T 2199/08 () of 10.8.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T219908.20100810
Datum der Entscheidung: 10 August 2010
Aktenzeichen: T 2199/08
Anmeldenummer: 02004846.8
IPC-Klasse: B29C 45/72
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren sowie Vorrichtung zur chargenweisen Nachkühlung von hülsenförmigen Spritzgiessteilen
Name des Anmelders: Netstal-Maschinen AG
Name des Einsprechenden: HUSKY INJECTION MOLDING SYSTEMS LTD
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 114(2)
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und Hilfsantrag 1, nein
Unzulässige Erweiterung - Hilfsantrag 1, nein
Zulässigkeit der verspätet vorgelegten Hilfsanträge 2 und 3, nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der auf Artikel 100(a) EPÜ (fehlende Neuheit, Artikel 54 EPÜ; mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) gestützte Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 215 031 zurückgewiesen worden ist, Beschwerde eingelegt.

II. Am 10. August 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des angegriffenen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent gemäß den Ansprüchen 1 und 7, eingereicht am 8. Juli 2010 aufrechtzuerhalten, weiter hilfsweise gemäß den Ansprüchen 1 bis 11 jeweils nach den Hilfsanträgen 2 oder 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung.

IV. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Druckschriften Bezug genommen:

E1 : US Re.33,237

E2 : US-A-5,470,221.

V. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 7 des Streitpatents (Hauptantrag) lauten wie folgt:

"1. Verfahren für das chargenweise Nachkühlen einer grösseren Zahl von einseitig mit einem Boden verschlossenen, hülsenförmigen Spritzgiessteilen (10), welche nach dem Spritzvorgang den Giessformen (8, 9) entnommen und nachgekühlt werden und dabei in Wasserkühlrohre eines Nachkühlers (19) eingeschoben und wieder ausgestossen und von einem halbstarren Zustand beim Öffnen der Giessformhälften (8, 9) in einen formstabilen Lagerzustand gebracht und einem Weitertransport übergeben werden, wobei die Wasserkühlrohre des Nachkühlers in parallelen Reihen angeordnet sind,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Reihen versetzt angeordnet sind, wobei durch entsprechendes Querschieben und Längsschieben der Nachkühler (19) zwei oder mehrere Chargen von Spritzgiessteilen (10) von je einem Spritzgiesszyklus aufnehmen kann, und die Füllung und Kühlung einzelner Chargen je eines Giesszyklusses in ersten, zweiten usw. Reihen zyklisch erfolgt."

"7. Vorrichtung für das chargenweise Nachkühlen einer grösseren Zahl von einseitig mit einem Boden verschlossenen, hülsenförmigen Spritzgiessteilen (10), welche nach dem Spritzvorgang den Formen (8, 9) entnommen und nachgekühlt werden und dabei in Wasserkühlrohre (22, 100, 200) eines Nachkühlers eingeschoben und wieder ausgestossen und von einem halbstarren Zustand beim Öffnen der Formhälften in einen formstabilen Lagerzustand gebracht und einem Weitertransport übergeben werden, wobei die Wasserkühlrohre des Nachkühlers in parallelen Reihen angeordnet sind,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Reihen versetzt angeordnet sind, und die Füllung und Kühlung einzelner Chargen durch eine entsprechende Quer- und Längsschiebung des Nachkühlers (19) für je einen Spritzgiesszyklus in ersten, zweiten usw. Reihen durchführbar ist."

VI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das Merkmal

"dass die Reihen versetzt angeordnet sind"

durch das Merkmal

"dass die Reihen nicht nur parallel, sondern zusätzlich versetzt angeordnet sind"

und der Ausdruck "aufnehmen kann" durch den Ausdruck "aufnimmt" ersetzt worden sind.

Anspruch 7 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Anspruch 7 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das Merkmal

"dass die Reihen versetzt angeordnet sind"

durch das Merkmal

"dass die Reihen nicht nur parallel, sondern zusätzlich versetzt angeordnet sind"

und der Ausdruck "durchführbar ist" durch den Ausdruck "durchgeführt ist" ersetzt worden sind.

VII. Die Ansprüche 1 und 7 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheiden sich von den Ansprüchen 1 und 7 gemäß Hauptantrag dadurch, dass jeweils das Merkmal

"dass die Reihen versetzt angeordnet sind"

durch das Merkmal

"dass zur engeren Anordnung der Wasserkühlrohre die jeweils benachbarten Reihen nicht nur parallel, sondern zusätzlich versetzt angeordnet sind"

ersetzt worden ist.

VIII. Die Ansprüche 1 und 7 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheiden sich von den Ansprüchen 1 und 7 gemäß Hauptantrag dadurch, dass jeweils das Merkmal

"dass die Reihen versetzt angeordnet sind"

durch das Merkmal

"dass zur engeren Anordnung der Wasserkühlrohre die jeweils benachbarten Reihen entsprechend dem Schnitt aus den Fig. 9a und 9b nicht nur parallel, sondern zusätzlich versetzt angeordnet sind"

ersetzt worden ist.

IX. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Hauptantrag

Eine Beschränkung bezüglich der Art und Weise, wie die parallel angeordneten Wasserkühlrohrreihen versetzt seien, sei dem Anspruch 1 (Hauptantrag) nicht zu entnehmen. Anspruch 1 gebe weder ein Maß noch die Richtung der Versetzung an.

Die parallelen Reihen der Kühlrohre seien im Nachkühler gemäß Druckschrift E1 nicht nur nebeneinander, sondern so versetzt angeordnet, dass die Reihen für die einzelnen Chargen ineinander verschachtelt sein (Druckschrift E1, Figur 2). Die Druckschrift E1 bilde den nächstliegenden Stand der Technik und offenbare somit alle Merkmale des Anspruchs 1 mit Ausnahme des Merkmals "durch entsprechendes Querschieben und Längsschieben" des Nachkühlers.

Insofern die Aufgabe für den Fachmann darin bestehe, eine engere Anordnung der Kühlrohre im Nachkühler zu finden, so sei die Lösung aus dem Allgemeinwissen wie z.B. das Stapeln von Flaschen oder die Anordnung der Honigzellen in einer Bienenwabe bekannt. Außerdem führe eine Versetzung der Reihen in Längsrichtung der Reihen ohne ein gleichzeitiges Zusammenrücken der Reihen nicht zu einer engeren Anordnung der Kühlrohre im Nachkühler, sondern bewirke nur eine durch das Ausmaß des Versatzes bedingte Vergrößerung des Nachkühlers.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 (Hauptantrag) ergebe sich in naheliegender Weise aus der Kombination der Druckschrift E1 mit dem Allgemeinwissen des Fachmanns und beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag 1

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 beanspruche eine ursprünglich nicht offenbarte Zwischenverallgemeinerung und verstoße gegen Artikel 123(2) EPÜ, weil nicht alle Merkmale des auf Seite 8, Zeilen 15 bis 20, offenbarten Ausführungsbeispiels, auf das sich die Änderungen im Anspruch 1 stützen sollen, in den Anspruch aufgenommen seien.

Ferner seien die im Anspruch 1 (Hilfsantrag 1) hinzugefügten Merkmale bereits aus der Druckschrift E1 bekannt, da auch der Anspruch 1 des Hilfsantrags weder ein Maß noch die Richtung der Versetzung vorgebe. Der Gegenstand des Anspruchs 1 (Hilfsantrag 1) ergebe sich somit nach wie vor in naheliegender Weise aus der Kombination der Druckschrift E1 mit dem Allgemeinwissen des Fachmanns und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsanträge 2 und 3

Die Einwände bezüglich des nicht spezifizierten Begriffs "versetzt" und bezüglich der Druckschrift E1 seien seit der Beschwerdebegründung bekannt. Hilfsantrag 1 sei auch diesbezüglich bereits vorgelegt worden. Es bestünde somit kein Anlass, noch weitere Hilfsanträge 2 und 3 zuzulassen.

Außerdem enthielten Anspruch 1 jeweils gemäß Hilfsantrag 2 und 3 keine konkreten Anweisungen bezüglich einer "engeren Anordnung der Wasserkühlrohre", die eine erfinderische Tätigkeit hätten begründen können.

Zudem seien Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 wegen des relativen Begriffs "engeren" und Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 wegen des Verweises auf die Figuren 9a und 9b unklar.

Die verspätet vorgebrachten Hilfsanträge 2 und 3 seien somit prima facie nicht gewährbar und auch aus diesem Grund nicht zuzulassen.

X. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Hauptantrag

Das Merkmal des Anspruchs 1 (Hauptantrag), dass "die Reihen versetzt angeordnet sind", sei zusätzlich zur Anordnung der Wasserkühlrohre in parallelen Reihen zu verstehen. Gemäß dem im Streitpatent offenbarten Ausführungsbeispiel sei somit die Versetzung in Längsrichtung der Reihen zu verstehen. Dies werde noch zusätzlich vom Merkmal des Quer- und Längsverschiebens des Nachkühlers bestätigt (Anspruch 1, Hauptantrag). Auf diese Weise versetzt angeordnete Wasserkühlrohre bewirkten, dass bei gleichem vorgegebenen Formnestabstand im Nachkühler mittels entsprechendem Quer- und Längsschieben mehr Chargen aufgenommen werden könnten, womit der Durchsatz erhöht werde.

In der aus der Druckschrift E1 bekannten Vorrichtung bestimme sich die Dimension des Entnahmegreifers und des Nachkühlers nach der Dimension des Formwerkzeugs. Wie in Figur 2 gezeigt, könne dieser Nachkühler aufgrund dieser Vorgabe durch das Formwerkzeug nur drei Chargen aufnehmen. Die Druckschrift E1 befasse sich nicht mit dem Problem einer kompakten Anordnung der Kühlrohre im Nachkühler. Der bekannte Nachkühler sei auch nur in eine Richtung bewegbar. Es gebe somit auch keinen Hinweis darauf zur Lösung der im Streitpatent angegebenen Aufgabe (siehe Absatz [0008]) die Anzahl der möglichen Chargen im Nachkühler zu erhöhen und diese Aufgabe durch eine versetzte Anordnung der Kühlrohrreihen im Zusammenhang mit einem entsprechenden Quer- und Längsverschieben des Nachkühlers zu lösen.

Bei einem Versuch, die Anzahl der möglichen Chargen im Nachkühler zu erhöhen, würde der Fachmann lediglich weitere Reihen hinzufügen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 (Hauptantrag) sei somit nicht naheliegend und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag 1

Die Versetzung der Reihen sei im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 weiter präzisiert worden und unterscheide sich somit noch deutlicher vom Stand der Technik gemäß der Druckschrift E1.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 (Hilfsantrag 1) sei aus den bereits zum Hauptantrag ausgeführten Gründen nicht naheliegend und beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsanträge 2 und 3

Hilfsanträge 2 und 3 seien als Reaktion auf die Diskussion um den Begriff "versetzt" während der mündlichen Verhandlung und den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 eingereicht worden.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 sei trotz des Verweises auf die Figuren 9a und 9b klar, weil zumindest die Art der Versetzung der Reihen aus diesen, wenn auch schematischen Figuren hervorgehe.

Hilfsanträge 2 und 3 seien somit prima facie zielführend und dementsprechend zuzulassen.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Auslegung des Begriffs "versetzt"

1.1 Gemäß Anspruch 1 (Hauptantrag) sind die parallelen Reihen der Wasserkühlrohre des Nachkühlers versetzt angeordnet. Explizite weitere Angaben beispielsweise zum Ausmaß oder zur Richtung der Versetzung sind im Anspruch nicht enthalten.

1.2 Im Ausführungsbeispiel kommt die Versetzung der Reihen aus dem Schnitt der Figur 9a und 9b mit den Maßangaben x resp. y zum Ausdruck (Streitpatent, Absatz [0022], veröffentlichte Fassung). Gemäß den Ausführungen der Beschwerdegegnerin stellt die Angabe y den Versatz in Längsrichtung der Reihen dar, und dieser solle als der in Anspruch 1 genannte Versatz verstanden werden.

1.3 Zur Auslegung des Begriffs "versetzt" sind auch die folgenden Aspekte in Betracht zu ziehen.

Im allgemeinen Teil der Beschreibung des Streitpatents wird die Versetzung der Reihen nur im Zusammenhang mit der Aufnahme mehrerer Chargen offenbart (Streitpatent, Absätze [0009] und [0012], veröffentlichte Fassung) ohne dass angegeben wird, wie im einzelnen die Reihen versetzt sind.

Somit folgt, dass, wenn parallele Reihen von Kühlrohren im Nachkühler zur Aufnahme mehrerer Chargen "versetzt" angeordnet sind, diese Reihen nicht zwingend entlang ihrer Längsrichtung versetzt sind. Druckschrift E1 zeigt z.B. eine Anordnung, in der die parallelen Reihen (21, 22, 23) von verschiedenen Chargen quer zur Längserstreckung dieser Reihen versetzt angeordnet sind, siehe Figur 2.

1.4 Dem Argument der Beschwerdegegnerin, dass das im Anspruch 1 (Hauptantrag) enthaltene Merkmal der Quer- und Längsverschiebung eine engere Auslegung des Begriffs "versetzt" im Sinne eines Versatzes in Längsrichtung der Reihen (entsprechend dem Ausführungsbeispiel) bewirke, kann aus folgendem Grund nicht gefolgt werden: Die beanspruchte Quer- und Längsverschiebung ist im Anspruch 1 (Hauptantrag) durch das Wort "entsprechend" an die Versetzung der Reihen gekoppelt. Sofern die Reihen nicht zwingend in Quer- und Längsrichtung der Reihen versetzt sind, beinhaltet die "entsprechende Quer- und Längsverschiebung" nicht unbedingt eine Quer- und Längsverschiebung. So muss z.B. bei einer parallel versetzten Anordnung gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik (Druckschrift E1, Figur 2) der Nachkühler nur entsprechend in einer Richtung verschoben werden.

1.5 Den im Anspruch 1 (Hauptantrag) verwendeten Begriff "versetzt" nur im Sinne eines Versatzes in Längsrichtung der Reihen entsprechend dem Ausführungsbeispiel auszulegen, ist somit nicht gerechtfertigt.

Der im Anspruch 1 (Hauptantrag) verwendete Begriff "versetzt" beinhaltet somit keine spezifischen Aussagen zu der Richtung, in welcher die parallelen Reihen versetzt angeordnet sind. Daraus folgt, dass die Merkmale

a) die parallelen Reihen Kühlrohre sind versetzt angeordnet

und

b) der Nachkühler wird entsprechend quer- und längsverschoben

nicht dazu beitragen, den Gegenstand des Anspruchs 1 (Hauptantrag) vom Stand der Technik gemäß der Druckschrift E1 zu unterscheiden.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Die Druckschrift E1 bildet den nächstliegenden Stand der Technik. In diesem Punkt sind sich auch die Parteien einig.

Die in der Druckschrift E1 offenbarte Vorrichtung beinhaltet einen Nachkühler ("carrier plate or cooled robot storage plate 20") für das chargenweise Nachkühlen von in zwei Achterreihen produzierten Preformen (Spalte 1, Zeilen 25 bis 49; Spalte 3, Zeile 67 bis Spalte 4, Zeile 1; Spalte 6, Zeilen 18 bis 24). Dazu ist im Nachkühler eine Anzahl Reihen fluidgekühlter Rohre angeordnet, die ein Mehrfaches der in einem Spritzgusszyklus herstellbaren Preformen entspricht (Spalte 4, Zeilen 33 bis 40). Die den verschiedenen Chargen entsprechenden Kühlrohre sind nicht der Anordnung in der Gießform entsprechend nebeneinander im Nachkühler angeordnet. Stattdessen sind die den verschiedenen Chargen entsprechende Kühlrohre im Nachkühler quer zur Längserstreckung der Reihen derart versetzt angeordnet, dass zwecks einer kompakteren Gestaltung des Nachkühlers unmittelbar benachbarte Reihen zur Aufnahme verschiedener Chargen dienen (Spalte 4, Zeilen 50 bis 62, Figur 2).

Die Druckschrift E1 beschreibt damit bereits ein Verfahren bei dem der Nachkühler zur Aufnahme mehrerer Chargen entsprechend, hier quer-, verschoben wird und die Kühlrohre in parallelen und versetzten Reihen angeordnet sind.

Die Druckschrift E1 offenbart ferner, dass der Nachkühler fluidgekühlte Rohre aufweist (Spalte 6, Zeilen 11 bis 17), allerdings ohne das Fluid näher zu bezeichnen.

Somit unterscheidet sich der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) vom nächstliegenden Stand der Technik nur dadurch, dass der Nachkühler Wasserkühlrohre aufweist.

Dem Fachmann sind allerdings sowohl Luft- als auch Wasserkühlungen für Kühlrohre eines Nachkühlers geläufig (siehe Druckschrift E1, Spalte 2, Zeilen 5 bis 11). Die Entscheidung für eine der an sich bekannten Kühlungsarten bedurfte somit keiner erfinderischer Tätigkeit.

2.2 Selbst wenn der Begriff "versetzt" im Sinne der Beschwerdegegnerin so ausgelegt wird, dass damit eine Versetzung in Längsrichtung der Reihen gemeint sei, kann dies nach Auffassung der Kammer das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen.

Zunächst ist anzumerken, dass durch eine Versetzung in Längsrichtung der Reihen nicht unbedingt eine kompaktere Anordnung der Kühlrohre im Nachkühler erreicht wird; allenfalls wird damit die Möglichkeit gegeben, den Abstand zwischen den Reihen zu verkleinern.

Ferner ist anzumerken, dass die im Streitpatent genannte Aufgabe, die Nachkühlzeit von dem eigentlichen Gießzyklus unabhängig zu machen und die Produktivität zu steigern (Absatz [0008], veröffentlichte Fassung), auch der Vorrichtung gemäß der Druckschrift E1 zugrunde liegt (Spalte 1, Zeilen 25 bis 49; Spalte 2, Zeilen 34 bis 48) und diese Aufgabe gemäß der Druckschrift E1 auch entsprechend der im Streitpatent vorgeschlagenen Lösung gelöst wird, nämlich den Nachkühler so zu gestalten, dass er mehrere Chargen aufnehmen kann. Auf diese Weise wird die Nachkühlzeit vom Spritzgießzyklus entkoppelt bzw. auf ein Mehrfaches der Spritzgießzykluszeit - entsprechend der Anzahl der im Nachkühler aufnehmbaren Chargen - erhöht (Druckschrift E1, Spalte 3, Zeilen 20 bis 31 und Spalte 4, Zeilen 33 bis 68 im Vergleich mit Seite 4, Zeilen 43 bis 52 des Streitpatents).

Davon ausgehend kann die eigentliche Aufgabe nur in einer Optimierung des aus dieser Druckschrift bekannten Verfahrens und Vorrichtung gesehen werden. Die Druckschrift E1 lehrt bereits den Nachkühler so zu gestalten, dass er mindestens zwei, gemäß dem Ausführungsbeispiel drei Chargen aufnehmen kann, wodurch bei gleichbleibender Zykluszeit die Nachkühlzeit verdoppelt, bzw. verdreifacht wird. Da mit Aufnahme mehrerer Chargen die Größe des Nachkühlers zunimmt und dies eine bewegte Masse ist, wird nach Ansicht der Kammer der Fachmann in Betracht ziehen, eine größere Anzahl von Kühlrohren auf dem durch den Nachkühler gegebenen Raum anzuordnen.

So würde der Fachmann zur Lösung dieser Aufgabe auch eine engere Anordnung der Kühlrohre im Nachkühler in Betracht ziehen und hierbei sein Allgemeinwissen z.B. bezüglich der Stapelung von Flaschen bzw. der Anordnung der Honigzellen in einer Bienenwabe, welche beide der dichtesten Anordnung entsprechen, nicht außer Acht lassen. Bei dieser dichtesten Anordnung sind jeweils benachbarte Reihen nicht nur parallel, sondern zusätzlich (in Längsrichtung der Reihen) versetzt. Dem Fachmann ist ebenfalls bekannt, dass selbst auf dem Gebiet des Spritzgusses diese dichteste Anordnung verwendet wird - siehe z.B. die Anordnung der Hohlräume in der Gussform, gemäß der Druckschrift E2 (Spalte 3, Zeilen 53 bis 56; Spalte 4, Zeilen 49 bis 53; Figuren 4 und 9).

Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auch bei einer engeren Auslegung des Anspruchs für den Fachmann naheliegend.

2.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht folglich nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Hilfsantrag 1

3. Zulässigkeit

Die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 vorgenommenen Änderungen sind bezüglich Inhalt und Umfang überschaubar und wurden in Reaktion auf die im Anhang zur Ladung beigefügten Argumente der Kammer innerhalb der zur Einreichung vorbereitender Schriftsätze gestellten Frist eingereicht. Der Hilfsantrag 1 ist deshalb zugelassen.

4. Artikel 123(2) EPÜ

Die im Anspruch 1 eingefügte Präzisierung bezüglich der Reihen, die "nicht nur parallel, sondern zusätzlich" versetzt angeordnet sind, wird auch unabhängig der konkreten Reihenanordnung im Ausführungsbeispiel durch die Anmeldung, Seite 5, Zeilen 24 und 25 (veröffentlichte Fassung) gestützt.

Ferner besagt der Absatz [0032], Seite 9, Zeilen 26 bis 28 (Streitpatentanmeldung, veröffentlichte Fassung) nur, dass die zusätzliche Versetzung der Reihen im Schnitt der Figuren 9a und 9b durch die Maßangaben x und y zum Ausdruck kommt. Es geht somit nicht aus diesem Satz hervor, dass die zusätzliche Versetzung der Reihen nur gemäß dem Ausführungsbeispiel ausgeführt werden kann. Dem von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwand bezüglich Artikel 123(2) EPÜ kann somit nicht gefolgt werden.

5. Erfinderische Tätigkeit

Wie bereits im Zusammenhang mit dem Hauptantrag argumentiert, sind die parallelen Kühlrohrreihen gemäß der Druckschrift E1 bereits "zusätzlich" versetzt (siehe Abschnitte 1 und 2). Die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 vorgenommenen Änderungen, insbesondere bezüglich der zusätzlich versetzten Reihen, sind somit nicht geeignet, die im Zusammenhang mit dem Hauptantrag im Abschnitt 2 begründeten Schlussfolgerungen bezüglich der erfinderischen Tätigkeit in Frage zu stellen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsanträge 2 und 3

6. Obwohl die Problematik bezüglich des Begriffs "versetzt" von Beginn an Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war und im Anhang zur Ladung zur mündlichen Verhandlung ausführlich darauf hingewiesen wurde, worauf die Beschwerdegegnerin einen entsprechenden Hilfsantrag 1 stellte, wurden die Hilfsanträge 2 und 3 erst während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer und somit verspätet eingereicht.

Im Anhang zur Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden die Parteien auf die Bestimmungen des Artikels 13 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) hingewiesen. Gemäß dieser Verfahrensordnung (VOBK), müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten, Artikel 12(2) VOBK, und es steht im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen, Artikel 13(1) VOBK.

7. Zulässigkeit Hilfsantrag 2

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist unklar (Artikel 84 EPÜ), weil es für den Ausdruck "zur engeren Anordnung der Wasserkühlrohre" keinen Bezugspunkt gibt.

Ansonsten unterscheidet sich die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 gegenüber dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 eingefügte weitere Präzisierung, dass es die "jeweils benachbarten Reihen" sind, die nicht nur parallel, sondern zusätzlich versetzt angeordnet sind, nicht von dem aus der Druckschrift E1 bekannten Nachkühler, bei dem, wie bereits im Zusammenhang mit dem Hauptantrag erörtert, die jeweils benachbarten Reihen zu unterschiedlichen Chargen (21, 22, 23) gehören, die zwischen denen der anderen Chargen und somit nicht nur parallel, sondern zusätzlich versetzt angeordnet sind (Spalte 4, Zeilen 50 bis 62, Figur 2).

Somit ist auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 für den Fachmann naheliegend (Artikel 56 EPÜ), deshalb prima facie nicht gewährbar und folglich nach der ständigen Spruchpraxis der Beschwerdekammern als verspätet vorgelegt nicht zuzulassen (Artikel 114(2) EPÜ, Artikel 13(1) VOBK).

8. Zulässigkeit Hilfsantrag 3

Der im Anspruch 1 (Hilfsantrag 3) enthaltene Verweis "entsprechend dem Schnitt aus den Figuren 9a und 9b" ist nicht klar, weil die Figuren rein schematische Darstellungen sind, aus denen sich keine klaren Anforderungen bezüglich des Schutzumfangs ableiten lassen.

Zusätzlich gibt es für das Ausmaß der Abweichung von der in den Figuren 9a und 9b gezeigten Anordnung, die noch "entsprechend" unter den Wortlaut des Anspruchs fallen, keinerlei Anhaltspunkte in der Beschreibung.

Somit ist der Gegenstand, für den im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 Schutz begehrt wird, nicht klar abgegrenzt, so dass Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 nicht den Anforderungen des Artikels 84 EPÜ entspricht.

8.1 Hilfsantrag 3 wird somit als verspätet vorgelegt und im Hinblick auf Artikel 84 EPÜ prima facie nicht gewährbar nicht zugelassen (Artikel 114(2) EPÜ, Artikel 13(1) VOBK).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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