T 0401/09 () of 30.9.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T040109.20110930
Datum der Entscheidung: 30 September 2011
Aktenzeichen: T 0401/09
Anmeldenummer: 03010255.2
IPC-Klasse: G02B 1/04
G02B 6/02
G02B 6/036
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 187 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kunststoff-Lichtwellenleiter
Name des Anmelders: Evonik Degussa GmbH
Name des Einsprechenden: EMS-PATENT AG
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtet ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchs­abteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1376156 (Anmeldenummer 03010255.2) zurückgewiesen wurde.

II. Mit dem Einspruch war das Streitpatent in vollem Umfang im Hinblick auf die Einspruchsgründe fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ 1973) angegriffen worden.

Während des erstinstanzlichen Verfahrens wurde der Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit von der Beschwerdeführerin zurückgenommen.

III. Folgende Dokumente wurden im erstinstanzlichen Verfahren herangezogen und von den Beteiligten im Beschwerdeverfahren wieder aufgegriffen:

D1: WO-A-0060382

D2: Standard STD 5072 "Plastic optical fibre, POF", SAAB, 2002

D11: WO-A-9912063

D13: JP-A-2002098865 - Zusammenfassung aus "Patent Abstracts of Japan" und computergenerierte Übersetzung der Patentanmeldung.

Während des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerde­führerin folgende Dokumente eingereicht:

D14: eidesstattliche Versicherung von G. Stöppelmann, 30.04.2010

D15: graphische Darstellung von Messwerten.

IV. Die Beteiligten wurden zu einer mündlichen Verhandlung eingeladen.

V. Auf eine in Vorbereitung zur mündlichen Verhandlung ergangene Mitteilung der Kammer hin reichte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 24. Mai 2011 u. a. drei geänderte Anspruchssätze als Hilfsanträge 1 bis 3 ein.

VI. Am 7. Juli 2011 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung, hilfsweise auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit Schreiben vom 24. Mai 2011.

Am Ende der mündlichen Verhandlung erklärte der Vorsitzende die sachliche Debatte für beendet. Den Beteiligten wurde mitgeteilt, dass eine Entscheidung schriftlich ergehen würde.

VII. Der Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:

"Optische Ader mit einem einen Faserkern (1) und einen ein- oder mehrschichtig aufgebauten Fasermantel (2) aufweisenden Kunststoff-Lichtwellenleiter, die zusätzlich mindestens folgende Schichten enthält:

- Eine innere Außenschicht (3), die auf dem Fasermantel fest haftet und aus einer Formmasse besteht, die ein Polyamid enthält, wobei

a) das Polyamid ausgewählt ist aus der Gruppe PA 11, PA 12, PA 1012, PA 1212, einem Copolyamid basierend auf einem dieser Polyamide, das maximal 30 Mol-% Comonomere enthält, sowie Mischungen hiervon;

b) das Polyamid mindestens 50 muÄq/g Aminoendgruppen enthält und

c) die Polyamid-Formmasse eine Ruhe-Scherviskosität, gemessen nach ASTM D 4440 bei 220 °C, im Bereich von 400 bis 6000 Pas besitzt;

- eine äußere Außenschicht (4), die auf der inneren Außenschicht mit einer Abzugskraft von maximal 30 N/30 mm haftet und aus einer Polyamid-Formmasse besteht, die folgende Komponenten enthält:

a) 20 bis 95 Gew.-% eines Polyamids, ausgewählt aus der Gruppe PA 11, PA 12, PA 1012, PA 1212, einem Copolyamid basierend auf einem dieser Polyamide, das maximal 30 Mol-% Comonomere enthält, einem Polyetheramid basierend auf einem dieser Polyamide oder Copolyamide, sowie Mischungen hiervon,

b) 5 bis 45 Gew.-% eines Flammschutzmittels,

c) 0 bis 60 Gew.-% eines Schlagzähmodifikators,

wobei die Prozentangaben auf die Summe von a), b) und c) bezogen sind."

Der Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag unterscheidet sich von dem erteilten Patentanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag nur dadurch, dass der Ausdruck "im Bereich von 400 bis 6000 Pas" durch den Ausdruck "im Bereich von 500 bis 6000 Pas" ersetzt wurde.

Der Anspruchssatz gemäß dem ersten Hilfsantrag enthält auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 7, die sich auf bevorzugte Ausführungsformen der im Patentanspruch 1 definierten optischen Ader richten.

Der Wortlaut der Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 2 und 3 ist für die vorliegende Entscheidung ohne Belang.

VIII. Die Beschwerdeführerin stützte ihren Antrag auf folgende Argumente:

Die beanspruchten Merkmale betreffend die Haftung zwischen den Außenschichten beschreiben lediglich den Gegenstand der Norm gemäß Dokument D2, und die unterschiedliche Abzugsgeschwindigkeit bei der Messung der Abzugskraft im Streitpatent (10 mm/min) und in Dokument D2 (50 mm/min) besitzt, wenn überhaupt, nur einen sehr geringen Einfluss auf die Haftkraft. Das Dokument D2 betrifft eine optische Ader mit einer inneren Außenschicht aus Polyamid 12 und einer äußeren Außenschicht aus Polyamid, und in der Norm sind auch strenge Anforderungen an den Flammschutz vorge­schrieben. Der Fachmann weißt, dass je unterschiedlicher die Zusammensetzung der Außenschichten ist, desto unterschiedlicher deren Eigenschaften sind, sodass er aufgrund der gestellten Anforderungen (vgl. Dokument D2, Absatz 5.3 und 6.3) auch Polyamid 12 für die äußere Außenschicht aus Polyamid einsetzen würde. Im Übrigen schließt der Patentanspruch 1 nicht aus, dass die zwei Außenschichten das gleiche Polyamid enthalten (vgl. Beispiel 3 der Patentschrift).

Es wurden weitere Vergleichsversuche zu Polyamiden gemäß der Druckschrift D1 durchgeführt (Dokument D15 und zur Glaubhaftmachung Dokument D14). Vier Polyamide vom Typ 12 wurden in bekannter Weise hergestellt, wobei zur Einstellung der Endgruppen Hexamethylendiamin als Regler verwendet wurde. Anschließend wurden die Polyamide mit dem Zusatz üblicher Additive gemäß Seite 7, Zeilen 22 bis 24 der Druckschrift D1, insbesondere mit 0,3 Gew.-% Ruß und 0,8 Gew.-% des Hitzestabilisators Irganox 245, compoundiert, wobei der Anteil an Ruß dem in Absatz [0040] des Streitpatents beschriebenen Zusatz entspricht. Die relative Viskosität der Polyamide und der Compounds wurde, wie in Dokument D14 beschrieben, gemessen, wobei die Bestimmung dieser Werte nur mit einem Fehler von 1,5 % behaftet ist (Dokument D14). Die NH2-Endgruppen­konzentration der Polyamid 12-Typen wurde mit Perchlorsäure in m-Kresol bestimmt und die Messung der Ruhe-Scherviskosität der Compounds erfolgte nach ASTM 4440 bei 220° C, wobei der Messfehler der Ruhe-Scherviskosität im spezifischen Bereich von 400-4000 Pas gemäß Angaben des Geräte­herstellers im Bereich von 5 bis 7 % liegt. Die Ergebnisse der Messungen sind in der folgenden Tabelle dargestellt:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Das Polyamid des Beispiels 1 entspricht dem Polyamid Nr. 2 in der Tabelle auf Seite 8 der Druckschrift D1, und die Polyamide der Beispiele 2 bis 4 entsprechen bevorzugten Polyamiden gemäß der Druckschrift D1. Die Beispiele 1 bis 4 sind daher repräsentativ bzw. im Einklang mit der allgemeinen Lehre der Druckschrift D1, wonach die eingesetzten Polyamide eine relative Viskosität von unter 2,0, insbesondere im Bereich von 1,4 bis 1,8, aufweisen. Die Werte der Ruhe-Scherviskosität der Polyamidcompounds stellen eine implizite Offenbarung der Druckschrift D1 dar und liegen im beanspruchten Bereich von 400 bis 6000 Pas. Die graphische Darstellung in Dokument D15 zeigt ein näherungsweise lineares Verhältnis, wenn man die Ruhe-Scherviskosität auf einer logarithmischen Skala als Funktion der relativen Viskosität aufträgt, und auch diese Darstellung zeigt, dass ein Polyamid 12 mit einer relativen Viskosität von 1,8, wie dies in der Druckschrift D1 an mehreren Orten als spezifischer Wert offenbart ist, eine Ruhe-Scherviskosität im Bereich von ca. 900 Pas und damit im beanspruchten Bereich von 400 bis 6000 Pas hat. Dies gilt auch für das Polyamid des Beispiels Nr. 2 der Druckschrift D1, das in der Tabelle auf Seite 8 mit einer relativen Viskosität von 1,66 angegeben wird und damit eine Ruhe-Scherviskosität oberhalb von 400 Pas hat.

Die Druckschrift D1 lehrt auch, die Schutzhülle mehrschichtig auszubilden. Die Druckschrift offenbart darüber hinaus den Zusatz von Flammschutzmitteln, und es ist naheliegend, Flammschutzmittel in der äußeren der beiden Außenschichten einzusetzen, da erstens Flammschutz möglichst nahe zu einer Flammquelle, also möglichst weit außen erfolgen soll, und zweitens die Verwendung eines Flammschutzmittels in einem Mehrschichtverbund nur dann sinnvoll ist, wenn tatsächlich die äußerste Schicht flammhemmend ausgerüstet wird. Im Übrigen schließt der Anspruch 1 nicht aus, dass die innere Außenschicht auch ein Flammschutzmittel enthält. Der Einsatz des Flammschutz­mittels in den beanspruchten Mengen ist auch üblich, siehe z.B. Druckschrift D13, Absatz [0034].

Die Druckschrift D1 kann auch als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden, und die beanspruchte Erfindung ist durch die Kombination der Druckschrift D1 mit der Norm der damaligen Zeit, d.h. mit Dokument D2, oder mit der Druckschrift D13 nahegelegt. Die Druckschrift D13 offenbart eine Haftung von 29,4 N zwischen den Außenschichten einer optischen Ader (Absatz [0060] und [0061] zusammen mit Absatz [0026] und [0027] der Übersetzung und Tabelle 1) und auch die flammhemmende Ausrüstung der Schichten (Absatz [0034]).

Angesichts der vorgebrachten Argumente, insbesondere jener betreffend die Beispiele 2 bis 4 der Vergleichs­versuche und die in der Druckschrift D1 offenbarte Werte 1,8 und 2,0 der relativen Viskosität, weist der beanspruchte Gegenstand gemäß den geänderten Patentansprüchen der Hilfsanträge keine weitere klare Abgrenzung und auch keine einschränkende Wirkung auf, die eine erfinderische Tätigkeit begründen könnten.

IX. Die Beschwerdegegnerin stützte ihre Anträge auf folgende Argumente:

Die Aufgabe der Erfindung ist, eine optische Ader bereitzustellen, die einerseits unter Vermeidung der damit verbundenen Nachteile flammgeschützt ist und bei der andererseits eine Abmantelung, z.B. im Bereich eines Steckers, leicht vorgenommen werden kann. Bei der Abmantelung ist es wichtig, dass der Fasermantel nicht beschädigt wird. Außerdem können nicht alle Schichten mit einem Flammschutzmittel versehen werden, da dann Probleme mit der Haftung entstehen würden. Hinzu kommen andere Überlegungen, wie z.B. die Beeinträchtigung der Haftung durch das Flammschutzmittel und die begrenzte Wärmeformbeständigkeit der PMMA-Seele (vgl. Absatz [0011] und [0022] der Patentschrift). Die beanspruchte Merkmalskombination wird von dem Stand der Technik nicht nahegelegt.

Die Abzugsgeschwindigkeit bei der Messung der Haftung beträgt in Dokument D2 nicht 10 mm/min wie im Patent, sondern 50 mm/min, was zu anderen Messwerten führt. In Dokument D2 werden zwei Außenschichten vorausgesetzt, d.h. eine innere Schicht aus Polyamid 12 und eine äußere Schicht, die gefärbt wird (Absatz 2.2) und aus Polyamid besteht. Da das Polyamid 12 leicht entflammbar ist, würde der Fachmann für die äußere Schicht nicht ein Polyamid 12, sondern ein Polyamid 6 oder 66 wählen, das schwer brennt. Außerdem wird in Dokument D2 ein Flammtest verwendet (Absatz 7), der dem im Streitpatent verwendeten Flammtest nicht entspricht.

Die innere Außenschicht der beanspruchten optischen Ader enthält kein Flammschutzmittel (vgl. Absatz [0011] der Patentschrift), da sonst die zwei Außenschichten voneinander nicht zu unterscheiden wären, d.h. der Außenmantel würde - entgegen der beanspruchten Erfindung, vgl. Vergleichsbeispiele der Patentschrift - einschichtig ausgebildet.

Die Vergleichsversuche der Beschwerdeführerin sollten belegen, dass die in der Druckschrift D1 verwendeten Polyamide den anspruchsgemäß für die innere Außenschicht verwendeten Polyamiden entsprechen. Die Beschwerdeführerin gibt in dem Beispiel 3 für ein Polyamid 12 mit einer relativen Viskosität von 1,80 eine Ruhe-Scherviskosität von 920 Pas und in dem Beispiel 4 für ein Polyamid 12 mit einer relativen Viskosität von 1,90 eine Ruhe-Scherviskosität von 2000 Pas an. Ein Polyamid 12 mit einer relativen Viskosität von 1,85 müsste demnach zu einer Ruhe-Scherviskosität von etwa 1460 Pas führen. In den Beispielen der Patentschrift hat die aus einem Polyamid 12 mit einer relativen Viskosität von 1,85 hergestellte Formmasse jedoch eine Ruhe-Scherviskosität von 800 Pas (Absatz [0040]).

Das Polyamid wird nicht als solches aufgetragen, sondern als Formmasse, und die relative Lösungs­viskosität der Formmasse wird durch die Zusätze (Pigmente, UV- und Hitze-Stabilisatoren, Kristallisationsbeschleuniger, usw.) unter Umständen erheblich beeinflusst. Außerdem wird die Formmasse nicht als Lösung, sondern als Schmelze aufgebracht, sodass praxisrelevant hier nur die Schmelzviskosität sein kann. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Ruhe-Scherviskosität und Lösungsviskosität, aber die Ruhe-Scherviskosität wird auch vom Wassergehalt der Formmasse und von den Zusätzen (Ruß, Stabilisatoren, Entformungshilfsmittel, usw.) bestimmt. Die technische Lehre des Streitpatents hinsichtlich der Ruhe-Scherviskosität der Formmasse und dem durch diese sichergestellten nötigen Schmelzdruck (Absatz [0011]) geht somit weit über die Lehre der Druckschrift D1 hinaus. Die Druckschrift D1 lehrt vielmehr, eine bessere Haftung des Mantels durch die Verwendung von tiefviskosen Polyamiden mit einer bestimmten Carboxyl- und Amino-Endgruppenkonzentration zu erreichen, und die Werte der in der Druckschrift D1 offenbarten Beispiele (Tabelle auf Seite 8 und die auf Grilamide basierenden Beispiele auf Seiten 8 und 9) liegen im unteren Bereich der im Streitpatent beschriebenen Werte.

In der Druckschrift D1 wird angegeben, dass die Schutzhülle mehrschichtig ausgebildet werden kann. Eine zweischichtige Ausführung ist in der Druckschrift jedoch nicht explizit offenbart, geschweige denn, dass alle Schichten aus Polyamid bestehen. In der Druckschrift wird ausdrücklich auf die Druckschrift D11 verwiesen, die eine dreischichtige Schutzhülle mit unterschiedlichen Materialien offenbart (Druckschrift D11, Anspruch 1 und Seite 5, Zeile 22 ff.). Die Druckschrift D1 schlägt auch vor, dass das Abmanteln im Bereich der Schutzhülle entfallen kann, nicht jedoch, dass eine äußere Außenschicht überhaupt abgeschält werden soll. Außerdem wäre es für den Fachmann nicht naheliegend, das Flammschutzmittel möglichst weit außen einzusetzen. Während in der Erfindung nur die äußere Außenschicht ein Flammschutzmittel aufweist, scheint der Absatz [0034] der computergenerierten Übersetzung der Druckschrift D13 so interpretiert werden zu müssen, dass entweder beide Außenschichten oder wahlweise eine davon das Flammschutzmittel enthält.

Während die Druckschrift D1 lehrt, dass je höher die Viskosität der Polyamide ist, desto schwieriger sie extrudiert werden können und sich verarbeiten lassen (Seite 4, letzter Absatz und Seite 7, erster Absatz), werden bei der Erfindung Polyamide mit einer relativ höheren Viskosität eingesetzt, die bei der beanspruchten optischen Ader mit einer Abmantelung im Bereich der Außenschichten geeignetere mechanische Eigenschaften aufweisen. Die Änderungen gemäß den Hilfsanträgen dienen in diesem Sinne zur deutlicheren Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

2.1 Der erteilte Patentanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag ist auf eine optische Ader mit einem einen Faserkern und einen Fasermantel aufweisenden Kunststoff-Lichtwellenleiter gerichtet, wobei die optische Ader einen doppelten Außenmantel aufweist. Derartige optische Adern sind Gegenstand des Standards STD 5072 gemäß Dokument D2 (Absatz 2 und Figur auf Seite 1), das von den Beteiligten während der mündlichen Verhandlung als nächstkommender Stand der Technik angesehen wurde.

Dokument D2 enthält eine Reihe von Norm-Vorschriften betreffend die Abmessungen, die chemische Zusammen­setzung, die optischen, mechanischen und thermischen Eigenschaften und die Brandschutz-Eigenschaften der optischen Ader (Absatz 2 bis 7). Insbesondere hat eine optische Ader gemäß dem Standard STD 5072 folgende Anforderungen zu erfüllen:

- Die innere Außenschicht besteht aus Polyamid 12, und die äußere Außenschicht besteht aus Polyamid (Absatz 2.1),

- die innere Außenschicht haftet auf dem Fasermantel mit einer Aufzugskraft von mindestens 50 N, und die äußere Außenschicht haftet auf der inneren Außenschicht mit einer Abzugskraft von 20 ± 10 N (Absatz 5.1, Tabelle), und

- die Brandschutz-Eigenschaften der optischen Ader erfüllen die Norm ISO 6722, wobei Flammen innerhalb von 30 Sekunden nach Entfernung der Flamme eines Bunsenbrenners erlöschen sollen (Absatz 7).

2.2 Die beanspruchte optische Ader unterscheidet sich von der optischen Ader gemäß Dokument D2 dadurch, dass

- das Polyamid der inneren Außenschicht mindestens 50 muÄq/g Aminoendgruppen enthält und die Polyamid-Formmasse eine Ruhe-Scherviskosität, gemessen nach ASTM D 4440 bei 220 °C, im Bereich von 400 bis 6000 Pas besitzt und

- die Polyamid-Formmasse der äußeren Außenschicht 20 bis 95 Gew.-% eines der im Patentanspruch 1 aufgelisteten Polyamide und 5 bis 45 Gew.-% eines Flammschutzmittels enthält.

Das beanspruchte Merkmal, wonach die äußere Außenschicht auf der inneren Außenschicht mit einer Abzugskraft von maximal 30 N/30mm haftet, wird von dem in Dokument D2 vorgeschriebenen Wert 20 ± 10 N der Abzugskraft, bezogen auf eine Länge von 30 mm, und auf eine Abzugsgeschwindigkeit von 50 mm/min (Dokument D2, Absatz 5.1) vorweggenommen. Die in der Patentschrift angegebenen Testbedingungen (u.a. eine Abzugs­geschwindigkeit von 10 mm/min, siehe Absatz [0036]) ändern - entgegen dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin - nichts an dieser Schlussfolgerung, da nicht alle diese Testbedingungen - insbesondere nicht diejenigen betreffend die Abzugsgeschwindigkeit - im Patent­anspruch 1 angegeben sind und die Beschwerdegegnerin auch keinen plausiblen technischen Grund für die Annahme angegeben hat, dass eine Haftung mit einer Abzugskraft von 20 ± 10 N bezogen - wie von Dokument D2 vorgeschrieben - auf eine Länge von 30 mm und auf eine Abzugsgeschwindigkeit von 50 mm/min unter den in der Patentschrift angegebenen Testbedingungen im Wesentlichen eine größere Abzugskraft erfordern würde, geschweige denn eine Abzugskraft von mehr als 30 N/30 mm.

Das weitere beanspruchte Merkmal, wonach die äußere Außenschicht 0 bis 60 Gew.-% eines Schlagzäh­modifikators enthält, schließt den Wert 0 Gew.-% mit ein, sodass der beanspruchte Gegenstand sowohl Ausführungen mit als auch Ausführungen ohne Schlagzähmodifikator abdeckt. Somit ist das Merkmal für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des gesamten beanspruchten Gegenstands unerheblich.

2.3 Die beanspruchte Merkmalskombination ermöglicht nach der Beschreibung des angefochtenen Patents eine ausreichende Haftung des Außenmantels am Fasermantel bei niedriger Massetemperatur (Seite 4, Zeilen 4 bis 7 und Absätze [0022] und [0023]) und zugleich eine Verwirklichung der vom Markt geforderten flammwidrigen Ausrüstung der optischen Ader, ohne dadurch die Haftung am Fasermantel bzw. die optischen Eigenschaften der optischen Ader zu beeinträchtigen (Seite 3, Zeilen 4 bis 11).

Da - wie schon oben ausgeführt - der Standard STD 5072 gemäß Dokument D2 ausdrücklich u.a. bereits sowohl eine ausreichende Haftung des Außenmantels am Fasermantel (Absatz 5.1, Tabelle) als auch eine flammwidrige Ausrüstung der optischen Ader (Absatz 7) erfordert, besteht - mangels eines Nachweises dahingehend, dass sich durch den beanspruchten Gegenstand eine höhere Haftung bzw. eine effizientere flammwidrige Ausrüstung erzielen lassen würden - die mit dem Gegenstand nach dem Patentanspruch 1 im Hinblick auf Dokument D2 tatsächlich gelöste Aufgabe lediglich darin, die in Dokument D2 beschriebene optische Ader mit den darin vorgeschriebenen technischen Merkmalen, insbesondere mit den gestellten Anforderungen hinsichtlich der Haftung des Außenmantels am Fasermantel und der flammwidrigen Ausrüstung der optischen Ader, zu verwirklichen bzw. bereitzustellen.

2.4 Die Druckschrift D1 beschreibt auch optische Adern mit einem einen Faserkern und einen Fasermantel aufweisenden Kunststoff-Lichtwellenleiter und einem Außenmantel aus Polyamid (Seite 1, erster Absatz und Figur 1), und die Druckschrift beschäftigt sich mit den mechanischen und optischen Eigenschaften der optischen Ader, insbesondere mit der Problematik der Haftung des aus Polyamid bestehenden Außenmantels auf dem aus einem Fluorpolymer bestehenden Fasermantel (vgl. Zusammen­fassung). Ein guter Haftsitz des Außenmantels auf dem Fasermantel lässt sich gemäß der Offenbarung der Druckschrift D1 dadurch erreichen, dass das Polyamid des Außenmantels aus einem modifizierten Polyamid besteht, beispielweise PA 12 (Seite 8, erster Absatz und Beispiele), das eine Amino-Endgruppenkonzentration im Bereich zwischen 50 und 300 muÄq/g, eine Carboxyl-Endgruppenkonzentration von maximal 15 muÄq/g (Seite 6, letzter Absatz und Seite 7, erster Absatz) und eine relative Viskosität, gemessen 0,5% in m-Kresol bei 20 °C, von unter 2,0, insbesondere von unter 1,8 und ganz besonders bevorzugt im Bereich von 1,4 bis 1,8 (Seite 4, letzter Absatz und Seite 7, erster Absatz) aufweist. Außerdem wird in der Druckschrift D1 ausgeführt, dass das Polyamid des Außenmantels die üblichen Zusatzstoffe, u.a. Flammschutzmittel, enthalten kann (Seite 7, dritter Absatz) und dass der Außenmantel mehrschichtig ausgebildet werden kann (Seite 9, letzter Absatz).

Die Kammer ist der Auffassung, dass der Fachmann, der mit der oben gestellten Aufgabe konfrontiert ist, die Druckschrift D1 ohne Weiteres in Betracht ziehen würde, da sie sich bereits mit der Problematik der Haftung des Außenmantels und der flammwidrigen Ausrüstung einer optischen Ader des in Dokument D2 gezeigten Typs auseinandersetzt. Da die Druckschrift D1 dem Fachmann erkennbar eine fertige Lösung angibt, würde er dazu angeregt, sich diese aus der Druckschrift D1 bekannte Lösung zunutze zu machen und sie auf die optische Ader gemäß Dokument D2 zu übertragen. Somit würde der Fachmann bei Umsetzung der oben dargestellten Lehre gemäß der Druckschrift D1 einerseits ein repräsentatives Polyamid vom Typ 12, beispielweise eines der Polyamide 12 der Beispiele (Beispiele Nr. 2 bis N. 4 in der Tabelle auf Seite 8), für die Herstellung der in Dokument D2 vorgegebenen inneren Außenschicht aus Polyamid 12 verwenden, um die in Dokument D2 vorgeschriebene starke Haftung zwischen der inneren Außenschicht und dem Fasermantel zu erreichen, und andererseits Flammschutz­mittel in dem Außenmantel einsetzen, um die in Dokument D2 vorgeschriebene flammwidrige Ausrüstung der optischen Ader zu verwirklichen.

2.4.1 Zwischen den Beteiligten strittig war zunächst die Frage, ob die oben aufgeführte, aus der Kombination der Lehre der Druckschrift D1 mit Dokument D2 resultierende innere Außenschicht aus einem Polyamid 12 eine Ruhe-Scherviskosität im beanspruchten Bereich besitzt, d.h. im Bereich von 400 bis 6000 Pas, gemessen nach ASTM D 4440 bei 220 °C.

Als Antwort auf die in der angefochtenen Entscheidung von der Einspruchsabteilung vertretene Auffassung, wonach die von der Beschwerdeführerin während des erstinstanzlichen Verfahrens vorgebrachten Ergebnisse von Vergleichsversuchen nicht überzeugend waren und daher die oben gestellte Frage mangels ausreichenden Nachweises zu verneinen war, wurden von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung (Tabelle auf Seite 3) und mit einem nachfolgenden Schreiben (Dokumente D14 und D15) die Ergebnisse von Vergleichs­versuchen eingereicht. In den Vergleichs­versuchen wurden vier Polyamide vom Typ 12 hergestellt und diese mit 0,8 Gew.-% des Hitze­stabilisators Irganox 245 und - entsprechend der Angabe in der Patentschrift, Absatz [0040] - mit 0,3 Gew.-% Ruß compoundiert und auf einen Wassergehalt von 0,03 Gew.-% getrocknet. Die Ergebnisse der Messungen der relativen Viskosität der Polyamide und der compoundierten Polyamide an einer 0,5 gew.-%igen Lösung in m-Kresol bei 20° C, der NH2- und der COOH-Endgruppenkonzentration der Polyamide und der Ruhe-Scherviskosität der compoundierten Polyamide nach ASTM 4440 bei 220° C sind in der Tabelle in Nr. VIII der vorliegenden Entscheidung dargestellt (vgl. Tabelle auf Seite 3 der Beschwerdebegründung und Dokument D14).

Diese Ergebnisse sind mit den entsprechenden Werten der Beispiele Nr. 2 bis Nr. 4 in der Druckschrift D1 (Tabelle auf Seite 8) zu vergleichen, die auch auf Polyamide vom Typ 12 basieren:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Insbesondere entsprechen die Messwerte des Polyamides vom Typ 12 in Beispiel 1 der Vergleichsversuche - unter Berücksichtigung der unter den Umständen zu erwartenden Abweichungen - im Wesentlichen den Werten des Polyamides vom Typ 12 im ersten Beispiel ("PA Nr. 2") der Druckschrift D1, und, da das compoundierte Polyamid des Beispiels 1 eine Ruhe-Scherviskosität von 430 Pas aufweist, machen die Ergebnisse der Vergleichsversuche glaubhaft, dass die Polyamid-Formmasse der inneren Außenschicht, die aus der oben ausgeführten Kombination der Lehre der Druckschrift D1 mit Dokument D2 auf der Basis des Polyamides vom Typ 12 im ersten der Beispiele der Druckschrift D1 resultiert, eine Ruhe-Scherviskosität im beanspruchten Bereich von 400 bis 6000 Pas besitzt.

Die Beschwerdegegnerin hat die Ergebnisse der Vergleichsversuche der Beschwerdeführerin beanstandet, ohne sie jedoch selbst durch eigene Gegenversuche bzw. ergänzende Tests als Gegenbeweis in substantiierter Weise zu widerlegen und ohne überzeugende Argumente zur Stützung ihrer Beanstandungen vorzubringen. Insbesondere ist das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, wonach die Ergebnisse der Vergleichsversuche vom Wert der Ruhe-Scherviskosität der aus einem Polyamid 12 mit einer relativen Viskosität von 1,85 hergestellten Formmasse gemäß dem Beispiel im Absatz [0040] der Patentschrift stark abweichen (Nr. IX oben, fünfter Absatz), schon deshalb nicht überzeugend, weil die Vergleichsversuche nicht auf Basis der Ausführungs­beispiele in der Patentschrift, sondern unter die in der Druckschrift D1 angegebenen Bedingungen und auf Basis der in der Druckschrift D1 offenbarten Polyamide und der daraus resultierenden Formmasse durchgeführt wurden, und zwar mit dem Ziel, glaubhaft zu machen, dass diese Formmasse die im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale inhärent erfüllen würden.

Die weiteren Einwände, die die Beschwerdegegnerin gegen die technische Relevanz der Vergleichsversuche erhoben hat (Nr. IX oben, sechster Absatz), können auch nicht durchgreifen, weil sie auf Behauptungen basieren, denen die Kammer mangels entsprechender Nachweise bzw. substantiierter technischer Argumente seitens der Beschwerdegegnerin - der die Beweislast für die Aussagen obliegt - nicht folgen kann. So bleibt beispielweise offen, inwieweit die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Abhängigkeit der Ruhe-Scherviskosität vom Wassergehalt der Formmasse und von den Zusätzen die Ergebnisse der Vergleichsversuche beeinflussen kann, sodass der entsprechende Einwand von der Kammer nicht zum Nachteil der Beschwerde­führerin berücksichtigt werden kann. Auf jeden Fall zeigt ein direkter Vergleich der gemessenen relativen Viskosität der Polyamide und der entsprechenden Formmasse in den vorgelegten Messergebnissen (Tabelle oben unter Nr. VIII der vorliegenden Entscheidung), dass sich zumindest die relative Viskosität durch die Zusätze nicht signifikant beeinflussen lässt.

Bei dieser Sachlage, insbesondere auf Grund der vorgelegten Vergleichsversuche und in Abwesenheit überzeugender Gegenbeweise, schließt sich die Kammer der Auffassung der Beschwerdeführerin an, dass die Polyamid-Formmasse der inneren Außenschicht, die aus der Kombination der Lehre der Druckschrift D1 mit Dokument D2 auf der Basis eines der für die Lehre der Druckschrift D1 repräsentativen Beispiele, nämlich des Polyamides vom Typ 12 im ersten der Beispiele der Druckschrift D1, resultiert, inhärent eine Ruhe-Scherviskosität im beanspruchten Bereich besitzt.

2.4.2 Die äußere Außenschicht der optischen Ader gemäß Dokument D2 besteht aus Polyamid (Absatz 2.1), und gemäß der Lehre der Druckschrift D1 besteht der Außenmantel, der in der Druckschrift als Schutzhülle bezeichnet wird, auch aus einem Polyamid, das vorzugsweise aus einer Reihe von Polyamiden ausgewählt wird, u.a. PA 11, PA 12, PA 1212 (Seite 4, dritter Absatz), wobei die Schutzhülle mehrschichtig ausgebildet werden kann (Seite 9, Zeilen 18 bis 20). Aufgrund dieser Lehre würde der Fachmann ohne Weiteres in Betracht ziehen, die äußere Außenschicht der optischen Ader aus demselben Polyamid wie die innere Außenschicht, d.h. aus Polyamid vom Typ 12 (vgl. Beispiel 3 der Patentschrift), bzw. aus einem der in der Druckschrift D1 als vorzugsweise bezeichneten Polyamide (u.a. PA 11 oder PA 1212) zu verwenden, wobei bedingt durch Zusatzstoffe in der Schicht (Druckschrift D1, Seite 7, dritter Absatz) der Gehalt an Polyamid in der inneren Außenschicht unter 100 Gew.-% liegen wird. Die Tatsache, dass - wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht - der Fachmann auch andere alternative Polyamide, wie z.B. Polyamide vom Typ 6 oder 66, in Betracht ziehen könnte bzw. würde, ändert nichts an der obigen Einschätzung.

Unter diesen Umständen vermag die Kammer in dem beanspruchten Merkmal, wonach die äußere Außenschicht 20 bis 95 Gew.-% eines Polyamids enthält, das aus einer Reihe von Polyamiden, u.a. PA 11, PA 12 und PA 1212, ausgewählt wird, keinerlei technische Merkmale bzw. Wirkung erkennen, die bei Berücksichtigung der Lehre der Druckschrift D1 und der Offenbarung des Dokuments D2 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen würden.

2.4.3 Hinsichtlich des beanspruchten Merkmals, wonach die äußere Außenschicht 5 bis 45 Gew.-% eines Flammschutzmittels enthält, ist die Kammer mit der Beschwerdeführerin der Auffassung, dass das Vorhandensein von Flammschutzmitteln in anderen Schichten, insbesondere in der inneren Außenschicht des Außenmantels, nach dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 nicht ausgeschlossen ist und dass der Fachmann - in Kenntnis der technischen Lehre der Druckschrift D1 betreffend das Einsetzen von Flammschutzmitteln in dem Außenmantel - das Flammschutzmittel zumindest in der äußeren Außenschicht des Außenmantels der optischen Ader gemäß Dokument D2 ohne Weiteres einsetzen wird, um die in Dokument D2 vorgeschriebenen Brandschutz-Vorschriften zu erfüllen.

Der Beschwerdegegnerin ist zwar zuzustimmen, dass der Druckschrift D1 und Dokument D2 keine ausdrückliche Angabe über den Gehalt an Flammschutzmittel in der äußeren Außenschicht zu entnehmen ist; der beanspruchte Bereich des Flammschutzmittel-Gehalts in der äußeren Außenschicht vermag jedoch nicht das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu begründen, da erstens der breite, von 5 bis 45 Gew.-% reichende beanspruchte Bereich des Flammschutzmittel-Gehalts nicht über die Werte hinausgeht, die für den Gehalt eines Flammschutz­mittels als üblich anzusehen sind (vgl. Druckschrift D13, Absatz [0034]), und zweitens Dokument D2 bereits einen Grad an Brandschutz-Eigenschaften erfordert (Absatz 2.1), der einen relativ hohen Gehalt an dem gemäß der Lehre der Druckschrift D1 zu verwendenden Flammschutzmittel inhärent voraussetzt, wobei der erforderliche Mindestgehalt von dem konkreten Flammschutzmittel abhängt. Außerdem lässt der Patentanspruch 1 völlig offen, welche konkreten Flammschutzmittel bzw. welche Klasse von Flammschutz­mitteln einzusetzen sind bzw. ist, sodass sich keine konkrete technische Wirkung durch die Werte des Flammschutzmittel-Gehalts im gesamten beanspruchten Bereich erzielen lässt. Insbesondere ist der Grad an Flammschutzwirkung und sind auch andere, von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte technische Wirkungen (insbesondere eine Verwirklichung der vom Markt geforderten flammwidrigen Ausrüstung der optischen Ader, ohne dadurch die Haftung am Fasermantel bzw. die optischen Eigenschaften der optischen Ader durch Migration oder durch die mechanische Einwirkung von Partikeln des Flammschutzmittels zu beeinträchtigen, siehe Patentschrift, Absätze [0011] und [0024] bis [0027]) abhängig von den Eigenschaften (Zusammensetzung, Beschaffenheit, Struktur, usw.) und von dem konkreten Gehalt des zu verwendenden Flammschutz­mittels, sodass mangels jeglichen Nachweises den beanspruchten Merkmalen keine bestimmte technische Wirkung von erfinderischer Bedeutung über den gesamten beanspruchten Gehaltsbereich und für beliebige Flammschutzmittel zugeschrieben werden kann. Auch das weitere Vorbringen der Beschwerdegegnerin, wonach der in Dokument D2 verwendete Flammtest nach ISO 6772 durchgeführt wird (vgl. Absatz 7) und dieser dem im Streitpatent verwendeten Flammtest (Tabelle auf Seite 8 der Patentschrift) nicht entspricht, kann keine einschränkende Auslegung der beanspruchten Erfindung hinsichtlich der flammwidrigen Ausrüstung der optischen Ader rechtfertigen, weil der Patentanspruch 1 lediglich 5 bis 45 Gew.-% eines Flammschutzmittels in der äußeren Außenschicht erfordert, ohne dabei die flammwidrige Ausrüstung der optischen Ader durch weitere strukturelle oder funktionelle Merkmale einzuschränken.

2.5 Aufgrund der vorangehenden Betrachtungen ist die Kammer zur Auffassung gelangt, dass die Merkmalskombination gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 gegenüber der Lehre der Dokumente D1 und D2 und dem allgemeinen Fachwissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

3. Erster Hilfsantrag

3.1 Die Patentansprüche gemäß dem ersten Hilfsantrag unterscheiden sich von den erteilten Patentansprüchen dadurch, dass im Patentanspruch 1 die Untergrenze des Bereichs der Ruhe-Scherviskosität der Polyamid-Formmasse der inneren Außenschicht bei 500 statt bei 400 Pas liegt (vgl. Nr. VII oben, dritter Absatz). Die Änderung ist auf den abhängigen Anspruch 2 der ursprünglich eingereichten Fassung, dem der erteilte abhängige Anspruch 2 entspricht, gestützt, und stellt eine Einschränkung dar. Somit erfüllt die Änderung die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 123(3) EPÜ.

3.2 Die Schlussfolgerung in Nr. 2 oben bezüglich der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des erteilten Patentanspruchs 1 wurde aufgrund der Ergebnisse der Vergleichsversuche gezogen, wonach die Polyamid-Formmasse der inneren Außenschicht, die aus der Kombination von Dokument D2 mit der Lehre der Druckschrift D1 auf der Basis des Polyamides vom Typ 12 im ersten der Beispiele der Druckschrift D1 resultiert, inhärent eine Ruhe-Scherviskosität von etwa 430 Pas und damit im Bereich von 400 bis 6000 Pas besitzt (vgl. Nr. 2.4.1 oben). Der genannte Wert 430 Pas der Ruhe-Scherviskosität liegt allerdings außerhalb des im geänderten Patentanspruch 1 beanspruchten Bereichs von 500 bis 6000 Pas, sodass die Ausführungen in Nr. 2 oben nicht dazu geeignet sind, die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag in Frage zu stellen. Gleiches gilt auch für eine entsprechende Argumentation auf Basis der übrigen Beispiele der Druckschrift D1. So zeigt Dokument D15 eine graphische Darstellung der Messwerte der Vergleichsversuche und eine auf diesen Messwerten basierende Extrapolation mit einem näherungsweise linearen Verhältnis zwischen der relativen Viskosität und dem logarithmischen Wert der Ruhe-Scherviskosität, und es ist aus dieser graphischen Darstellung ersichtlich, dass die Formmasse der übrigen Beispiele der Druckschrift D1 (Beispiele Nr. 3 und Nr. 4, vgl. Tabelle in Nr. 2.4.1 oben), die aus Polyamid 12 mit einer relativen Viskosität von jeweils 1,58 und 1,47 bestehen, eine Ruhe-Scherviskosität aufweisen würde, die unter dem Wert der Ruhe-Scherviskosität der Formmasse des Beispiels Nr. 2 und damit unterhalb des beanspruchten Bereichs von 500 bis 6000 Pas liegt.

Was die Beispiele 2 bis 4 der Vergleichsversuche der Beschwerdeführerin und die Werte 2,0 und 1,8 der relativen Viskosität, die in der Druckschrift D1 jeweils als absolute und als bevorzugte Obergrenze angegeben werden, anbelangt, so zeigen die Ergebnisse der Vergleichsversuche und die graphische Darstellung in Dokument D15, dass die aus Polyamid 12 bestehenden Formmassen gemäß den Beispielen 2, 3 und 4 der Vergleichsversuche eine Ruhe-Scherviskosität von 700, 920 und 2000 Pas (vgl. Nr. VIII oben, Tabelle), d.h. im beanspruchten Bereich von 500 bis 6000 Pas, besitzen bzw. dass eine Formmasse bestehend aus einem Polyamid 12 mit einer relativen Viskosität von 2,0 bzw. 1,8 auch eine Ruhe-Scherviskosität im beanspruchten Bereich besitzen würde. Die Polyamide der Beispiele 2, 3 und 4 der Vergleichsversuche besitzen jedoch

- eine relative Viskosität von jeweils 1,71, 1,80 und 1,90, d.h. im oberen Bereich und teilweise außerhalb des bevorzugten Bereichs der Offenbarung der Druckschrift D1 (vgl. Seite 7, erster Absatz: "eine relative Viskosität von unter 2,0, insbesondere von unter 1,8 und ganz besonders bevorzugt im Bereich von 1,4-1,8") und auch über den Werten 1,66, 1,58 und 1,47 der Beispiele der Druckschrift D1 (vgl. Tabelle auf Seite 8), und

- eine NH2-Endgruppenkonzentration von jeweils 90, 74 und 62 muÄq/g, d.h. im unteren Bereich der in der Offenbarung der Druckschrift D1 angegebenen Werte (vgl. Seite 6, letzter Absatz: "Aminoendgruppen­konzentration im Bereich zwischen 50-300 muÄq/g") und auch unter den Werten 95, 134 und 173 der Beispiele der Druckschrift D1 (vgl. Tabelle auf Seite 8).

Daraus folgt, dass, auch wenn die Beispiele 2, 3 und 4 der Vergleichsversuche im Einklang mit der allgemeinen Lehre der Druckschrift D1 stehen, sie nicht repräsentativ für diejenigen Polyamide sind, die der Fachmann aufgrund der Lehre der Druckschrift D1, insbesondere der darin angegebenen bevorzugten Wertbereiche und Beispiele, bei der Übertragung der Lehre der Druckschrift D1 auf die optische Ader gemäß Dokument D2 ohne Weiteres in Betracht ziehen würde. Darüber hinaus ist aus der Offenbarung der Druckschrift D1 und insbesondere aus der Tabelle auf Seite 8 nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass die Werte der relativen Viskosität in den Beispielen 2 bis 4 der Vergleichs­versuche (1,71, 1,80 und 1,90) und die in der Druckschrift D1 angegebenen Obergrenzen der relativen Viskosität (1,80 und 2,0) auf der Basis von einem Polyamid vom Typ 12 erreichbar sind, ohne die in der Druckschrift D1 angegebene Carboxyl-Endgruppenkonzentrations-Obergrenze von 15 muÄq/g zu überschreiten und ohne die entsprechende Amino-Endgruppenkonzentration-Untergrenze von 50 muÄq/g zu unterschreiten.

Für die Kammer ist aus den Darlegungen der Beschwerdeführerin auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen sich der Fachmann nach alternativen Polyamiden umschauen würde und dabei im konkreten Fall ein Polyamid vom Typ 12 mit einer höheren Viskosität in Betracht ziehen würde. Die Kammer ist im Gegenteil der Auffassung, dass der Fachmann, der die Lehre der Druckschrift D1 in Betracht gezogen hätte, um die unter Nr. 2.3 oben gestellte objektive Aufgabe zu lösen, durch die Anforderungen des Dokuments D2 hinsichtlich der Haftung des Außenmantels auf dem Fasermantel und hinsichtlich des Abmantels der optischen Ader im Bereich der Grenzfläche zwischen den Außenschichten des Außenmantels und durch die Lehre der Druckschrift D1, wonach die Polyamide tiefviskos sein müssen, damit sie bei möglichst tiefer Schmelztemperatur extrudiert und verarbeitet werden können (Seite 4, letzter Absatz), eher davon abgehalten wird, neben den Polyamiden 12 der konkreten Beispiele mit einer relativen Viskosität zwischen 1,47 und 1,66 auch andere, alternative Polyamide vom Typ 12 in Betracht zu ziehen, die eine höhere relative Viskosität besitzen und die - in Anbetracht der Lehre der Druckschrift D1 - sich schwerer extrudieren bzw. verarbeiten lassen und für die in Dokument D2 vorgeschriebenen Anforderungen weniger geeignet erscheinen.

3.3 Auch die weitere, von der Druckschrift D1 als nächstliegendem Stand der Technik ausgehende Argumentationslinie der Beschwerdeführerin kann zu keiner anderen Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands führen. Die in der Druckschrift D1 offenbarte optische Ader hat eine Schutzhülle aus Polyamid, und die Passage auf Seite 9, Zeilen 18 bis 20 lehrt, dass die Schutzhülle auch mehrschichtig ausgebildet werden kann; wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht, lässt die Offenbarung der Druckschrift allerdings offen, ob die übrigen Außenschichten auch aus Polyamid bestehen. So verweist die erwähnte Passage der Druckschrift D1 ausdrücklich auf die Druckschrift D11, in der eine auf eine optische Faser aufgebrachte Schutzumhüllung offenbart wird, die aus mehreren Schichten besteht, wobei die Schichten im Allgemeinen aus verschiedenen Kunststoffen, u.a. Polyamid, bestehen (Anspruch 1 und Seite 5, Zeile 22 ff.), sodass das beanspruchte Merkmal, wonach die Schutzumhüllung aus zwei Polyamid-Außenschichten besteht, nicht ohne Weiteres der Druckschrift D1 bzw. deren Verweis auf die Druckschrift D11 entnommen werden kann.

Das beanspruchte Merkmal, wonach die äußere Außenschicht auf der inneren Außenschicht mit einer Abzugskraft von maximal 30 N/30 mm haftet, kann der Druckschrift D1 ebenfalls nicht entnommen werden. Dieses Merkmal wird - entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin - auch nicht durch die Lehre der Druckschrift D13 nahegelegt, weil diese Druckschrift primär auf eine optische Ader mit einem zweischichtigen Außenmantel gerichtet ist, in der die Haftung zwischen den Schichten des Außenmantels stärker als die Haftung zwischen dem Außenmantel und dem Fasermantel ist, sodass das Abmanteln der optischen Ader im Bereich der Grenzfläche zwischen dem Fasermantel und dem Außenmantel erfolgt (siehe Zusammenfassung und Absätze [0026] und [0027] der Übersetzung), während die Passage der Druckschrift, auf die sich die Beschwerdeführerin bezieht und die eine Haftung von nur 29,4 N zwischen den Schichten eines Außenmantels offenbart (Absätze [0060] und [0061] und Tabelle auf Seite 8 der Übersetzung), ausdrücklich ein außerhalb der eigentlichen Lehre der Druckschrift liegendes Vergleichsbeispiel betrifft, dem sich der Fachmann prinzipiell nicht zuwenden würde.

Und selbst wenn der Fachmann auf die Idee gekommen wäre, die in der Druckschrift D1 offenbarte optische Ader an die Anforderungen gemäß des in Dokument D2 offenbarten Standards anzupassen, so würde er dadurch lediglich dazu angeregt, den Außenmantel aus einer inneren Außenschicht aus Polyamid 12 und einer äußeren, auf der inneren Außenschicht mit einer Abzugskraft von 20 ± 10 N haftenden Außenschicht aus Polyamid auszubilden (siehe Nr. 2.1 oben), nicht jedoch, für die innere Außenschicht eine aus Polyamid 12 bestehende Formmasse auszuwählen, die eine Ruhe-Scherviskosität im beanspruchten Bereich besitzen würde. Wie oben in Nr. 3.2 bereits ausgeführt, hätte er nämlich aufgrund der Lehre der Druckschrift D1 hinsichtlich der Verwendung von tiefviskosen Polyamiden und der Anforderungen des Dokuments D2 hinsichtlich des Abmantels der optischen Ader im Bereich der Grenzfläche zwischen den Außenschichten keine Veranlassung, auf ein Polyamid vom Typ 12 mit einer Viskosität an der obersten Grenze des in der Druckschrift D1 angegebenen Bereichs zurückzugreifen. Statt dessen würde der Fachmann - wie oben bereits ausgeführt - im Lichte der technischen Lehre der Druckschrift D1 und des Dokuments D2 vielmehr dazu angeleitet, tiefviskose Polyamide vom Typ 12 bzw. die Polyamide 12 der konkreten Beispiele der Druckschrift D1 für die Formmasse der inneren Außenschicht auszuwählen, wobei die entsprechende Formmasse den Ergebnissen der Vergleichsversuche zufolge (vgl. graphische Darstellung in Dokument D15) eine Ruhe-Scherviskosität unterhalb des beanspruchten Bereichs aufweisen würde.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die von der Beschwerdeführerin vorgetragene alternative Argumentationslinie die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag nicht in Frage stellen kann.

3.4 Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 und der abhängigen Ansprüche 2 bis 7 gemäß dem ersten Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Das Patent kann somit auf der Grundlage dieser Ansprüche in geändertem Umfang aufrecht erhalten werden.

4. Beschreibung

Im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Patents in geänderten Umfang auf Basis des voranstehend als gewährbar erachteten Anspruchssatzes gemäß dem ersten Hilfsantrag kann die Sache jedoch nicht mit einer das Verfahren abschließenden Entscheidung erledigt werden, weil die Beschreibung noch an das geänderte Patentbegehren anzupassen ist und sie eventuell eine Würdigung des im Beschwerdeverfahren erstmalig in Betracht gezogenen Standes der Technik zu umfassen hat.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang mit den Patentansprüchen 1 bis 7 gemäß dem ersten Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 24. Mai 2011, der Figur 1 wie erteilt und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

Quick Navigation