d. h. einen Monat vor der mündlichen Verhandlung, reichte der Beschwerdeführer neun Hilfsanträge ohne jegliche Begründung für deren vermeintliche Patentierbarkeit ein. Im Laufe der mündlichen Verhandlung wurden Hilfsanträge 1 bis 3, 5, 8 und 9 zurückgezogen.

5.3 Nach Auffassung der Kammer sind die aufrechterhaltenen Hilfsanträge 4, 6 und 7 nicht als eine berechtigte und absehbare Reaktion auf ein neues Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen bzw. auf die vorläufige Mitteilung der Kammer zu werten. Sie sind auch nicht geeignet, letzte Hindernisse auf dem Weg zur Aufrecherhaltung des Patents zu beseitigen. Sie würden im Gegenteil eine völlig neue und umfangreiche Diskussion eröffnen

Wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit beim Gegenstand von Anspruch 1 sah sich die Einspruchabteilung dazu veranlasst, das Streitpatent zu widerrufen. In der Beschwerdebegründung beschränkte sich der Beschwerdeführer darauf, die Entscheidungsgründe der Einspruchsabteilung zu widerlegen und die Patentierbarkeit des erteilten Anspruchs 1 zu verteidigen. Die Erwiderungen der Beschwerdegegnerinnen stützten sich im Wesentlichen auf die im Einspruchsverfahren vorgebrachten Argumente.

Es ist zwar richtig, dass sich die Hilfsanträge 4, 6 und 7 auf unterschiedliche Kombinationen von in den erteilten Ansprüchen des Streitpatents aufgeführten Merkmalen stützen und deren Gegenstand zunächst technisch überschaubar erscheint. Jedoch würde die Diskussion über diese Anträge weg von F1 führen und in unterschiedliche und kaum vorhersehbare Richtungen verlaufen, zumal der Beschwerdeführer bei der Einreichung der Hilfsanträge nicht mitgeteilt hat, weshalb er glaubt, mit den neuen Anträgen das widerrufene Patent erfolgreich verteidigen zu können, und die Beschwerdegegnerinnen schon Einwände unter Artikel 123 (2), 83 und 84 angedeutet haben.

Es ist schließlich prima facie nicht zu erwarten, dass einer der Hilfsanträge 4, 6 und 7 unmittelbar zur Aufrechterhaltung des Streitpatents in beschränktem Umfang dienen könnte.

5.4 Unter diesen Unständen hält es die Kammer für angebracht, die Hilfsanträge 4, 6, und 7 des Beschwerdeführers nicht in das Verfahren zuzulassen.

Hilfsantrag auf Zurückverweisung

6.1 Der Beschwerdeführer hat hilfsweise beantragt, die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen, damit die abgelehnten Hilfsanträge erneut gestellt werden können.

6.2 Gemäß Artikel 111 (1) EPÜ steht es im Ermessen der Kammer, ob sie in der Sache selbst entscheidet oder sie an die erste Instanz zurückverweist, die die Entscheidung erlassen hat.

Nachdem die Kammer geprüft hat, ob die vom Patentinhaber initiierte Beschwerde begründet ist, und es nicht für sachdienlich hält, verspätet eingereichte Hilfsanträge zuzulassen, sieht sie sich nun imstande, über die Beschwerde zu entscheiden und somit das Beschwerdeverfahren zu beenden. Eine Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz zur weiteren Behandlung würde lediglich dazu dienen, dem Patentinhaber die Möglichkeit zu geben, eine Aufrechterhaltung des widerrufenen Patents in beschränktem Umfang auf der Grundlage der nicht zugelassenen Hilfsanträge anzustreben und somit das Einspruchsbeschwerdeverfahren nach Belieben fortzusetzen. Dies würde dem Patentinhaber einen unfairen Vorteil gegenüber den Einsprechenden verschaffen und stünde im Übrigen im Widerspruch zur Feststellung der Kammer, dass die Beschwerde nun entscheidungsreif und somit abzuschließen ist.

6.3 Dem Hilfsantrag des Beschwerdeführers auf Zurückverweisung der Sache zur weiteren Behandlung an die erste Instanz wird daher nicht stattgegeben.

7. Aus den vorstehenden Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die Beschwerde unbegründet ist. Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL:

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation