T 0405/09 () of 26.8.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T040509.20110826
Datum der Entscheidung: 26 August 2011
Aktenzeichen: T 0405/09
Anmeldenummer: 02801336.5
IPC-Klasse: B60R 13/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Dekorelement und mit einem Dekorelement versehenes Kunststoffteil
Name des Anmelders: Burg Design GmbH
Name des Einsprechenden: Leonhard Kurz Stiftung & Co. KG
AEROLIFT Auto-Zubehör GmbH
Albea Kunststofftechnik GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag, Hilfsantrag 1, Hilfsantrag 2)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 23. Dezember 2008 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1436167 in geändertem Umfang aufrecht zu erhalten.

Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 vor dem Hintergrund des Stands der Technik (E3, E9, E10 und E11) erfinderisch ist.

II. Gegen diese Entscheidung hat die AEROLIFT Auto-Zubehör GmbH (Beschwerde führerin 01, Einsprechende 02) am 12. Februar 2009 Beschwerde eingelegt und die Beschwerde gebühr bezahlt; die Beschwerde begründung ging am 17. April 2009 ein.

Die Leonhard Kurz Stiftung & Co. KG (Beschwerde führerin 02, Einsprechende 01) hat ebenfalls Beschwerde eingelegt und die Beschwerde gebühr bezahlt und zwar am 23. Februar 2009. Am 29. April 2009 ging deren Beschwerde begründung ein.

III. Am 26. August 2011 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerinnen 01 und 02 (Einsprechenden 02 und 01) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerden zurückzuweisen oder alternativ das Patent in geänderter Form aufrechtzuerhalten auf der Basis des Hilfsantrags 1 bzw. Hilfsantrags 2, jeweils eingereicht am 28. Juli 2011.

IV. Der Patentanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:

Mit Kunststoff hinterspritzbares, vorgeformtes Dekorelement, welches eine zumindest in einem Teilbereich beidseitig mit einem nicht flächen bedeckenden Dekor (4, 5) versehene, transparente Kunststofffolie aufweist, wobei das beidseitig vorgesehene Dekor (4, 5) aufgedruckt ist, und wobei das Dekor (5) auf der Innenseite zusätzlich mit einer flächenbedeckenden Farb-Deckschicht (6) bedruckt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Farb-Deckschicht (6) aus einer bzw. einem gegenüber dem Dekor (5) auf der Innenseite abweichenden Farbe bzw. abweichenden Farbton besteht, wobei das Dekor (4) auf der Außenseite mit dem Dekor (5) auf der Innenseite im Wesentlichen übereinstimmt.

V. Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 lautet wie folgt; der Unterschied zum Gegenstand des Hauptantrags besteht im fettgedruckten Merkmal (Hervorhebung durch die Kammer):

Mit Kunststoff hinterspritzbares, vorgeformtes Dekorelement, welches eine zumindest in einem Teilbereich beidseitig mit einem nicht flächen bedeckenden Dekor (4, 5) versehene, transparente Kunststofffolie aufweist, wobei das beidseitig vorgesehene Dekor (4, 5) aufgedruckt ist, und wobei das Dekor (5) auf der Innenseite zusätzlich mit einer flächenbedeckenden Farb-Deckschicht (6) bedruckt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Farb-Deckschicht (6) aus einer bzw. einem gegenüber dem Dekor (5) auf der Innenseite abweichenden Farbe bzw. abweichenden Farbton besteht, wobei das Dekor (4) auf der Außenseite mit dem Dekor (5) auf der Innenseite im Wesentlichen übereinstimmt und gegenüber dem Dekor (5) auf der Innenseite geringfügig versetzt ist.

VI. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 2 lautet wie folgt; der Unterschied zum Gegenstand des Hilfsantrags 1 besteht im fettgedruckten Merkmal (Hervorhebung durch die Kammer):

Mit Kunststoff hinterspritzbares, vorgeformtes Dekorelement, welches eine zumindest in einem Teilbereich beidseitig mit einem nicht flächen bedeckenden Dekor (4, 5) versehene, transparente Kunststofffolie aufweist, wobei das beidseitig vorgesehene Dekor (4, 5) aufgedruckt ist, und wobei das Dekor (5) auf der Innenseite zusätzlich mit einer flächenbedeckenden Farb-Deckschicht (6) bedruckt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Farb-Deckschicht (6) aus einer bzw. einem gegenüber dem Dekor (5) auf der Innenseite abweichenden Farbe bzw. abweichenden Farbton besteht, wobei das Dekor (4) auf der Außenseite mit dem Dekor (5) auf der Innenseite im Wesentlichen übereinstimmt, ein zumindest im Wesentlichen aus geometrischen und insbesondere gleichartigen Strukturen zusammengesetztes Muster aufweist und gegenüber dem Dekor (5) auf der Innenseite geringfügig versetzt ist.

VII. Die Beschwerdeführerinnen 01 und 02 haben im Wesentlichen die folgenden Argumente vorgetragen:

Das Dokument E3 offenbare in den Fig. 1 und 5a eine transparente Kunststofffolie, die beidseitig mit einem Dekor bedruckt sei. Im Ausführungsbeispiel der Fig. 5a bestehe diese Kunststofffolie aus den Schichten 2 (base sheet) und 8 (transparent resin layer). Fig. 1 zeige zwar nur ein Dekor auf der Innenseite der Kunststofffolie 2, allerdings offenbare die dazugehörige Beschreibung in der Spalte 3, Zeilen 46 ff., dass das Dekor auf der Oberseite (front side surface) und auch auf der Unterseite (rear side surface) angebracht sein könne. Die verwendete Formulierung ("as well as on a side of the rear surface") lasse keinen Zweifel daran, dass auch ein Dekor auf beiden Seiten möglich sei.

Die Farbdeckschicht in E3 gemäß dem Merkmal des strittigen Anspruchs sei durch die Schicht 5 (bright set-solid print layer) oder durch die Schicht 7 (color set-solid print layer) oder durch eine Kombination der beiden Schichten 5 und 7 gegeben. Die Schicht 5 (bright set-solid print layer) bestehe aus Metallpigmenten, so z.B. Kupfer oder Titandioxid (vgl. Spalte 4, Zeilen 18 bis 35). Diese Metallpigmente führten zu einer hohen Farbsättigung und seien in hohem Masse reflektierend und somit deckend. Des Weiteren offenbare E3 für die Schicht 7 (color set-solid print layer) eine hohe Deckkraft (vgl. Spalte 4, Zeilen 52 ff.).

Damit entstünde durch die Schichten 5 und 7 ein hoher Kontrast, der zu einer guten Erkennbarkeit des Dekors auf der Innenseite beitrage. Darum erfüllten die Schichten 5 und 7, einzeln oder gemeinsam die Aufgabe die das Streitpatent für die Farb-Deckschicht formuliere, vgl. dort Paragraph [0008]. Da das Streitpatent keinerlei Angaben dazu mache, welche Opazität die Farb-Deckschicht aufweise, würde aber auch die Schicht 5 alleine diesem Merkmal entsprechen, auch wenn diese nicht völlig deckend sein sollte; im Bereich der reflektierenden Metallpartikel sei diese Schicht auf jeden Fall deckend.

Das Merkmal der im Wesentlichen übereinstimmenden Dekore auf der Ober- und der Unterseite der Kunststofffolie sei in Dokument E3 nicht offenbart. Ausweislich der Beschreibung in Paragraph [0009] solle damit eine besonders deutliche dreidimensionale Wirkung erzielt werden. Diese Aufgabe werde auf dieselbe Weise in Dokument E10 gelöst. Dort würde ein Dekorelement (decorative sheet) mit identischen Mustern auf der Vorder- und der Rückseite offenbart, siehe Spalte 3, Zeile 1 bis 7 und 21 bis 30. Die Fig. 1 und 2 der E10 zeigten, dass damit ein in Bezug auf den Betrachtungs winkel optisch variables Erscheinungsbild erzeugt werde.

Auch sei es nicht so, dass der Fachmann die Dokumente E3 und E10 nicht miteinander kombinieren würde. Die Durchlicht-Situation der E10, bei der die Farbdeckschicht fehle, sei nämlich hinsichtlich des für das fragliche Merkmal zu betrachtenden Effekts (die räumliche Tiefenwirkung) mit der Auflicht-Situation des Dekorelements gemäß der strittigen Erfindung vergleichbar; auch das ginge eindeutig aus der Darstellung der Fig. 1 hervor.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht erfinderisch.

Hinsichtlich der Zulassung der Hilfsanträge 1 und 2 in das Verfahren bestünden keine Einwände.

Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 definiere lediglich, dass die Dekore auf der Vorder- und der Rückseite zueinander geringfügig versetzt seien, lasse aber offen, wie groß dieser Versatz sei.

Ein derartiger Versatz sei auch in E10 offenbart. So zeige Fig. 3 zwei Situationen: auf der linken Seite seien die Dekore auf der Ober- und der Unterseite 21, 22 genau übereinander; im rechten Teil ist das obere Dekor zum unteren geringfügig versetzt, dies gehe auch so aus der Beschreibung hervor (vgl. Spalte 4, Zeilen 45 ff. "shifted by a certain pitch").

Ebenfalls offenbare die E10 in Spalte 3, Zeilen 21 ff. auch weitere Fälle explizit, nämlich dass die Streifenmuster auf der Vorder- und der Rückseite zueinander versetzt sein könnten.

Was das zusätzlich hinzugefügte Merkmal des Hilfsantrags 2 beträfe, so seien die in E10 gezeigten Linien geometrische Strukturen im Sinne dieses Merkmals.

Daher erfüllten auch die Gegenstände der jeweiligen Ansprüche 1 gemäß Hilfsantrag 1 bzw. 2 nicht die Anforderungen an die erfinderische Tätigkeit.

VIII. Die Beschwerdegegnerin entgegnete diesen Argumenten wie folgt:

Das Dokument E3 offenbare zwei Ausführungsbeispiele. Im Ausführungsbeispiel gemäß der Fig. 1 sei ein Dekor auf der Rückseite der Kunststofffolie 2 offenbart. Die Beschreibung an der besagten Stelle (Spalte 3, Zeilen 46 ff.) nenne dazu eine Alternative, nämlich das Dekor anstatt auf der Unterseite auf der Oberseite anzubringen. Die Beschreibung offenbare an dieser Stelle nicht, dass die Oberseite zusätzlich bedruckt werden könne. Bei dem "as well as" handele es sich um ein "entweder … oder", aber nicht um ein "sowohl … als auch". Dies ergäbe sich auch aus der nachfolgenden Beschreibung, dort heiße es "In a case where the pattern print layer 4 is applied on the side on which the protrusions … are formed …", und später in Zeile 57 "On the contrary, in a case where the pattern print layer 4 is formed on the front surface side …". Die Formulierung "On the contrary…" sei ein eindeutiger Hinweis darauf, dass hier sich ausschließende Alternativen gegenübergestellt würden.

Das Ausführungsbeispiel in der Fig. 5a offenbare ebenfalls keine beidseitig bedruckte Kunststofffolie, da dort das Dekor auf der Vorderseite nicht auf der Kunststofffolie sondern auf der Deckschicht 8 aufgebracht sei. Das strittige Patent habe eben genau eine einzige Kunststofffolie auf die beide Dekore beidseitig aufgebracht würden und nicht etwa 2 Schichten.

Bei der Schicht 5 (bright set-solid print layer), auf die auf das Innendekor aufgebracht sei, könne es sich nicht um eine Farb-Deckschicht handeln. Diese Schicht sei im Wesentlichen transparent und mit Metall pigmenten versehen um einen zusätzlichen Effekt zu erzielen. Wäre die Schicht 5 deckend, so müsste im Ausführungsbeispiel der Fig. 1 keine weitere Schicht 7 (color set-solid print layer) vorgesehen sein, die Deckeigenschaften aufweisen soll. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass die Schichten 5 (bright set-solid print layer) in den Ausführungsbeispielen der Fig. 1 bzw. 5a unterschiedlich auszuführen seien.

Somit unterscheide sich der Gegenstand des strittigen Anspruchs 1 vom Dekorelement gemäß E3 dadurch, dass das erfindungsgemäße Dekorelement im wesentlichen identische Dekore auf Vorder- und Rückseite aufweise, dass dazu eine Kunststofffolie beidseitig bedruckt würde und dass es eine flächendeckende Farb-Deckschicht auf dem innenseitig liegenden Dekor gäbe.

Weiterhin würde der Fachmann das Dokument E10 nicht mit dem Dokument E3 kombinieren, da sich die dort genannten Anwendungsgebiete wie Fensterdekoration oder Duschvorhang nicht mit dem streitgegenständlichen Dekorelement vergleichen ließen. Insbesonders fehle dort aus naheliegenden Gründen die Farbdeckschicht, denn eine Fensterdekoration oder ein Duschvorhang solle gerade nicht lichtdicht ausgeführt sein. Die fehlende Farbschicht führe dann dazu, dass sich nicht die gewünschte Tiefenwirkung einstellen kann, da die Schatteneffekte auf dieser Farbdeck schicht fehlten, vgl. auch Spalte 3, Zeilen 50 ff. des Streitpatents.

Weiterhin sei die Kunststoff folie mit 0.2 mm so dünn, so dass sich dort kein räumliche Effekt einstellen könne. In der Beschreibung sei daher lediglich von einem Moire-Effekt die Rede; dieser habe aber vom Prinzip her nichts mit einer räumlichen Tiefenwirkung zu tun.

Das Dokument E10 offenbare auch keine geringfügig zueinander versetzten Dekore auf der Vorder- und der Rückseite, wie es der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 vorsehe. Insbesondere definiere die Beschreibung in der Spalte 4, Zeilen 45 ff. die Dekore 21 und 31, die jedoch unterschiedlich seien, vgl. Spalte 4, Zeilen 57 ff. Daher könne dieses Ausführungsbeispiel nicht herangezogen werden, da - unabhängig davon, ob beide Dekore zueinander versetzt seien – es sich um unterschiedliche Dekore handele, und damit ein wesentliches Merkmal der Erfindung in diesem Beispiel fehle.

Die Passage in der Spalte 3, Zeilen 21 bis 29 würde sich lediglich sehr allgemein zu Linienmustern äußern; dort sei davon die Rede, dass beide Linienmuster zueinander verdreht sein könnten (" … deviated from each other … "). Das betreffende Merkmal des Anspruchs definiere hingegen einen geringfügigen Versatz, und dies sei eine Verschiebung des einen Dekors gegenüber dem anderen.

Hinsichtlich des zusätzlichen Merkmals des Anspruchs von Hilfsantrag 2 sei zugestanden, dass es sich bei Linien, wie sie in E10 gezeigt seien, um geometrische Strukturen im Sinne dieses Merkmals handele.

IX. Die weitere Verfahrensbeteiligte Albea Kunststofftechnik GmbH (Einsprechende 03) hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag wird durch die Offenbarung der Dokumente E3 und E10 nahegelegt.

2.1 Das Dokument E3 offenbart die folgenden Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag:

Mit Kunststoff hinterspritzbares, vorgeformtes Dekorelement (decorative sheet),

welches eine zumindest in einem Teilbereich beidseitig mit einem nicht flächen bedeckenden Dekor (Fig. 5a: print pattern 4a und print pattern 11) versehene,

transparente Kunststofffolie aufweist (base sheet 2 mit transparent resin layer 8),

wobei das beidseitig vorgesehene Dekor aufgedruckt ist (dito, print patterns),

und wobei das Dekor auf der Innenseite zusätzlich mit einer flächenbedeckenden Farb-Deckschicht bedruckt ist (bright set-solid print layer 5), wobei

die Farb-Deckschicht aus einer bzw. einem gegenüber dem Dekor auf der Innenseite abweichenden Farbe bzw. abweichenden Farbton besteht (durch den Metalleffekt entsteht ein anderer Farbton).

2.1.1 Die Beschreibung der E3 zu der Fig. 5a besagt, dass das Dekor 4a auf der Rückseite der Kunststofffolie 2 (wood grain print patterns 4a, vgl. Spalte 5, Zeilen 19 bis 21) und dass das Dekor 11 auf der Vorderseite der Kunststofffolie 2 aufgebracht ist ("… vascular print pattern 11 are formed with a matting ink on the front surface of the base sheet 2 through the transparent resin layer …", vgl. Spalte 5, Zeilen 26 bis 28). Insofern kann die Kammer der Argumentation der Beschwerde gegnerin nicht folgen, dass die Kunststoff folie 2 (base sheet) in E3 nur einseitig bedruckt sei. Die Beschreibung erklärt zweifelsfrei, dass mittels einer matting ink die Oberseite der Trägerfolie 2 durch die transparente Kunststoffschicht bedruckt wird. Des Weiteren folgt die Kammer nicht der Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass eine Kunststofffolie, die aus zwei Schichten, nämlich den Schichten 2 und 8 besteht, keine Kunststofffolie im Sinne des Anspruchs sei. Weder der Anspruchswortlaut noch die Beschreibung schließen eine mehrschichtige Kunststofffolie aus. Deshalb offenbart die Fig. 5a in Zusammenhang mit der Beschreibung in Spalte 56, Zeilen 13 ff. eine transparente Kunststofffolie, welche zumindest in Teilbereichen beidseitig ein Dekor aufweist.

2.1.2 Ebenfalls sieht die Kammer den bright set-solid print layer 5 als eine Farb-Deckschicht im Sinne des Anspruchs an. Dabei ist es unerheblich, dass die Beschreibung der E3 offenlässt, ob diese Schicht lichtdicht ausgeführt ist oder ob – wie dies die Beschwerdegegnerin vorbringt - erst mit Hilfe des color set-solid print layer 7 eine völlige Deckung erreicht werden kann: schließlich lässt es auch die Offenbarung des Streitpatents offen, welche Opazität die Farb-Deckschicht des Streitpatents aufweist.

Die Schicht 5 (bright set-solid print layer) enthält Metallpigmente wie beispielsweise Kupfer (copper powder) oder Titandioxid (titanium dioxide covered mica, vgl. Spalte 4, Zeilen 18 ff.), die zu einem Glanzeffekt führen. Dadurch reflektiert diese Schicht aber mindestens einen Teil des einfallenden Lichtes, und führt damit zu einer Opazität. Ebenfalls besitzt die Schicht 5 eine Eigenfarbe in Abhängigkeit der verwendeten Metallpartikel. Daher weist die Schicht 5 (bright set-solid print layer) Deckeigenschaften auf und stellt somit eine Farb-Deckschicht im Sinne des angegriffenen Patents dar.

2.2 Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 vom Dekorelement gemäß E3 dadurch, dass

das Dekor auf der Außenseite mit dem Dekor (5) auf der Innenseite im Wesentlichen übereinstimmt.

Die mit diesem Merkmal gelöste objektive Aufgabe sieht die Kammer im Einklang mit der Beschreibung des strittigen Patents in einer optisch ansprechenden dreidimensionalen Tiefenwirkung des Dekorelements, vgl. auch Paragraphen [0007] und [0009].

2.3 Das Dokument E10 beschreibt ein Dekorelement (decorative sheet), bestehend aus einer transparenten Schicht (sheet body), die beidseitig Dekorelemente aufweist, vgl. Fig. 1 und Spalte 2, Zeile 67 bis Spalte 3, Zeile 7. Die Dekore auf der Vorderseite und auf der Rückseite sind im Wesentlichen gleich ("… stripped pattern (21) on front surface (2) and stripped pattern (31) on rear surface (3), similar to the front surface…").

Mit diesen Linienmustern wird ein räumlicher Effekt erzeugt, derart, dass sich das Erscheinungbild des Dekorelements in Abhängigkeit vom Betrachtungswinkel verändert, vgl. Spalte 3, Zeilen 8 bis 14.

2.3.1 Dabei ist es nicht von Belang, dass das Dekorelement gemäß E10 keine Farb-Deckschicht aufweist. Zwar folgt die Kammer der Argumentation der Beschwerdegegnerin insofern, dass Schatteneffekte nur in einer Auflichtsituation auftreten können; allerdings kommt ein Teil der räumlichen Tiefenwirkung dadurch zustande, dass die Dekore auf der Ober- und der Unterseite nicht in der selben räumlichen Ebene liegen und somit ihre Lage zueinander für den Betrachter in Abhängigkeit vom Betrachtungswinkel variiert. Dieser Effekt wird im in E10 beschriebenen Dekorelement in der Durchlicht situation mit den selben technischen Mitteln erreicht wie im strittigen Patent.

2.3.2 Daher kann die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht folgen, dass der Fachmann, ausgehend von E3, die Lehre von E10 nicht in Betracht ziehen würde.

2.4 Das Dekorelement gemäß dem Dokument E10 löst daher die objektive Aufgabe, eine dreidimensionale Tiefenwirkung mit im Wesentlichen übereinstimmenden Dekormustern auf der Vorder- und Rückseite einer transparenten Folie zu erzeugen.

Deshalb würde es der Fachmann als naheliegend ansehen, das Merkmal der Übereinstimmung des Dekors auf der Außen seite mit dem Dekor auf der Innenseite aus E10 in das Dekorelement von E3 zu übernehmen, um die o.g. Aufgabe zu lösen.

Aus den genannten Gründen erachtet die Kammer den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag als nicht erfinderisch im Sinne des Art. 56 EPÜ 1973.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von dem des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal, dass

das Dekor 4 auf der Außenseite gegenüber dem Dekor 5 auf der Innenseite geringfügig versetzt ist.

3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Art. 56 EPÜ 1973, da er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Kombination von E3 und E10 ergibt.

3.2 Zum unter Punkt 2.3 ff. (siehe oben) diskutierten ersten Ausführungs beispiel des Dokuments E10 ist weiterhin offenbart, dass die Streifenmuster auf der Vorder- und der Rückseite identisch oder verschieden sein können, zueinander ausgerichtet oder abweichen können ("… may be identical to, different from, aligned with or deviated from each other …", vgl. Spalte 3, Zeilen 24 bis 29).

3.3 Die Kammer widerspricht dabei dem Vortrag der Beschwerde gegnerin, E10 erkläre nur, dass beide Dekore zueinander verdreht sein könnten; dies genau sei die Bedeutung von "deviated from each other", ein Versatz sei aber in E10 nicht offenbart.

Die semantische Bedeutung von "deviated from each other" umfasst sowohl eine translatorische als auch eine rotatorische Abweichung der Dekore. Der Fachmann hat somit in Kenntnis der Lehre der E10 lediglich die Auswahl zu treffen, ob er eine rotatorische oder eine translatorische Abweichung beider Muster - oder eine Kombination aus beiden - verwendet. Da keine der Alternativen für die gewünschte dreidimensionale Tiefenwirkung spezifische Vor- oder Nachteile aufweisen, sondern sich nur - je nach Betrachtungswinkel - unterschiedliche Effekte einstellen, kann diese Auswahl nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen.

4. Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 durch das Merkmal, dass das Dekor

ein zumindest im Wesentlichen aus geometrischen und insbesondere gleichartigen Strukturen zusammengesetztes Muster aufweist.

4.1 Auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ergibt sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach E3 und E10 (Art. 56 EPÜ 1973).

4.2 Das eingefügte Merkmal definiert die Dekore als im Wesentlichen aus geometrischen Mustern zusammengesetzt.

Die in Dokument E10 gezeigten Linien (stripes) stellen ein geometrisches Muster im Sinne des Anspruchs dar. Daher ist dieses Merkmal explizit in E10 offenbart und kann somit keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit liefern.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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