T 0486/09 (Beobachtung von Nachbarfunkzellen/SIEMENS) of 13.5.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T048609.20110513
Datum der Entscheidung: 13 Mai 2011
Aktenzeichen: T 0486/09
Anmeldenummer: 01994037.8
IPC-Klasse: H04Q 7/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Beobachtung von Nachbarfunkzellen in einem Funk-Kommunikationssystem
Name des Anmelders: Siemens Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - verneint
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Anmeldung Nr. 01994037.8, die als internationale Patentanmeldung Nr. PCT/DE01/04240 eingereicht und unter der internationalen Veröffentlichungsnummer WO 02/39758 A2 veröffentlicht worden ist. Die angefochtene Entscheidung stützte sich darauf, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift

D1: US 6,122,270 A

nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ).

II. Zusammen mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Satz mit Ansprüchen 1 und 2 ein. Es wurde beantragt, die Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der geänderten Ansprüche zu erteilen. Hilfsweise wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

III. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung hat die Kammer zur Sache, insbesondere zur erfinderischen Tätigkeit, vorläufig Stellung genommen.

IV. Am 11. Mai 2011 reichte die Beschwerdeführerin überarbeitete Anmeldungsunterlagen mit einem weiteren Satz Ansprüchen 1 und 2 als Hilfsantrag ein.

V. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 13. Mai 2011 statt. Es wurde beantragt, die Zurückweisungsent scheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der am 15. Dezember 2008 eingereichten Ansprüche 1 und 2 (Hauptantrag) oder hilfsweise auf der Grundlage der am 11. Mai 2011 eingereichten Ansprüche 1 und 2 (Hilfsantrag) zu erteilen.

VI. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet:

"Verfahren zur Beobachtung von Nachbarfunkzellen in einem Funk-Kommunikationssystem, bei dem von einer ersten Basisstation (NB1) eines ersten Funk-Kommunikationssystems ein Beginn und eine Länge als Parameter eines Zeitintervalls zur Beobachtung von Aussendungen einer zweiten Basisstation (NB2) eines zweiten Funk-Kommunikations system [sic] zu einer Teilnehmerstation (UE) signalisiert werden, wobei der Beginn des Zeitintervalls durch eine Zeitschlitznummer (TGSN) und die Länge des Zeitintervalls durch eine Anzahl Zeitschlitze (TGL) definiert werden, von der Teilnehmerstation (UE) in dem signalisierten Zeitintervall die Aussendungen der zweiten Basisstation (NB2) beobachtet und ein Kanal (P-CCPCH, BCH) der zweiten Basisstation (NB2) detektiert werden, von der Teilnehmerstation (UE) ein geeigneter Beginn des Zeitintervalls durch Angabe eines Zeitschlitzes zu der ersten Basisstation (NB1) signalisiert wird, und von der ersten Basisstation (NB1) der signalisierte geeignete Beginn für eine Optimierung der Parameter des Zeitintervalls genutzt wird."

Gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags ist in Anspruch 1 des Hilfsantrags im zweiten Merkmal "ein Kanal" durch "die zeitliche Lage eines vorgegebenen Kanals" ersetzt und im dritten Merkmal nach "Teilnehmerstation (UE)" der Zusatz "in Abhängigkeit von der zeitlichen Lage des detektierten vorgegebenen Kanals(P-CCPCH, BCH)" eingefügt worden.

VII. Die Beschwerdeführerin argumentierte in der mündlichen Verhandlung, die Erfindung sei auf die Optimierung eines Zeitfensters zur Beobachtung von Nachbarfunkzellen durch eine mit einer ersten Basisstation in Verbindung stehende Teilnehmer station beschränkt. Dabei werde der Teilnehmerstation von der Basisstation zunächst ein relativ langes Beobachtungsintervall zur Detektion eines bestimmten Kanals der Nachbarfunkzelle vorgegeben. Aus der detektierten zeitlichen Lage dieses Kanals lasse sich ein optimierter Anfang des nächsten Beobachtungs intervalls ableiten, so dass dieses nächste Beobachtungsintervall möglichst kurz gewählt werden könne. Im Gegensatz zur Erfindung werde in D1 die Nachbarfunkzelle lediglich einmal beobachtet, nämlich während des als 86 in der Figur 4 bezeichneten Zeitraums. Die in darauf folgenden Rahmen vorgenommene Unterteilung von Übertragungsrahmen in Zeitschlitze ("time adjusted mode") trete nur bei Handover, d.h. einer Übergabe der Verbindung an die Nachbarfunkzelle auf. Die Optimierung eines Zeitfensters ausschließlich zur Beobachtung von Nachbarfunkzellen sei durch D1 weder offenbart noch nahegelegt.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Erfindung betrifft die Beobachtung von Nachbarfunkzellen in einem Funk-Kommunikationssystem, beispielsweise einem Mobilfunksystem. Eine Beobachtung der Nachbarfunkzellen kann für unterschiedliche Zwecke dienlich sein, z.B. zur Vorbereitung auf ein Handover oder zur Bestimmung der eigenen Position einer Teil neh mer station (Seite 1, Zeilen 25-30 der veröffentlichten Anmeldung). Eine Beobachtung ist nicht ohne weiteres möglich, wenn unterschiedliche Kommunikationssysteme betroffen sind, z.B. UMTS und GSM. Besteht beispielsweise zwischen einer Multimode-Teilnehmer station und einer CDMA-Basisstation eine Kommunikations ver bindung und die zu beobachtende Nachbar funkzelle wird durch eine TDMA-Basisstation versorgt, so ergibt sich aus dem Umstand, dass die CDMA-Basisstation die Informationen an die Teilnehmerstation kontinuierlich sendet, das Problem, dass eine zeitweise Beobachtung der Nachbarfunkzelle durch die Teilnehmer station mit einem Verlust an empfangener Information verbunden wäre. Daher war bereits zum Anmeldezeitpunkt bekannt (vgl. Seite 2, Zeile 35 bis Seite 4, Zeile 15 der Anmeldung), zum Zweck der Beobachtung von Nachbarzellen Übertragungs lücken in das von der Basisstation kontinuierlich ausgesendete Signal einzufügen, so dass die Teilnehmerstation während dieser Übertragungslücken die Nachbarfunkzellen beobachten kann. Das Ziel der Erfindung ist nun, die Übertragungslücken effektiver zu positionieren und zu nutzen (Seite 4, Zeilen 17-19 der Anmeldung).

2. Anspruch 1 des Hauptantrags - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

2.1 Die Druckschrift D1 offenbart ein Verfahren zur Beobachtung von Nachbarfunkzellen durch eine Teilnehmerstation und zur unterbrechungsfreien Übergabe einer laufenden Verbindung an die Nachbarfunkzelle ("seamless handover", vgl. Spalte 1, Zeilen 32-35). Dazu wird auf Anforderung der Teilnehmerstation MS (Spalte 4, Zeilen 3-11) von der Basisstation BS1 des ersten (CDMA) Systems, mit der die Teilnehmerstation in Verbindung steht, ein Zeitintervall 86 (Figur 4) zur Beobachtung einer Basisstation BS2 eines zweiten (TDMA) Systems eingeräumt. Die durch die Beobachtung erhaltenen Zeitparameter der TDMA-Basisstation wie deren Rahmen- und Zeitschlitzdauer sowie die relative zeitliche Lage des ersten TDMA-Zeitschlitzes relativ zu den eigenen CDMA-Rahmen werden von der Teilnehmerstation an die erste CDMA-Basisstation übermittelt (Spalte 4, Zeilen 22-27). Falls eine Übertragung der Verbindung an die TDMA-Basisstation eingeleitet wird, bestimmt die CDMA- Basisstation aus den Zeitparametern für die nach folgenden Übertragungsrahmen ein Zeitintervall, während dessen die Teilnehmerstation Über tragungen von der CDMA-Basisstation empfangen kann (Spalte 4, Zeilen 42-45). Damit die Teilnehmer station gleichzeitig die Verbindung zur CDMA-Basisstation aufrecht halten als auch eine Verbindung mit der TDMA-Basis station herstellen kann, wird für die weitere Übertragung (5. bis 7. Rahmen in Figur 4 von D1) zwischen der CDMA-Basisstation und der Teil nehmerstation ein "compressed mode"-Übertragungs modus vereinbart. Die Kammer versteht aus Spalte 4, Zeilen 22-27 und 42-45 von D1, dass die Zeitschlitze zur Signalüber tragung zwischen der CDMA-Basisstation und der Teilnehmer station, und somit die Lage derjenigen Zeit intervalle, während der keine Übertragung von der CDMA-Basis station an die Teilnehmerstation stattfindet, anhand der in dem Zeitintervall 86 gewonnenen Zeitparameter so optimiert werden, dass einerseits der Teilnehmerstation ein ungestörter Empfang eines Signals von der TDMA-Basisstation möglich ist, andererseits die Verbindung mit der CDMA-Basisstation aufrecht erhalten bleibt.

Das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren unterscheidet sich folglich von dem in D1 beschriebenen Verfahren durch die folgenden Merkmale:

(i) Das Zeitintervall zur Beobachtung wird von der ersten Basisstation vorgegeben und der Teilnehmerstation signalisiert.

(ii) Beginn und Länge des Zeitintervalls werden durch eine Zeitschlitznummer bzw. eine Anzahl Zeitschlitze definiert.

(iii) Der geeignete Beginn des Zeitintervalls für weitere Beobachtungen wird von der Teilnehmerstation durch die Angabe eines Zeitschlitzes zu der ersten Basisstation signalisiert.

(iv) Das Zeitintervall dient lediglich zur Beobachtung eines Kanals der zweiten Basisstation.

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 ist somit neu gegenüber D1.

2.2 Die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe wurde in der ursprünglichen Anmeldung angegeben als die effektivere Positionierung und Nutzung von Übertragungslücken (vgl. Seite 4, Zeilen 17-19 der veröffentlichten Anmeldung). Unter zusätzlicher Berücksichtigung der genannten Merkmale (i)-(iv) sowie der Offenbarung von D1 ist die genannte technische Aufgabe dahingehend zu präzisieren, dass die effektivere Positionierung und Nutzung der Übertragungslücken zum Zweck der Beobachtung von Nachbarfunkzellen erfolgt. Dies ist die zu lösende objektive technische Aufgabe.

2.3 Hinsichtlich des ersten unterscheidenden Merkmals (i) der Signali sierungs richtung ist es nach Auffassung der Kammer willkürlich und damit für den Fachmann frei wählbar, ob der Zeitraum zur erstmaligen Beobachtung von der ersten Basisstation oder der Teilnehmer station bestimmt und der jeweils anderen Station signalisiert wird. Folglich trägt dieses Merkmal nicht zu einer Lösung der technischen Aufgabe und somit auch nicht zur erfinderischen Tätigkeit bei. Die Beschwerdeführerin hat diese Auffassung der Kammer bezüglich des Merkmals (i) in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Frage gestellt.

Die weiteren unterscheidenden Merkmale (ii) und iii) dienen dem Zweck, Zeitintervalle auf einfache Weise zu benennen und zu signalisieren. Die Kammer sieht keine erfinderische Tätigkeit damit verbunden, Zeitintervalle anstatt als übliche Zeitangaben, wie in D1 in Spalte 4, Zeilen 22-27 offenbart, in Form von mittelbaren Zeitangaben wie der Nummer und Anzahl von Zeit schlitzen eines definierten Zeitrahmens zu spezifizieren. Somit tragen die Merkmale (ii) und (iii) ebenfalls nicht zur erfinderischen Tätigkeit bei. Diese Auffassung der Kammer über die Merkmale (ii) und (iii) wurde von der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht in Frage gestellt.

Hinsichtlich des weiteren Merkmals (iv) wird der Fach mann unter Berücksichtigung des generellen Bedürfnisses, eine bestehende Verbindung zwischen der Teilnehmer station und der CDMA-Basisstation möglichst wenig zu beeinträchtigen, die Lehre von D1, wonach zur Optimierung des Zeitintervalls, während dessen die Teilnehmerstation nicht für den Empfang von Signalen von der CDMA-Basisstation zur Verfügung steht, die durch Beobachtung gewonnenen Zeitparameter der TDMA-Basis station dienen, in derselben Art und Weise zur Optimierung eines nur für die Beobachtung der Nachbar funkzelle vorge sehenen Zeitintervalls verwenden. Somit gelangt der Fachmann in naheliegender Weise zu dem in Anspruch 1 beanspruchten Verfahren.

2.4 Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente überzeugen die Kammer nicht. Dem Fachmann ist daran gelegen, eine Unterbrechung der Übertragung von der CDMA-Basisstation an die Teilnehmerstation auf das Notwendige zu beschränken. Es ist hierbei nicht von Interesse und spielt für die technischen Überlegungen des Fachmanns, wie das Zeitfenster der Unterbrechung zu minimieren ist, keine Rolle, ob das Zeitfenster, wie in der Erfindung, nur für die Beobachtung einer anderen Funkzelle oder, wie in D1, für die Übergabe der bestehenden Verbindung an die andere Funkzelle bestimmt wird.

2.5 Folglich beruht das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ). Der Hauptantrag ist somit nicht gewährbar.

3. Anspruch 1 des Hilfsantrags - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Das weitere Merkmal des Anspruchs 1 des Hilfsantrags, dass die zeitliche Lage eines vorgegebenen Kanals detektiert wird und der geeignete Beginn in Abhängigkeit dieser zeitlichen Lage signalisiert wird, kann das beanspruchte Verfahren nicht weiter gegen D1 abgrenzen, da in D1 die zeitliche Lage des ersten Zeitschlitzes eines TDMA-Rahmens einen der detektierten Zeitparameter darstellt (Spalte 4, Zeilen 25-27). Daher beruht das Verfahren nach Anspruch 1 des Hilfsantrages aus denselben Gründen wie Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Hilfsantrag ist daher nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).

4. Da kein gewährbarer Antrag vorliegt, kann der Beschwerde nicht stattgegeben werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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