European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T021209.20110225 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 25 Februar 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0212/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98117587.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | B22D 11/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Trichtergeometrie einer Kokille zum Stranggiessen von Metall | ||||||||
Name des Anmelders: | SMS Siemag AG, et al | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Voest-Alpine Industrieanlagenbau GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Neuheit und erfinderische Tätigkeit (bejaht) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP-B1-0 904 873 betrifft die Trichtergeometrie einer Kokille zum Stranggießen von Metall und die Verwendung einer solchen Kokille für das Stranggießen von bestimmten Stählen.
II. Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende Einspruch eingelegt und diesen darauf gestützt, das der Gegenstand des Patents nicht neu bzw. nicht erfinderisch sowie nicht gewerblich anwendbar sei (Artikel 100 a) EPÜ).
III. Die Einspruchsabteilung ist zum Ergebnis gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag bzw. dem Hilfsantrag nicht neu sei. Sie hat deshalb das Patent widerrufen. Die Entscheidung ist am 15. Dezember 2008 zur Post gegeben worden.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin (die Beschwerdeführerin) am 21. Januar 2009 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und am 14. April 2009 ihre Beschwerde begründet.
V. Ein mündliche Verhandlung fand am 25. Februar 2011 statt.
VI. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 7, wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht.
Die Beschwerdegegnerin (die Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
VII. Ansprüche
Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. Kokille zum Stranggießen von Metall mit einem gekühlte Breitseiten- und Schmalseitenwände aufweisenden, trichterförmig in Gießrichtung zum Format des gegossenen Stranges verjüngten Eingießbereich, wobei im Trichterbereich die Innenkonturen der Breitseitenwände in Gießrichtung von oben nach unten wenigstens je zwei Punkte mit der Eigenschaft aufweisen, dass sie eine Gerade bestimmen, entlang derer die Innenkonturen der Breitseitenwände mit wenigstens einem konkaven und wenigstens einem konvexen Abschnitt beliebiger Abfolge ausgebildet sind,
dadurch gekennzeichnet,
dass im Trichterbereich die Innerkonturen (4, 4', 4") der Breitseitenwände entlang einer die Kokillenoberkante (1) und die Kokillenunterkante (3) verbindenden Geraden
oder
entlang einer die Kokillenoberkante (1) und den Beginn (2) eines unteren vertikalen Abschnitts (d', d") verbindenden Geraden
in Gießrichtung von oben nach unten zuerst mit einem konkaven Abschnitt (a, a', a") und daran anschließend mit einem konvexen Abschnitt (b, b', b", c") ausgebildet sind,
wobei zwecks gleichmäßiger Verteilung der Formänderung über den Eingießbereich die maximale Formänderung in allen Horizonten der oberen Kokillenhälfte, auch im Bereich der Kokillenoberkante, wo die Strangschalenbildung am empfindlichsten ist, gleich oder im Wesentlichen gleich ist."
An diesen Anspruch schließen sich die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 an, die bevorzugte Ausführungsformen der in Anspruch 1 definierten Kokille betreffen. Der abhängige Anspruch 7 betrifft die Verwendung der beanspruchten Kokille.
VIII. Stand der Technik
Die Einspruchsabteilung hat die folgenden Druckschriften herangezogen:
D1: EP-A-0 268 910
D2: EP-A-0 865 849
D3: WO-A-99/01244.
IX. Vorbringen der Beteiligten
Die Druckschriften D1, D2 und D3 offenbaren trichterförmige Kokillen mit gekrümmten Breitseitenwänden. Die Vorbringen der Beteiligten können wie folgt zusammengefasst werden.
a) Vorbringen der Beschwerdeführerin
Die Beschwerdeführerin führte aus, dass nach Anspruch 1 die maximale Formänderung in allen Horizonten der oberen Kokillenhälfte, auch im Bereich der Kokillenoberkante, gleich oder im Wesentlichen gleich sei. Die Position der konkaven und konvexen Abschnitten werde daher auch im Eingießbereich der Kokillenoberkante festgelegt.
Die Kokillen nach D1, D2 und D3 weisen im Bereich der Kokillenoberkante gerade Wandabschnitte auf. In solchen parallelwandigen Bereichen finde keine Formänderung statt. Deshalb sei das Merkmal, dass die maximale Formänderung in diesem Bereich gleich oder im Wesentlichen gleich ist, nicht offenbart.
Ausgehend vom vorgenannten Stand der Technik liege dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, die Reibung und den Verschleiß zwischen Strangschale und Kokillenwände noch weiter zu vermindern. Nach der beanspruchten Trichtergeometrie werde eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Formänderung über den Eingießbereich erzielt und lokale Verformungen der Strangschale werden minimiert. Da diese Lösung dem Stand der Technik nicht zu entnehmen sei, sei die Kokille nach Anspruch 1 erfinderisch.
b) Vorbringen der Beschwerdegegnerin
Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass D1, D2 und D3 trichterförmige Kokillen offenbaren, die eine S-förmige Gestalt aufweisen. Die Breitseitenwände seien in Gießrichtung zuerst mit einem konkaven Abschnitt und daran anschließend mit einem konvexen Abschnitt ausgebildet. Die Breitseitenwände haben im Bereich der Kokillenoberkante und im Falle der Kurve 13.3 in Figur 4 der D2 sogar in der oberen Kokillenhälfte parallelwandige oder ebene Abschnitte, die in allen Horizonten keine oder nur eine geringfügige Formänderung aufweisen. Eine solche Formänderung werde als "im Wesentlichen gleich" erachtet. Die beanspruchte Kokille sei daher weder gegenüber D1, D2, noch D3 neu.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 123 EPÜ
Der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Anspruch 1 basiert auf den Ansprüchen 1 bis 3, 5 und 10 der ursprünglich eingereichten Anmeldung (EP-A1-0 904 873). Es liegt keinen Verstoß gegen Artikel 123 EPÜ vor.
3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
3.1 Die Druckschriften D1, D2 und D3 offenbaren trichterförmige Kokillen mit gekrümmten Breitseitenwänden (siehe Figur 2 der D1, Figur 4 der D2 und Figur 3 der D3), die einen konkaven Abschnitt aufweisen, der durch einen konvexen Übergangsteil in den parallelen Ausgangsbereich übergeht. Da die Innenkonturen der Breitseitenwände der Kokille des Anspruchs 1 mit konkaven und konvexen Abschnitten ausgebildet sind, sind D1, D2 und D3 als relevant anzusehen.
3.2 Anspruch 1 definiert ferner, dass die maximale Formänderung in allen Horizonten der oberen Kokillenhälfte, auch im Bereich der Kokillenoberkante, gleich oder im Wesentlichen gleich ist. Die Kokillenoberkante ist noch weiter dadurch definiert, dass dort die Strangschalenbildung am empfindlichsten ist. Die Kammer ist der Auffassung, dass der Bereich der Kokille, wo die maximale Formänderung gleich oder im Wesentlichen gleich sein soll, nach dieser Definition für den Fachmann klar als der Bereich zwischen dem Beginn der Strangschalenbildung an der Kokillenoberkante und der in Strangdurchlaufrichtung gesehenen Kokillenmitte festgelegt ist.
3.3 In dem oberen Bereich der Kokillen der D1, D2 und D3, insbesondere in der Nähe der Kokillenoberkante und im Falle der Kurve 13.3 der D2 auch bis zur Kokillenmitte, haben die Breitseitenwände parallele Abschnitte. Die Beschwerdegegnerin und die Einspruchsabteilung waren der Auffassung, dass in diesem Bereich keine Formänderung stattfinde und deshalb die Formänderung als "gleich" angesehen werden könne. Der Anspruch definiert jedoch, dass eine bestimmte Formänderung vorhanden sein muss. Wenn keine Formänderung im definierten Kokillenbereich nach D1, D2 und D3 stattfindet, ist dieses Anspruchsmerkmal auch nicht vorhanden. Die Kokille des Anspruchs 1 ist aus diesem Grund neu.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
4.1 Im Vergleich mit den Kokillen der zitierten Druckschriften unterscheidet sich die Kokille nach Anspruch 1 dadurch, dass sie im Trichterbereich konvexe und konkave Innenkonturen aufweist, die von der Kokillenoberkante bis zur Kokillenunterkante bzw. zum Beginn eines unteren vertikalen Abschnitts verläuft. Ein weiteres Unterschiedsmerkmal ist, dass die maximale Formänderung in allen Horizonten der oberen Kokillenhälfte, auch im Bereich der Kokillenoberkante, wo die Strangschalenbildung am empfindlichsten ist, gleich oder im Wesentlichen gleich ist.
4.2 Ausgehend von D1, D2 oder D3 ist die objektive Aufgabe, die Reibung und den Verschleiß zwischen Strangschale und Kokillenwänden weiter zu reduzieren (siehe Absatz [0007] des Streitpatents).
4.3 Wegen der in Anspruch 1 definierten Ausbildung der Innenkonturen im Trichterbereich der Kokille findet eine gleichmäßige und milde Verteilung der Formänderung über eine möglichst große Strecke statt. Die lokale Verformung der Strangschalen ist daher so gering wie möglich, so dass die Neigung zur lokalen Spaltbildung zwischen Strang und Kokillenwand vermindert wird. Folglich wird die Oberfläche der hergestellten Brammen verbessert.
4.4 Die Kokillen nach D1, D2 und D3 weisen einen parallelen Abschnitt im Bereich der Kokillenoberkante auf, so dass die Formänderung unten stärker als bei der beanspruchten Kokille ist. Im linken Teil der Figur 3 der D3 ist im Bereich der Kokillenoberkante statt eines parallelen Abschnitts eine schräge ebenflächige Platte dargestellt, die auch abrupt in einen geraden Bereich übergeht. Bei dieser Ausführungsform ist es auch weder offenbart, noch ersichtlich, dass die maximale Formänderung in allen Horizonten im Wesentlich gleich sind.
4.5 Zusammenfassend ergibt sich nicht aus dem Stand der Technik in naheliegender Weise, dass sich die konvexen und konkaven Abschnitte der Innenkonturen von der Kokillenoberkante zur Kokillenunterkante bzw. zum Beginn eines unteren vertikalen Abschnitts erstrecken und so geformt sein sollten, dass die maximale Formänderung in allen Horizonten der oberen Kokillenhälfte im Wesentlich gleich ist, um die oben genannte Aufgabe zu lösen. Die Kokille des Anspruchs 1 und die Verwendung der Kokille gemäß Anspruch 7 werden daher als erfinderisch angesehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
a) Ansprüche 1 bis 7, wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht,
b) Beschreibung Seiten 2 bis 4, wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht,
c) Figuren 1 bis 3b, wie erteilt.