T 0027/09 () of 12.5.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T002709.20110512
Datum der Entscheidung: 12 Mai 2011
Aktenzeichen: T 0027/09
Anmeldenummer: 03013992.7
IPC-Klasse: B60R 21/01
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Anordnung zur Ansteuerung von Rückhaltemitteln
Name des Anmelders: ROBERT BOSCH GMBH
Name des Einsprechenden: Continental Automotive GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (Hauptantrag) - ja
Unzulässige Erweiterung (Hilfsanträge 1 bis 3) - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 23. Oktober 2008 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung das Patent Nr. 1380474 zu widerrufen.

Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin am 19. Dezember 2008 Beschwerde eingelegt, diese begründet und die Beschwerde gebühr bezahlt.

III. Am 12. Mai 2011 wurde mündlich verhandelt. Die Beschwerde führerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag) oder alternativ in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche 1 und 2 der Hilfsanträge 1, 2 oder 3, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung.

Die Beschwerde gegnerin beantragte die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Anspruch 1 wie erteilt (Hauptantrag) lautet wie folgt:

Anordnung zur Ansteuerung von Rückhaltemitteln (6, 10) mit wenigstens einem Aufprallsensor (1, 7) und wenigstens einem Fussgängeraufprallsensor (4), die jeweils ein Signal an einen Prozessor (3) übertragen, der derart konfiguriert ist, dass der Prozessor (3) in Abhängigkeit von einer Verknüpfung der Signale die Rückhaltemittel (6, 10) ansteuert, dadurch gekennzeichnet, dass der wenigstens eine Aufprallsensor (1, 7) als peripherer Beschleunigungssensor ausgebildet ist, und dass der Prozessor (3) im zentralen Steuergerät zur Auslösung von Rückhaltemitteln angeordnet ist, wobei jeweils zwischen dem wenigstens einen Aufprallsensor und dem Steuergerät (3) und zwischen dem Fussgänger aufprall sensor (4) und dem Steuergerät eine elektrische Leitung (2, 5) jeweils vorgesehen ist, über die lediglich eine unidirektionale Übertragung von Daten zum Steuergerät (3) vorgesehen ist.

V. Anspruch 1 entsprechend dem Hilfsantrag 1 lautet wie folgt (Die Unterschiede zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sind in Fettdruck hervorgehoben; Hervorhebung durch die Kammer):

Anordnung zur Ansteuerung von Rückhaltemitteln (6, 10) mit wenigstens einem Aufprallsensor (1, 7) und wenigstens einem Fussgängeraufprallsensor (4), die jeweils ein Signal an einen Prozessor (3) übertragen, der derart konfiguriert ist, dass der Prozessor (3) in Abhängigkeit von einer Verknüpfung der Signale die Rückhaltemittel (6, 10) ansteuert, dadurch gekennzeichnet, dass der wenigstens eine Aufprallsensor (1, 7) als peripherer Beschleunigungssensor ausgebildet ist, und dass der Prozessor (3) im zentralen Steuergerät zur Auslösung von Rückhaltemitteln angeordnet ist, wobei jeweils zwischen dem wenigstens einen Aufprallsensor und dem Steuergerät (3) und zwischen dem Fussgänger aufprall sensor (4) und dem Steuergerät eine elektrische Leitung (2, 5) jeweils vorgesehen ist, über die lediglich eine unidirektionale Übertragung von Daten zum Steuergerät (3) ermöglicht ist, wobei die Leitung (5) vom Fussgängeraufprallsensor (4) zum Steuergerät (3) als Busleitung ausgebildet ist, wobei dann beide jeweils Kontroller zur Buskommunikation aufweisen.

VI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet wie folgt (Die Unterschiede zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sind in Fettdruck hervorgehoben; Hervorhebung durch die Kammer):

Anordnung zur Ansteuerung von Rückhaltemitteln (6, 10) mit wenigstens einem Aufprallsensor (1, 7) und wenigstens einem Fussgängeraufprallsensor (4), die jeweils ein Signal an einen Prozessor (3) übertragen, der derart konfiguriert ist, dass der Prozessor (3) in Abhängigkeit von einer Verknüpfung der Signale die Rückhaltemittel (6, 10) ansteuert, dadurch gekennzeichnet, dass der wenigstens eine Aufprallsensor (1, 7) als peripherer Beschleunigungssensor ausgebildet ist, und dass der Prozessor (3) im zentralen Steuergerät zur Auslösung von Rückhaltemitteln angeordnet ist, wobei jeweils zwischen dem wenigstens einen Aufprallsensor und dem Steuergerät (3) und zwischen dem Fussgänger aufprall sensor (4) und dem Steuergerät eine elektrische Zweidrahtleitung (2, 5) jeweils vorgesehen ist, über die lediglich eine unidirektionale Übertragung von Daten zum Steuergerät (3) ermöglicht ist, wobei die Leitung (5) vom Fussgängeraufprallsensor (4) zum Steuergerät (39 als Busleitung ausgebildet ist, wobei dann beide jeweils Kontroller zur Buskommunikation aufweisen.

VII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet wie folgt (Die Unterschiede zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sind in Fettdruck hervorgehoben; Hervorhebung durch die Kammer):

Anordnung zur Ansteuerung von Rückhaltemitteln (6, 10) mit wenigstens einem Aufprallsensor (1, 7) und wenigstens einem Fussgängeraufprallsensor (4), die jeweils ein Signal an einen Prozessor (3) übertragen, der derart konfiguriert ist, dass der Prozessor (3) in Abhängigkeit von einer Verknüpfung der Signale die Rückhaltemittel (6, 10) ansteuert, wobei der wenigstens eine Aufprallsensor (1, 7) als peripherer Beschleunigungssensor ausgebildet ist und der Prozessor (3) im zentralen Steuergerät zur Auslösung von Rückhaltemitteln angeordnet ist, wobei jeweils zwischen dem wenigstens einen Aufprallsensor und dem Steuergerät (3) und zwischen dem Fussgänger aufprall sensor (4) und dem Steuergerät eine elektrische Leitung (2, 5) jeweils vorgesehen ist, über die lediglich eine unidirektionale Übertragung von Daten zum Steuergerät (3) vorgesehen ist, wobei die Leitung (2) hier als eine Zweidrahtleitung ausgebildet ist, die lediglich die unidirektionale Übertragung von Daten vom Aufprallsensor (1) zum Steuergerät (3) ermöglicht, wobei über diese Leitung vom Steuergerät (3) zum Aufprallsensor (1) über einen Gleichstrom eine Energieversorgung des Aufprallsensors (1) erreicht wird, wobei dieser Gleichstrom dann durch den Aufprallsensor (1) moduliert wird, oder dass Spannungsimpulse moduliert werden und dass die Energieversorgung separat von der Übertragungsleitung (2) ausgebildet ist und eine Busleitung zwischen dem Aufprallsensor (1) und dem Steuergerät (3) verwendet wird, wobei dann beide jeweils Kontroller zur Buskommunikation aufweisen, wobei dies auch für die Leitung (5) gilt, die den Fussgängeraufprallsensor (4) mit dem Steuergerät (3) verbindet.

VIII. Die Argumente der Beschwerde führerin - soweit sie für die Entscheidung von Bedeutung waren - lauteten wie folgt:

Die Beschreibung der Anmeldung EP-A-1380474 wie ursprünglich eingereicht offenbare in Paragraph [0015], dass die Verbindung zwischen dem Fussgängeraufprallsensor 4 und dem Steuergerät 3, nämlich die Leitung 5, uni direktional ausgeführt sein könne. Der erste Satz dieses Absatzes beschreibe die Leitung 2 zwischen Aufprall sensor 1 und Steuergerät 3 als unidirektionale Verbindung auf einer Zweidraht leitung. Der drittletzte Satz von Paragraph [0015] besage, dass dies auch für die Leitung 5 gelte, die den Fussgängeraufprallsensor 4 mit dem Steuergerät 3 verbinde. Das "dies" beziehe sich eindeutig auf den gesamten Paragraph [0015]. Dem Fachmann sei es klar, dass in einer Patentschrift mit weiter zurückreichenden Verweisen zu rechnen sei. In der gesamten vorliegenden Beschreibung würden Rückverweise verwendet, die sich eindeutig nicht nur auf den voran gegangenen Satz beziehen: so, zum Beispiel, würde in Paragraph [0016] ein Fussgängeraufprallsensor erwähnt "wie oben dargestellt". Dies könne sich aber nur auf den Paragraph [0011] beziehen, da dort der Fussgängeraufprallsensor beschrieben ist.

Weiterhin wäre es wohl unstrittig, dass sich der Satz "Dies gilt auch für die Leitung 5 ..." auf den gesamten Paragraph [0015] beziehen würde und damit auch auf den ersten Satz, in dem die unidirektionale Datenübertragung für die Leitung 2 offenbart sei, wenn vor dem "Dies gilt ..." ein Zeilenumbruch eingefügt wäre. Da aber das Einfügen eines Zeilenumbruchs in das subjektive Ermessen des Autors gestellt sei, könne somit im Hinblick auf die Interpretation dieses Satz für die Offenbarung kein Unterschied gemacht werden. Des Weiteren ergäbe sich der Zusammenhang des drittletzten Satzes dieses Absatzes zum ersten Satz durch eine sich durch den Absatz ziehende sprachliche Kontinuität. Jeder Satz beziehe sich ausdrücklich auf den vorherigen und damit würde der Fachmann auch den drittletzten Satz mit dem ersten Satz von Paragraph [0015] in Zusammenhang bringen.

Ebenfalls sei es für den Fachmann selbstverständlich, dass die Leitungen 2 und 5 identisch ausgeführt werden könnten. Dies ginge zum einen aus der Fig. 1 hervor, die für beide Leitungen eine identische Darstellung zeige. Daraus könne man schließen, dass sie auch technisch gleich ausgeführt werden können.

Zum anderen aber sei es aus technischen Gründen sinnvoll, beide Leitungen gleich zu gestalten, insbesondere dann, wenn dafür Busleitungen verwendet würden, da dann ein gemeinsames Busprotokoll verwendet werden könne. Von daher sei es für den Fachmann selbstverständlich, dass, wenn er die Leitung 2 unidirektional ausführe, dies auch für die Leitung 5 so vorsehen würde.

Ferner stünde gemäß G 1/93 (Nr. 16 der Gründe; ABl. 1994, S. 541 ff.) ein nicht offenbartes Merkmal einer Aufrechterhaltung des Patents nicht im Wege, wenn es dem Anmelder nicht zu einem ungerechtfertigten Vorteil verhelfe. Die Einschränkung der Leitung 5 auf eine unidirektionale Übertragung von Daten sei aus freien Stücken geschehen, die die Patentfähigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 nicht weiter befördert habe, da gemäß dem Prüfungsverfahren bereits durch das Merkmal der unidirektionalen Datenübertragung von Leitung 2 die erfinderische Tätigkeit begründet würde. Daher resultiere aus einer weiteren Beschränkung auf die Uni direktionalität der Leitung 5 keinesfalls ein Vorteil, sondern eher ein Nachteil für die Beschwerde führerin.

Unabhängig von der o.g. Argumentation beziehe sich der Satz, dass dies auch für die Leitung 5 gelte, der den Fussgängeraufprallsensor mit dem Steuergerät verbindet, ja mindestens auf den direkt davor stehenden Satz, der besagt, dass an die Leitung 2, wenn sie aus einem Bus bestehe, auch mehr als ein Aufprallsensor angeschlossen werden könne. Wenn nun der darauffolgende Satz zum Ausdruck bringe, dass "dies auch für die Leitung 5" gelte, bedeute das, dass auch die Leitung 5 an den Bus 2 angeschlossen werden könne. Somit müsse schon aus Gründen der technischen Kongruenz die Leitung 5 wie die Leitung 2 ausgeführt sein, nämlich als unidirektionales Bussystem. Dies würde durch die beiden angefügten Merkmale ("wobei die Leitung (5) vom Fussgängeraufprallsensor (4) zum Steuergerät (3) als Busleitung ausgebildet ist, wobei beide jeweils Kontroller zur Buskommunikation aufweisen") im jeweiligen Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 zum Ausdruck gebracht und damit der Einwand der unzulässigen Erweiterung durch das Merkmal, die Leitung 5 ermögliche lediglich eine unidirektionale Datenübertragung, ausgeräumt.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 habe zusätzlich zu den Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag eine Übernahme aller im Paragraph [0015] aufgeführten Merkmale. Durch die wörtliche Übernahme des Textes aus dem Paragraph [0015] sei der logische Zusammenhang zwischen den Merkmalen wieder hergestellt; dadurch könne nun kein Mangel der unzulässigen Erweiterung mehr vorliegen.

IX. Die Beschwerdegegnerin begegnete diesen Argumenten wie folgt:

Das Merkmal, dass auf der Leitung 5 zwischen dem Fußgängeraufprallsensor und dem Steuergerät eine nur unidirektionale Datenverbindung vorgesehen sei, sei nicht ursprünglich offenbart. Es sei unklar, auf welche Passage vorher sich der drittletzte Satz des Paragraphs [0015] beziehe und daher sei es nicht eindeutig ableitbar.

Weiterhin sei nicht erkennbar, warum das Merkmal der unidirektionalen Datenverbindung für die Leitung 5 kein technisches Merkmal sei und somit im Sinne der G 1/93 nicht zu berücksichtigen sei. Letztlich sei die Erfindung durch die technischen Merkmale des Anspruchs beschrieben und da spiele es keine Rolle, ob ein Merkmal zur erfinderischen Tätigkeit beitrage oder nicht.

Die Änderungen, die die Beschwerdeführerin mit den Hilfsanträgen 1 und 2 eingebracht habe, würden die diskutierte Beanstandung nicht beheben. Was den Hilfsantrag 2 beträfe, entstünde mit der Änderung ein weiterer Mangel gemäß Artikel 123(2) EPÜ, da für die Leitung 5 keine Zweidrahtleitung offenbart sei.

Der Hilfsantrag 3 solle nicht in das Verfahren zugelassen werden, da hiermit Aspekte in das Verfahren kämen, die bislang nicht diskutiert wurden. So erzeuge die wahllose Aneinanderreihung der ansonsten wörtlich übernommenen Merkmale des Absatzes [0015] in einen Anspruchswortlaut Kombinationen von Merkmalen, die so nicht offenbart seien. So ergebe die Merkmalskombination des Anspruchs 1 entsprechend dem Hilfsantrag 3 auch eine Zweidraht-Busleitung für Leitung 5. Dabei sei in Paragraph [0015] keine Zweidraht-Busleitung offenbart und eben auch keine Zweidrahtleitung für die Leitung 5.

Im Übrigen beheben auch die Änderungen des Hilfsantrags 3 nicht die bereits gerügten Mängel des Anspruchs 1 wie erteilt, da dessen Text nach wie vor Teil des Anspruchswortlauts bilde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag ist durch das Merkmal, dass (auch) auf der Leitung 5 zwischen dem Fussgänger aufprall sensor 4 und dem Steuergerät 3 eine unidirektionale Datenübertragung erfolgt, unzulässig erweitert (Artikel 123(2) EPÜ).

2.1 Maßgeblich für die Beurteilung der Zulässigkeit, ob durch eine Änderung ein Gegenstand hinzugefügt wird, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, ist nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern, ob sich die vorgeschlagenen Änderungen unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableiten lassen, vgl. die Verweise zu entsprechenden Entscheidungen in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 5. Auflage 2006, III.A.2.

2.2 Es ist auf Grund dieser Rechtsprechung zwar anerkannt, dass eine technische Lehre zu einem konstruktiven Kennzeichen sich nicht nur explizit, sondern auch implizit aus dem Wortlaut der Anmeldung oder deren Figuren ergeben kann und somit zum Offenbarungsgehalt der Anmeldung gehört. Für eine implizite Offenbarung im Zusammenhang mit der unmittelbaren und eindeutigen Ableitbarkeit aus den Anmeldeunterlagen in der ursprünglich eingereichten Fassung ist aber entscheidend, ob es für den Fachmann einen eindeutigen Zusammenhang im Sinne einer quasi zwangsläufigen Kopplung zwischen dem explizit Dargestellten und der daraus abgeleiteten und neu vorgeschlagenen Fassung eines Merkmals gibt.

Die Argumente der Beschwerde führerin konzentrieren sich allesamt darauf nachzuweisen, dass eine Realisation der Erfindung mit dem strittigen Merkmal des erteilten Anspruchs, nämlich, dass auch auf der Leitung 5 lediglich eine unidirektionale Datenübertragung vorgesehen ist, für den Fachmann durchaus in Betracht kommt und durch die Beschreibung diesem auch nahegelegt sei.

Unabhängig davon, ob dem so ist oder nicht, reicht dies jedoch für die erforderliche eindeutige Ableitung dieses Gegenstands aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht aus.

Eindeutigkeit bedeutet nämlich, dass es nur einen einzigen Zusammenhang im Sinne einer einzig möglichen Deutung zwischen einer Offenbarungsstelle und dem vorgeschlagenen Merkmal gibt. Andere Deutungen müssen dabei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein.

Diesen eindeutigen Schluss kann der Fachmann, der das strittige Merkmal in Betracht zieht, im Hinblick auf die vorliegende Anmeldung aber nicht treffen.

2.3 Die Argumente der Beschwerde führerin im Einzelnen

2.3.1 Die Anmeldeunterlagen, insbesondere der Paragraph [0015] offenbaren nicht eindeutig das letzte Merkmal des Anspruchs 1, nämlich dass über beide Leitungen 2 und 5 lediglich eine unidirektionale Übertragung von Daten vorgesehen ist. Der erste Satz des Paragraphs [0015] beschreibt eine unidirektionale Datenübertragung über eine Zweidrahtleitung 2 vom Aufprallsensor 1 zum Steuergerät 3. Die Leitung 5 vom Fußgänger aufprall sensor zum Steuergerät wird erst im drittletzten Satz des Paragraphs [0015] erwähnt, der besagt, dass dies auch für die Leitung des Fussgängeraufprallsensors zum Steuergerät gilt. Der Kontext, in dem dieser Satz steht, lässt keinen Schluss zu, auf welchen der vorherigen Sätze dieser Rückbezug erfolgt. Damit ist das Kriterium der Eindeutigkeit für die Herleitung des Merkmals der Unidirektionalität der Leitung 5 nicht erfüllt: Der Satz, dies gelte auch für die Leitung 5, kann sich zwar auch auf den ersten Satz von Paragraph [0015] beziehen, allerdings ist auch die Deutung, dass dieser sich nur auf die zwei direkt davorstehenden Sätze beziehen könnte, weder grammatikalisch noch sprachlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, sondern eine sich für den Fachmann aufdrängende Interpretation.

2.3.2 Dabei ist das Kriterium der Eindeutigkeit einer Herleitung eines technischen Merkmals im Grundsatz unabhängig von der Anzahl der Sätze, auf die ein Rückbezug erfolgen soll. Insofern greifen auch die Argumente der Beschwerdeführerin nicht, dass in der Beschreibung des Streitpatents grundsätzlich mit über mehrere Sätze zurückreichenden Rückbezügen gearbeitet worden sei, und dass der Fachmann dies ebenso erkenne, wie, dass sich ein Satz immer auf den vorhergehenden beziehe und damit eine sprachliche Kontinuität bestehe, die die Aussage des drittletzten Satzes des Paragraphs [0015] logisch mit dem Inhalt des ersten verbinde.

2.3.3 Insofern ist es ebenfalls unerheblich, ob einem Fachmann, der die betreffende Passage der Beschreibung liest, auch unmittelbar die Unidirektionalität der Datenübertragung auf der Leitung 5 in den Sinn kommt: Die Uni direktionalität mag für den Fachmann, der diese Passage liest, durchaus eine der naheliegenden Realisierungs möglichkeiten darstellen; es ist aber keinesfalls so, dass ihm beim Lesen der besagten Textstelle nur eine unidirektionale Datenübertragung als technische Lösung in den Sinn käme und er alle weiteren Ausführungs möglichkeiten ausschließen würde. Dies aber verlangt das Kriterium der Eindeutigkeit im Zusammenhang mit einer geltend gemachten ursprünglichen Offenbarung.

2.3.4 Dies gilt im Prinzip auch für das Argument der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann schon deshalb die Leitungen 2 und 5 in gleicher Weise ausführen würde, da sie in der Fig. 1 der Anmeldung graphisch identisch dargestellt wären.

Fig. 1 zeigt für die Leitungen 2 und 5 eine Linie mit einem Pfeil, die die Darstellung der Sensoren 1 und 4 mit der des Steuergeräts verbindet; die Darstellung des Steuergeräts ist mit einer Linie, die ebenfalls einen Pfeil aufweist, mit der des Rückhaltesystems 6 verbunden. Die zugeordnete Textstelle [0013] in der Anmeldung besagt, dass ein Aufprallsensor 1 über eine Leitung mit einem Steuergerät 3 verbunden ist, in dem ein Prozessor zur Auswertung der Sensorsignale angeordnet ist. Über einen zweiten Dateneingang erhalte das Steuergerät von einem Fußgängeraufprallsensor 4 über die Leitung 5 Signale.

Nach Ansicht der Kammer stellt die Figur 1 eine Prinzipdarstellung der Funktions weise der erfindungs gemäßen Anordnung dar, dergestalt, dass die Sensoren 1 und 4 die für die Auswertung relevante Crash informationen an das Steuergerät übermitteln. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass nicht auch das Steuergerät Daten an die Sensoreinheiten senden könnte, etwa ein Quittungs- oder Synchronisationssignal. Daher kann der Fachmann dieser Zeichnung nicht mit Sicherheit entnehmen, dass alle Leitungen gleich auszuführen sind, oder gar, dass alle Leitungen unidirektional auszuführen sind.

2.3.5 Es mag dahingestellt bleiben, ob es für einen Fachmann nahegelegt sei, beide Leitungen gleich auszuführen, insbesondere dann, wenn die Leitungen als Busleitung ausgeführt würden.

Auf jeden Fall basiert die Übertragung der technischen Eigenschaften der Leitung 2 auf die Leitung 5 nicht auf einem eindeutigen Zusammenhang im Sinne einer quasi zwangsläufigen logischen Kopplung dieser technischen Merkmale. Der Fachmann kann gute Gründe finden, die Leitung 2 im Bedarfsfall technisch anders auszuführen, als die Leitung 5; z.B. kann die Art der Leitung an den jeweiligen Sensor und dessen Übertragungsverhalten und Wertebereich angepasst sein.

2.3.6 Es kann auch offen bleiben, ob ein Zeilenumbruch vor dem besagten drittletzten Satz eine Verdeutlichung des Rückbezugs auch auf den ersten Satz von Paragraph [0015] erbracht hätte, wie es die Beschwerdeführerin behauptet. Die Formatierung eines Textes sei Ausdruck eines subjektiven Ermessens des jeweiligen Autors, da es dafür keine Regeln, wie etwa für die Grammatik, gebe und nicht zwingend den Bedeutungsgehalt für logische Rückbezüge festlege.

Die Formatierung eines Textes folgt nach Ansicht der Kammer Regeln der Logik und dient der anschaulichen Darstellung und Lesbarkeit eines Sachverhalts. Insofern kann es im Einzelfall durchaus einen erheblichen Unterschied darstellen, ob ein Zeilenumbruch an einer bestimmten Stelle vorhanden ist oder nicht.

Die Kammer kann jedoch nicht erkennen, dass an der zitierten Stelle eindeutig ein Zeilenumbruch hätte erfolgen müssen und der Autor dort einen Zeilenumbruch lediglich vergessen hat.

3. Die Beschwerdeführerin führt weiterhin an, dass gemäß der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/93, Entscheidungsgründe Punkt 16, die Hinzufügung eines nicht offenbartes Merkmal einer Aufrechterhaltung eines Patents nicht im Wege stehe, wenn es dem Anmelder nicht zu einem ungerechtfertigten Vorteil verhelfe; dies sei vorliegend nicht der Fall, da die unidirektionale Verbindung auf der Leitung 5 nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitrage.

3.1 Punkt 16 der Entscheidungsgründe der G 1/93 (ABl. EPA 1994, Seite 541 ff.) lautet wie folgt:

"Es hängt von den Umständen ab, ob die Hinzufügung eines nicht offenbarten Merkmals, das den Schutzbereich des Patents in der erteilten Fassung einschränkt, dem Zweck des Artikels 123 (2) EPÜ zuwiderläuft, der verhindern soll, daß ein Anmelder für etwas Patentschutz erhält, das er am Tag der Anmeldung nicht ordnungsgemäß offenbart und vielleicht noch nicht einmal erfunden hatte, und sich dadurch einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft. Ist davon auszugehen, daß ein solches hinzugefügtes Merkmal zwar den Schutzbereich des Patents einschränkt, aber einen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung leistet, so würde es dem Patentinhaber nach Auffassung der Großen Beschwerdekammer zu einem ungerechtfertigten Vorteil verhelfen und damit dem vorstehend genannten Zweck zuwiderlaufen. Daher wäre ein solches Merkmal eine Erweiterung im Sinne dieser Bestimmung. Ein typisches Beispiel hierfür dürfte der Fall sein, daß das beschränkende Merkmal zu einer erfinderischen Auswahl führt, die in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht offenbart ist und sich auch sonst nicht daraus ableiten läßt. Schließt das betreffende Merkmal hingegen lediglich den Schutz für einen Teil des Gegenstands der beanspruchten Erfindung gemäß der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung aus, so kann man vernünftigerweise nicht unterstellen, daß seine Hinzufügung dem Anmelder zu einem ungerechtfertigten Vorteil verhilft."

3.2 Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beschwerde führerin, dass das hinzugefügte Merkmal der unidirektionalen Datenübertragung auf Leitung 5 nicht zur erfinderischen Tätigkeit beiträgt.

3.3 Die Einschränkung der Leitung 5 auf eine unidirektionale Datenübertragung leistet einen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung, da die Verbindung zwischen einer der Sensoreinheiten und dem Steuergerät für die Funktion der im Anspruch 1 definierten Erfindung wesentlich ist.

Gegenstand der Erfindung ist die Ansteuerung von Rückhaltemitteln durch Datenübertragung in Abhängigkeit von der Verknüpfung unterschiedlicher Signale. Die Art und Weise der Datenübertragung ist daher technisch wesentlich zur Durchführung der Erfindung. Die Bestimmung, dass die Datenübertragung (auch) auf der Leitung 5 unidirektional erfolgt, legt eine spezifische Verknüpfung fest und wurde im Erteilungsverfahren zur Abgrenzung vom Stand der Technik eingefügt.

Deshalb verhilft das strittige Merkmal der Beschwerdeführerin zu einem ungerechtfertigten Vorteil gemäß der Entscheidung G 1/93: daher ist dieses Merkmal nicht zulässig.

4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags im Wesentlichen durch die zusätzlichen Merkmale, dass „die Leitung (5) vom Fussgänger aufprall sensor (4) zum Steuergerät (3) als Busleitung ausgebildet ist, wobei dann beide Sensoren jeweils Kontroller zur Buskommunikation aufweisen“. Weiterhin wurde der Wortlaut im kennzeichnenden Teil dahingehend geändert, dass lediglich eine unidirektionale Übertragung von Daten ermöglicht ist (anstatt vorgesehen ist).

4.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dadurch, dass nun beide Leitungen 2 und 5 als Busleitung ausgewiesen seien, sei es für den Fachmann klar, diese auch beide technisch identisch auszuführen, da eine andere Realisation eines zu hohen technischen Aufwands bedürfe.

Diese Schlussfolgerung sei insbesondere auch deshalb eindeutig geboten, da gemäß einer zusammenschauenden Kombination des dritt- und viertletzten Satzes des Paragraphs [0015] die Leitung 5 auch mit der Leitung 2 verbunden sein könnte.

4.2 Die Unidirektionalität der Leitung 5 ist auch dann nicht eindeutig im o.g. Sinne aus der ursprünglichen Offenbarung ableitbar, wenn der Gegenstand des Anspruchs auf die Datenübertragung auf einer Busleitung eingeschränkt ist. Somit kann die Einschränkung auf eine Busleitung die unter Punkt 2.3.5 (siehe oben) genannte Auffassung der Kammer, nämlich dass die Datenübetragung auf Leitung 5 nicht zwingend wie auf Leitung 2 erfolgen muß, nicht in Frage stellen.

Vor allem sieht die Kammer in der Beschreibung keine Formulierung, aus der erkennbar wäre, dass die Leitung 5 mit der Leitung 2 verbunden werden könnte. Eine derartige Verbindung steht auch im Widerspruch zu den in den Figuren dargestellten Schaltungen.

Daher ist auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 unzulässig erweitert und verletzt die Erfordernisse nach Artikel 123(2) EPÜ.

5. Der Gegenstand des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich vom Hilfsantrag 1 dadurch, dass nunmehr die elektrische Leitung vom Fußgängeraufprallsensor 4 und dem Steuergerät 3 als eine elektrische Zweidrahtleitung definiert ist. Da der Typ der Leitung – Zweidrahtleitung, Busleitung, etc. – unabhängig von der Frage ist, mit welcher Datenübertragungstechnologie sie betrieben wird (uni- oder bidirektional), kann diese Einschränkung den Mangel der unzulässigen Erweiterung nicht beheben, der sich durch die Definition der unidirektionalen Datenübertragung zwischen Fußgängeraufprallsensor und Steuergerät ergibt.

Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 entsprechend dem Hilfsantrag 2 unzulässig erweitert und verstößt gegen Artikel 123(2) EPÜ. Deshalb kann es auch offenbleiben, ob für die Leitung 5 eine Zweidrahtleitung offenbart ist oder nicht und damit ein weiterer Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ vorliegen würde.

6. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 3 entspricht dem erteilten Anspruch 1, ergänzt um die im Wesentlichen wörtliche Übernahme der einzelnen Merkmale des Paragraph [0015] bis zu dem besagten drittletzten Satz, angepasst an den Anspruchswortlaut.

6.1 Die Beschwerde gegnerin bringt vor, dass der Hilfsantrag 3 nicht in das Verfahren zugelassen werde dürfe, da er erstmals Fragen aufwerfe, die im Verfahren bislang keine Rolle gespielt hätten und es nicht zumutbar sei, diese nun in der mündlichen Verhandlung zu klären.

Der Hilfsantrag 3 wird von der Kammer als Versuch der Beschwerde führerin gewertet, durch die fast wörtliche Übernahme den logischen Zusammenhang zwischen allen Merkmalen wiederherzustellen, und wird daher in das Verfahren zugelassen.

6.2 Dieser Versuch musste indes erfolglos bleiben, da eine unzulässige Erweiterung durch ein nicht offenbartes Merkmal nicht dadurch behoben werden kann, dass an anderer Stelle des Anspruchs eine anders lautende - oder relativierende - Definition vorgenommen wird.

So bleibt unabhängig von den mit dem Hilfsantrag 3 hinzugefügten weiteren Merkmalen, die Merkmalsdefinition des erteilten Anspruchs 1 ein Teil des beanspruchten Gegenstands, der durch das Merkmal der unidirektionalen Übertragung von Daten zwischen dem Fussgänger aufprall sensor und dem Steuergerät unzulässig erweitert ist.

Damit ist auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 3 unzulässig erweitert und verstößt gegen Artikel 123(2) EPC.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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