T 2009/08 () of 26.10.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T200908.20101026
Datum der Entscheidung: 26 October 2010
Aktenzeichen: T 2009/08
Anmeldenummer: 01929639.1
IPC-Klasse: E01C 23/088
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Baumaschine zum Bearbeiten von Bodenoberflächen
Name des Anmelders: Wirtgen GmbH
Name des Einsprechenden: CATERPILLAR INC.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Zulässigkeit von Beweismitteln (teilweise verneint)
Zulässigkeit des einzigen Antrags (bejaht)
Erweiterung (verneint)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Aufnahme von angeblichen Aussagen in die Niederschrift (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 15. Juli 2008, zur Post gegeben am 14. August 2008, das Europäische Patent Nr. 1 294 991 in geändertem Umfang gemäß Hilfsantrag, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung, nach Artikel 101(3)a) EPÜ aufrechtzuerhalten.

II. Die Beschwerdeführerinnen I (Einsprechende) und II (Patentinhaberin) hatten am 14. Oktober 2008 bzw. 18. Oktober 2008 Beschwerde eingelegt und am jeweils gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründungen waren jeweils am 23. Dezember 2008 und 24. Dezember 2008 eingegangen.

III. Mit Ladung vom 16. Juni 2010 zur mündlichen Verhandlung teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung in einem Bescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK mit. Die mündliche Verhandlung fand am 26. Oktober 2010 unter Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.

IV. Die Beschwerdeführerin I beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis der Ansprüche 1 bis 14 ihres einzigen Antrags, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.

V. Der unabhängige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Baumaschine (1) zum Bearbeiten von Bodenoberflächen,

- mit einem Fahrwerk (2), das einen Maschinenrahmen (4) trägt,

- mit einem aus einem Verbrennungsmotor bestehenden Antriebsmotor (6),

- mit einer an dem Maschinenrahmen (4) gelagerten Arbeitswalze (8), auf deren Mantelfläche auswechselbare Werkzeuge (14) befestigt sind, und

- mit einem zumindest aus dem Verbrennungsmotor (6) und einem mit dem Verbrennungsmotor (6) gekoppelten Getriebe bestehenden Antriebsstrang (18) für die Arbeitswalze (8), und

- mit einem Hilfsantrieb (20), der innerhalb der Breite der Baumaschine (1) angeordnet ist,

dadurch gekennzeichnet,

- dass das Getriebe (16) ein Riemengetriebe (16) ist,

- dass der Hilfsantrieb (20) die Arbeitswalze (8) im angehobenen Zustand um einen vorbestimmten oder wählbaren Drehwinkel verdreht, wobei das Drehmoment des Hilfsantriebs (20) höher ist als das Trägheitsmoment der Arbeitswalze (8) und des mit der Arbeitswalze (8) mitbewegten Teils des Antriebsstrangs (18) bei ausgeschaltetem oder entkoppeltem Verbrennungsmotor (6),

- dass das Riemengetriebe (16) aus mindestens zwei Riemenscheiben (24, 28) und mindestens einem Antriebsriemen (30) besteht,

- dass der Hilfsantrieb mit dem Riemengetriebe (16) koppelbar ist und innerhalb des Riemenantriebsgehäuses untergebracht ist,

- dass der Hilfsantrieb einen elektrisch, hydraulisch oder pneumatisch betriebenen Motor aufweist, und

- dass der Hilfsantrieb (20) über eine Stelleinrichtung (37) mit dem Riemengetriebe (16) koppelbar ist, oder

- der Hilfsantrieb (20) permanent mit dem Riemengetriebe (16) gekoppelt ist."

VI. Die Beschwerdeführerin I hat die folgenden Beweismittel herangezogen:

D1 = US A 4 325 580

D2 = US A 5 297 894

eingereicht nach Ablauf der Einspruchsfrist:

D5 = Prospekt "CAT PR-750B Pavement Profiler"

eingereicht im Beschwerdeverfahren:

- KBS 10 Affidavit (Herr Sharp)

- Zeugenangebot Herr Sharp

- KBS 11 "Caterpillar Operation & Maintenance Manual PR-750B Pavement Profiler, November 1985"

- KBS 12 "Caterpillar Service Manual PR-750B Pavement Profiler, March 1986"

- KBS 13 "Caterpillar Parts Manual PR-750B Pavement Profiler, February 1990"

VII. Die Parteien haben im wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

VII.1 Zulässigkeit von Beweismitteln

Die Beschwerdeführerin I argumentierte, dass das Dokument D5 zwar verspätet eingereicht worden sei, dessen Zulässigkeit aber nicht in Abrede gestellt werden könne, da es bereits im Prüfungsverfahren genannt worden sei, und zwar von der Beschwerdeführerin II selbst. Die zur D5 ergänzend nachgereichten Dokumente sollen Umstände der Vorveröffentlichung bzw. Unklarheiten aus dem Ladungsbescheid der Kammer klären.

Die Beschwerdeführerin II räumte ein, dass D5 im Prüfungsverfahren mit ihrem Schreiben vom 9. März 2006 eingeführt worden sei. Dieser seit vielen Jahren bekannte Stand der Technik aus dem Hause der Beschwerdeführerin I sei von dieser jedoch sowohl im Einspruchs-, als auch Beschwerdeverfahren verspätet eingereicht worden. Zudem sei D5 prima facie nicht relevant, und die von der Beschwerdeführerin I vorgelegte eidesstattliche Erklärung KBS 10 zur Vorveröffentlichung der D5 fehlerhaft. Auch die ergänzenden Unterlagen KBS 11 bis 13 enthalten keinen Hinweis auf deren Veröffentlichung. Eine Zulassung von D5 und den hierzu nachgereichten Unterlagen sei daher nicht gerechtfertigt.

VII.2 Zulässigkeit des einzigen Antrags

Die Beschwerdeführerin I argumentierte, dass in den nunmehr vorliegenden abhängigen Ansprüchen Bezugszeichen fehlen und zudem der Oberbegriff des Anspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht korrekt abgegrenzt sei. Weiters seien einige Passagen der Beschreibung erst sehr spät, d.h. während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, an Anspruch 1 anzupassen. Der Antrag der Beschwerdeführerin II sei daher unzulässig.

Die Beschwerdeführerin I erwiderte, dass die Ansprüche den Erfordernissen des EPÜ genügen, und die Anpassung der Beschreibung gegebenenfalls auch in einem weiteren schriftlichen Verfahren erfolgen könne.

VII.3 Änderungen

Die Beschwerdeführerin I argumentierte, dass der in Anspruch 1 genannte Ausdruck "Stelleinrichtung" bestenfalls in der Regelungstechnik bekannt sei, aber ansonsten keinen allgemein verständlichen Begriff darstelle. Der Fachmann entnehme hierzu der ursprünglichen Beschreibung, dass die Stelleinrichtung stets eine Kolbenzylindereinheit und, in Zusammenhang mit den in den Figuren 4 bis 7 gezeigten speziellen Ausführungsformen, zusätzliche Mechanismen wie etwa Reibrollen oder Zahnräder umfasse, um schließlich den Hilfsantrieb an das Riemengetriebe zu koppeln. Insbesondere betreffen die Figuren 4 und 5 ein und dasselbe Ausführungsbeispiel, und die Beschreibung zur Figur 4, wo lediglich von einer Stelleinrichtung zum Andrücken der Reibrolle die Rede sei, könne daher nicht losgelöst von der aus einer Kolbenzylindereinheit bestehenden Stelleinrichtung gemäß nachfolgender Beschreibung zu Figur 5 verstanden werden. Darüber hinaus müsse bei permanenter Kopplung des Hilfsantriebs mit dem Riemengetriebe im Falle hydraulischen oder pneumatischen Antriebs ein den Leerlauf zulassendes Steuerventil vorgesehen werden, siehe Anmeldung Seite 10, erster Absatz (wie veröffentlicht). Ein Hilfsantrieb, welcher lediglich über irgendeine nicht näher definierte Stelleinrichtung mit dem Riemengetriebe koppelbar sei oder im Falle permanenten hydraulischen bzw. pneumatischen Antriebs kein Steuerventil aufweise, sei den ursprünglich eingereichten Unterlagen daher nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.

Die Beschwerdeführerin II argumentierte, dass der Begriff "Stelleinrichtung" dem Fachmann als Ingenieur sehr wohl bekannt sei, denn eine Baumaschine wie in Anspruch 1 beschrieben, weise 30 bis 40 solcher Stelleinrichtungen auf. "Stelleinrichtung" bedeute nur, dass ein Teil gegenüber einem zweiten bewegt bzw. verstellt werden könne. Dem Fachmann sei klar, dass es hierzu viele Möglichkeiten gebe, etwa auch in Abhängigkeit von elektrischer oder pneumatischer Versorgung. So stelle auch beispielsweise die Beschreibung zu Figur 4 den Stellantrieb nach Anspruch 1 völlig neutral dar, und eine Einschränkung auf eine Kolbenzylindereinheit sei daher aus der Anmeldung nicht ersichtlich. Auch etwa ein Hubmagnet als Stelleinrichtung würde genau so wie in den Figuren gezeigt dargestellt werden. Im Falle der permanenten Kopplung des Hilfsantriebs mit dem Riemengetriebe nach Anspruch 1 sei es dem Fachmann ebenfalls bekannt, bei pneumatischem oder hydraulischen Antrieb ein Steuerventil vorzusehen um den Leerlaufbetrieb zuzulassen. Die Offenbarung des Anspruchs 1 müsse durch die "Brille des Fachmanns" auf dem Gebiet des Maschinenbaus gesehen werden, und da es für die Funktionalität einer Stelleinrichtung völlig unerheblich sei, ob hierfür eine Kolbenzylindereinheit mit Reibrollen bzw. Zahnrädern vorgesehen werde, und zudem auch Steuerventile allgemein bekannt seien, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 auch unmittelbar und eindeutig aus den eingereichten Unterlagen ersichtlich.

VII.4 Erfinderische Tätigkeit

VII.4.1 Die Beschwerdeführerin I argumentierte zum Verständnis des Anspruchs 1, dass die vage Angabe im Kennzeichen, wonach die Arbeitswalze um einen vorbestimmten oder wählbaren Drehwinkel verdreht werden solle, keine Einschränkung darstelle, da in Spalte 7, Absatz [0046] des Patents beschrieben sei, dass die Drehung vorzeitig durch Loslassen des Schalters gestoppt werde. Der in Anspruch 1 beschriebene Drehwinkel der Arbeitswalze werde also einfach durch die Betätigung eines Schalters mittels Drücken und Loslassen "gewählt", und sei daher völlig beliebig. Der Hilfsantrieb nach Anspruch 1 verdrehe also die Arbeitswalze im angehobenen Zustand (langsam) um irgendeinen Winkel. Darüber hinaus sei im Kennzeichen zwar beschrieben, dass der Hilfsantrieb innerhalb des Riemenantriebsgehäuses untergebracht sei, dies beschränke Anspruch 1 aber nicht auf eine vollständige Unterbringung des Hilfsantriebs in diesem Gehäuse.

Als nächstliegender Stand der Technik beschreibe zunächst D1 eine Baumaschine mit einer Arbeitswalze. Diese Walze werde mit einem in Figur 9 der D1 gezeigten hydraulischen Motor über ein Kettengetriebe angetrieben und weise einen zusätzlichen hydraulischen Antrieb in Form der "auxiliary drive unit 48" auf, der jedenfalls keine "Hilfsenergieeinheit", sondern einen Hilfsantrieb im Sinne des Anspruchs 1 des Patents darstelle (siehe D1, Spalte 19, Zeilen 46 bis 50 und Figur 3). Um Wartungsarbeiten ("servicing operations") wie das Auswechseln der Werkzeuge ("cutting bits 184") nach dem Stoppen der Arbeitswalze zu ermöglichen, werde diese mittels des Hilfsantriebs langsam verdreht (siehe D1, Spalte 3, Zeilen 1 bis 5 und Spalte 11, Zeile 64 bis Spalte 12, Zeile 6 und Spalte 20, Zeilen 3 bis 17). Der Drehwinkel der Walze sei hierzu wählbar einstellbar ("selective...rotation"; siehe D1, Spalte 1 Zeile 66 bis Spalte 2, Zeile 19 in Zusammenhang mit Spalte 4, Zeilen 59 bis 64). Weiters sei die "auxiliary drive unit" innerhalb der Breite der Baumaschine angeordnet, was unmittelbar aus Figur 3 der D1 hervorgehe (siehe dort Bezugszeichen "48"). Die "auxiliary drive unit" sei aber auch innerhalb des Kettenantriebsgehäuses angeordnet, da sie eine Einheit aus mehreren Teilen bilde, vgl. Figur 9, z.B. Teile "279" bzw. "280". Und schließlich sei die "auxiliary drive unit" mit dem Kettengetriebe permanent gekoppelt, was ebenfalls Figur 9 der D1 zu entnehmen sei.

Die Variante nach Anspruch 1, wonach der Hilfsantrieb mit dem Riemengetriebe permanent gekoppelt sei, unterscheide sich von D1 somit lediglich dadurch, dass das Kettengetriebe durch ein Riemengetriebe ausgetauscht werde.

Die einer solchen Modifizierung zugrunde liegende Aufgabe sei erstens eine effizientere Kraftübertragung und zweitens die Loslösung der Arbeitswalze von der Antriebsseite. Eine Entkopplung mittels Riemengetriebe anstatt feststehender Verzahnungen um Stoßbelastungen auf die Hauptantriebseinheit zu vermeiden, sei dem Baumaschinenfachmann hinlänglich bekannt. In den letzten 20 Jahren seien daher ausschließlich Riemengetriebe zur Anwendung gelangt. Ansonsten seien keinerlei Synergieeffekte der einzelnen Elemente (der Baumaschine nach Anspruch 1) beim Ersetzen des Kettengetriebes durch ein Riemengetriebe erkennbar, die Funktionsweise der Maschine bleibe also unverändert.

Basierend auf seinen Kenntnissen über die Vorteile des Riemengetriebes gelange der Fachmann daher ausgehend von D1 unmittelbar zum Gegenstand des Anspruchs 1. Der Fachmann entnehme diese Vorteile aber auch der D5, die eine Baumaschine mit riemengetriebener Arbeitswalze betreffe. So werde auf Seite 2 in D5 (links unten) auf die Effizienz des Riemenantriebs (unter Punkt "Direct mechanical drive") und die Entkopplung (unter Punkt "V-belt power bands") hingewiesen. Im schriftlichen Verfahren zog die Beschwerdeführerin I zudem D2 in Betracht, wo ebenfalls vorteilhaft ein Riemengetriebe zum Antrieb von schweren Arbeitswalzen beschrieben sei.

Somit sei Anspruch 1 auch durch D1 unter Berück-sichtigung der Lehre aus D5 (bzw. D2) für den Fachmann nahe gelegt.

Die Beschwerdeführerin II erwiderte zunächst zur Funktionsweise der Baumaschine aus D1, dass dort eine vollhydraulische Fräsmaschine beschrieben sei. So betreibe die "main drive unit 20", welche einen Verbrennungsmotor (z.B. einen Dieselmotor) aufweise, hydraulische Pumpen ("hydraulic pumps 74"; siehe D1, Spalte 5, Zeilen 11 bis 30 und Figur 3). Diese hydraulischen Pumpen versorgen unter anderem den Antriebsstrang ("drive train") für die Arbeitswalze ("cutter drum assembly 30"; siehe D1, Spalte 15, Zeilen 55 bis 59 und Figur 5). Wie aus Figur 9 der D1 ersichtlich, bestehe der Antriebsstrang aus einer Doppelanordnung von zwei hydraulischen Motoren ("242"; "264") mit entsprechenden Kupplungen und Planetengetrieben. Über eine Kette ("cutter drive assembly 34") werden die beiden Motoren schließlich an die Antriebsritzel ("292"; "294") der Arbeitswalze zusammengeschaltet. Was die "auxiliary drive unit 48" betreffe, sei diese lediglich eine hilfshydraulische Pumpe, welche über einen Kompressor angetrieben werde ("air compressor"; siehe D1, Spalte 19, Zeilen 46 bis 50 und Figur 3). Die Aufgabe dieser Hilfspumpe sei zunächst darin zu sehen, im Notfall Antriebseinheiten der Maschine zu versorgen um beispielsweise aus der Spur zu fahren oder die Maschine anzuheben. Darüber hinaus könne der Hilfshydraulikdruck alternativ auf den ersten hydraulischen Motor ("242") des Antriebsstrangs der Arbeitswalze weitergegeben werden (siehe D1, Spalte 19, Zeilen 50 bis 64). Somit handele es sich bei der in D1 beschriebenen "auxiliary drive unit 48" um keinen Hilfsantrieb für die Arbeitswalze, sondern um die Bereitstellung von Hilfsenergie für deren Hauptantrieb.

Somit sei die "auxiliary drive unit" auch nicht permanent mit dem Antriebsstrang der Arbeitswalze gekoppelt, da entweder der Haupt- oder der Hilfsantrieb an der jeweiligen Pumpe ende und stets alternativ den ersten Hydraulikmotor des Hauptantriebs versorge (siehe auch D1, Spalte 4, Zeilen 59 bis 64 und Spalte 20, Zeilen 3 bis 5). Weiters werde beim Verdrehen der Arbeitswalze mittels Hilfspumpe der Drehwinkel nicht vorbestimmt oder gewählt, sondern lediglich die Drehgeschwindigkeit der Walze verlangsamt, um die Gefahr für das Personal bei Wartungsarbeiten ("servicing operations") zu vermindern (siehe D1, Spalte 20, Zeilen 13 bis 17).

Daher unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Offenbarung aus D1 durch folgende Merkmale:

- der Antriebsstrang bestehe ausschließlich aus einem Riemengetriebe mit einem Riemenantriebsgehäuse

- der Hilfsantrieb sei im Riemenantriebsgehäuse untergebracht (denn die Zahnräder "279", "280" in Figur 9 der D1 seien nicht Teile des Hilfsantriebs, sondern des Hauptantriebs)

- der Drehwinkel der Arbeitswalze sei vorbestimmt oder wählbar

- die Variante, wonach der Hilfsantrieb über eine Stelleinrichtung mit dem Riemengetriebe koppelbar sei

- die Variante, wonach der Hilfsantrieb permanent mit dem Antriebsstrang gekoppelt sei

Dadurch sei es gemäß Anspruch 1 nunmehr möglich, die Werkzeuge insbesondere mit verringertem Personalbedarf auszuwechseln. D1 weise hierzu eine grundsätzlich andere Lösung auf. Weiters sei der Vorteil mechanischer Riemenantriebe aus D5 zwar allgemein bekannt. D5 beschreibe jedoch einen seitlich von außen (nachträglich) aufmontierten bzw. aufgesteckten Hilfsmotor für die Arbeitswalze (siehe D5, Seite 2 unten: Figur). Dieser Hilfsmotor sei nachteilig bei dessen Montage und Demontage. Ein Nachteil sei ebenso, dass bei Hindernissen, wie etwa Leitplanken, die Maschine seitlich aus der Spur gefahren werden müsse, um ein Aufstecken des Hilfsmotors zu ermöglichen. Darüber hinaus beschreiben D1 und D5 völlig verschiedene Konzepte, die nicht darauf reduziert werden können, lediglich die Kette durch einen Riemen auszutauschen, denn die Kette in D1 diene einzig der Kopplung zweier Hydraulikmotoren. Schließlich sei auch aus D5 kein Hinweis zu entnehmen, den Hilfsantrieb innerhalb des Riemenantriebsgehäuses anzuordnen. Im schriftlichen Verfahren führte die Beschwerdeführerin II zur D2 aus, dass diese eine mechanisch betriebene Maschine zur Herstellung von Vertiefungen für Straßenmarkierungen betreffe, und daher vom Fachmann in Zusammenhang mit der hydraulisch betriebenen Straßenfräsmaschine aus D1 nicht in Betracht gezogen würde. Somit ergebe sich die Erfindung nach Anspruch 1 auch nicht in naheliegender Weise aus D1 und D5 (bzw. D1 und D2).

VII.4.2 Darüber hinaus argumentierte die Beschwerdeführerin I, dass, nunmehr ausgehend von D5 als nächstliegendem Stand der Technik, in D5 ein Hilfsmotor in Form eines Hydraulikmotors auf die Achse der Arbeitswalze aufgesetzt sei (siehe D5, Seite 2, links unten: linkes Bild). Durch Betätigen eines Schalters werde die Arbeitswalze langsam bewegt, die Bedienperson könne die Walze beobachten und somit in gewünschter Position "wählbar" abschalten. Weiters sei der Hilfsantrieb mit der Walze koppelbar, denn er werde aufgesetzt. Bei dieser Montage tauche der Hilfsantrieb bis innerhalb des Riemenantriebsgehäuses ein, denn die Klappe des Gehäuses müsse hierbei geöffnet werden, und der Hilfsantrieb werde mit einem Stützarm versehen, um das Drehmoment abzufangen (siehe D5, Seite 2, Bilder links unten). Die Definition nach Anspruch 1, wonach der Hilfsantrieb "innerhalb" des Riemenantriebsgehäuses angebracht sei, beschreibe keine vollständige Unterbringung und schließe somit nicht aus, dass so wie in D5 gezeigt, nur Teile des viele Komponenten umfassenden Hilfsantriebs innerhalb des Gehäuses angeordnet seien. Da auch in Anspruch 1 der "permanente" Hilfsantrieb zu Wartungsarbeiten abnehmbar sein müsse, sei schließlich der Hilfsantrieb aus D5 "permanent" mit dem Riemengetriebe gekoppelt. Der Hilfsantrieb aus D5 könne grundsätzlich permanent verbleiben, nur wenn er aus Platzgründen problematisch sei, werde er abgebaut.

Somit unterscheide sich Anspruch 1 gemäß der Variante der permanenten Kopplung von D5 lediglich dadurch, dass der Hilfsantrieb innerhalb der Breite der Baumaschine angeordnet sei.

Falls der Fachmann wünsche, dass der überstehende Hilfsantrieb besser vor z.B. Hindernissen geschützt sei, würde er entweder das Riemenantriebsgehäuse in D5 nach außen versetzen, um die Gesamtlinie der Baumaschine zu ändern, oder er würde den Hilfsmotor einfach kürzer bauen. Beide Maßnahmen seien aus der Sicht des Fachmanns eine Banalität, vor allem deshalb, weil die Maschine, aber auch die Hydraulik des Hilfsmotors ansonsten nicht verändert werden müssen.

Darüber hinaus sei, genau so wie in D5, auch in D1 ein Hilfsmotor zum Verdrehen der Arbeitswalze beschrieben. Somit würde der Fachmann aus D1 ebenso den Hinweis erhalten, den Hilfsmotor einfach innen einzubauen, wodurch herausstehende Teile vermieden werden.

Was die andere Variante des Anspruchs 1 betreffe, sei in D5 auch eine Stelleinrichtung zur Kopplung nahe gelegt, denn das manuelle An- und Abkoppeln des Hilfsantriebs durch einen Arbeiter werde hiermit lediglich "mechanisiert", also automatisiert.

Ausgehend von D5 seien daher beide Varianten des Anspruchs 1, basierend auf üblichem Fachwissen bzw. der Lehre aus D1, nicht erfinderisch.

Die Beschwerdeführerin II erwiderte zu der Offenbarung aus D5, dass dort lediglich eine "elektrifizierte Handkurbel" zur Überwindung des Trägheitsmoments der Arbeitswalze beschrieben sei. Ein solcher Hilfsantrieb benötige am Ende der gezeigten Schläuche eine hydraulische Pumpe und werde nur für die Zeitdauer des Werkzeugwechsels von außen aufgesteckt, wobei hierzu eine Klappe des Riemenantriebsgehäuses geöffnet werden müsse (siehe D5, Seite 2, links unten: Bilder). So sei der seitlich am Riemenantriebsgehäuse überstehende Hilfsantrieb auch nicht zum Teil innerhalb des Riemenantriebsgehäuses angeordnet, da in den Bildern der D5 auf Seite 2 unten vielleicht nur die Nabe des Motors in das Gehäuse hineinrage. Ein "Drauflassen" des Hilfsantriebs im laufenden Betrieb in Form einer permanenten Kopplung mit dem Riemengetriebe sei in D5 nicht offenbart, nach dem Wechsel der Fräswerkzeuge müsse der Hilfsmotor stets demontiert und verbracht werden (siehe D5, letzte Seite, rechte Spalte, im Absatz "Cutting Mandrel": "Auxiliary cutter drive for manual cutter rotation during maintenance"). Wie in D1 sei auch in D5 zwar ein langsames Verdrehen der Arbeitswalze durch den Hilfsantrieb möglich, aber ohne vorbestimmten oder wählbaren Drehwinkel.

Anspruch 1 unterscheide sich daher von der Offenbarung aus D5 durch folgende Merkmale:

- der Hilfsantrieb sei innerhalb der Breite der Baumaschine angeordnet (vergleiche D5, Seite 2, links unten rechtes Bild und Bild auf Seite 3 unten: die Klappe müsse beim Aufstecken geöffnet sein)

- der Drehwinkel sei vorbestimmt oder wählbar

- der Hilfsantrieb sei zwar in D5 mit dem Riemengetriebe koppelbar, aber nicht innerhalb des Riemenantriebsgehäuses untergebracht

- die Variante, wonach der Hilfsantrieb über eine Stelleinrichtung mit dem Riemengetriebe koppelbar sei

- die Variante, wonach der Hilfsantrieb permanent mit dem Riemengetriebe gekoppelt sei.

Daher sei Anspruch 1 ausgehend von D5 für den Fachmann nicht nahegelegt. Aber auch D1 könne zu diesen unterscheidenden Merkmalen, wie bereits ausführlich zuvor erläutert, keine Anregung geben. Und schließlich gebe es für den Fachmann auch keinen Anlass, von der über 20 Jahre alten Lösung der D5 abzuweichen, um sie mit der noch älteren Lösung einer rein hydraulischen Maschine aus D1 zu modifizieren. So werde beispielsweise in D5 explizit auf 40% mehr Leistung des Riemenantriebs der Arbeitswalze im Vergleich zu älteren hydraulischen Antrieben hingewiesen.

VII.5 Aufnahme von angeblichen Aussagen in die Niederschrift

Die Beschwerdeführerin I behauptete, dass die Beschwerdeführerin II Anspruch 1 dahingehend auslege, dass der Hilfsantrieb vollständig in dem Riemengehäuse untergebracht sei. Diese Aussage sei in das Protokoll der Kammer aufzunehmen.

Die Beschwerdeführerin II distanzierte sich von der Behauptung der Beschwerdeführerin I. Eine solche Aussage sei jedenfalls nicht in die Niederschrift der Kammer aufzunehmen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Zulässigkeit von Beweismitteln

2.1 Das Dokument D5 betrifft eine Baumaschine mit einer mittels Riemengetriebe angetriebenen Fräswalze (siehe D5, Figuren). Die Beschwerdeführerin II reichte die ihr seit langem bekannte D5 bereits im Prüfungsverfahren als Stand der Technik ein, und dessen öffentliche Zugänglichkeit vor dem Anmeldedatum des Patents wurde von der Beschwerdeführerin II auch nicht angezweifelt. Die Parteien stimmten zudem überein, dass der in D5 gezeigte hydraulische Hilfsmotor von außen direkt auf die Antriebswelle der Fräswalze der Baumaschine aufgesteckt wird, um einen Werkzeugwechsel zu ermöglichen. Die Kammer vertritt somit die Auffassung, dass dieses mit der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I eingereichte Prospekt in Hinblick auf den Hilfsantrieb der Arbeitswalze des Anspruchs 1 relevant erscheint.

Die Zulassung des Dokuments D5 gemäß Artikel 12(4) VOBK war daher gerechtfertigt.

2.2 Der ebenfalls mit der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I eingereichte Affidavit des Herrn Sharp und das Angebot der Beschwerdeführerin I, als Beweis für den Inhalt des Affidavits Herrn Sharp als Zeugen zu laden, geht nicht über die von der Beschwerdeführerin II anerkannte Tatsache hinaus, wonach D5 einen Stand der Technik bildet. In Bezug auf die mit Schreiben vom 24. September 2010 von der Beschwerdeführerin I genannten Handbücher zur Maschine aus D5 stimmt die Kammer mit der Beschwerdeführerin II überein, dass diese Dokumente erst zu einem sehr späten Verfahrensstadium eingereicht wurden, und zudem prima facie nicht relevant erscheinen.

Eine Zulassung des von der Beschwerdeführerin I genannten Affidavits und der Zeugeneinvernahme Herrn Sharps, sowie der zu D5 genannten Handbücher war daher im Sinne der Artikel 12(4) und 13(1),(3) VOBK nicht gerechtfertigt.

3. Zulässigkeit des einzigen Antrags

Nach Ansicht der Kammer erleichtern die in den abhängigen Ansprüchen von der Beschwerdeführerin II eingefügten Bezugszeichen das Verständnis der Ansprüche und erfüllen somit die Erfordernisse der Regel 43(7) EPÜ. Im übrigen entsprechen, im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin I, die vorliegenden Bezugszeichen jenen der erteilten Fassung des Patents.

Darüber hinaus wurde Anspruch 1 von der Beschwerdeführerin II gegenüber dem in Absatz [0006] des Patents genannten Stand der Technik, D1, korrekt abgegrenzt, vgl. Regel 43(1) EPÜ. So beschreibt Dokument D1 eine Baumaschine zum Bearbeiten von Bodenoberflächen mit einem aus einem Verbrennungsmotor bestehenden Antriebsmotor ("diesel engine 64": vgl. D1, Spalte 5, Zeile 12; Figur 3). Die Arbeitswalze ("cutter drum assembly 34") ist über ein Getriebe mit dem Verbrennungsmotor gekoppelt (vgl. D1, Figur 5 und 9 und die zugehörige Beschreibung zu Figur 9, Spalte 16 und 17). Ein Hilfsantrieb gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 wird von der "auxiliary drive unit 48" gebildet (vgl.D1, Spalte 19, Zeilen 46 bis 50, und Figur 3).

Zu den während der Verhandlung von der Beschwerdeführerin II vorgelegten Änderungen der Beschreibung ist festzustellen, dass diese lediglich die Anpassung an die vorliegenden Ansprüche betreffen, vgl. Artikel 84 EPÜ. Solch geringfügige Änderungen waren nach Auffassung der Kammer der Beschwerdeführerin I daher ohne Verlegung der Verhandlung zumutbar.

Da ein Verfahrensmissbrauch seitens der Beschwerdeführerin II somit nicht erkennbar ist, erachtete die Kammer in Ausübung ihres Ermessens den einzigen Antrag der Beschwerdeführerin II für zulässig, vgl. Artikel 13 (1) und (3) VOBK.

4. Änderungen des Anspruchs 1

(Artikel 100 c), 123(2),(3))

4.1 Die vorliegenden Änderungen sind durch den Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ bedingt (vgl. Regel 80 EPÜ), der von der Beschwerdeführerin I zwar verspätet vorgetragen, aber von der Einspruchsabteilung aufgrund dessen prima facie Relevanz zugelassen wurde. In der Verhandlung vor der Kammer wurde die Zulässigkeit dieses Einspruchsgrunds seitens der Beschwerdeführerin II auch nicht mehr bestritten.

4.2 Die Formulierung im Kennzeichen des erteilten Anspruchs 1 (wie veröffentlicht), wo "der Hilfsantrieb über eine Stelleinrichtung mit dem Antriebsstrang koppelbar, oder permanent mit dem Antriebsstrang gekoppelt ist" wurde in Anspruch 1 durch den einschränkenden Wortlaut "dass der Hilfsantrieb über eine Stelleinrichtung mit dem Riemengetriebe koppelbar ist, oder der Hilfsantrieb permanent mit dem Riemengetriebe gekoppelt ist" ersetzt.

Ein mit dem Riemengetriebe über eine Stelleinrichtung koppelbarer Hilfsantrieb ist den Figuren 4 bis 7 und der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 8, dritter Absatz bis Seite 9 zweiter Absatz (wie veröffentlicht) entnehmbar. Die Kammer folgt der Auffassung der Beschwerdeführerin II, dass nach dem Verständnis des im Maschinenbau tätigen Fachmanns eine "Stelleinrichtung" dazu dient, ein Maschinenteil gegenüber einem anderen zu bewegen bzw. zu verstellen. Hierfür gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wie Zylinder-Kolben-Antriebe, Membranantriebe, Drehantriebe oder etwa Hubmagneten als einfache Stellantriebe. Die Versorgung solcher Antriebe kann hydraulisch, pneumatisch oder elektrisch erfolgen. Dieser Sachverhalt ist auch der einleitenden Beschreibung des Ausführungsbeispiels nach Figur 4 zu entnehmen, wonach der koppelbare Hilfsantrieb 20 "über eine Stelleinrichtung 37", d.h. über die Funktion einer solchen, andrückbar sei, vgl. Seite 4, dritter Absatz (wie veröffentlicht). Daher ist, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin I, das technische Konzept einer Stelleinrichtung im Maschinenbau funktional nicht an die spezielle Ausführungsform einer Kolbenzylindereinheit gebunden, ganz zu Schweigen an Details wie Reibrollen oder Zahnräder zur Übertragung des Hilfsantriebdrehmoments.

Die Variante, wonach der Hilfsantrieb permanent mit dem Riemengetriebe gekoppelt ist, ist der Beschreibung auf Seite 9, letzter Absatz bis Seite 10, erster Absatz (wie veröffentlicht) zu entnehmen. Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin I impliziert im Maschinenbau ein permanent hydraulischer oder pneumatischer Hilfsantrieb für den Leerlaufbetrieb zusätzlich ein Steuerventil, welches im Anspruchswortlaut daher nicht erwähnt zu werden braucht, vgl. Seite 10, erster Absatz (wie veröffentlicht).

4.3 Gegenüber dem erteilten Anspruch 1 wurde weiters einschränkend hinzugefügt, dass der Hilfsantrieb "innerhalb des Riemenantriebsgehäuses untergebracht ist".

Basierend auf der ursprünglichen Beschreibung (vgl. Seite 3, letzter Absatz) ist nach Ansicht der Kammer das Merkmal in Anspruch 1, wonach der "Hilfsantrieb innerhalb der Breite der Baumaschine angeordnet ist", nur durch die Kopplung des Hilfsantriebs mit dem Riemengetriebe in Zusammenhang mit einer Anordnung des Hilfsantriebs innerhalb des Riemenantriebsgehäuses zu verwirklichen. Dieser Umstand geht unmissverständlich aus dem letzten Satz auf Seite 3 (wie veröffentlicht) hervor: die Anknüpfung dieses Satzes über das Wort "nämlich" ist insofern eindeutig, als damit ausgedrückt wird, dass eine Vergrößerung der Breite der Baumaschine deshalb nicht erforderlich ist, weil der Hilfsantrieb innerhalb des Gehäuses angeordnet ist. Die Nicht-Verbreiterung der Baumaschine ist also eindeutig mit der Anordnung des Hilfsantriebs innerhalb des Gehäuses verknüpft. Hierbei kann der Hilfsantrieb "koppelbar" oder "permanent" mit dem Riemengetriebe gekoppelt sein, vgl. Seite 3, letzter Absatz, erster Satz und Seite 9, letzter Absatz bis Seite 10 erster Absatz (wie veröffentlicht). Darüber hinaus wurde eingefügt, dass "das Riemengetriebe aus mindestens zwei Riemenscheiben und mindestens einem Antriebsriemen besteht", vgl. Anspruch 2 (wie erteilt bzw. veröffentlicht). Schließlich wurde ergänzt, dass "der Hilfsantrieb einen elektrisch, hydraulisch oder pneumatisch betriebenen Motor aufweist", vgl. Anspruch 14 (wie erteilt bzw. veröffentlicht). Die Zulässigkeit dieser weiteren Änderungen wurde im übrigen von der Beschwerdeführerin I nicht angezweifelt.

4.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 basiert somit auf Anspruch 1 wie erteilt unter Berücksichtigung der oben angeführten Änderungen. Daher erfüllt Anspruch 1 die Erfordernisse der Artikel 100 c), 123(2) und (3) EPÜ.

5. Erfinderische Tätigkeit

(Artikel 56 EPÜ)

5.1 Da die Neuheit von der Beschwerdeführerin I nicht bestritten wurde und nach Überzeugung der Kammer auch gegeben ist, ist nur über die erfinderische Tätigkeit zu entscheiden.

5.2 Nach Ansicht der Kammer ist die in Anspruch 1 genannte Zweckbestimmung im Kennzeichen, "dass der Hilfsantrieb die Arbeitswalze ... um einen vorbestimmten oder wählbaren Drehwinkel verdreht", für den Fachmann klar verständlich, welche entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin I keiner weiteren Interpretation unter Zuhilfenahme der Beschreibung des Patents bedarf, und offenbar eine Einrichtung beschreibt, die vorweg eine gezielte Auswahl des Drehwinkels der Walze ermöglicht. Darüber hinaus ist dieses Verständnis aber auch im Einklang mit der Beschreibung, wo die gezielte Auswahl des Drehwinkels im Voraus beispielsweise dadurch erfolgt, dass eine voreingestellte maximale Einschaltdauer die maximale Winkeldrehung der Arbeitswalze bestimmt (siehe Patent, Spalte 7, Absatz [0045]). Selbst wenn die Drehung vorzeitig durch Loslassen eines Schalters gestoppt wird, findet auch hier zuvor eine gezielte Auswahl des Drehwinkels in Form einer "maximalen Einschaltdauer von beispielsweise 4 Sekunden" statt: vgl. Patent, Spalte 7, [Absatz 0046].

Weiters ist nach Ansicht der Kammer aus dem Kontext des Anspruchs 1 klar ersichtlich, dass, wenn der Hilfsantrieb einen elektrisch, hydraulisch oder pneumatisch betriebenen Motor "aufweist", und der Hilfsantrieb innerhalb des Riemenantriebsgehäuses untergebracht ist, der Motor des Hilfsantriebs ebenfalls innerhalb des Riemenantriebsgehäuses untergebracht sein muss, um dadurch letztlich, bei Kopplung des Hilfsantriebs mit dem Riemengetriebe, eine günstige Anordnung des Hilfsantriebs innerhalb der Breite der Baumaschine zu ermöglichen. Diese Auffassung ist auch von der Beschreibung gestützt: siehe Patent, die Ausführungsformen nach Figur 4 bis 7 i.V.m. Seite 3, letzter Absatz und Seite 9, letzter Absatz bis Seite 10, erster Absatz.

5.3 Als nächstliegender Stand der Technik wird von der Kammer das von der Beschwerdeführerin I genannte Dokument D5 angesehen. D5 betrifft eine Baumaschine mit riemengetriebener Fräswalze, wobei für Wartungsarbeiten ein Hilfsmotor beschrieben ist (siehe D5, Seite 2, unten: Text unter der Überschrift "Direct Mechanical Drive", Bilder; Seite 3, unten: Bild; Seite 5, Bild oben und Text darunter unter der Überschrift "Cutting Mandrel"; Seite 8, linke Spalte, Text unter der Überschrift "Quick Change Cutting Tool Unit"; letzte Seite, rechte Spalte, Text unter der Überschrift "Cutting Mandrel"). D5 offenbart somit mit Ausnahme des Merkmals, wonach der Hilfsantrieb innerhalb der Breite der Baumaschine angeordnet ist, den Oberbegriff des Anspruchs 1. Weiters stimmen die Parteien dahingehend überein, dass der in D5 auf Seite 2, im Bild links unten, gezeigte Hilfsmotor einen hydraulischen Hilfsantrieb zum langsamen Verdrehen der Fräswalze beim Werkzeugwechsel darstellt, der von außen direkt auf die Antriebswelle der Walze aufmontiert bzw. gesteckt, also mit dem Riemengetriebe gekoppelt wird. Hierzu wird die auf Seite 2 der D5, im Bild rechts unten, gezeigte Klappe des Riemenantriebsgehäuses geöffnet und der Hilfsantrieb offenbar zudem mit einem Stützarm (siehe Seite 2: Bild links unten) versehen, um dessen Drehmoment abzufangen.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin I ist D5 jedoch nicht zu entnehmen, auch nicht implizit, dass die Baumaschine aus D5 eine Einrichtung aufweist, wodurch die Fräswalze beim Werkzeugwechsel im angehobenen Zustand um einen vorbestimmten oder wählbaren Drehwinkel verdreht werden kann. Weiters ragt im aufgesteckten Zustand beim Werkzeugwechsel wohl die Nabe des auf Seite 2 der D5, im Bild links unten, gezeigten Hilfsantriebs in das Riemenantriebsgehäuse hinein. Eine Unterbringung des Hilfsantriebs innerhalb des Riemenantriebsgehäuses im Sinne des Anspruchs 1, insbesondere des Motors für den Hilfsantrieb, und somit auch eine Anordnung des Hilfsantriebs innerhalb der Breite des Baumaschine, sind für die Kammer jedoch nicht erkennbar.

Darüber hinaus beschreibt D5 mit seinem aufsteckbaren Hilfsmotor hierfür keine Stelleinrichtung, um die Kopplung mit dem Riemengetriebe zu ermöglichen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin I offenbart D5 auch keine permanente Kopplung mit dem Riemengetriebe, denn D5 enthält keine Information, wonach der Hilfsantrieb nach dem Wechseln der Walzenwerkzeuge dauerhaft während des nachfolgenden Fräsbetriebs aufgesteckt verbleiben soll (siehe D5, erste Seite, Foto der "PR-750B" beim Einsatz, und Seite 3, Bild unten), und dies zudem bei geöffneter Schutzklappe des Riemengetriebes (vgl. Seite 2, Bilder unten). D5 beschreibt die Verwendung des Hilfsantriebs lediglich zum manuellen Verdrehen der Fräswalze während deren Wartung, wie z.B. beim Wechseln der Zähne (vgl. D5, letzte Seite, rechte Spalte, im Absatz mit der Überschrift "Cutting Mandrel": "Auxiliary cutter drive for manual cutter rotation during maintenance").

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Offenbarung aus D5 daher dadurch, dass

- der Hilfsantrieb innerhalb der Breite der Baumaschine angeordnet ist,

- der Hilfsantrieb die Arbeitswalze im angehobenen Zustand um einen vorbestimmten oder wählbaren Drehwinkel verdreht,

- der Hilfsantrieb innerhalb des Riemenantriebsgehäuses untergebracht ist,

- der Hilfsantrieb über eine Stelleinrichtung mit dem Riemengetriebe koppelbar ist, oder

- der Hilfsantrieb permanent mit dem Riemengetriebe gekoppelt ist.

Ausgehend von D5 kann diesen Merkmalen die Aufgabe zugrunde gelegt werden, ein Auswechseln der Werkzeuge mit einem verringerten Personal- und Zeitbedarf und einer verringerten Unfallgefahr zu ermöglichen (vergleiche Patent, Absätze [0007] und [0010]).

Basierend auf der Lehre aus D5, wo ein Hilfsantrieb in Form eines (hydraulischen) Motors nur zum kurzzeitigen Aufstecken von außen auf die Antriebswelle der Arbeitswalze während des Werkzeugwechsels bei geöffneter Schutzklappe des Riemenantriebsgehäuses offenbart ist, muss solch ein Hilfsmotor im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin I auch nicht vor Hindernissen geschützt werden, da dieser beim normalen Fräsbetrieb fehlt. Es gibt daher für den Fachmann zunächst keinen Anlass, den externen Motor und die zugehörige (nicht gezeigte) hydraulische Pumpe aus D5 dauerhaft irgendwie im Inneren der Baumaschine anzuordnen. Eine Kopplung des Hilfsmotors der D5 mit dem Riemengetriebe, über eine Stelleinrichtung oder permanent im Inneren des Riemenantriebsgehäuses, ist somit basierend auf fachüblichem Wissen zur Lösung der oben gestellten Aufgabe ebenfalls nicht nahegelegt. Ob, lediglich ausgehend von D5, zum sicheren und schnelleren Werkzeugwechsel eine Einrichtung für das Wählen des Drehwinkels der Arbeitswalze eine einfache technische Maßnahme darstellt, oder nicht, sei hierbei dahingestellt.

5.4 Auch Dokument D1 beschreibt eine Baumaschine mit einer Fräswalze und einem Hilfsantrieb zum langsamen Drehen der Walze bei Wartungsarbeiten wie dem Wechseln der Fräszähne: "auxiliary drive unit 48", vgl. D1, Spalte 20, Zeilen 9 bis 17, und Figur 3 (Bezugszeichen "48"). Wie jedoch Figur 9 und der zugehörigen Beschreibung entnehmbar, betrifft D1 eine vollhydraulische Baumaschine mit insbesondere hydraulischem Antrieb der Arbeitswalze. Daher stellt sich für den Fachmann vorweg die Frage, ob er, ausgehend von dem gegenüber hydraulischen Antrieben stoßunempfindlichen (Entkopplung der Arbeitswalze) und wirtschaftlicheren Riemenantrieb aus D5 (siehe D5, Seite 2, links unten, "V-belt power bands" und "Direct mechanical drive"), die D1 auf der Suche nach einem verbesserten Hilfsantrieb der Arbeitswalze überhaupt in Betracht ziehen würde.

Weiters kann D1 keinen Hinweis auf eine Einrichtung für einen vorbestimmbaren oder wählbaren Drehwinkel der Fräswalze beim langsamen Verdrehen mittels der Hilfshydraulikpumpe geben. Die von der Beschwerdeführerin I genannte Passage in Spalte 4, Zeilen 59 bis 62, "...selective elevation and movement of the main frame, and rotation of the cutter drum assembly..." gibt keinen eindeutigen sprachlichen Bezug auf eine wählbare Fräswalzendrehung. Vielmehr ist die Auswahl zwischen dem Anheben des Hauptrahmens, dessen Fortbewegung, und der Drehung der Fräswalze angesprochen.

Darüber hinaus stimmt die Kammer mit der Beschwerdeführerin II überein, wonach D1 zwar eine Hilfshydraulikpumpe offenbart, aber, im Gegensatz zum Hilfsantrieb nach Anspruch 1 des Patents, keinen zu dieser Pumpe gehörigen Motor. Die Hilfshydraulikpumpe (dargestellt in strichlierten Linien in Figur 3 mit dem Bezugszeichen "48") versorgt nämlich, bei Bedarf, über eine permanente hydraulische Kopplung stets den ersten hydraulischen Motor ("first hydraulic motor 242") des Hauptantriebs: siehe D1, Spalte 19, Zeilen 46 bis 54 und Figur 9. Dieser erste hydraulische Motor des Hauptantriebs befindet sich zudem nicht innerhalb des in Figur 9 gezeigten Kettenantriebsgehäuses ("cutter drive assembly 34").

Ausgehend von D5 ist daher festzustellen, dass, selbst wenn D1 trotz seines vollhydraulischen Konzepts vom Fachmann in Betracht gezogen würde, er aus D1 keine Anregung erhält, einen Hilfsantrieb mit eigenständigem Motor und wählbaren Drehwinkel innerhalb des Riemenantriebsgehäuses unterzubringen, um dadurch in rückschauender Betrachtungsweise letztlich zum Gegenstand des Anspruchs 1 (in der Variante mit permanenter Kopplung des Hilfsantriebs) zu gelangen. Die Variante des Anspruchs 1, wonach der Hilfsantrieb über eine Stelleinrichtung mit dem Riemengetriebe koppelbar ist, ist durch D1 daher ebenfalls nicht nahe gelegt. Im übrigen enthält D1 außerdem keinen Hinweis auf eine solche Stelleinrichtung.

5.5 Der Vollständigkeit halber sei abschließend noch erwähnt, dass, falls der Fachmann von der vom Gegenstand des Anspruchs 1 weiter ab liegenden D1 ausgehen würde, er jedenfalls durch D5 nicht angeregt würde, einen Hilfsantrieb mit eigenem Motor innerhalb des Riemenantriebsgehäuses unterzubringen. Darüber hinaus stimmt die Kammer mit der Beschwerdeführerin II überein, dass der Antrieb in D1, mit zwei Hydraulikmotoren und Planetengetrieben an den Kettenantrieb der Walze, nicht einfach modifiziert werden kann, indem der in Figur 9 der D1 gezeigte Kettenantrieb ("cutter drive assembly 34") durch ein (zudem raumgreifendes) Riemengetriebe, so wie in D5 gezeigt, ersetzt wird. Diese Überlegungen gelten sinngemäß auch für eine Zusammenschau der Dokumente D1 und D2 (siehe Riemengetriebe der D2: Figur 1, Bezugszeichen "50" ("pulleys") und "52" ("drive belts")).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt daher die Erfordernisse der erfinderischen Tätigkeit.

6. Aufnahme von angeblichen Aussagen in die Niederschrift

Nach ständiger Rechtsprechung ist es nicht Zweck der Niederschrift im Sinne von Regel 124(1) EPÜ, Erklärungen bzw. Argumentationen einer Partei wiederzugeben, die einem Beteiligten für ein etwaiges späteres Verfahren vor einem nationalen Gericht von Nutzen erscheinen: siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 6.Auflage, VI.C.4.7. Abgesehen davon bestritt die Beschwerdeführerin II, eine Aussage getätigt zu haben, wonach Anspruch 1 angeblich so auszulegen sei, dass der Hilfsantrieb "vollständig" in dem Riemenantriebsgehäuse untergebracht sei.

Der Antrag der Beschwerdeführerin I auf Aufnahme dieser angeblichen Aussage der Beschwerdeführerin II in das Protokoll der Verhandlung, ist von der Kammer daher als nicht rechtserheblich abzulehnen, vgl. Regel 124(1) EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 14, wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer,

- Beschreibungsseiten 2 bis 5, wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer,

- Figuren 1 bis 7, wie erteilt.

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