T 2298/08 () of 5.10.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T229808.20111005
Datum der Entscheidung: 05 October 2011
Aktenzeichen: T 2298/08
Anmeldenummer: 99929321.0
IPC-Klasse: B32B 27/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Tiefziehfähige, gleitfähige Folie auf Basis von Polyolefinen und Polyamid
Name des Anmelders: Wipak Walsrode GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Cryovac, Inc.
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 54
Schlagwörter: Neuheit (verneint, Hauptantrag und 3. - 5. Hilfsantrag)
Änderungen - Klarheit (verneint, 1. und 2. Hilfsantrag)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0560/09
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden des Einsprechenden (Beschwerdeführer I, im Folgenden "Einsprechender") und des Patentinhabers (Beschwerdeführer II, im Folgenden "Patentinhaber") richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass das Patent EP 1 098 764 in geänderter Form (3. Hilfsantrag) den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Der Einsprechende hatte den Widerruf des Patentes im gesamten Umfang auf der Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ beantragt. Die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ wurden vom Einsprechenden während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zurückgenommen (Punkt 1.2. der Niederschrift über die mündliche Verhandlung).

Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem vorgelegt:

D2: US 4,859,514 A, und

D3: US 4,735,855 A.

III. Der am 22. September 2008 mündlich verkündeten und am 20. Oktober 2008 schriftlich begründeten Entscheidung der Einspruchsabteilung lagen ein Hauptantrag (Patent in erteilter Fassung) sowie drei Hilfsanträge zugrunde.

Anspruch 1 des erteilten Patents, entsprechend dem Hauptantrag, lautet wie folgt:

"1. Durch Coextrusion hergestellte, mehrschichtige Folie aufgebaut aus

a) einer ersten Außenschicht 10 enthaltend ein oder mehrere Polyolefine oder Olefincopolymere oder eine Mischung dieser Polymeren,

b) einer zweiten Außenschicht 18 enthaltend ein oder mehrere Polyofefine oder Olefincopolymere oder eine Mischung dieser Polymeren,

c) einer Innenschicht 13 enthaltend ein Polyamid oder eine Mischung mehrerer Polyamide,

d) eine Innenschicht 12 enthaltend ein haftvermittelndes Polymer oder eine haftvermittelnde Polymermischung, basierend auf Polyolefinen oder aus Olefinen abgeleiteten Copolymeren,

e) eine Innenschicht 16 enthaltend ein haftvermittelndes Polymer oder eine haftvermittelnde Polymermischung basierend auf Polyolefinen oder aus Olefinen abgeleiteten Copolymeren, dadurch gekennzeichnet,

dass der Schmelzpunkt der zweiten Außenschicht 18 niedriger ist als der der ersten Außenschicht 10 und dass zwischen der zweiten Außenschicht 18 und der haftvermittelnden Schicht 16 eine zusätzliche Schicht 17 vorhanden ist, die Polyolefinen [sic] oder Olefincopolymere oder eine Mischung dieser Polymere enthält."

Die Ansprüche 1 des 1. und 2. Hilfsantrages enthielten im Unterschied zu Anspruch 1 des Hauptantrages das zusätzliche Merkmal "tiefziehfähige", sowie, was den Anspruch 1 des 2. Hilfsantrages betrifft, das Merkmal, dass der Schmelzpunkt der zweiten Außenschicht 18 mindestens 5ºC unter dem Schmelzpunkt der ersten Außenschicht 10 liegen muss. Anspruch 1 des 3. Hilfsantrages richtete sich auf die Verwendung einer wie im erteilten Anspruch 1 definierten Folie für Tiefziehanwendungen.

Bezüglich des Hauptantrages führte die Einspruchsabteilung unter anderem aus, dass Beispiele 15 und 19 der D2 die anspruchsgemäße Folienstruktur offenbarten, wobei als Herstellungsverfahren Laminierung und Beschichtungscoextrusion genannt seien. Der Anspruchsgegenstand ergebe sich somit durch eine Einfachauswahl aus D2. Dem Hauptantrag mangele es daher an Neuheit gegenüber diesem Dokument.

Anspruch 1 des 1. und 2. Hilfsantrages sei infolge der Hinzufügung des Merkmals "tiefziehfähige" unklar. Insbesondere sei nicht deutlich, wo die Trennlinie zwischen tiefziehfähig und nicht tiefziehfähig zu ziehen sei und unter welchen Bedingungen diese Eigenschaft getestet werden solle. Zur Undeutlichkeit trage auch bei, dass das Merkmal einen Unterschied zu den Beispielen 15 und 19 der D2 begründen solle, es aber im Hinblick auf die Struktur und Dicke der Folien nicht erkennbar sei, warum die Folien nicht tiefziehfähig sein sollten. Zwar gebe D2 nicht an, dass diese Folien für Tiefziehen bestimmt seien, dies bedeute aber nicht, dass ein Tiefziehverfahren an diesen Folien scheitern würde.

Der Gegenstand des 3. Hilfsantrages sei neu. Insbesondere könne der Satz "... although in fact some forming of the web may be said to take place during a thermoforming or similar process" in D2 an sich nicht als eine eindeutige Offenbarung einer Verwendung für Tiefziehanwendungen betrachtet werden. Darüber hinaus fehle eine eindeutige Offenbarung der Kombination der in diesem Satz verklausuliert angegebenen Möglichkeit mit den spezifischen Offenbarungen der Beispiele 15 und 19, da diese Beispiele die dortigen Folien als nicht einer Verformung zu unterwerfen bezeichneten.

Schließlich beruhe der Gegenstand des 3. Hilfsantrages auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

IV. Gegen diese Entscheidung legte der Einsprechende am 15. Dezember 2008 Beschwerde ein und entrichtete am selben Tag die vorgeschriebene Gebühr. Die am 20. Februar 2009 eingereichte Beschwerdebegründung enthielt

D9: "Film Extrusion Manual: process, materials, properties", "Chapter 19C Ultra Low-Density Polyethylene", T. I. Butler, Tappi Press, 1992,

D10: DSC-Daten zu Fortiflex J60-800-147,

D11: DE 10 2005 035 476 A1 und

D12: "Plastic Films and Packaging - Technology, Applications and Process Economics", C. J. Benning, Technomic Publishing Co., Inc. 1983, Seite 80-83.

V. Eine weitere Beschwerde wurde vom Patentinhaber am 18. Dezember 2008 eingelegt. Die erforderliche Gebühr wurde am selben Tag entrichtet. Mit der am 2. März 2009 eingereichten Beschwerdebegründung wurden ein Hauptantrag sowie sieben Hilfsanträge eingereicht.

VI. Mit Schreiben von 6. Juli 2009 wurde vom Einsprechenden zum Vorbringen des Patentinhabers Stellung genommen. Eine sich daran anschließende Stellungnahme des Patentinhabers erfolgte mit Schreiben vom 16. Oktober 2009.

VII. Mit Bescheid vom 22. Februar 2011 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung geladen. Im Annex zur Ladung brachte die Kammer unter anderem ihre vorläufige Meinung zur Neuheit des Hauptantrages gegenüber D2 zum Ausdruck. Der Annex enthielt darüber hinaus

D13: "Extrusion von Flachfolien, Tiefziehfolien und Tafeln", P. Reitmeyer et al., Kunststoffe 78, Nr. 10, 1988, Seite 941-947,

D14: COMMON CHEMISTRY - Substance Details "1-Propene, homopolymer", http://www.commonchemistry.org/ChemicalDetail. aspx?ref=9003-07-0, Seite 1 und 47 und

D15: EP 1 864 795 A1.

VIII. In Erwiderung hierzu wurden vom Patentinhaber mit Schreiben vom 2. September 2011 ein Hauptantrag und fünf Hilfsanträge als Ersatz für die vorherigen Anträge eingereicht.

Anspruch 1 des Hauptantrags (identisch mit dem 1. Hilfsantrag vor der Einspruchsabteilung) lautet wie folgt:

"1. Durch Coextrusion hergestellte, tiefziehfähige, mehrschichtige Folie aufgebaut aus

a) einer ersten Außenschicht 10 enthaltend ein oder mehrere Polyolefine oder Olefincopolymere oder eine Mischung dieser Polymeren,

b) einer zweiten Außenschicht 18 enthaltend ein oder mehrere Polyolefine oder Olefincopolymere oder eine Mischung dieser Polymeren,

c) einer Innenschicht 13 enthaltend ein Polyamid oder eine Mischung mehrerer Polyamide,

d) eine Innenschicht 12 enthaltend ein haftvermittelndes Polymer oder eine haftvermittelnde Polymermischung, basierend auf Polyolefinen oder aus Olefinen abgeleiteten Copolymeren,

e) eine Innenschicht 16 enthaltend ein haftvermittelndes Polymer oder eine haftvermittelnde Polymermischung basierend auf Polyolefinen oder aus Olefinen abgeleiteten Copolymeren, dadurch gekennzeichnet,

dass der Schmelzpunkt der zweiten Außenschicht 18 niedriger ist als der der ersten Außenschicht 10 und dass zwischen der zweiten Außenschicht 18 und der haftvermittelnden Schicht 16 eine zusätzliche Schicht 17 vorhanden ist, die Polyolefinen [sic] oder Olefincopolymere oder eine Mischung dieser Polymere enthält."

Die Ansprüche 1 des 1. und 2. Hilfsantrages unterscheiden sich von Anspruch 1 des Hauptantrages dadurch, dass das Merkmal "tiefziehfähige" durch das Merkmal "unter Tiefziehen auf einer Tiefziehmaschine verformte" (1. Hilfsantrag) beziehungsweise "unter Tiefziehen auf einer Tiefziehmaschine verformte und nach dem Tiefzug einen tiefgezogenen Bereich aufweisende" (2. Hilfsantrag) ersetzt wurde.

Anspruch 1 des 3. Hilfsantrages (identisch mit dem von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachteten Anspruch 1) lautet wie folgt:

"1. Verwendung einer durch Coextrusion hergestellten, tiefziehfähigen, mehrschichtigen Folie aufgebaut aus

a) einer ersten Außenschicht 10 enthaltend ein oder mehrere Polyolefine oder Olefincopolymere oder eine Mischung dieser Polymeren,

b) einer zweiten Außenschicht 18 enthaltend ein oder mehrere Polyolefine oder Olefincopolymere oder eine Mischung dieser Polymeren,

c) einer Innenschicht 13 enthaltend ein Polyamid oder eine Mischung mehrerer Polyamide,

d) eine Innenschicht 12 enthaltend ein haftvermittelndes Polymer oder eine haftvermittelnde Polymermischung, basierend auf Polyolefinen oder aus Olefinen abgeleiteten Copolymeren,

e) eine Innenschicht 16 enthaltend ein haftvermittelndes Polymer oder eine haftvermittelnde Polymermischung basierend auf Polyolefinen oder aus Olefinen abgeleiteten Copolymeren,

wobei der Schmelzpunkt der zweiten Außenschicht 18 niedriger ist als der der ersten Außenschicht 10 und wobei zwischen der zweiten Außenschicht 18 und der haftvermittelnden Schicht 16 eine zusätzliche Schicht 17 vorhanden ist, die Polyolefinen [sic] oder Olefincopolymere oder eine Mischung dieser Polymere enthält, für Tiefziehanwendungen, wobei die Folie unter Tiefziehen auf einer Tiefziehmaschine verformt wird."

Die jeweiligen Ansprüche 1 des 4. und 5. Hilfsantrages unterscheiden sich von Anspruch 1 des dritten Hilfsantrages dadurch, dass das Merkmal "wobei die Folie unter Tiefziehen auf einer Tiefziehmaschine verformt wird" ersetzt wurde durch "wobei die Folie unter Tiefziehen verformt wird und einen nach dem Tiefzug tiefgezogenen Bereich aufweist" (4. Hilfsantrag) beziehungsweise durch "wobei die Folie unter Tiefziehen verformt wird, indem nach Erwärmung die Folie mittels einer Luftdruckdifferenz oder eines Kolbens in eine verformte Mulde gedrückt oder gezogen wird."

IX. Ebenfalls in Erwiderung auf den Bescheid der Kammer reichte der Einsprechende mit Schreiben vom 5. September 2011 die folgenden Dokumente ein:

D16a: Römpps Chemie-Lexikon, 8. Auflage, Franckh'sche Verlagshandlung Stuttgart, 1988, Seite 4229, insbesondere Stichwort "Thermoplaste",

D16b: Römpps Chemie-Lexikon, 8. Auflage, Franckh'sche Verlagshandlung Stuttgart, 1988, Seite 4270, insbesondere Stichwort "Tiefziehfolien"

D17: Technisches Datenblatt TFR-PEEK-Folie, CMC Klebetechnik 2007,

D18: "Nabenhauer Folien für die Industrie -

Tiefziehfolie",

D19: EP 0 465 833 A1 und

D20: EP 0 634 443 A2.

X. Am 5. Oktober 2011 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Die im schriftlichen Verfahren gestellten Anträge wurden von beiden Parteien aufrechterhalten. Neue Anträge wurden nicht gestellt.

XI. Die Argumente des Einsprechenden können wie folgt zusammengefasst werden:

- Hauptantrag

Dem in Anspruch 1 eingefügten Merkmal "tiefziehfähig" mangele es an Klarheit. Wie durch D13, D16a, D16b und D17 bestätigt werde, seien alle Thermoplasten tiefziehfähig. Wenn dies, wie vom Patentinhaber behauptet, nicht der Fall sei, so sei nicht klar, inwieweit das Merkmal "tiefziehfähig" die anspruchsgemäße Folie einschränke.

Dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages mangele es darüber hinaus an Neuheit gegenüber der Folie 19 der D2. Diese Folie weise die anspruchsgemäße Schichtabfolge auf und sei durch Laminierung oder Coextrusion hergestellt, wobei der Fachmann aus verfahrenstechnischen Gründen eher die anspruchsgemäße Coextrusionsalternative auswählen würde. Auch das noch verbleibende Anspruchsmerkmal der Tiefziehfähigkeit sei in D2 offenbart, da Folie 19 aus nicht vernetzten thermoplastischen Materialien aufgebaut und daher tiefziehfähig sei. Dies werde durch D2 selbst bestätigt, wo festgehalten werde, dass die Folie einen gewissen Grad an Verformbarkeit aufweise. Vom Experten des Einsprechenden wurde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Folie der D2 das Merkmal der Tiefziehfähigkeit aufweise, selbst wenn sie orientiert sei. Insbesondere würden Folien in Tiefziehmaschinen nach dem Tiefziehvorgang abgekühlt, so dass die Folie ihre Form auch dann behalte, wenn sie vorher orientiert gewesen sei.

- 1. Hilfsantrag

Das in Anspruch 1 des 1. Hilfsantrages hinzugefügte Merkmal "unter Tiefziehen auf einer Tiefziehmaschine verformte" sei unklar. Insbesondere sei nicht deutlich, wie sich eine durch Tiefziehen verformte Folie von einer durch ein anderes Verfahren wie beispielsweise Spritzgießen hergestellten, die gleiche Form aufweisenden Folie unterscheide.

- 3. Hilfsantrag

Dem Gegenstand des Anspruchs 1 des 3. Hilfsantrages mangele es an Neuheit gegenüber D2. Die zweite Folie werde in D2 auf einer Maschine nach Erwärmen durch Vakuum in die Mulde der beiden in Abbildung 3 der D2 gezeigten Würste hineingezogen. Dies entspreche exakt der in Absatz [0034] des Streitpatentes gegebenen Definition des Tiefziehens. Vom Experten des Einsprechenden wurde hierzu festgestellt, dass auch ein Verfahren, bei dem die zur Formgebung der Folie verwendete Form durch das Verpackungsgut gebildet wird, wie dies in D2 der Fall ist, grundsätzlich als Tiefziehverfahren aufzufassen sei.

XII. Die Argumente des Patentinhabers können wie folgt zusammengefasst werden:

- Hauptantrag

Das Merkmal "tiefziehfähig" in Anspruch 1 des Hauptantrages sei klar, da in Absatz [0034] des Streitpatentes der Begriff des Tiefziehens eindeutig definiert sei.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei darüber hinaus neu gegenüber D2, da die Folie 19 dieses Dokuments das Merkmal der Tiefziehfähigkeit nicht aufweise. Von der Vertreterin des Patentinhabers wurde insbesondere vorgebracht, dass diese Folie orientiert und, wie durch D3 bestätigt, damit nicht tiefziehfähig sei. Infolge der Orientierung würde die Folie nämlich bei einem Tiefziehvorgang eine Schrumpfung erfahren, so dass die durch das Tiefziehen angestrebte Form nicht beibehalten werden könne. Vom Experten des Patentinhabers wurde jedoch eingeräumt, dass auch orientierte Folien tiefziehfähig sein können.

Darüber hinaus sei auch das Anspruchsmerkmal "durch Coextrusion hergestellt" in D2 nicht eindeutig offenbart. Zwar sei die Coextrusion als Alternative zur Laminierung beschrieben, es sei jedoch wahrscheinlicher, dass der Fachmann die Folie 19 der D2 durch Laminierung herstellen würde, da er nur so die in D2 angestrebten guten Delaminierungseigenschaften erzielen könne.

- 1. Hilfsantrag

Das Merkmal "unter Tiefziehen auf einer Tiefziehmaschine verformte" in Anspruch 1 des 1. Hilfsantrages erfülle das Erfordernis der Klarheit. Eine durch Tiefziehen verformte Folie sei von einer durch ein anderes Verfahren hergestellten die gleiche Form aufweisenden Folie anhand des Orientierungsgrades unterscheidbar. Darüber hinaus bilde eine durch ein Vakuumverpackungsverfahren hergestellte Folie im Gegensatz zu einer durch Tiefziehen hergestellten Folie die Oberfläche des Verpackungsgutes ab, so dass auch hierdurch eine Unterscheidung möglich sei.

- 3. Hilfsantrag

Die Neuheit gegenüber D2 sei anzuerkennen. In diesem Zusammenhang sei die Aufsiegelung der zweiten Folie auf die beiden Würste in D2 nicht als Tiefziehen aufzufassen. Insbesondere entspreche dieser Verfahrensschritt in D2 nicht der in Absatz [0034] des Streitpatentes für ein Tiefziehverfahren gegebenen Definition, da in D2 eine Mulde durch das Verpackungsgut gebildet werde, während gemäß der Definition des Streitpatentes eine Mulde ohne Produkt für das Tiefziehen zu verwenden sei. Vom Experten des Patentinhabers wurde hierzu weiter ausgeführt, dass die Verformung beim Tiefziehverfahren durch ein Werkzeug und nicht durch das zu verpackende Füllgut erreicht werde.

- 2., 4. und 5. Hilfsantrag

Der Patentinhaber erkannte an, dass aus der Nichtgewährbarkeit des 1. bzw. des 3. Hilfsantrages die Nichtgewährbarkeit des 2. bzw. des 4. und 5. Hilfsantrages folgt.

XIII. Der Einsprechende (Beschwerdeführer I) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 098 764.

Der Patentinhaber (Beschwerdeführer II) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patentes gemäß Hauptantrag oder 1.-5. Hilfsantrag, sämtliche eingereicht mit Schreiben vom 2. September 2011.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Änderungen - Artikel 123(2) EPÜ

Anspruch 1 des Hauptantrages unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 dadurch, dass die anspruchsgemäße Folie als tiefziehfähig definiert wird. Diese Änderung ist auf Seite 9, Zeile 31 und Seite 10, Zeile 22 der ursprünglich eingereichten Anmeldung (WO 00/02725 A1) gestützt, wo eine Tiefziehfähigkeit der Folie sowie eine Eignung für Tiefziehanwendungen offenbart wird. Somit erfüllt die Änderung in Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

3. Änderungen - Artikel 84 EPÜ

Das Merkmal "tiefziehfähig" ist in keinem der erteilten Ansprüche enthalten. Daher sind die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ hinsichtlich dieses Merkmals zu prüfen.

Der Begriff "tiefziehfähig" impliziert, dass die anspruchsgemäße Folie tiefgezogen werden kann. Hierbei ist im Sinne des Absatzes [0034] des Streitpatentes unter Tiefziehen "die Verformung einer Folie oder Platte ..., die nach Erwärmung mittels einer Luftdruckdifferenz oder eines Kolbens in eine vorgeformte Mulde gedrückt oder gezogen wird" zu verstehen. Das Merkmal "tiefziehfähig" in Anspruch 1 ist somit klar definiert als die Fähigkeit einer Folie, nach Erwärmung mittels einer Luftdruckdifferenz oder eines Kolbens in eine vorgeformte Mulde gedrückt oder gezogen werden zu können. Dieses Merkmal erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.

4. Neuheit

4.1 D2 (Spalte 2, Zeile 44-52) offenbart die Verpackung von Würsten mit Hilfe eines Vakuumverpackungsverfahrens (Spalte 4, Zeile 1-15 in Verbindung mit Abbildungen 1-3). Hierbei wird zunächst eine erste Folie ("forming web") ausgeformt und dann zwei Würste in diese Folie eingelegt. Daran anschließend wird eine zweite Folie ("non-forming web") über die beiden Würste gelegt und erhitzt. An die durch die erste und zweite Folie gebildete, die beiden Würste enthaltende Kammer wird ein Vakuum angelegt und die beiden Folien am Rand versiegelt. In der so erhaltenen Wurstverpackung umschließt die zweite Folie die Wurstoberseiten (Abbildung 3).

Als Beispiel der "zweiten" Folie wird Folie 19 in der Tabelle in Spalte 9 und 10 der D2 offenbart. Diese Folie umfasst die folgenden Schichten:

- eine erste Außenschicht PP2,

- eine erste auf EVA basierte Klebstoffschicht2,

- eine Schicht aus Nylon1,

- eine zweite auf EVA basierte Klebstoffschicht1,

- eine Schicht aus EPC4 und

- eine zweite Außenschicht aus 74.8% EVA1, 20.0% EBC1, 5.0% PP1 und 0.2% Antiblockmittel1.

Bei dem "PP2" der ersten Außenschicht handelt es sich um "NPP 2085 GW" von Norchem (Fußnote 2, letzte Zeile der Spalte 9 der D2), was nach D14 ein 1-Propenhomopolymer, d. h. ein Polypropylen darstellt. Somit besteht die erste Außenschicht der Folie 19 der D2 aus Polypropylen. Diese Außenschicht entspricht daher der anspruchsgemäßen ersten Außenschicht 10.

Nylon stellt ein Polyamid dar und entspricht daher der anspruchsgemäßen Innenschicht 13.

Das EVA der auf EVA basierten Klebstoffschichten stellt ein Ethylenvinylacetatcopolymer dar (siehe Spalte 4, Zeile 58 der D2). Ein Ethylenvinylacetatcopolymer ist ein aus Olefin abgeleitetes Copolymer. Somit entsprechen die auf EVA basierten Klebstoffschichten der Folie 19 der D2 den anspruchsgemäßen Innenschichten 12 und 16.

Die zwischen der zweiten Klebstoffschicht und der zweiten Außenschicht liegende Schicht aus EPC der D2 stellt eine Schicht aus einem Ethylenpropylencopolymer (siehe Spalte 5, Zeile 39-40 der D2), d. h. eine Schicht aus einem Olefincopolymer, dar und entspricht damit der anspruchsgemäßen Schicht 17.

Die zweite Außenschicht der Folie 19 der D2 besteht aus 74.8% EVA (Ethylenvinylacetatcopolymer), 20.0% EBC (Ethylenbutencopolymer, siehe Spalte 4, Zeile 63 der D2), und 5.0% PP (Polypropylen) sowie 0.2% Antiblockmittel. Somit enthält diese Schicht neben dem Antiblockmittel ein Gemisch aus einem Polyolefin (Polypropylen) und zwei Olefincopolymeren (Ethylenvinylacetatcopolymer und Ethylenbutencopolymer) und entspricht damit der anspruchsgemäßen zweiten Außenschicht 18.

Die Hauptkomponente EVA (Ethylenvinylacetat) der zweiten Außenschicht der Folie 19 der D2 hat einen Schmelzpunkt von nur 80ºC, verglichen mit 160ºC für das Polypropylen der ersten Außenschicht. Somit ist das anspruchsgemäße Schmelzpunktverhältnis vorhanden. Die Schichtfolge der Folie 19 der D2 ist daher anspruchsgemäß. Die Folie besitzt darüber hinaus die anspruchsgemäße Mehrschichtigkeit.

4.2 Es war zwischen den Parteien strittig, ob die Folie 19 der D2 die verbleibenden Anspruchsmerkmale "tiefziehfähig" sowie "durch Coextrusion hergestellt" aufweist.

4.3 Das Merkmal "tiefziehfähig"

4.3.1 Die in der Folie 19 der D2 enthaltenen Polymere stellen sämtlich lineare nicht vernetzte Polymere dar. Wie vom Patentinhaber nicht bestritten wurde, besteht Folie 19 somit aus einem Gemisch aus Thermoplasten.

Thermoplaste weisen gemäß D16a die Eigenschaft auf, dass sie "...bei Wärmezufuhr reversibel erweichen u. mechan. leicht verformbar werden...". Dies impliziert, dass ein Thermoplast und somit auch die Folie 19 der D2 die Definition der Tiefziehfähigkeit im Streitpatent erfüllt, d. h. nach Erwärmung mittels einer Luftdruckdifferenz oder eines Kolbens in eine vorgeformte Mulde gedrückt oder gezogen werden kann (siehe Punkt 3.). Gleiches folgt aus D16b und D17, wo thermoplastische Werkstoffe als Ausgangsmaterial für Tiefziehfolien offenbart sind und die Tiefziehfähigkeit als Konsequenz eines thermoplastischen Aufbaus beschrieben wird (D16b: Tiefziehfolien entstehen "aus thermoplast. Werkstoffen (z.B. PVC, PS) durch Warmformung"; D17: "thermoplastischer Aufbau, daher tiefziehfähig").

Somit impliziert der Aufbau der Folie 19 der D2, dass diese Folie das Anspruchsmerkmal der Tiefziehfähigkeit erfüllt.

4.3.2 Unabhängig hiervon ergibt sich die Tiefziehfähigkeit der Folie 19 auch aus D2 selbst. So wird in D2 die erhitzte zweite Folie (Folie 19 stellt ein Beispiel dieser Folie dar, nämlich des sogenannten "non-forming web") durch das Anlegen eines Vakuums in die durch die Wurstoberflächen vorgeformte Mulde hineingezogen. Wie bei der nachfolgenden Diskussion des 3. Hilfsantrages (Punkt 6.2.1) erläutert, entspricht dies exakt dem im Streitpatent als Tiefziehen definierten Verfahren. Somit offenbart D2 das Tiefziehen und damit auch die Tiefziehfähigkeit der Folie 19. Dies wird durch die Feststellung in D2 bestätigt, dass die zweite Folie während der Warmformung ein gewisses Maß an Verformung erfährt (Spalte 7, Zeile 5-8: "... in fact some forming of the web may be said to take place during thermoforming or similar process") und damit ein gewisses Maß an Tiefziehfähigkeit aufweist.

4.3.3 Von der Vertreterin des Patentinhabers wurde argumentiert, dass Folie 19 der D2 orientiert sei und, wie aus Spalte 3, Zeile 56-58 der D3 hervorgehe, orientierte thermoplastische Folien nicht tiefziehfähig seien. Diesem Argument kann sich die Kammer nicht anschließen. Die Textpassage der D3 erwähnt lediglich, dass das für das Tiefziehverfahren in D3 eingesetzte Material nicht orientiert ist. Dies erlaubt jedoch keineswegs den Umkehrschluss, dass orientierte Materialien nicht tiefziehfähig sind.

Von der Vertreterin des Patentinhabers wurde darüber hinaus vorgebracht, dass orientierte thermoplastische Folien bei Erwärmung schrumpfen, so dass nach dem Tiefziehen orientierter Folien die dadurch erhaltene Form nicht beibehalten würde und somit kein Tiefziehen möglich sei. Auch dieses Argument ist nicht überzeugend. Wie vom Experten des Einsprechenden ausgeführt wurde, erfolgt beim Tiefziehen eine Kühlung der Folien, was ein Einfrieren der nach dem Tiefziehen erhaltenen Form bedingt, so dass diese Form nicht durch Schrumpfung zerstört wird. Auch orientierte thermoplastische Folien sind daher tiefziehfähig. Dies wurde vom Experten des Patentinhabers sogar explizit bestätigt.

Orientierte thermoplastische Folien, und damit auch die orientierte thermoplastische Folie 19 der D2, erfüllen damit das Anspruchsmerkmal der Tiefziehfähigkeit.

4.4 Das Merkmal "durch Coextrusion hergestellt"

Folie 19 wird in D2 durch Laminierung oder Coextrusion hergestellt (Spalte 11, Zeile 29-30). Somit ist lediglich eine Einfachauswahl aus einer Liste mit zwei Mitgliedern erforderlich, um zu diesem Anspruchsmerkmal zu gelangen.

Vom Patentinhaber wurde argumentiert, dass in D2 eine Delaminierung der Schichten der Folie 19 angestrebt sei, was eher durch eine mittels Laminierung hergestellte Folie erreicht werden könne. Daher sei es wahrscheinlicher, dass der Fachmann aus der Liste der Laminierung und Coextrusion in D2 die Laminierung auswählen würde, so dass er nicht zur anspruchsgemäßen Folie gelänge. Diese Sichtweise wurde jedoch weder durch Beweismittel belegt, noch steht sie im Einklang mit der Offenbarung der D2, in der Coextrusion und Laminierung als gleichwertige Möglichkeiten offenbart sind. Das Argument des Patentinhabers muss daher unberücksichtigt bleiben.

Somit stellt auch das Merkmal "durch Coextrusion hergestellt" kein neuheitsbegründendes Merkmal dar.

4.5 Dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages mangelt es daher an Neuheit gegenüber D2.

1. Hilfsantrag

5. Änderungen - Artikel 84 EPÜ

Anspruch 1 des 1. Hilfsantrages unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 durch das zusätzliche Merkmal, dass die Folie "unter Tiefziehen auf einer Tiefziehmaschine verformt" ist. Das hinzugefügte Merkmal ist in keinem der erteilten Ansprüche enthalten. Das Erfordernis der Klarheit ist somit hinsichtlich dieses Merkmals auch im Einspruchsbeschwerdeverfahren zu prüfen.

Wie in Entscheidung T 560/09 (Punkt 2) ausgeführt wurde, impliziert das Klarheitserfordernis des Artikels 84 EPÜ, dass für den Fachmann kein Zweifel bestehen darf, welcher Gegenstand von einem bestimmten Anspruch abgedeckt ist und welcher nicht.

Eine, eine bestimmte Form aufweisende Folie kann sowohl durch ein Tiefziehverfahren, als auch durch andere Verfahren, wie beispielsweise ein Spritzgießverfahren, hergestellt werden. Es stellt sich daher im Rahmen des Klarheitserfordernisses gemäß Artikel 84 EPÜ die Frage, ob eine durch Tiefziehen verformte und damit anspruchsgemäße Folie von einer Folie unterschieden werden kann, die die gleiche Form aufweist, jedoch durch beispielsweise Spritzgießen hergestellt und damit nicht anspruchsgemäß ist.

Vom Patentinhaber wurde hierzu ausgeführt, dass durch die Verwendung des Tiefziehens zur Herstellung der Folie ein Orientierungsgrad der Folie resultiert, der sich von demjenigen einer durch ein anderes Verfahren hergestellten Folie gleicher Form unterscheidet. Es stellt jedoch weder Teil des allgemeinen Fachwissens dar, noch sind Angaben im Streitpatent enthalten, ab welchem beziehungsweise bis zu welchem Orientierungsgrad eine Folie das Anspruchsmerkmal "unter Tiefziehen auf einer Tiefziehmaschine verformt" erfüllt. Daher ist der Fachmann nicht in der Lage, durch Bestimmung des Orientierungsgrades zwischen einer durch Tiefziehen verformten und einer beispielsweise durch Spritzgießen hergestellten die gleiche Form aufweisenden Folie zu unterscheiden.

Das in Anspruch 1 eingeführte Verfahrensmerkmal "unter Tiefziehen auf einer Tiefziehmaschine verformt" erlaubt somit keine zweifelsfreie Unterscheidung zwischen einer anspruchsgemäßen durch Tiefziehen verformten Folie und einer durch ein anderes Verfahren in gleicher Weise verformten Folie. Daher führt das in Anspruch 1 des 1. Hilfsantrages eingeführte Merkmal zu einem Klarheitsmangel. Der 1. Hilfsantrag ist somit nicht gewährbar.

2. Hilfsantrag

Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags enthält wie Anspruch 1 des 1. Hilfsantrages das Merkmal "unter Tiefziehen auf einer Tiefziehmaschine verformte". Beide Ansprüche unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Anspruch 1 des 2. Hilfsantrages den weiteren Zusatz "und nach dem Tiefzug einen tiefgezogenen Bereich aufweisende" enthält. Dieser Zusatz fügt Anspruch 1 des 1. Hilfsantrages nichts hinzu. Somit bleibt der bezüglich des 1. Hilfsantrages gegen dieses Merkmal gerichtete Klarheitseinwand bestehen, so dass der 2. Hilfsantrag aus den für den 1. Hilfsantrag bereits genannten Gründen nicht gewährbar ist.

3. Hilfsantrag

6. Neuheit

6.1 Anspruch 1 des 3. Hilfsantrages ist auf die Verwendung einer Folie für Tiefziehanwendungen gerichtet, wobei die Folie unter Tiefziehen auf einer Tiefziehmaschine verformt wird.

Die Merkmale der Folie in Anspruch 1 des 3. Hilfsantrages sind identisch zu den in Anspruch 1 des Hauptantrages enthaltenen Merkmalen. Aus den hinsichtlich des Hauptantrages genannten Gründen nimmt die zweite Folie 19 der D2 diese Merkmale neuheitsschädlich vorweg.

6.2 Somit ist bezüglich der Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des 3. Hilfsantrages lediglich zu untersuchen, ob D2 auch die Verwendung dieser zweiten Folie für Tiefziehanwendungen offenbart, wobei die Folie unter Tiefziehen auf einer Tiefziehmaschine verformt wird.

6.2.1 Wie bereits bei der Diskussion der Tiefziehfähigkeit ausgeführt wurde, wird gemäß Streitpatent (Absatz [0034]) unter Tiefziehen "die Verformung einer Folie oder Platte verstanden, die nach Erwärmung mittels einer Luftdruckdifferenz oder eines Kolbens in eine vorgeformte Mulde gedrückt oder gezogen wird." Es ist daher zu untersuchen, ob D2 die Verwendung der zweiten Folie in einem solchen gemäß Streitpatent definierten Tiefziehverfahren offenbart.

Die einzige konkrete in D2 offenbarte Verwendung der zweiten Folie besteht in deren Einsatz zur Verpackung von Würsten (Spalte 4, Zeile 1-15 in Verbindung mit Abbildungen 1-3). Hierbei wird, wie oben unter Punkt 4.1 bereits erläutert wurde, zunächst eine erste Folie ("forming web") ausgeformt und dann zwei Würste in diese Folie eingelegt. Daran anschließend wird eine zweite Folie ("non-forming web") über die beiden Würste gelegt und erhitzt. An die durch die erste und zweite Folie gebildete, die beiden Würste enthaltende Kammer wird ein Vakuum angelegt und die beiden Folien am Rand versiegelt. In der so erhaltenen Wurstverpackung umschließt die zweite Folie die Wurstoberseiten (Abbildung 3). Somit wird die erhitzte zweite Folie durch das Anlegen des Vakuums auf die Wurstoberflächen und damit auch in die durch diese Oberflächen vorgeformte Mulde hineingezogen. Dies entspricht exakt dem im Streitpatent als Tiefziehen definierten Verfahren. Das Anlegen eines Vakuums impliziert darüber hinaus, dass eine Vorrichtung zur Erzeugung eines Vakuums eingesetzt wird und damit das Verfahren in einer "Maschine" durchgeführt wird. Somit ist in D2 das Merkmal des Anspruchs 1 "Verwendung für Tiefziehanwendungen, wobei die Folie unter Tiefziehen auf einer Tiefziehmaschine verformt wird" offenbart.

Vom Experten des Patentinhabers wurde hierzu ausgeführt, dass ein Tiefziehverfahren eine Verformung einer Folie mit einem Werkzeug voraussetzt und damit die Verformung der zweiten Folie in D2 nicht als Tiefziehverfahren anzusehen sei, da dort die zu verpackenden Würste anstelle eines Werkzeuges zur Formgebung benützt würden. Entsprechend bilde auch die zweite Folie der D2 die Oberfläche der verpackten Würste ab, was bei einer tiefgezogenen Folie nicht der Fall sei. Dieser Auffassung des Patentinhabers steht jedoch die Aussage des Experten des Einsprechenden entgegen, dass auch ein Verfahren, bei dem der zu verpackende Gegenstand zur Formgebung der Folie dient, grundsätzlich ein Tiefziehverfahren darstelle. Darüber hinaus findet diese Auffassung des Patentinhabers keine Stütze in der oben diskutierten breiten Definition des Tiefziehens im Streitpatent. Insbesondere enthält diese Definition keinerlei Einschränkung hinsichtlich der Art des zur Formgebung zu verwendenden Gegenstandes, sondern fordert lediglich allgemein eine "vorgeformte Mulde". Eine nicht durch das Füllgut gebildete Mulde wird lediglich in den Tiefziehversuchen der Beispiele des Streitpatentes offenbart. Eine solche beispielhafte Offenbarung kann jedoch nicht zu einer beschränkenden Auslegung der Tiefziehanwendung des Anspruchs 1 führen.

Bei dieser Sachlage muss sich der Patentinhaber eine breite, auf der im Streitpatent gegebenen Definition basierende Auslegung des Anspruchsmerkmals gefallen lassen. Dem Gegenstand des Anspruchs 1 des 3. Hilfsantrages mangelt es daher an Neuheit gegenüber D2.

4. Hilfsantrag

Anspruch 1 des 4. Hilfsantrages unterscheidet sich von Anspruch 1 des 3. Hilfsantrages lediglich dadurch, dass das Merkmal "auf einer Tiefziehmaschine" entfernt wurde und das Merkmal "und einen nach dem Tiefzug tiefgezogenen Bereich aufweist" aufgenommen wurde. Dieses zusätzliche Merkmal fügt dem Anspruch 1 des 3. Hilfsantrages nichts hinzu. Daher mangelt es dem Gegenstand des Anspruchs 1 des 4. Hilfsantrages aus den hinsichtlich des 3. Hilfsantrages genannten Gründen an Neuheit gegenüber D2.

5. Hilfsantrag

Anspruch 1 des 5. Hilfsantrages unterscheidet sich von Anspruch 1 des 3. Hilfsantrages lediglich dadurch, dass das Merkmal "auf einer Tiefziehmaschine" entfernt wurde und das Merkmal "indem nach Erwärmung die Folie mittels einer Luftdruckdifferenz oder eines Kolbens in eine verformte Mulde gedrückt oder gezogen wird" hinzugefügt wurde. Wie oben bei der Diskussion des 3. Hilfsantrages bereits ausgeführt, offenbart D2 das Hineinziehen der erwärmten zweiten Folie mittels Vakuum in eine durch zwei Wurstoberflächen geformte Mulde. Somit ist auch das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 des 5. Hilfsantrages in D2 offenbart. Daher ist auch die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des 5. Hilfsantrages gegenüber D2 zu verneinen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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