T 0353/09 (Herstellung von Mannit/MERCK) of 27.9.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T035309.20120927
Datum der Entscheidung: 27 September 2012
Aktenzeichen: T 0353/09
Anmeldenummer: 02795184.7
IPC-Klasse: C07C 29/74
C07C 31/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von direkt tablettierbarem Alpha-Mannit
Name des Anmelders: Merck Patent GmbH
Ehemaliger Einsprechender:
ROQUETTE FRERES, S.A.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 111(1)
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention R 80
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0789/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde des Beschwerdeführers (Patentinhaber) richtet sich gegen die am 5. Dezember 2008 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher das europäische Patent Nr. 1 453 781 widerrufen wurde.

II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent vom ehemaligen Beschwerdegegner (Einsprechenden) in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 (a) EPÜ) und mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 100 (b) EPÜ) angegriffen worden.

III. Die Einspruchsabteilung stellte fest, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 des damaligen Hauptantrages ausreichend offenbart, jedoch nicht erfinderisch sei, der Hilfsantrag 1 gegen Regel 80 EPÜ verstieße, und die Hilfsanträge 2 und 3 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ nicht erfüllten.

IV. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 27. September 2012 zog der ehemalige Beschwerdegegner seinen Einspruch zurück. Der Beschwerdeführer reichte einen neuen Hauptantrag (Ansprüche 1 bis 11) ein und begehrte die Aufrechterhaltung des Streitpatentes nur noch in diesem Umfang.

Der Anspruch 1 des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrages lautet wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung von direkt tablettierbarem Mannit mit einem Gehalt an alpha-Modifikation von mehr als 90%, dadurch gekennzeichnet, dass eine wässrige 45 - 60%-ige D-Mannit-Lösung als Edukt eingesetzt wird, und

a) die wässrige D-Mannit-Lösung, Sprühgas, pulverförmiges alpha-Mannit und Heißgas zusammengeführt werden, wobei die wässrige D-Mannit-Lösung mit einer Temperatur im Bereich von 60 bis 95ºC versprüht wird und wobei sowohl als Sprühgas als auch als Träger- und Heizgas Luft oder ein Inertgas, ausgewählt aus der Gruppe N2 und C02, verwendet wird,

wobei der Sprühdruck der Zweistoffdüsen im Bereich von 2 - 4 bar eingestellt wird und etwa 1,5 bis 3 m**(3)/(h kg Lösung) Heißgas mit einer Temperatur von etwa 80 bis 110ºC der Zweistoffdüse zugeführt wird, und

die der Anlage zugeführte Luft auf eine Temperatur im Bereich von 45 - 120ºC vorgewärmt wird und die zugeführte Zuluftmenge im Bereich von 1000-2000 m**(3)/m**(2) pro Stunde zugeführt wird, wodurch sich die Ablufttemperatur im Bereich von über 40ºC einstellt,

b) das entstehende pulverförmige Produkt in ein Wirbel- oder Fließbett fällt, aufgenommen, fluidisiert und weitertransportiert wird, und

c) eine Teilmenge des entstehenden pulverförmigen Produkts in den Prozess zurückgeführt wird, wobei das Kristallisationsgleichgewicht hin zur Bildung von alpha-Mannit verschoben wird, indem als Staubanteil in der Produktaustragszone des Prozessors anfallendes alpha-Mannit in den Schritt a) der Sprühtrocknung zurückgeführt wird, wobei die Pulverrückführung in einer Menge im Bereich von 0,2 - 2,0 kg Feststoff/(h kg Lösung) erfolgt, wobei alpha-Mannit mit einer durchschnittlichen Partikelgröße kleiner 20 mym rückgeführt wird, und

d) gegebenenfalls das entstehende Pulver in einem oder mehreren Granulierungsschritt(en) mit weiterem flüssigen Medium besprüht, getrocknet und im Fließ- oder Wirbelbett weiter transportiert wird."

V. Der Beschwerdeführer trug vor, dass der Anspruch 1 durch die Aufnahme der Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 4, 5, 11, 16, 17 und 18 in den erteilten Anspruch 1 gestützt und der Schutzbereich dadurch eingeschränkt sei.

VI. Im schriftlichen Verfahren äußerte sich der damalige Beschwerdegegner in der Sache nicht und stellte keine Anträge.

VII. Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten geänderten Hauptantrages aufrechtzuerhalten.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Rücknahme des Einspruchs

2.1 Der Einsprechende hat den Einspruch zurückgenommen und ist daher am Beschwerdeverfahren nicht mehr beteiligt (siehe T 789/89, ABl. EPA 1994, 482).

2.2 Da die Beschwerde von dem Patentinhaber gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt worden ist, ergeben sich nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern aus der Rücknahme des Einspruchs keine unmittelbaren verfahrensrechtlichen Folgen, d.h. die Beschwerdekammer muss die Entscheidung der Einspruchsabteilung sachlich überprüfen und kann nur dann diese Entscheidung aufheben, wenn die vorgebrachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patentes nicht entgegenstehen.

3. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

3.1 Der geltende Anspruch 1 basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 1, 4, 5, 11, 16, 17 und 18. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 11 basieren auf den jeweiligen ursprünglichen Ansprüchen 2, 3, 5, 6, 8, 12 bis 15 und 19. Der geltende Anspruchssatz erfüllt demzufolge die Voraussetzungen des Artikels 123 (2) EPÜ.

3.2 Die Änderungen beschränken den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1, wodurch der Schutzbereich des Streitpatentes im Vergleich zur erteilten Fassung nicht erweitert wird. Der geltende Anspruchssatz erfüllt demzufolge auch die Voraussetzungen des Artikels 123 (3) EPÜ.

4. Regel 80 EPÜ

4.1 Die Einspruchsabteilung stellte fest, dass der vor ihr anhängige Hilfsantrag 1 wegen Regel 80 EPÜ verstieße, da gegenüber den erteilten Ansprüchen ein neuer abhängiger Anspruch eingeführt worden sei. Eine solche Änderung könne nicht geeignet sein, einen Einspruchsgrund zu überwinden.

4.2 Die vorliegenden abhängigen Ansprüche 2 bis 11 basieren auf den jeweiligen erteilten Ansprüchen 2, 3, 5, 6, 8, 12 bis 15 und 19. Damit verstoßen sie nicht gegen Regel 80 EPÜ.

4.3 Alle im Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen beschränken den beanspruchten Gegenstand und sind dazu geeignet, einen Einspruchsgrund zu überwinden. Der geltende Anspruchssatz erfüllt demzufolge auch die Voraussetzungen der Regel 80 EPÜ.

5. Zurückverweisung

5.1 Aus der obigen Feststellung ergibt sich, dass der Beschwerdeführer mit den geänderten Ansprüchen 1 bis 11 die in der angefochtenen Entscheidung erhobenen Einwände gegen den Gegenstand der damaligen Hilfsanträge 1 bis 3 unter Artikel 123 EPÜ bzw. Regel 80 EPÜ ausgeräumt hat. Gleichwohl hat die Kammer keine Entscheidung in der ganzen Angelegenheit getroffen, da u.a. die Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit des damaligen Hauptantrages keinen nächstliegenden Stand der Technik ermittelt hat, von dem aus ein eventuelles Naheliegen des beanspruchten Gegenstandes untersucht werden kann.

5.2 Da eine abschließende Prüfung der geltend gemachten Einspruchsgründe noch aussteht, verweist die Kammer in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Artikel 111 (1) EPÜ die Angelegenheit zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die erste Instanz zurück. Der Beschwerdeführer hatte keine Einwände gegen eine Zurückverweisung.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten geänderten Hauptantrages an die erste Instanz zurückverwiesen.

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