European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T024609.20110316 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 16 März 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0246/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03008210.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | D21H 21/30 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Verwendung von Aufhellern zur Herstellung von Streichmassen | ||||||||
Name des Anmelders: | Blankophor GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | CLARIANT INTERNATIONAL LTD. BASF Schweiz AG |
||||||||
Kammer: | 3.3.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (nein): naheliegende Option | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 03 008 210.1 wurde das europäische Patent Nr. 1 355 004 mit 9 Patentansprüchen erteilt.
II. Der unabhängige Anspruch 1 des erteilten Patents lautet:
"1. Verwendung von optischen Aufhellern der Formel (II)
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin
Y ein Rest der Formel
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
oder
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
bedeutet und
R**(1) für C1-C6-Alkyl und
R**(2) für H, oder
R**(1) für H und
R**(2) für C1-C6-Alkyl steht, und unabhängig davon
R**(3) für H, Methyl, Ethyl, CH2CH2OH oder CH2CH2OCH3
steht,
R**(1)' für C1-C6-Alkyl und
R**(2)' für H, oder
R**(1)' für H und
R**(2)' für C1-C6-Alkyl steht, und unabhängig davon
R**(3)' für H, Methyl, Ethyl, CH2CH2OH oder CH2CH2OCH3
sowie
R**(4)für C1-C4-Alkyl stehen,
Z SO3M bedeutet, wobei die Sulfogruppe in o-, m-
oder p-Position stehen können und
M H oder ein Äquivalent eines Kations bedeutet,
ausgewählt aus der Gruppe Li, Na, K, Ca, Mg,
Ammonium oder Ammonium, welches mono-, di-, tri-
oder tetrasubstituiert ist durch die Reste C1-C4-
Alkyl oder C2-C4-Hydroxyalkyl,
zum Aufhellen von wässrigen Streichmassen enthaltend wenigstens einen Latex-Binder und wenigstens einen davon verschiedenen synthetischen Cobinder ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Polyvinylalkohol, Carboxymethyl-cellulosen sowie Mischungen dieser beiden Substanzen."
Der unabhängige Anspruch 7 betrifft eine Streichmasse und der unabhängige Anspruch 9 betrifft die Verwendung dieser Streichmasse zur Herstellung gestrichener Papiere. Die abhängigen Ansprüche 1 bis 6 und 8 betreffen besondere Ausgestaltungen der Gegenstände nach Anspruch 1 bzw. 7.
III. Zwei Einsprechende hatten wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100a), 54 und 56 EPÜ) Einspruch erhoben. Sie stützten sich dabei auch auf folgende Entgegenhaltungen:
D8 EP-A-0 192 600,
D16 O. Jokinen et al., Wochenblatt für Papierfabrikation, Band 9, 2000, Seiten 590 bis 593, und
D20 IUCLID Dataset für CAS 16470-24-9, year 2000 CD-ROM edition, Seiten 1 bis 36.
IV. In ihrer Entscheidung zur Zurückweisung der Einsprüche hat die Einspruchsabteilung erfinderische Tätigkeit gegenüber Dokument D1 anerkannt, weil weder dieses Dokument noch der übrige Stand der Technik einen Hinweis gäben auf die erfindungsgemäß ausgewählte Kombination von Aufheller und Bindemittel um einen gleichen oder sogar besseren Weißgrad zu erreichen.
V. Gegen diese Entscheidung haben die Einsprechenden I und II (Beschwerdeführerinnen I und II) Beschwerde eingelegt und neue Beweismittel vorgelegt.
VI. Am 16. März 2011 fand die von allen Parteien beantragte mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in deren Verlauf die Patentinhaberin (nunmehr Beschwerde-gegnerin) geänderte Ansprüche in einem neuen Hilfsantrag einreichte.
Anspruch 1 des Hilfsantrages unterscheidet sich von dem des Hauptantrages dadurch dass der Ausdruck "ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Polyvinylalkohol, Carboxymethylcellulosen sowie Mischungen dieser beiden Substanzen" ersetzt wurde durch "ausgewählt aus Carboxymethylcellulosen".
VII. Die Beschwerdeführerinnen haben schriftlich und mündlich an ihrer Auffassung festgehalten, der beanspruchte Gegenstand sei nicht erfinderisch, unter anderem gegenüber Dokument D16 in Kombination mit Dokument D8.
VIII. Die Beschwerdegegnerin hat alle Einwände der Beschwerde-führerinnen zurückgewiesen und geltend gemacht, die neuen Beweismittel seien nicht zu berücksichtigen. Zu den Einwänden der Beschwerdeführerinnen nimmt die Beschwerdegegnerin wie folgt Stellung:
Im Streitpatent werde gezeigt, dass die verwendete Streichmasse im Vergleich zu einer Streichmasse, die einen anderen optischen Aufheller oder Stärke als Co-Binder enthält, zu einer Verbesserung des Weißgrads führe. Dem zitierten Stand der Technik sei kein Hinweis zu entnehmen, dass dies mit der spezifischen Aufheller-Binder-Kombination zu erreichen sei.
Ausgehend von Dokument D8 habe der Fachmann viele Möglichkeiten der Modifikation. Dennoch lenke Dokument D8 das Augenmerk nicht auf spezifische Binder/Aufheller-Kombinationen, um den Weißgrad zu verbessern, sondern befasse sich mit stabilen Aufhellerpräparationen, in denen irgendein Binder verwendet werden könne.
Dokument D16 sei als nächstliegender Stand der Technik anzusehen und zeige den Einfluss verschiedener Aufheller auf die Wirksamkeit verschiedener Bindemittel, nicht aber die beanspruchte Kombination. Ein Fachmann würde daher dieses Dokument schon deshalb nicht mit Dokument D8 kombinieren, weil er davon ausgehe, dass die Wirksamkeit einer Aufhellerpräparation in der Streichmasse nicht vorhersehbar sei.
IX. Die Beschwerdeführerinnen beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent im Umfang des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrages 1 aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
1. In Anbetracht der Dokumente D16 und D8 erfüllt der Gegenstand nach Anspruch 1 beider Anträge aus nachstehenden Gründen zumindest nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob die im Beschwerdeverfahren neu vorgelegten Beweismittel zuzulassen sind, ob der beanspruchte Gegenstand gegenüber dem zitierten Stand der Technik neu ist und ob die im Hilfsantrag vorgenommene Änderung den Erfordernissen von Artikel 123 EPÜ genügen.
2. Das Streitpatent betrifft die Verwendung von speziellen optischen Aufhellern zur Herstellung von Streichmassen, die Streichmassen an sich sowie deren Verwendung zur Herstellung aufgehellter Papiere (Ansprüche 1, 7 und 9 sowie Absatz 1 der Patentschrift).
Gemäß Streitpatent sind die gebräuchlichsten Papier-aufheller sulfonierte Derivate der Diaminostilbene (bzw. Bistriazinylflavonate; Absatz 9 der Patentschrift) der Formel I ((Absatz 3 der Patentschrift):
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
(Disulfotyp), oder
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
(Tetrasulfotyp), oder
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
(Hexasulfotyp) und
M für Na, K oder gegebenenfalls substituiertes Ammonium steht.
Ebenfalls bekannt ist, dass mit dem Hexasulfotyp solcher Aufheller im Vergleich zum Tetrasulfotyp generell bessere Weißgrade erreicht werden (Absätze 4 und 5 der Patentschrift).
Beim Recycling von gestrichenen Papieren führt der Einsatz des Hexasulfotyp wegen seiner Löslichkeit aber zu einer Wirkungsminderung von kationischen Papier-chemikalien und damit zu deren Mehrverbrauch, weil er in Lösung geht und als anionischer Störstoff wirkt (Absatz 6 der Patentschrift).
Laut Streitpatent bestand die zu lösende technische Aufgabe daher darin, optische Aufheller zu finden, die in Streichfarben zu höheren Weißgraden führen als die Aufheller der üblichen Di- und Tetrasulfotypen der Formel I und weniger Störstoffbelastung im Kreislauf-wasser verursachen als der Hexasulfotyp (Absatz 7 der Patentschrift).
3. Eine ähnliche technische Problematik liegt dem Dokument D16 zugrunde. Dort geht es nämlich um neue optische Aufheller, die im Vergleich zu den bisher üblichen Tetrasulfo-Derivaten der Diaminostilbendisulfonsäure (z.B der Formel I) höhere Weißgrade im Papierstrich ermöglichen, aber nicht so teuer sind wie die Hexasulfo-Derivate (Seite 590, linke Spalte, Zeilen 1 bis 18 der Zusammenfassung).
In Übereinstimmung mit der Beschwerdegegnerin hält daher auch die Kammer die Entgegenhaltung D16 für einen geeigneten Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Streitgegenstandes.
4. In der Entgegenhaltung D16 werden ein neuer Stilben-aufheller (Tinopal MC) und zwei neue Distyrylbiphenyl-produkte (Tinopal SK und SK-B) vorgestellt und mit einem Tetrasulfotyp (Tinopal ABP) sowie mit zwei Hexasulfo-typen (Tinopal SHP und Tinopal SPP) verglichen. Dabei entspricht Tinopal ABP dem Tetrasulfotyp der Formel I (Dokument D20, Seiten 2 und 3, Punkt 1.2 Synonyms), wohingegen die genaue chemische Struktur der in Dokument D16 genannten neuen Aufheller nicht offenbart ist.
Anhand von Streichmassen, welche neben dem optischen Aufheller ein Weißpigment (CaCO3), Latex sowie einen Co-Binder (Carboxymethylcellulose, CMC, oder Polyvinyl-alkohol, PVA) enthalten, wird unter anderem gezeigt, dass der neue Stilbenaufheller Tinopal MC auf holz-freiem Papier besser ist als der herkömmliche Tetra-sulfotyp der Formel I, insbesondere wenn der Co-Binder CMC ist, während die neuen Distyrylbiphenylprodukte Tinopal SK und SK-B mit PVA als Co-Binder besser wirken als mit CMC, vor allem, wenn die Streichmasse auf vorgestrichenem, holzfreien Papier zur Anwendung kommt (Seite 591, rechte Spalte bis Seite 592, linke Spalte, Zeile 17, insbesondere Figuren 4 bis 6).
5. Der Gegenstand nach Anspruch 1 des Hilfsantrages, der auch eine Variante des Hauptantrages darstellt und CMC als Co-Binder verwendet, unterscheidet sich von der obengenannten Verwendung von Tinopal MC, SK und SK-B in Streichmassen und mit CMC als Co-Binder nur dadurch, dass ein anderer optischer Aufheller verwendet wird, nämlich der von Formel II (Anspruch 1 des Streitpatents) bzw. vorzugsweise von Formel IIa (Anspruch 2 des Streitpatents):
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
6. Weder das Streitpatent noch der verfügbare Stand der Technik oder das Fachwissen geben Anlass zur Vermutung, dass die Verwendung des Aufhellers der Formel II bzw. IIa gegenüber der Verwendung von Tinopal MC, SK und SK-B zu einer Verbesserung des Weißgrads des Papierstrichs führen (vgl. die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe, oben Punkt 2.).
Es liegen nämlich weder Vergleichsversuch noch sonstige Hinweise vor, die einen Effekt gegenüber den in Dokument D16 beschriebenen neuen Aufhellern glaubhaft machen würden.
7. Die gegenüber der in Dokument D16 gezeigten Verwendung der neuen Aufheller Tinopal MC, SK und SK-B in Streichmassen mit CMC als Co-Binder tatsächlich gelöste technische Aufgabe kann folglich nur in der Bereitstellung einer weiteren Gruppe von Aufhellern zur Verwendung in Streichmassen gesehen werden bzw. in der Bereitstellung weiterer Streichmassen.
8. Somit bleibt zu untersuchen, ob die gemäß Streitpatent vorgeschlagene Lösung, nämlich anstelle der in Dokument D16 beschriebenen neuen Aufheller Tinopal MC, SK und SK-B einen Aufheller der Formel II bzw. IIa zu verwenden, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
9. Wenn es - wie oben ausgeführt - nur darum geht, Streich-massen bereitzustellen, welche sich vom Stand der Technik nach Dokument D16 unterscheiden, dann kann erfinderische Tätigkeit nicht allein darauf gestützt werden, dass ein Aufheller durch einen anderen ersetzt wird, wenn es weder einen Hinweis darauf gibt, dass dieser andere Aufheller für die Verwendung in der Streichmasse nicht geeignet ist noch bezweifelt werden kann, dass er zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents bekannt oder ohne weiteres auf dem Markt erhältlich war.
10. Beides wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten. Im Gegenteil, Absatz 16 der Patentschrift ist zu entnehmen, dass die erfindungsgemäßen Aufheller lange bekannt sind und in Dokument D8 (Seite 12, Aufheller-Nr. 15 der Tabelle 1 in Verbindung mit Beispiel A15) ist beschrieben, dass die erfindungs-gemäßen Aufheller der Formel IIa zur Verwendung in wässrigen Papierstreichmassen geeignet sind.
Die Verwendung des aus Dokument D8 bekannten Aufhellers Nr. 15 anstelle der in Dokument D16 in einer CMC-haltigen Streichmasse verwendeten neuen Aufheller stellt somit eine der Optionen dar, die der Fachmann ergreift, wenn es nur darum geht, ein anderes Produkt zu erhalten.
11. Da im vorliegenden Fall eben keine Verbesserung des Weißgrades des Papierstrichs nachgewiesen wurde, ist hierbei irrelevant, dass in den Beispielen von Dokument D8 der Aufheller der Formel IIa in Verbindung mit Stärke oder Casein als Co-Binder verwendet wurde (Beispiele A15, C1-2f und C4-4f) und in Dokument D16 eine unvorherseh-bare Abhängigkeit der Wirksamkeit des Binders von der Art des Aufhellers dargestellt ist. Abgesehen davon lehren die Dokumente D8 wie auch Dokument D16, dass PVA und carboxygruppenhaltige Polymere wie CMC besonders bevorzugte bzw. besonders übliche Co-Binder sind (Dokument D8, Seite 6, Zeilen l5 bis 26; in Dokument D16, Seite 593, Conclusions).
Nicht von Bedeutung ist im vorliegenden Fall auch das Argument, der Fachmann hätte viele Möglichkeiten gehabt, die bekannten Rezepturen zu modifizieren, um ein anderes Produkt zu erhalten. Denn gerade in Abwesenheit eines Effektes der spezifischen Modifikation hätte der Fachmann auch all diese Möglichkeiten gleichermaßen in Betracht gezogen. Erfinderisch Tätigkeit kann nicht allein auf das Herausgreifen einer dieser naheliegenden Möglichkeiten begründet werden.
Infolgedessen können die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Argumente (vgl. oben Punkt VII) nicht überzeugen.
12. Der Gegenstand nach Anspruch 1 des Hauptantrages beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Dies gilt identisch auch für Anspruch 1 des Hilfsantrages, so dass keiner der gestellten Anträge eine Basis zur Aufrechterhaltung des Patents bietet.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.