T 0121/09 () of 22.2.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T012109.20110222
Datum der Entscheidung: 22 Februar 2011
Aktenzeichen: T 0121/09
Anmeldenummer: 01109105.5
IPC-Klasse: A23L 3/3463
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Haltbarkeitsverbesserung und/oder Stabilisierung von mikrobiell verderblichen Produkten
Name des Anmelders: Schür, Jörg-Peter, Prof.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Teilanmeldung 01109105.5, eingereicht am 28. März 1996 im Namen von Prof. Jörg-Peter Schür, war unter der Nr. EP 1 116 446 am 18. Juli 2001 (Patentblatt 2001/29) veröffentlicht worden. Mit Entscheidung vom 24. Juli 2008 wurde sie von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen.

II. Der Entscheidung lagen die am 7. April 2008 eingegangenen Anspruchssätze gemäß Haupt- und Hilfsantrag mit jeweils 11 Ansprüchen zugrunde. Die unabhängigen Ansprüche 1, 10 und 11 des Hauptantrags lauteten:

"1. Verfahren zur Haltbarkeitsverbesserung und/oder Stabilisierung von mikrobiell verderblichen Produkten, bei dem vor, nach und während des Prozesses zur Herstellung, Verarbeitung oder Verpackung der Produkte deren Oberflächen und/oder deren Umgebung, insbesondere die Umgebungsluft und/oder die Oberflächen der unmittelbar oder mittelbar mit den Produkten in Kontakt kommenden Geräte oder sonstigen Materialien mit einem oder mehreren Prozesshilfsmitteln beaufschlagt werden,

wobei die Prozesshilfsmittel mikrobizide Zusammensetzungen sind, die wenigstens zwei mikrobizid wirkende GRAS (Generally Recognized As Save)-Aromastoffe gemäß der FEMA-GRAS-Flavour-Substances-Liste GRAS 3-16, Nr. 2001-3834 (Stand 1993) enthalten, wobei einer ein GRAS-Alkohol ist und die Zusammensetzung weiterhin GRAS-Aromastoffe ausgewählt aus folgenden Funktionsgruppen umfasst:

(i) GRAS-Aldehyd und GRAS-Säure, (ii) GRAS-Aldehyd, GRAS-Phenol und GRAS-Säure, (iii) GRAS-Phenol und GRAS-Säure, (iv) GRAS-Polyphenol und GRAS-Säure, und (v) GRAS-Polyphenol, GRAS-Alkohol und GRAS-Aldehyd."

"10. Mikrobizide Zusammensetzung wie in den Ansprüche 1 bis 9 definiert."

"11. Verwendung eines Prozesshilfsmittels, wie in den Ansprüchen 1 bis 9 definiert, zum Beaufschlagen von Oberflächen mikrobiell verderblicher Produkte und/oder deren Umgebung zum Zwecke des Aufstreichens, Schmierens, Emulgierens, Trennens, Reinigens, Sprühens, Vernebelns, Vergasens und Schneidens."

Anspruch 1 des Hilfsantrags war auf die Alternative (iv) beschränkt.

III. Die Zurückweisung wurde damit begründet, dass weder der Haupt- noch der Hilfsantrag eine erfinderische Tätigkeit im Lichte der Offenbarung des Dokuments

D1: DE A 31 38 277

aufwiesen.

Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass die Ausführungsformen (i) bis (iv) der Anmeldung sich von der Offenbarung in D1 dadurch unterschieden, dass die Zusammensetzungen eine oder mehrere weitere Komponenten wie GRAS-Aldehyd, GRAS-Phenol, GRAS-Polyphenol enthalten. Da in der Anmeldung keine Daten vorlägen, welche eine zusätzliche synergistiche bakterizide Wirkung der Zusammensetzungen offenbarten, sei die erfinderische Tätigkeit zu verneinen.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Anmelderin) am 16. September 2008 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung ging am 3. Dezember 2008 ein.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent anhand des am 7. April 2008 eingereichten Anspruchssatzes gemäß Hauptantrag zu erteilen, hilfsweise auf Basis des am 7. April 2008 eingereichten Anspruchssatzes gemäß Hilfsantrag.

Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerde führerin einen Versuchsbericht D11 als Anlage II zur Beschwerdebegründung ein.

V. In dem der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Bescheid vom 15. November 2011 teilte die Kammer der Beschwerdeführerin mit, dass es fraglich sei, ob die eingereichten Versuche den erwünschten Effekt für den Gegenstand in seiner gesamten beanspruchten Breite begründen könnten.

VI. Am 24. Januar 2011 reichte die Beschwerdeführerin zwei geänderte Anspruchsätze ein, die den am 7. April 2008 eingereichten Haupt- bzw. Hilfsantrag ersetzten.

VII. Am 22. Februar 2011 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerdeführerin einen geänderten Antrag (Ansprüche 1 bis 8) einreichte, welcher die früheren Anträge ersetzte. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 8 lauten:

"1. Verfahren zur Haltbarkeitsverbesserung und/oder Stabilisierung von mikrobiell verderblichen Produkten, bei dem vor, nach und während des Prozesses zur Herstellung, Verarbeitung oder Verpackung der Produkte deren Oberflächen und/oder deren Umgebung, insbesondere die Umgebungsluft und/oder die Oberflächen der unmittelbar oder mittelbar mit den Produkten in Kontakt kommenden Geräte oder sonstigen Materialien mit einem oder mehreren Prozesshilfsmitteln beaufschlagt werden,

wobei die Prozesshilfsmittel mikrobizide Zusammensetzungen sind, die einen mikrobizid wirkenden GRAS (Generally Recognized As Safe)-Alkohol gemäß der FEMA-GRAS-Flavour-Substances-Liste GRAS 3-16, Nr. 2001-3834 (Stand 1993) und weiterhin ein GRAS-Polyphenol und eine GRAS-Säure enthalten."

"8. Verwendung eines Prozesshilfsmittels, wie in den Ansprüchen 1 bis 7 definiert, zum Beaufschlagen von Oberflächen mikrobiell verderblicher Produkte und/oder deren Umgebung zum Zwecke des Aufstreichens, Schmierens, Emulgierens, Trennens, Reinigens, Sprühens, Vernebelns, Vergasens und Schneidens."

VIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin, soweit sie für diese Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:

- Es sei zwar korrekt, dass D1 eine Zusammensetzung von Ethylalkohol und Milchsäure für einen Suspensionstest mit BHI-Bouillon und E. coli als Testkeim einen synergistischen Effekt zeigt. Dieser trete jedoch nicht über den gesamten Anwendungsbereich auf, sondern entwickle die volle Wirksamkeit erst bei hoher Ethylalkohol- bzw. Milchsäurekonzentration.

- Die neu eingereichten Vergleichsexperimente D11, zeigten jedoch einen unerwarteten Aktivitätszuwachs, welcher eine erfinderische Tätigkeit begründe.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent anhand der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 8 zu erteilen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen (Artikel 76(1)und Artikel 123(2) EPÜ)

2.1 Der vorliegende Anspruch 1 basiert im wesentlichen auf Anspruch 1 des im Prüfungsverfahren am 7. April 2008 eingereichten Hilfsantrags. Die mikrobiziden Zusammensetzungen enthaltend einen GRAS-Alkohol, ein GRAS-Polyphenol und eine GRAS-Säure sind im ursprünglichen Rezepturbeispiel 57 auf Seite 47 der Beschreibung offenbart. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Beschreibungen der Teilanmeldung und der Stammanmeldung (WO-A 96/29895) identisch sind.

Außerdem wurde Anspruch 1 umformuliert, um einen Einwand mangelnder Klarheit auszuräumen.

2.2 Die Ansprüche 2 und 3 finden ihre Stütze auf den Seiten 7 bis 9 der Beschreibung; Ansprüche 4 und 5 finden ihre Stütze auf Seite 6, Zeilen 17 bis 21; Ansprüche 6 und 8 stützen sich auf Seite 4, Zeilen 5 bis 9 und Anspruch 7 auf Seite 10, Zeilen 26 bis 30.

2.3 Die Ansprüche sind demzufolge im Hinblick auf Artikel 76(1) und Artikel 123(2) EPÜ nicht zu beanstanden.

3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

3.1 Nächstliegender Stand der Technik

D1 wird als nächstliegender Stand der Technik angesehen. D1 beschreibt ein flüssiges Bakterizid für Nahrungsmittel und Nahrungsmittel-Verarbeitungsmaschinen oder -geräte, welches als aktive Bestandteile Ethylalkohol und/oder eine organische Säure oder deren Salze und/oder eine anorganische Säure oder deren Salze enthält (siehe Anspruch 1). Spezifisch offenbart D1 eine Zusammensetzung, welche Ethylalkohol und mindestens eine organische Säure enthält und eine synergistische bakterizide Wirkung aufweist (Anspruch 3; Seite 11, Zeilen 9-34 und Tabelle II).

3.2 Aufgabe und Lösung

3.2.1 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 bzw. die Verwendung gemäß Anspruch 8 der Anmeldung unterscheiden sich von der Lehre von D1 dadurch, dass die eingesetzte Zusammen setzung zusätzlich zu der Alkohol- und organischen Säurekomponente ein Polyphenol enthält.

3.2.2 Die Anmelderin hat überzeugend nachgewiesen, dass mikrobizide Zusammensetzungen gemäß Anspruch 1 gegenüber einer gemäß D1 verwendeten Zusammensetzung eine deutlich verbesserte Aktivität aufweisen.

So zeigen Systeme mit Ethylalkohol, Milchsäure und 0,1% Gallotannin (ein GRAS-Polyphenol) eine Aktivität, die deutlich über der Aktivität einer Kombination von Ethylalkohol und Milchsäure gemäß D1 liegt (siehe D11, Abschnitt [A]).

3.2.3 Somit kann die gegenüber D1 zu lösende Aufgabe darin gesehen werden, ein verbessertes Verfahren zur Haltbarkeitsverbesserung und/oder Stabilisierung von mikrobiell verderblichen Produkten zur Verfügung zu stellen.

3.2.4 Das neu eingereichte Vergleichsexperiment zeigt, wie unter Punkt 3.2.2 diskutiert, dass diese Aufgabe gelöst ist. Der Aktivitätszuwachs der verwendeten Zusammensetzungen verringert daher den Substanzbedarf bei der Anwendung des Prozesshilfsmittels.

3.3 Naheliegen

3.3.1 Es bleibt die Frage zu untersuchen, ob der Fachmann, ausgehend von D1 und mit der vorstehend definierten Aufgabe konfrontiert, in naheliegender Weise zu dem beanspruchten Verfahren gekommen wäre.

3.3.2 Dokument D1 gibt keinen Hinweis auf die Verwendung von Polyphenolen. Dokument D1 zeigt, dass die Aktivität von Zusammensetzungen enthaltend Ethylalkohol und Milchsäure durch Zusatz von Phosphorsäure verbessert werden kann (siehe Seite 21, Zeilen 18 - 34 und Tabelle III). Eine mögliche Verwendung eines Polyphenols ist jedoch nicht erwähnt. Demgemäß wird die beanspruchte Lehre durch D1 nicht nahegelegt.

3.3.3 Die Prüfungsabteilung hat kein weiteres Dokument zitiert, die die beanspruchte Erfindung nahegelegt hätte. Der von der Prüfungsabteilung beanstandete Mangel der erfinderischen Tätigkeit aufgrund fehlender Vergleichs versuche, welche eine verbesserte Aktivität zeigen, wurde im Laufe des Beschwerdeverfahrens behoben, so dass die Argumente der Prüfungsabteilung nicht mehr relevant sind.

3.4 Zusammenfassend ergibt sich, dass der beanspruchte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen, mit der Auflage, ein Patent auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 8 nach eventuellen notwendigen Änderungen der Beschreibung zu erteilen.

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