T 0096/09 () of 14.3.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T009609.20120314
Datum der Entscheidung: 14 März 2012
Aktenzeichen: T 0096/09
Anmeldenummer: 01949361.8
IPC-Klasse: F23N 5/00
F23N 5/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Regelungsverfahren für Gasbrenner
Name des Anmelders: HONEYWELL B.V.
Name des Einsprechenden: Vaillant GmbH
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 83
Schlagwörter: Unzureichende Offenbarung - Ausführbarkeit - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 1 309 821.

II. In der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung u.a. fest, dass weder der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ noch der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents entgegenstehe.

III. Am 14. März 2012 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

V. Anspruch 1 des Streitpatents lautet wie folgt:

"Regelungsverfahren für Gasbrenner zur Bereitstellung eines Gas/Luft-Gemisches, nämlich zum Zuführen eines Gasstroms und eines Verbrennungsluftstroms zu einem Brenner, wobei ein Signal eines Sensors verwendet wird, um das Gas/Luft-Gemisch an unterschiedliche Gasqualitäten anzupassen, wobei das Signal des Sensors ausschließlich zu ausgewählten Zeitpunkten zur Anpassung des Gas/Luft-Gemisches an unterschiedliche Gasqualitäten verwendet wird, und das Signal des Sensors im unmittelbaren Anschluss an die Installation des Sensors, im unmittelbaren Anschluss an einen Neustart des Gasbrenners und/oder im unmittelbaren Anschluss an einen Reset zur Anpassung des Gas/Luft-Gemisches an unterschiedliche Gasqualitäten verwendet wird, wobei in Abhängigkeit des hierbei ermittelten Übersetzungsverhältnisses ein Bereich mit einer Obergrenze und einer Untergrenze für das Übersetzungsverhältnis des Gas/Luft-Gemisches ermittelt wird, und dann, wenn das mit Hilfe des Sensorsignals ermittelte Übersetzungsverhältnis diesen Bereich verlässt, die Obergrenze oder die Untergrenze als Übersetzungsverhältnis des Gas/Luft-Gemisches verwendet werden."

VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Gegenstand von Anspruch 1 sich lediglich auf einen Kalibriervorgang beziehe, bei dem ein Übersetzungsverhältnis, d. h. ein Verhältnis zwischen Gasstrom und Verbrennungsluftstrom bzw. zwischen Gasdruck und Verbrennungsluftdruck, als Sollwert für die Regelung eines Gasbrenners ermittelt wird. Die tatsächliche Ausführung des beanspruchten Verfahrens sei jedoch nicht ausreichend offenbart (Artikels 83 EPÜ). Das Patent sei somit zu widerrufen.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat hingegen argumentiert, dass der Gegenstand von Anspruch 1 sowohl einen Kalibriervorgang als auch die Regelung eines Brenners im normalen Betrieb umfasse. Der Kalibriervorgang diene dazu, ein Übersetzungsverhältnis zu ermitteln, das eine optimale Verbrennung des Gas/Luft-Gemisches gewährleistet. Beim Kalibriervorgang werde auch ein Regelbereich mit einer Obergrenze und einer Untergrenze für das Übersetzungsverhältnis ermittelt. Im normalen Betrieb werde dann zu ausgewählten Zeitpunkten die Verbrennung mit Hilfe des Sensors überprüft und ggf. geregelt. Sollte das hierbei ermittelte Übersetzungsverhältnis außerhalb des bei der Kalibrierung ermittelten Regelbereichs liegen, werde der entsprechende Grenzwert verwendet. Diese Auslegung des Anspruchswortlauts ergebe ein Verfahren, das der offenbarten Erfindung entspricht und vom Fachmann durchaus ausgeführt werden kann.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2.1 Anspruch 1 des Streitpatents betrifft ein "Regelungsverfahren für Gasbrenner", das "zur Bereitstellung eines Gas/Luft-Gemisches, nämlich zum Zuführen eines Gasstroms und eines Verbrennungsluftstroms zu einem Brenner" dient.

Das beanspruchte Regelungsverfahren umfasst folgende Schritte:

a) ein Signal eines Sensors wird verwendet, um das Gas/Luft-Gemisch an unterschiedliche Gasqualitäten anzupassen,

b) das Signal des Sensors wird ausschließlich zu ausgewählten Zeitpunkten zur Anpassung des Gas/Luft-Gemisches an unterschiedliche Gasqualitäten verwendet, und

c) das Signal des Sensors wird

- im unmittelbaren Anschluss an die Installation des Sensors,

- im unmittelbaren Anschluss an einen Neustart des Gasbrenners und/oder

- im unmittelbaren Anschluss an einen Reset

zur Anpassung des Gas/Luft-Gemisches an unterschiedliche Gasqualitäten verwendet,

d) in Abhängigkeit des hierbei ermittelten Übersetzungsverhältnisses wird ein Bereich mit einer Obergrenze und einer Untergrenze für das Übersetzungsverhältnis des Gas/Luft-Gemisches ermittelt, und

e) dann, wenn das mit Hilfe des Sensorsignals ermittelte Übersetzungsverhältnis diesen Bereich verlässt, wird die Obergrenze oder die Untergrenze als Übersetzungsverhältnis des Gas/Luft-Gemisches verwendet.

2.2 Laut Beschwerdeführerin gehören alle im Anspruch 1 aufgeführten Schritte zu einem Kalibriervorgang, der jedoch im Streitpatent nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann ihn ausführen kann (Artikel 83 EPÜ).

Die Beschwerdegegnerin hat jedoch im Wesentlichen geltend gemacht, dass das Regelverfahren gemäß Anspruch 1 sowohl die Kalibrierung als auch die Regelung eines Gasbrenners beim "normalen" Betrieb umfasse.

Vor diesem Hintergrund stellt sich daher die Frage nach der Auslegung des Anspruchswortlauts.

2.3 Unter der Annahme, dass der Anspruch des angefochtenen Patents lediglich auf die Kalibrierung eines Gasbrenners gerichtet ist, können die aufgeführten Schritte wie folgt interpretiert werden:

- das Signal eines Sensors wird verwendet, um das Gas/Luft-Gemisch an unterschiedliche Gasqualitäten anzupassen (siehe Schritte a) und b)), wobei diese Anpassung zu ausgewählten Zeitpunkten und, insbesondere, im unmittelbaren Anschluss an die Installation des Sensors usw. (siehe Schritt c)) vorgenommen wird;

- bei der Anpassung an unterschiedliche Gasqualitäten werden ein "Übersetzungsverhältnis" (d.h. ein Verhältnis zwischen dem Gasstrom und dem Verbrennungsluftstrom bzw. dem Gasdruck und dem Verbrennungsluftdruck) und ein von diesem Übersetzungsverhältnis abhängiger Bereich mit einer Obergrenze und einer Untergrenze ermittelt (Schritt d)), wobei der definierte Bereich die je nach Gasqualität zu erwartenden Übersetzungsverhältnisse abdecken würde;

- wenn bei einem weiteren Einsatz des Sensorsignals (z. B. zur Überprüfung der Verbrennungsqualität) das ermittelte optimale Übersetzungsverhältnis nicht im definierten Bereich liegt, wird nicht das ermittelte Übersetzungsverhältnis für die Regelung des Gasbrenners verwendet, sondern die Ober- bzw. Untergrenze des nach Schritt d) definierten Bereichs (vgl. Schritt e)).

Nach dieser Auslegung würde das im Schritt b) bzw. c) ermittelte Übersetzungsverhältnis einen Sollwert für die Regelung der Brenngasmenge und der Verbrennungsluftmenge darstellen, wobei dieser Sollwert eine optimale Verbrennung für die beim Kalibriervorgang vorhandene Gasqualität sichert. Der ermittelte Bereich würde dagegen mögliche Änderungen dieses Sollwertes z. B. in Abhängigkeit von einer Änderung der Gasqualität beim normalen Betrieb berücksichtigen.

2.4 Sollte Anspruch 1 sowohl einen Kalibriervorgang als auch den normalen Regelvorgang eines Gasbrenners umfassen, wären dann die aufgeführten Schritte wie folgt zu interpretieren:

- die Anpassung des Gas/Luft-Gemisches an unterschiedliche Gasqualitäten findet sowohl bei einem Kalibriervorgang als auch im normalen Betrieb statt, wobei im normalen Betrieb das Sensorsignal ausschließlich zu ausgewählten Zeitpunkten (Schritt b)) und bei der Kalibrierung im unmittelbaren Anschluss an die Installation des Sensors usw. (siehe Schritt c)) verwendet wird;

- während des Kalibriervorgangs werden das Übersetzungsverhältnis (d. g. das optimale Gas/Luft-Gemisch) für die vorhandene Gasqualität und ein entsprechender Regelbereich mit einer Obergrenze und einer Untergrenze ermittelt;

- im normalen Betrieb wird dann die Gasverbrennung zu ausgewählten Zeitpunkten mit Hilfe des Sensorsignals überprüft und das Übersetzungsverhältnis innerhalb des ermittelten Regelbereichs nachgeregelt;

- wenn das für eine optimale Gasverbrennung erforderliche Übersetzungsverhältnis den ermittelten Regelbereich verlässt, wird der Gasbrenner mit einem Übersetzungsverhältnis betrieben, das der Obergrenze bzw. Untergrenze des Regelbereichs entspricht.

Nach dieser Auslegung des Anspruchswortlauts würde das erfindungsgemäße Regelverfahren sicherstellen, dass der Betrieb des Gasbrenners auch dann fortgesetzt wird, wenn das für eine optimale Verbrennung erforderliche Übersetzungsverhältnis außerhalb des bei der Brennerkalibrierung ermittelten Regelbereichs liegt.

2.5 Nach Auffassung der Kammer lässt der Anspruchswortlaut im Prinzip beide Interpretationen zu, zumal der Anspruch nicht definiert, nach welchen Kriterien "ein Bereich mit einer Obergrenze und einer Untergrenze" zu ermitteln ist, und ob es bei der Ermittlung des optimalen Übersetzungsverhältnisses während der Kalibrierung oder bei der Regelung des Gasbrenners im normalen Betrieb vorkommen kann, dass "das mit Hilfe des Sensorsignals ermittelte Übersetzungsverhältnis diesen Bereich verlässt".

Aus dem Anspruchswortlaut geht ferner nicht hervor, ob alle Werte im ermittelten Bereich als Übersetzungsverhältnis zu verwenden sind, oder ob das nach den Schritten c) und d) ermittelte Übersetzungsverhältnis durch die Ober- bzw. Untergrenze des definierten Bereichs ersetzt wird, wenn ein gemäß Schritt e) neu ermitteltes Übersetzungsverhältnis außerhalb dieses Bereichs liegt.

Es gilt daher zu prüfen, inwieweit die Beschreibung zur Bestimmung des Anspruchsgegenstands dienen kann.

3.1 Bei der Würdigung des Standes der Technik im Absatz [0004] des Streitpatents wird darauf hingewiesen, dass ein Gasbrenner mit einem entsprechend abgestimmten Gas/Luft-Gemisch versorgt werden muss, um eine optimale und vollständige Verbrennung des Brennstoffes zu gewährleisten. So wird bei bekannten Regelungsverfahren "ein Ionisationssignal einer in die Brennerflamme des Gasbrenners ragenden Messelektrode zur Anpassung des Gas/Luft-Gemisches an unterschiedliche Gasqualitäten verwendet. Bei den bekannten Regelungsverfahren gemäß DE-A-44 33 425, DE 39 37 290 Al sowie DE 195 39 568 Cl wird das Signal des Sensors über den gesamten Arbeitsbereich bzw. Betriebsbereich des Brenners zur Anpassung des Gas/Luft-Gemisches an unterschiedliche Gasqualitäten verwendet. Auch wird bei diesen Regelungsverfahren das Signal des Sensors über die gesamte Betriebszeit des Brenners verwendet" (Unterstreichung hinzugefügt).

Es wird ferner als bekannt angegeben, das Signal des Sensors ausschließlich in einem Bereich in der Nähe eines Brenner-Volllastbetriebs zur Einstellung des Übersetzungsverhältnisses zu verwenden, da bei geringen Betriebslasten des Brenners das Signal eines Ionisationssensors keine verlässliche Auskunft über die im Brenner herrschenden Verbrennungsverhältnisse liefert (Absatz [0005] des Streitpatents).

3.2 Nach Absatz [0009] liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, "ein Regelungsverfahren für einen Gasbrenner zu schaffen, das einen optimalen Betrieb des Gasbrenners über einen längeren Zeitraum gewährleistet".

In Absatz [0010], der jedoch nicht zur ursprünglich eingereichten Anmeldung gehört, wird die Lösung der o. g. Aufgabe wie folgt definiert: "Gemäß der Erfindung wird, wenn das Übersetzungsverhältnis des Gas/Luft-Gemisches den definierten Bereich verlässt, die Ober- oder Untergrenze dieses Bereichs als neues festgelegtes Übersetzungsverhältnis verwendet. Auf diese Weise wird das Übersetzungsverhältnis modifiziert und dem Betriebszustand des Brenners angepasst, indem die Ober- oder die Untergrenze des definierten Bereichs, die vom Gas/Luft-Gemisch verlassen wird, als neues Übersetzungsverhältnis herangezogen wird".

Gemäß Absatz [0013] des Streitpatents wird das Signal des Sensors ausschließlich zu ausgewählten Zeitpunkten zur Anpassung des Gas/Luft-Gemisches an unterschiedliche Gasqualitäten verwendet. "Hierdurch ist sicher gestellt, dass die Regelung durch Alterungsprozesse des Sensors nicht negativ beeinflusst wird" (Absatz [0013]).

Absatz [0014] entspricht den o. g. Schritten c) d) und e), während in Absatz [0016] darauf hingewiesen wird, dass die "erfindungsgemäße Anpassung des Gas/Luft-Gemisches an unterschiedliche Gasqualitäten kann auch als Kalibrierung bezeichnet werden".

3.3 Es ist ersichtlich, dass die Beschreibung des Streitpatents eigentlich kaum mehr Informationen über die tatsächliche Erfindung als der Anspruch vermittelt. Insbesondere wird in der Beschreibung auch nicht klargestellt, ob der definierte Bereich als Regelbereich für das Übersetzungsverhältnis im normalen Betrieb zu verstehen ist, oder ob dieser Bereich lediglich dazu dient, durch seine Ober- und Untergrenze zwei Werte zu definieren, die unter Umständen als Sollwerte für das optimale Übersetzungsverhältnis zu verwenden sind.

3.4 Wie es den Ausführungen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin zu entnehmen ist, sind im Prinzip zwei unterschiedliche aber technisch plausible Interpretationen des Anspruchswortlauts möglich, die jedoch nur teilweise durch die Beschreibung gestützt sind. In der Tat liefert das Streitpatent keine eindeutige Antwort auf die Frage, welche der beiden Interpretationen der tatsächlichen Erfindung entspricht und welche Bedeutung insbesondere den Verfahrensschritten d) und e) beizumessen ist. Dies wertet die Kammer als Indiz dafür, dass das Streitpatent keine vollständige und in sich schlüssige Lehre enthält, die dem Fachmann ermöglichen würde, das beanspruchte Verfahren im Sinne der Erfindung auszuführen.

4.1 Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Schluss, dass das Streitpatent die beanspruchte Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ steht somit der Aufrechterhaltung des angefochtenen Patents entgegen.

4.2 Aus den vorstehenden Gründen war das Patent zu widerrufen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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