T 0339/09 () of 25.11.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T033909.20111125
Datum der Entscheidung: 25 November 2011
Aktenzeichen: T 0339/09
Anmeldenummer: 02753059.1
IPC-Klasse: B29C 49/66
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung von blasgeformten Hohlkörpern
Name des Anmelders: Mauser-Werke GmbH
Name des Einsprechenden: PROTECHNA S.A.
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 114(2)
European Patent Convention R 99(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte Beschwerde ein gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Europäische Patent 1 404 506 zurückzuweisen.

II. Der Einspruch war gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt worden und mit einem Mangel an erfinderischer Tätigkeit (Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ) begründet worden.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das streitige Patent zu widerrufen.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, sowie hilfsweise die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

V. Der Wortlaut der erteilten unabhängigen Ansprüche 1 und 14 ist wie folgt:

"1. Blasformmaschine (10) zur Herstellung von blasgeformten Hohlkörpern aus Kunststoff, bei welcher ein schlauchförmiger Vorformling aus verformbarem Kunststoff zwischen die geöffneten Hälften einer Blasform (12) extrudiert und nachfolgend in der geschlossenen Blasform zum fertigen Hohlkörper aufgeblasen wird, wobei zum Aufblasen des Hohlkörpers Blasluft über eine Rohrleitung (14) bzw. einen Blasdorn (16) in den Hohlkörper einblasbar ist, und wobei die Blasform (12) in ein geschlossenes Rohrleitungssystem (14) integriert ist,

dadurch gekennzeichnet, daß

das Rohrleitungssystem (14) als Ringleitung ausgebildet ist und für eine kontinuierliche Kreislauf-Führung der Blasluft als Kühlmedium zur Innenkühlung des Hohlkörpers nach erfolgtem Ausformen auf erhöhtem Druckniveau ein Verdichter (26) vorgesehen ist, und das Rohrleitungssystem (14) zur Sicherstellung einer immer gleichen vorgegebenen Strömungsrichtung in jedem Prozesszustand mit wenigstens einem Rückschlagventil (22, 32, 46) ausgestattet ist, wobei das geschlossene Ringleitungssystem (14) auf der Eingangsseite zum Einblasen der Blasluft in die Blasform (12) eine Einströmleitung und auf der Ausgangsseite zum Herauslassen der Blasluft aus der Blasform (12) eine Ausströmleitung aufweist."

"14. Verfahren zur Herstellung von blasgeformten Hohlkörpern aus Kunststoff, auf einer Blasformmaschine, bei welcher ein schlauchförmiger Vorformling aus verformbarem Kunststoff zwischen die geöffneten Hälften einer Blasform extrudiert und nachfolgend in der geschlossenen Blasform zum fertigen Hohlkörper aufgeblasen wird, wobei zum Aufblasen und Abkühlen des Hohlkörpers Blasluft über eine Rohrleitung bzw. einen Blasdorn in den Hohlkörper eingeblasen wird,

dadurch gekennzeichnet, daß

die Blasluft in dem als Ringleitung ausgebildeten Rohrleitungssystem nach erfolgtem Aufblasen des Hohlkörpers für eine kontinuierliche Kreislauf-Führung der Blasluft als Kühlmedium zur Innenkühlung des Hohlkörpers unter Sicherstellung einer immer gleichen vorgegebenen Strömungsrichtung in jedem Prozeßzustand mittels eines Verdichters ständig auf erhöhtem Druckniveau kontinuierlich im Kreislauf geführt wird, wobei das Kühlmedium in dem geschlossenen Ringleitungssystem auf der Eingangsseite über eine Einströmleitung in die Blasform eingeblasen und auf der Ausgangsseite über eine Ausströmleitung aus der Blasform herausgeführt wird, und wobei das erhöhte Druckniveau in dem geschlossenen Ringleitungssystem ständig beibehalten und lediglich zur Druckentlastung der Blasform bzw. zur Artikelentnahme auf der Eingangsseite und auf der Ausgangsseite kurzzeitig abgesperrt wird."

VI. In der vorliegenden Entscheidung wird Bezug genommen auf die Druckschrift

D3: US-A-3 233 416

VII. Der Vortrag der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung war im Wesentlichen wie folgt:

Der Gegenstand des erteilten unabhängigen Vorrichtungsanspruchs 1 unterscheide sich von der Lehre des Dokuments D3 dadurch, dass

- für eine kontinuierliche Kreislauf-Führung der Blasluft als Kühlmedium zur Innenkühlung des Hohlkörpers nach erfolgtem Ausformen auf erhöhtem Druckniveau ein Verdichter vorgesehen sei,

- das Rohrleitungssystem zur Sicherstellung einer immer gleichen vorgegebenen Strömungsrichtung in jedem Prozesszustand mit wenigstens einem Rückschlagventil ausgestattet sei,

- das geschlossene Ringleitungssystem auf der Eingangsseite zum Einblasen der Blasluft in die Blasform eine Einströmleitung und auf der Ausgangsseite zum Herauslassen der Blasluft aus der Blasform eine Ausströmleitung aufweise.

Es stelle sich die technische Aufgabe, die aus dem Dokument D3 bekannte Anlage baulich zu vereinfachen und ihren Energieverbrauch zu senken.

Zur Lösung dieser Aufgabe sei es für den Fachmann naheliegend, ausgehend von der Offenbarung der Druckschrift D3

- das Wirbelrohr 35 wegzulassen,

- den Auslassstutzen 66 als Einlassstutzen zu verwenden,

- diesen an das Zuleitungsrohr 34 anzuschließen,

- das Austrittsrohr der Auslasskammer mit dem Auslassrohr 37 zu verbinden

- und schließlich das Rohrleitungssystem mit zumindest einem Rückschlagventil zu versehen.

Aus analogen Gründen beruhe auch der Gegenstand des unabhängigen Verfahrensanspruchs 14 in der erteilten Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VIII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte in ihrer Erwiderung im Wesentlichen wie folgt:

Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde sei unzulässig, da die Beschwerdebegründung nicht auf die angegriffene Entscheidung eingehe. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin sei nur auf ein erstmals in der Beschwerdebegründung angeführtes Beweismittel (Dokument D3) gestützt, obwohl dieses Dokument bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte genannt werden können. Somit entspräche die Beschwerde einem zweiten Einspruch, was nicht der Sinn des Beschwerdeverfahrens sei.

Erfinderische Tätigkeit

Die Argumentation der Beschwerdeführerin stelle eine unzulässige rückschauende Betrachtung dar. So sei kein Nachweis erbracht worden, aufgrund welcher Hinweise der Fachmann dazu hätte angeregt werden können, die aus dem Dokument D3 bekannte Blasformmaschine vollständig umzukonstruieren, um ohne erfinderische Tätigkeit zum Patentgegenstand zu gelangen.

Daher beruhe der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerdeführerin stützt ihre Beschwerde ausschließlich auf das erstmals in der Beschwerdebegründung genannte Dokument D3.

Es ist daher bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde zu klären, ob damit den Erfordernissen einer ausreichenden Beschwerdebegründung Genüge getan ist. Regel 99(2) EPÜ legt diesbezüglich fest, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung darzulegen hat, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder in welchem Umfang sie abzuändern ist und auf welche Tatsachen und Beweismittel er seine Beschwerde stützt.

Auch wenn sich die Beschwerdebegründung im vorliegenden Fall nicht mit den tragenden Gründen auseinandersetzt, aufgrund derer die Einspruchsabteilung den Gegenstand der erteilten Ansprüche gegenüber dem im Einspruchsverfahren angezogenen Stand der Technik als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend befunden hat, sondern unter Beibehaltung des Einspruchsgrunds der mangelnden erfinderischen Tätigkeit eine neue Argumentationslinie vorträgt, hat die Beschwerdeführerin damit nach Auffassung der Kammer doch ausreichend dargelegt, aus welchen Gründen sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt und auf welche Tatsachen und Beweismittel sie sich dabei stützt.

Die Kammer sieht im vorliegenden Fall die Erfordernisse von Regel 99(2) EPÜ daher als erfüllt an.

Diese Sicht entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 6. Auflage 2010, Abschnitt VII.E.7.6.2 b)), nach der eine Beschwerde nicht schon deshalb unzulässig ist, weil sie ausschließlich mit neuen Tatsachen begründet wird, solange der neue Vortrag im Rahmen eines bereits im Einspruchsverfahren geltend gemachten Einspruchsgrundes bleibt, die Beschwerdeführerin sich also weiterhin in dem im Einspruchsverfahren abgesteckten rechtlichen Rahmen bewegt.

Da die Beschwerde den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 99 EPÜ entspricht, ist die Beschwerde zulässig.

2. Zulassen des verspätet vorgelegten Dokuments D3

Die Druckschrift D3 wurde von der Beschwerdeführerin erst im Beschwerdeverfahren genannt, also nach Abschluss des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens. Es ist daher zu prüfen, ob dieses Vorbringen trotz Verspätung zuzulassen ist.

In Einklang mit Artikel 114(2) EPÜ sieht die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern in Artikel 12(4) VOBK das Befugnis der Kammer vor, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, nicht zuzulassen.

Die Beschwerdeführerin machte keine Gründe geltend, warum das Dokument D3 erst in der Beschwerdebegründung genannt wurde.

Auch im Hinblick auf die Tatsache, dass das Dokument D3 eine einschlägige US Patentschrift aus dem Jahr 1966 ist, teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass im vorliegenden Fall das Dokument D3 durchaus bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorgelegt werden können. Somit liegt das Zulassen der D3 im Ermessen der Kammer.

Bei der Ausübung des Ermessens ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung offenbar versucht, der in der Entscheidung der Einspruchsabteilung angegebenen Begründung der erfinderischen Tätigkeit durch Argumente auf der Basis eines ihrer Meinung nach relevanteren Standes der Technik (Dokument D3) entgegenzutreten.

Es ist auch zu beachten, dass die Druckschrift D3 bereits in der Beschwerdebegründung genannt wurde und somit nicht von einer Verzögerung des Beschwerdeverfahrens ausgegangen werden kann.

Zudem ist das Dokument D3 für einen fachmännischen Leser weder in Bezug auf den Inhalt noch auf den Umfang als komplex anzusehen.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Dokument D3 eine Blasformmaschine mit Blasluft als Kühlmedium und einem als Ringleitung ausgebildeten Rohrsystem offenbart. Daher könnte diese Druckschrift prima facie die Aufrechterhaltung des angefochtenen Patents in der beanspruchten Form in Frage stellen.

In Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens kommt die Kammer unter Beachtung der genannten Kriterien zum Schluss, dass die Druckschrift D3 im Beschwerdeverfahren zuzulassen ist.

3. Erfinderische Tätigkeit

Die Beschwerdeführerin geht von der Druckschrift D3 als nächstkommendem Stand der Technik aus. Ihrer Meinung nach sei es für einen Fachmann zur baulichen Vereinfachung und Reduktion des Energieverbrauchs offensichtlich,

- das Wirbelrohr 35 wegzulassen,

- den Auslassstutzen 66 als Einlassstutzen zu verwenden,

- diesen an das Zuleitungsrohr 34 anzuschließen,

- das Austrittsrohr der Auslasskammer mit dem Auslassrohr 37 zu verbinden

- und schließlich das Rohrleitungssystem mit zumindest einem Rückschlagventil zu versehen,

um so zum Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Streitpatent zu gelangen.

Diese Argumentationslinie kann die Kammer nicht überzeugen. Für die genannten Schritte ist nicht ersichtlich, warum der Fachmann derart gravierende Veränderungen an der Vorrichtung der Druckschrift D3 vornehmen sollte. Beispielsweise stellt das Wirbelrohr des Dokuments D3 ein zentrales Element der dortigen Offenbarung dar; es ist kein Grund erkennbar, warum der Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung die Entfernung dieses Bauteils in Erwägung ziehen sollte.

Die von der Einsprechenden vorgetragene Begründung beruht daher auf einer rückschauenden Betrachtung. Dem Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 ist demzufolge eine erfinderische Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ zuzusprechen.

Aus den genannten Gründen kann das Vorbringen der Beschwerdeführerin auch die erfinderische Tätigkeit des unabhängigen Verfahrensanspruchs 14 nicht in Frage stellen.

Da die Ansprüche 2 bis 13 und 15 bis 22 von den Ansprüchen 1 oder 14 abhängig sind, beruhen auch diese auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

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