European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T003309.20130708 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 08 Juli 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0033/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01971764.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | C02F 1/44 C02F 9/00 C02F 3/08 C02F 3/10 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zur Behandlung von Wäschereiabwässern | ||||||||
Name des Anmelders: | Textil-Service Klingelmeyer GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ENVIRO-CHEMIE GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (nein) - naheliegende Lösung aufgrund der Hinweise im Stand der Technik | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung EP 01971764.4 wurde am 2. November 2005 (Hinweis auf die Patenterteilung im Patentblatt 2005/44) das europäische Patent EP-B-1 307 405 mit 30 Patentansprüchen erteilt.
II. Anspruch 1 des erteilten Patents lautete:
"1. Verfahren zur Behandlung von Wäschereiabwässern, wobei das bei der Reinigung anfallende Abwasser mittels wenigstens einer Klassiereinrichtung (7) von groben Feststoffpartikeln und mittels eines dieser nachgeschalteten Biomembranreaktors (13) sowohl von ungelösten als auch von biologisch abbaubaren, gelösten Inhaltsstoffen befreit und ein 1. Teilstrom des Ablaufs des Biomembranreaktors (13) zum Einsatz als Waschwasser für die Reinigung über eine 1. Leitung (18, 20, 21) zur Wäscherei (1) rezirkuliert wird, dadurch gekennzeichnet, daß ein 2. Teilstrom des Ablaufs des Biomembranreaktors
mittels Membranmodulen (23) entsalzt und über eine 2.
Leitung (24, 26, 28) zur Wäscherei (1) rezirkuliert
wird."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 12 betrafen weitere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1.
Das Patent enthielt auch einen auf eine Vorrichtung zur Reinigung von Wäschereiabwässern gerichteten, unabhängigen Anspruch 13 sowie davon abhängige Ansprüche 14 bis 30, betreffend weitere Ausgestaltungen der Vorrichtung nach Anspruch 13.
III. Gegen das erteilte Patent wurde unter Geltendmachung der Einspruchsgründe nach Artikel 100(a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) Einspruch eingelegt.
IV. Der Einspruch stützte sich u.a. auf folgende Dokumente:
D2: Bernd Gosolits, "Thema mit zunehmender Bedeutung", WRP 3/1999, Seiten 10 bis 12
D3/TV1: B. Gosolits, P. Klein und J. Kurz, "Grundlegende Erforschung der wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten" aus: Schlussbericht zum Projekt "Waschmittel- und Wasserrecycling in gewerblichen und Krankenhauswäschereien (Phase 1) - TV1: Grundlegende Erforschung der wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten", Bundesministerium für Bildung und Forschung der Bundesrepublik Deutschland (BMBF), 1999, Verlag Bekleidungsphysiologisches Institut Hohenstein e.V., Schloss Hohenstein, D-74357 Bönnigheim, DE, Seiten 1 bis 83
D3/TV2: W. Stooß, "Membranmodifikation zur Tensidabscheidung", aus: Schlussbericht zum Projekt "Waschmittel- und Wasserrecycling in gewerblichen und Krankenhauswäschereien (Phase 1) - TV2: Membranmodifikation zur Tensidabscheidung", Bundesministerium für Bildung und Forschung der Bundesrepublik Deutschland (BMBF), 1999, Verlag Bekleidungsphysiologisches Institut Hohenstein e.V., Schloss Hohenstein, D-74357 Bönnigheim, DE, Seiten 1 bis 49
D4: Bernd Gosolits, "Abwasser- und Waschmittelrecycling", WRP 12/1998, Seiten 38 und 39
V. Der Einspruch wurde mit Schreiben vom 16. September 2008 zurückgenommen. Die Einspruchsabteilung entschied allerdings, das Einspruchsverfahren von Amts wegen gemäß Regel 84(2) EPÜ fortzusetzen.
Sie befand, das Verfahren gemäß erteiltem Anspruch 1 und die Vorrichtung gemäß Anspruch 13 seien nicht neu im Hinblick auf die Entgegenhaltungen D3/TV1 und D3/TV2 und widerrief das Streitpatent.
VI. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin), eingelegt mit Schreiben vom 5. Januar 2009, richtet sich gegen diese Widerrufsentscheidung der Einspruchsabteilung.
Die Beschwerdebegründung vom 9. März 2009 enthielt die Argumente der Beschwerdeführerin und neue Patentansprüche 1 bis 26 als einzigen Antrag.
VII. Der neue Anspruch 1 lautet:
"1. Verfahren zur Behandlung von Wäschereiabwässern, wobei das bei der Reinigung anfallende Abwasser mittels wenigstens einer Klassiereinrichtung (7) von groben Feststoffpartikeln und mittels eines dieser nachgeschalteten Biomembranreaktors (13) sowohl von ungelösten als auch von biologisch abbaubaren, gelösten Inhaltsstoffen befreit und ein 1. Teilstrom des Ablaufs des Biomembranreaktors (13) zum Einsatz als Waschwasser für die Reinigung über eine 1. Leitung (18, 20, 21) zur Wäscherei (1) rezirkuliert wird und wobei ein 2. Teilstrom des Ablaufs des Biomembranreaktors mittels Membranmodulen (23) entsalzt und über eine 2.
Leitung (24, 26, 28) zur Wäscherei (1) rezirkuliert
wird und das in den Membranmodulen (23) enthaltene Konzentrat ausgeschleust wird, dadurch gekennzeichnet, dass das ausgeschleuste Konzentrat eingedampft wird und das hierbei enthaltene Wasser zum Einsatz als Spülwasser bzw. als Kesselspeisewasser zur Dampferzeugung rezirkuliert wird. "
VIII. Die Kammer äußerte in der Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung nach Artikel 15(1) VOBK die vorläufige Ansicht, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf D3/TV1 oder D3/TV2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
IX. Mit Schreiben vom 1. Juli 2013 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie der anberaumten Verhandlung nicht beiwohnen werde. Sie nahm ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und erklärte, dass sie keine weitere Stellungnahme abzugeben beabsichtige.
X. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Ein Verfahren gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 gehe aus D3/TV1, D3/TV2 oder D4 hervor. Dort werde das in den Membranmodulen erhaltene Salzkonzentrat abgeführt und entsorgt. Nachteilig sei, dass dadurch dem Recycling-Prozess wichtiges Wasser entnommen werde und die fachgerechte Entsorgung des Konzentrats außerdem aufwendig sei.
Erfindungsgemäß werde nun dieses Konzentrat nicht entsorgt, nachdem es die Membranmodule verlassen habe, sondern das enthaltene Wasser in einer Verdampfungseinrichtung verdampft. Das so gewonnene Wasser könne als Spülwasser oder als Kesselspeisewasser zur Dampferzeugung dienen. Damit verbleibe das Wasser im Recyclingprozess. Zwar sei der Vorgang des Verdampfens an sich seit langem bekannt. In D3/TV1 werde die Eindampftechnik als eines der möglichen thermischen Trennverfahren beschrieben, dort jedoch als Versuch, das Wäschereiabwasser direkt einzudampfen. Dies habe wegen Problemen mit Schaum und Rückständen zu keinem Erfolg geführt. Der Fachmann erhalte daher aus D3/TV1 explizit die Lehre, dass die thermische Aufbereitung und insbesondere das Eindampfen des Abwassers nicht sinnvoll seien.
Auch D4 und andere Druckschriften gäben keine Anregung in Richtung des beanspruchten Verfahrens.
XI. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 26, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 9. März 2009, aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
1. Änderungen (Artikel 123(2) und (3) EPÜ)
Anspruch 1 basiert auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 2 und 4. Der neue Anspruch 11 basiert auf der Offenbarung der Ansprüche 13, 19 und 22, in der ursprünglich eingereichten Fassung.
Eine Erweiterung des Schutzumfanges ist durch die vorgenommenen Änderungen nicht bedingt.
Die Bestimmungen des Artikels 123(2) und (3) EPÜ sind somit erfüllt.
2. Neuheit
Aus keinem der bekannten Dokumente, insbesondere nicht aus D3/TV1 und D3/TV2, D2 und D4, ist ein Verfahren zur Behandlung von Wäschereiabwässern bekannt, das neben den Merkmalen des Oberbegriffs des vorliegenden Anspruchs 1 zusätzlich die kennzeichnenden Merkmale, nämlich das Eindampfen des aus den Membranmodulen erhaltenen Konzentrats und die Rezirkulation des erhaltenen Wassers als Spülwasser oder als Kesselspeisewasser, aufweist. Analoges gilt für den Vorrichtungsanspruch 11.
Die Neuheit der Gegenstände der Ansprüche 1 bis 26 ist daher anzuerkennen. Die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ sind erfüllt.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Gegenstand des Patents
Die Erfindung befasst sich mit der Behandlung und Reinigung von Wäschereiabwässern mittels eines Biomembranreaktors und einer Membranfiltrationsanlage (Nanofiltration oder Umkehrosmose) und der Aufbereitung und Rückgewinnung eines Teilstroms des Wassers als Spülwasser oder Kesselspeisewasser zur Dampferzeugung.
3.2 Nächstliegender Stand der Technik
Als nächstliegender Stand der Technik können die Dokumente D3/TV1 (siehe insbesondere Seite 74), D3/TV2 (siehe Seite 6, Abbildung: Variante A) oder auch D4 (siehe Seiten 38 und 39: Figuren) angesehen werden. Aus jedem dieser Dokumente ist, wie die Beschwerdeführerin selbst einräumt, ein Verfahren gemäß dem Oberbegriff des vorliegenden Anspruchs 1 bekannt.
3.3 Aufgabe
Laut Patent (Abschnitt [0006]) bestand die Aufgabe darin, ein effektives und kostengünstiges Verfahren zur Behandlung von Wäschereiabwässern sowie eine Vorrichtung zur Durchführung eines solchen Verfahrens vorzuschlagen. Ausgehend von den Dokumenten des Stand der Technik, sei es D3/TV1, D3/TV2 oder D4, kann die Aufgabe der vorliegenden Erfindung dahingehend erweitert werden, die bekannten Verfahren weiterzubilden und sie insbesondere hinsichtlich der Effektivität der Wasserrückgewinnung zu verbessern.
3.4 Lösung
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent ein Verfahren gemäß Anspruch 1 vor, das dadurch gekennzeichnet ist, dass das in den Membranmodulen erhaltene und ausgeschleuste Konzentrat eingedampft wird und das so erhaltene Wasser zum Einsatz als Spülwasser bzw. als Kesselspeisewasser zur Dampferzeugung rezirkuliert wird.
3.5 Erfolg der Lösung
Was den Erfolg der vorgeschlagenen Lösung angeht, so ist es offenkundig, dass die Maßnahme des Eindampfens des Umkehrosmose-Konzentrats erlaubt, darin enthaltenes Wasser als Kondensat mit guter Reinheit zurückzugewinnen und somit den Grad der Rezirkulation des Wassers insgesamt zu erhöhen. Damit ist auch die Zielsetzung eines effektiven und kostengünstigen Verfahrens erreicht.
Die Kammer kann daher anerkennen, dass die gestellte Aufgabe tatsächlich gelöst ist. Eine Umformulierung der Aufgabe gegenüber dem nächsten Stand der Technik erübrigt sich.
3.6 Naheliegen
Es verbleibt zu untersuchen, ob die Lösung angesichts des Standes der Technik und des allgemeinen Fachwissens nahegelegen hat.
3.6.1 Aus D3/TV1 (siehe Seite 74, Abbildungen 49 und 50) ist es bekannt, dass bei der Aufbereitung von Wäschereiabwasser 90% des verbleibenden Abwassers durch eine Umkehrosmose von Salzen befreit werden können. Eine maximal zehnfache Konzentrierung der Salze wird als realisierbar erachtet. D3/TV1 gibt weiter an, dass sich in Summe mit dem Wasser, das als Tensidkonzentrat aus der Nanofiltrationstufe zurück in den Waschprozess geführt wird, zusammen mit der Umkehrosmose eine Gesamtwasserrecyclingquote von 90% ergibt. Unter Berücksichtigung der in den Textilien verbleibenden Restfeuchte von 10% beträgt die realisierbare Frischwassereinsparung nach diesem Stand der Technik 80%.
3.6.2 Der Fachmann, der sich die Aufgabe stellt, die Gesamtwasserrecyclingquote bzw. die Effektivität der Wasserrückgewinnung zu verbessern, wird sein Augenmerk in erster Linie auf diejenigen Stoffströme richten, bei denen Wasser aus dem Gesamtsystem ungenützt ausgeschleust wird und verloren geht. Im Falle des in D3/TV1 beschriebenen Wasserrecyclingsystems gehen 10% des Wassers als Salzkonzentrat verloren (siehe Abbildung 50). Um dieses Wasser mindestens zum Teil zurück zu gewinnen, liegt es nach Ansicht der Kammer im Rahmen fachmännischen Handelns, eine thermische Abtrennung vorzusehen, bei der das Salzkonzentrat eingedampft und das verdampfte Wasser kondensiert und rückgeführt wird.
3.6.3 Thermische Trennverfahren zur Wasserrückgewinnung (Eindampftechnik, Vakuumdestillation) aus Prozesswässern von Wäschereien sind auch am Rande in D3/TV1 (Seite 33, Kapitel 3.1.4.5) untersucht worden. Man kam jedoch zum Ergebnis, dass das direkte Eindampfen von Waschflotten einen zu hohen Energieaufwand erfordert und Schaumprobleme auftreten und dass daher kombinierte Verfahren aus biologischer Abwasserreinigung und Membranfiltration vorzuziehen seien.
Auch gemäß D4 (Figur Seite 39) wird das aus der Umkehrosmose anfallende Salzkonzentrat nicht weiter aufgearbeitet.
Die Beschwerdeführerin argumentiert, der Fachmann entnehme daher aus D3/TV1 die Lehre, dass die thermische Aufbereitung und insbesondere das Eindampfen des Abwassers nicht sinnvoll seien.
3.6.4 Die Kammer teilt diese Ansicht nicht. Sie ist vielmehr der Meinung, dass es bestimmte Situationen geben kann, unter denen der vergleichsweise hohe Energieaufwand für die Eindampfung des Salzkonzentrats im Hinblick auf die rückzugewinnende Menge an Wasser doch akzeptiert werden kann. Der Fachmann wird daher durch den in D3/TV1 erwähnten Energieaufwand nicht prinzipiell davon abgehalten, das Umkehrosmose-Konzentrat durch Verdampfen aufzuarbeiten, wenn andere Gesichtspunkte, wie beispielsweise die Wassereinsparung, im Vordergrund stehen.
Er erkennt auch, dass die in D3/TV1 im Zusammenhang mit der Vakuumdestillation von Waschflotten angesprochene Problematik der Schaumbildung durch die darin enthaltenen Tenside sich nicht stellt, wenn es um das Eindampfen eines Salzkonzentrats aus der Umkehrosmose geht, welches kein Tensid enthalten dürfte. Der anspruchsgemäße Verfahrensschritt des Eindampfens des aus den Membranmodulen ausgeschleusten Konzentrats und des Gewinnens des Wassers ist daher angesichts der gestellten Aufgabe und im Kontext des beanspruchten Verfahrens naheliegend.
3.6.5 Die Rezirkulation des so gewonnenen, zusätzlichen Wassers zum Einsatz als Spülwasser bzw. als Kesselspeisewasser zur Dampferzeugung gemäß Verfahrensanspruch 1 kann auch im Zusammenhang mit den anderen Merkmalen des Anspruchs einen erfinderischen Schritt nicht begründen, da derartige Verwendungen von rückgewonnenem Prozesswasser auf vielen Gebieten der Technik üblich sind.
3.7 Insgesamt beruht somit das Verfahren gemäß Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das Erfordernis des Artikels 56 EPÜ ist nicht erfüllt.
3.8 Da kein gewährbarer Antrag vorliegt, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.