T 0447/09 () of 30.7.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T044709.20140730
Datum der Entscheidung: 30 Juli 2014
Aktenzeichen: T 0447/09
Anmeldenummer: 00925155.4
IPC-Klasse: C05G 3/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: MITTEL ZUR VERBESSERUNG DER N-AUSNUTZUNG MINERALISCHER UND/ODER ORGANISCHER HARNSTOFFHALTIGER DÜNGEMITTEL
Name des Anmelders: SKW STICKSTOFFWERKE PIESTERITZ GmbH
Name des Einsprechenden: Agrotain International L.L.C.
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Zulässigkeit spät eingereichter Anträge (nein) - Mangelnde Begründung der Verspätung
Zulässigkeit spät eingereichter Anträge (nein) - Auftreten neuer Probleme
Zulässigkeit spät eingereichter Anträge (nein) - Gewährbahrkeit (nicht eindeutig)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0220/83
T 0714/08
T 1634/09
T 1732/10
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1273/11

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent EP-B-1 183 220 zurückzuweisen. Unter anderem wurden folgende Dokumente darin zitiert:

D1: US 5 352 265

D2: US 5 364 438

D3: WO 95/22515

D4: DD 222 471

D8: US 4 530 714

Die Einspruchsabteilung fand, dass der Gegenstand des Patents erfinderisch sei. Es gebe keinen Anlass, die Lehre aus D1 oder D2 mit der Lehre aus D3 oder D4 zu kombinieren.

II. Dagegen legte die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde ein.

III. Mit ihrer Antwort vom 21. August 2009 reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) Ergebnisse der Verrechnung der experimentellen Ergebnisse der Beispiele aus dem Streitpatent nach Colby ein.

IV. In dem Bescheid unter Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK), der mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung verschickt wurde, stellte die Beschwerdekammer die erfinderische Tätigkeit der Ansprüche des Streitpatents in Frage.

V. Mit dem Schreiben vom 19. Mai 2014 reichte die Beschwerdegegnerin einen neuen Hauptantrag und Hilfsanträge 1 und 2 ein. Zudem kündigte sie an, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.

Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:

"1. Chemische Zusammensetzung, die folgende Komponenten enthält:

a) einen Ureaseinhibitor, der ausgewählt ist unter:

Phosphorsäurephenylesterdiamid (PPDA)

N-(n-Butyl)-phosphorsäuretriamid (NBPT)

N-(n-Butyl)-thiophosphorsäuretriamid (NBTPT)

N-(Diaminophosphoryl)-N'-(4-methoxyphenyl)-harnstoff (DMPH)

N-Diaminophosphoryl-harnstoff (DH)

N-(Diaminophosphoryl)-N'-phenyl-harnstoff (DPH)

Diaminophosphorylcarbamidsäuremethylester (DCM)

Diaminophosphorylcarbamidsäurebenzylester (DCB)

Diaminophosphorylcarbamidsäureisopropylester (DCIP)

b1) wenigstens einen Nitrifikationsinhibitor, der auswählt ist unter:

3-Methylpyrazol (MP)

1-Guanyl-3-methylpyrazoliumnitrat (GMPN)

3,4-Dimethylpyrazol (DMP)

4-Chlor-3-methylpyrazol (CIMP)und

b2) 1H-1,2,4-Triazol (TZ)"

Im Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags wurden N-(n-Butyl)-phosphorsäuretriamid (NBPT) und N-(n-Butyl)-thiophosphorsäuretriamid (NBTPT) aus der Liste der Ureaseinhibitoren gestrichen.

Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags lautet: "1. Chemische Zusammensetzung, die eine aus der folgenden Gruppe ausgewählte Kombinationen aus einem Ureaseinhibitor und einem Nitrifikationsinhibitor enthält: N-(n-Butyl)-phosphorsäuretriamid (NBPT) + 1-Guanyl-3-

methylpyrazoliumnitrat (GMPN)N-Diaminophosphoryl-harnstoff (DH) + 1-Guanyl-3-methylpyrazoliumnitrat (GMPN)

Diaminophosphorylcarbamidsäuremethylester (DCM) +

1-Guanyl-3-methylpyrazoliumnitrat (GMPN)

Diaminophosphorylcarbamidsäureisopropylester (DCIP) + 3,4-Dimethylpyrazol (DMP)

Diaminophosphorylcarbamidsäureisopropylester (DCIP) + 3-Methylpyrazol (MP)

Diaminophosphorylcarbamidsäureisopropylester (DCIP) + Chlor-3-methylpyrazol (CIMP)."

VI. Die mündliche Verhandlung fand am 30. Juli 2014 statt. Wie angekündigt, nahm die Beschwerdegegnerin nicht teil.

VII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Die mit dem Schreiben vom 19. Mai 2014 eingereichten Anträge führten zu einem neuen Fall, da der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht aus einer Kombination erteilter Ansprüche hervorginge, sondern nur aus der Beschreibung. Dies erfordere eine neue Recherche.

Zudem würfen die Anträge neue Fragen unter den Artikeln 84 EPÜ und 123(2) EPÜ auf. So sei die Bedeutung der Konjunktion "und" im Hauptantrag und im Hilfsantrag 1 nicht klar. Zudem stelle der Gegenstand des Anspruchs 1 aller Anträge eine willkürliche Kombination von Komponenten aus Listen der Beschreibung dar, die nicht eindeutig und unmittelbar aus der ursprünglichen Anmeldung hervorgehe.

Zudem sei nicht erkennbar, wieso die in der vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer erhobenen Einwände der mangelnden erfinderischen Tätigkeit durch die neuen Anträge behoben sein sollten.

VIII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Die neuen Anträge gingen aus der Beschreibung und vor allem aus den Beispielen 5 und 6 hervor. Eine verbesserte Wirksamkeit bzw. ein synergistischer Effekt sei für die Ausführungsformen dieser Anträge belegt.

Die erfindungsgemäße Kombination von Urease- und Nitrifikationsinhibitoren führe nicht nur zu einer unerwarteten Steigerung des Ertrags, sondern zeige zudem noch einen synergistischen Effekt.

D1 und D2 befassten sich ganz speziell und ausschließlich mit der Kombination NBTPT/DCD und offenbarten nicht allgemein Kombinationen von Ureaseinhibitoren mit Nitrifikationsinhibitoren.

Aufgrund der offensichtlichen Strukturunterschiede zwischen DCD und den in Anspruch 1 erwähnten Nitrifikationsinhibitoren, würde der Fachmann DCD nicht durch einen solchen Nitrifikationsinhibitor ersetzen, um die in D1/D2 beschriebenen Wirkungen zu erzielen oder sogar zu übertreffen.

Aus D1/D2 könne nicht gefolgert werden, dass die überraschende Wirksamkeit einer Kombination des stärksten Ureaseinhibitors NBTPT mit dem stärksten Nitrifikationsinhibitor auch für eine beliebige Kombination anderer Ureaseinhibitoren mit Nitrifikationsinhibitoren gilt.

Es gebe eine Vielzahl von Parametern wie z.B. die Bodeneigenschaften, Klima und Umweltbedingungen, die konkrete Düngerzusammensetzung, die konkrete Kombination, in der der Urease- und der Nitrifikationsinhibitor verwendet würden, welche die Wirksamkeit von Urease- und Nitrifikationsinhibitoren und somit den späteren Ertrag beeinflussten.

Es sei deshalb in aller Regel nicht möglich, anhand der chemischen Struktur einer Verbindung eine Vorhersage über mögliche Eigenschaften von Urease- oder Nitrifikationsinhibitor- oder gar über synergistisch wirkende Kombinationen zu machen.

IX. Anträge:

Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent basierend auf dem Hauptantrag oder den Hilfsanträgen 1 oder 2, alle eingereicht mit dem Schreiben vom 19. Mai 2014, aufrecht zu erhalten.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 15(3) VOBK

Die Beschwerdegegnerin nahm, wie im Schreiben vom 19. Mai 2014 angekündigt, nicht an der mündlichen Verhandlung teil.

Gemäß Artikel 15(3) VOBK ist die Kammer nicht verpflichtet, einen Verfahrensschritt einschließlich ihrer Entscheidung aufzuschieben, nur weil ein ordnungsgemäß geladener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend ist. Dieser kann dann so behandelt werden, als stütze er sich lediglich auf sein schriftliches Vorbringen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts

7. Auflage, September 2013, IV-E 4.2.3 c).

Die Entscheidung kann nicht als überraschend für die Beschwerdegegnerin angesehen werden, da die Beschwerdekammer bereits in ihrer Mitteilung unter Artikel 15(1) VOBK die erfinderische Tätigkeit des Streitpatents in Frage stellte und auf die Artikeln 12 und 13 VOBK hinwies, im Falle von Änderungen.

2. Artikel 13(1) VOBK (Alle Anträge)

2.1 Die Beschwerdegegnerin hat erstmals als Reaktion auf den Bescheid der Beschwerdekammer unter Artikel 15(1) VOBK mit dem Schreiben vom 19. Mai 2014 geänderte Ansprüche eingereicht.

Gemäß Artikel 13(1) VOBK liegt es im Ermessen der Kammer, Änderungen zuzulassen, die nach Einreichung der Beschwerdebegründung vorgebracht wurden. Beim Ausüben des Ermessens sollten insbesondere

- die Komplexität,

- der Stand des Verfahrens und

- die gebotene Verfahrensökonomie

berücksichtigt werden.

Anträge, die im bereits weit vorgerückten Verfahrensstand nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung eingereicht wurden, können demnach nur bei geringer Komplexität und wenn die gebotene Verfahrensökonomie nicht entgegensteht, zugelassen werden. Hierzu hat die Entscheidung T 1634/09 (Gründe 3.2) die Leitlinie entwickelt, dass ein nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung vorgelegter Antrag angenommen werden kann, wenn

i) es gute Gründe gibt, diesen Antrag so spät zu stellen (z.B. die Entwicklung der Diskussion und des Verfahrens), wenn

ii) der Antrag nicht über den Umfang, der den Diskussionen, die der Beschwerdebegründung und der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin zugrunde lagen, hinausgeht, oder etwas vereinfacht, wenn der Antrag nicht neue Probleme aufwirft und wenn

iii) der Antrag eindeutig gewährbar ist.

Diese Grundsätze auf die Frage der Zulassung des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 2 angewandt, stellt die Kammer folgendes fest:

2.2 Zu i) Mangelnde Begründung der Verspätung

Es ist nicht ersichtlich wieso diese Anträge erst zu diesem späten Zeitpunkt, also nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung, eingereicht wurden, da die von der Kammer in der Mitteilung unter Artikel 15(1) VOBK vorgebrachten Einwände auf der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin basieren und keine neue Sachlage schufen.

Gemäß Artikel 12(2) VOBK, muss die Erwiderung zur Beschwerdebegründung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdegegnerin in der Erwiderung nur das erteilte Patent verteidigt und keinen Hilfsantrag gestellt. Es ist für die Kammer nicht erkennbar, wieso die Beschwerdegegnerin zu jenem Zeitpunkt keinen Hilfsantrag einreichte, obwohl immer die Möglichkeit besteht, dass die Kammer die Meinung der ersten Instanz nicht teilt.

2.3 Zu ii) Ausweitung des ursprünglichen Umfangs der

Diskussionen - Auftreten neuer Probleme

Die vorgelegten Anträge stellen eine signifikante Einschränkung dar, die gemäß Beschwerdegegnerin nur aus der Beschreibung und den Beispielen hervorgehen soll.

Aus Gründen der Fairness sollten bei der Begründung eines neu eingereichten Antrags die gleichen Maßstäbe gelten wie bei der Begründung einer Beschwerde, wo dem Beschwerdeführer die Substantiierung seines Beschwerdebegehrens obliegt und es nicht der Kammer und den am Beschwerdeverfahren Beteiligten überlassen werden darf, die tragenden Tatsachen selbst zu ermitteln (siehe z.B. T 220/83, Gründe 4).

Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Begründung so abzufassen ist, dass die Einsprechende und die Beschwerdekammer die Behauptungen ohne eigene Ermittlungen abschließend prüfen können. Eine substantiierte Begründung auf welcher Textstelle die jetzt gültigen Anträge beruhen und wieso die erhobenen Einwände bezüglich der erfinderischen Tätigkeit behoben sein sollen, wurde jedoch nicht vorgebracht.

Ein genereller Verweis auf nicht weniger als 10 Seiten der ursprünglichen Beschreibung (Seiten 9 bis 18) sowie auf die gesamte Beschwerdeerwiderung kann nicht als substantiiert angesehen werden.

Da die vorgenommenen Einschränkungen zu einem neuen Fall führen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin diese Merkmale in ihre ursprüngliche Recherche miteinbezogen hat. Eine Annahme der Anträge scheint in einem solchen Fall nicht gerechtfertigt (siehe auch T 1732/10, Gründe 1.5 : "Where requests take up subject-matter from the description, as some of the present requests do, it cannot automatically be assumed that the initial search covered this subject-matter, nor is it automatically the responsibility of the opponent to perform itself such a search.").

Außerdem führen die Anträge zu neuen Problemen unter Artikel 84 EPÜ (Hauptantrag und 1. Hilfsantrag) sowie Artikel 123(2) EPÜ (alle Anträge).

2.3.1 Artikel 84 EPÜ

In Anspruch 1 des Hauptantrags und des 1. Hilfsantrags ist unklar, ob die Konjunktion "und" bedingt, dass

(1) der Nitrifikationsinhibitor ausgewählt aus

3-Methylpyrazol (MP), 1-Guanyl-3-methylpyrazoliumnitrat (GMPN), 3,4-Dimethylpyrazol (DMP),

4-Chlor-3-methylpyrazol (CIMP), 1H-1,2,4-Triazol (TZ)

oder ob

(2) der Nitrifikationsinhibitor ausgewählt aus

3-Methylpyrazol (MP), 1-Guanyl-3-methylpyrazoliumnitrat (GMPN), 3,4-Dimethylpyrazol (DMP),

4-Chlor-3-methylpyrazol (CIMP) und zusätzlich

1H-1,2,4-Triazol (TZ)

als wesentliche Komponente(n) in der Zusammensetzung sein muss/müssen.

Beide Möglichkeiten (1) und (2) scheinen im Einklang mit Absatz [0018] der Beschreibung, gemäß dem

b1) und/oder b2) im Düngemittel sein können.

2.3.2 Artikel 123(2) EPÜ

(1) Hauptantrag und Hilfsantrag 1

Die in Anspruch 1 des Hauptantrags und des 1. Hilfsantrags beanspruchten chemischen Zusammensetzungen sind so nicht in der ursprünglichen Anmeldung offenbart. Die unterschiedlichen Komponenten sind lediglich als Teil sogenannter Prüfglieder offenbart. Sie werden zur Benennung und Erläuterung der Abkürzungen in zwei Listen aufgeführt, wobei eine Liste die Nitrifikationsinhibitoren (Seite 9, Zeilen 9 bis 14 der Anmeldung WO-A-0061522) und die andere die Ureaseinhibitoren darstellt (Seite 9, Zeilen 17 bis 26). Dabei ist nicht angegeben, dass eine beliebige Komponente aus der Liste der Nitrifikationsinhibitoren mit einer beliebigen Komponente aus der Liste der Ureaseinhibitoren in beliebigen Mengen kombiniert werden kann, um die gewünschte chemische Zusammensetzung zu erhalten.

Der Fachmann wird auch nicht aus der Auflistung und den Beispielen schließen, dass jegliche Kombination eines Ureaseinhibitoren mit einem Nitrifikationsinhibitor in unterschiedlichsten Verhältnissen geeignet ist, den gewünschten verbesserten Ertrag zu erhalten. Der Fachmann weiß, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, dass eine Vielzahl von Parametern wie z.B. die Bodeneigenschaften, Klima und Umweltbedingungen, die konkrete Düngerzusammensetzung und die konkrete Kombination, in der Urease- und der Nitrifikations­inhibitor verwendet werden, die Wirksamkeit von Urease- und Nitrifikationsinhibitoren und somit den späteren Ertrag beeinflussen.

Zudem sind die spezifischen Kombinationen eines Ureaseinhibitors mit einem Nitrifikationsinhibitor nur mit bestimmten Düngern (AHL 28 oder HS) in spezifischen Konzentrationen offenbart. Andere Komponenten sind nicht vorhanden.

Anspruch 1 enthält jedoch weder Konzentrationsbereiche noch eine Einschränkung der Wahl anderer Komponenten in der Zusammensetzung.

Der Ausdruck "enthält" ist nicht einschränkend, wodurch jegliche Zusammensetzung, enthaltend einen der aufgelisteten Ureaseinhibitoren und einen der aufgelisteten Nitrifikationsinhibitoren, selbst in geringen Mengen, unter den Gegenstand des Anspruchs 1 fällt.

Eine solche Zusammensetzung geht nicht eindeutig und unmittelbar aus der ursprünglichen Anmeldung hervor.

Die unter Punkt 2.3.1 erwähnte Unklarheit bezüglich der Bedeutung der Konjunktion "und" führt auch dazu, dass 1H-1,2,4-Triazol (TZ) als wesentliche Komponente der Zusammensetzung angesehen werden könnte. Eine solche Zusammensetzung ist jedoch auch nicht unmittelbar und eindeutig aus der ursprünglichen Anmeldung herleitbar. Die einzige Stelle der ursprünglichen Anmeldung, aus der hervorgeht, dass die Möglichkeit besteht, dass 1H-1,2,4-Triazol (TZ) vorhanden sein muss (Seite 7, Zeilen 7 bis 12), bezieht sich jedoch auf die Verwendung der chemischen Zusammensetzung in Düngemitteln auf Harnstoffbasis und gibt spezifische Bereiche für die Mengen in Gewichts-% an. Der Fachmann würde daraus nicht schließen, dass 1H-1,2,4-Triazol (TZ) in beliebigen Mengen mit einem anderen Nitrifikationsinhibitor und einem Ureaseinhibitor verwendet werden kann.

(2) Hilfsantrag 2

Die in Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags beanspruchten spezifischen Kombinationen sind als solche auch nicht in der ursprünglichen Anmeldung offenbart. Sie sind in den Beispielen 5 und 6 nur in bestimmten Verhältnissen mit einem spezifischen Dünger offenbart. Daraus wird der Fachmann nicht schließen, dass alle Zusammensetzungen ohne Einschränkung des Verhältnisses als Additiv geeignet sind. Es ist wesentlich, dass ein bestimmtes Verhältnis zwischen Ureaseinhibitor und Nitrifikationsinhibitor besteht, damit die gewünschte Ertragssteigerung erreicht werden kann.

Der Ausdruck "enthält" ist nicht einschränkend, sodass die Zusammensetzung andere Komponenten enthalten kann. Es gibt jedoch keine Offenbarung in der ursprünglichen Anmeldung, die neben dem Dünger, dem spezifischen Ureaseinhibitor und dem spezifischen Nitrifikationsinhibitor in spezifischen Konzentrationen, noch andere Komponenten enthält.

In Übereinstimmung mit T 714/08 (siehe Gründe 5.4), geht die Verallgemeinerung der Beispiele zum Gegenstand des Anspruchs 1 nicht unmittelbar und eindeutig aus der ursprünglichen Anmeldung hervor.

2.4 Zu iii) Gewährbarkeit

Wie bereits unter 2.3 dargelegt, werfen die neuen Anträge neue Fragen auf, die darauf hinweisen, dass die Anträge nicht eindeutig gewährbar sind.

Zudem ist nicht unmittelbar erkennbar, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 der Anträge auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Die Erfindung betrifft Mittel, die zur Verbesserung der Stickstoffausnutzung von harnstoffbasierten mineralischen und/oder organischen Düngemittel führen (siehe Absatz [0001]).

Wie im Bescheid unter Artikel 15(1) VOBK dargelegt, kann D1 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden, da D1 das gleiche Ziel, wie das Streitpatent beschreibt (siehe Spalte 4, Zeilen 53 bis 58) und die Kombination von N-(n-Butyl)-thiophosphorsäuretriamid (NBTPT) (Ureaseinhibitor) mit Dicyandiamid (DCD) (Nitrifikationsinhibitor) offenbart.

Die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe im Lichte des Dokuments D1 kann darin gesehen werden, die Anwendung harnstoffhaltiger Düngemittel noch effektiver zu gestalten (siehe Seite 3, Zeilen 1 und 2).

Zur Lösung dieser Aufgabe werden jetzt die Zusammensetzungen gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 und 2 vorgeschlagen.

Es scheint nicht glaubwürdig, dass diese Aufgabe über den gesamten Bereich des jeweiligen Anspruchs 1 gelöst wird, da jegliche Verhältnisse Ureaseinhibitor/ Nitrifikationsinhibitor durch den Anspruch gedeckt sind. Das Vorhandensein einer der beiden oder sogar beider Komponenten in sehr geringen Mengen wird sicherlich die Anwendung der Düngemittel nicht verbessern.

In dem Bescheid unter Artikel 15(1) VOBK wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe im Lichte des Dokumentes D1 nicht als gelöst angesehen werden könne.

Die Beschwerdegegnerin hat keine Argumente vorgebracht, wieso die jetzt in Anspruch 1 vorhandenen chemischen Zusammensetzungen die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe über den gesamten Bereich lösen.

Die Aufgabe muss also weniger anspruchsvoll formuliert werden und kann darin gesehen werden, eine alternative Zusammensetzung für Dünger bereit zu stellen.

(a) Was den Hauptantrag angeht, so ist die Lösung zu dieser Aufgabe naheliegend, da N-(n-Butyl)-thiophosphorsäuretriamid (NBTPT) aus D1 bekannt ist.

3-Methylpyrazol wird z.B. in D3 zusammen mit Dicyandiamid (DCD) in Tabelle 2 erwähnt.

(b) Was den 1. Hilfstantrag angeht, so gilt die für den Hauptantrag vorgebrachte Begründung nicht mehr ganz, da NBPT sowie NBTPT nicht mehr als Ureaseinhibitor im Anspruch 1 vorgesehen sind.

Es mag sein, dass die in Anspruch 1 aufgezählten Ureaseinhibitoren nicht explizit in den im Bescheid unter Artikel 15(1) VOBK erwähnten Dokumenten D1 bis D4 und D8 erwähnt sind. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass es sich um neue Ureaseinhibitoren handelt, sondern es zeigt vielmehr, dass die vorgenommene Einschränkung nicht durch die ursprüngliche Recherche gedeckt war (siehe Punkt 2.3).

(c) Was den 2. Hilfsantrag angeht, so gilt die für den Hauptantrag vorgebrachte Begründung weiterhin.

N-(n-Butyl)-thiophosphorsäuretriamid (NBTPT) ist aus D1 bekannt. D3 offenbart 1-Guanyl-3-methylpyrazolium chlorid (siehe Tabelle 2) und es ist naheliegend, dass der Fachmann das 1-Guanyl-3-methylpyrazolium nitrat auch als Nitrifikations­inhibitor in Betracht zieht, da für die Wirkung das 1-Guanyl-3-methylpyrazolium entscheidend ist.

Deshalb scheint Anspruch 1 aller Anträge nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit zu beruhen und keiner der Anträge ist eindeutig gewährbar.

2.5 Somit kommt die Beschwerdekammer zum Schluss, dass keine der in der Entscheidung T 1634/09 erwähnten Bedingungen i) bis iii)(siehe 2.1) erfüllt ist. Es sind auch keine sonstigen Gesichtspunkte erkennbar, die die Zulassung des späten Vorbringens dringend nahelegen würden.

Deshalb können die mit dem Schreiben vom 19. Mai 2014 eingereichten Anträge nicht zugelassen werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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