European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T200208.20111018 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 October 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2002/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02016681.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60G 17/052 B60T 13/68 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
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Bezeichnung der Anmeldung: | Einrichtung und Verfahren zur Steuerung von Betriebsfunktionen eines Fahrzeuges | ||||||||
Name des Anmelders: | WABCO GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | HALDEX BRAKE PRODUCTS LIMITED | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag) - nein Unzulässige Erweiterung (Hilfsantrag 1) - ja Zulassung in das Verfahren (Hilfsantrag 2) - nein Erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag 3) - ja |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat am 14. Oktober 2008 gegen die am 10. September 2008 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent EP 1 254 792 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die schriftliche Begründung ist am 08. November 2008 eingegangen.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass das europäische Patent die Erfindung zwar so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag jedoch nicht als erfinderisch betrachtet werden könne. Weiterhin sei der geänderte Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 eingereicht mit Schreiben vom 18. Juni 2008 nicht unzulässig erweitert, sein Gegenstand beruhe aber ebenso wie der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht auf einer erfinderische Tätigkeit (wobei der geltende Hilfsantrag 2 nach Rücknahme des Hilfsantrags 2 vom 18. Juni 2008 dem Hilfsantrag 3 vom 18. Juni 2008 entsprach).
Sie hat insbesondere folgende Dokumente berücksichtigt:
D3: US-A-5 193 063
D5: US-A-4 854 409
D11: DE-A-4 141 695
D12: DE-A-3 711 175.
III. In der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung wies die Kammer darauf hin, dass die Parteien in ihren Ausführungen nicht auf die Kombination von D11 mit D12 eingehen, obwohl diese Kombination von der Einspruchsabteilung als naheliegend angesehen wurde. Auch stelle sich die Frage, ob die von der Beschwerdeführerin angeführte Aufgabenstellung nicht bereits in Richtung der angestrebten Lösung weise.
Die Kammer stellte zudem fest, dass der mit der Beschwerdebegründung eingereichte Hilfsantrag 2 dem im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsantrag 2 vom 18. Juni 2008 entspreche, der wegen möglicher Einwände gemäß Artikel 123(2) und 84 EPÜ nicht weiter verfolgt wurde. Vor diesem Hintergrund sei deshalb die Zulässigkeit dieses Antrags in Hinblick auf Artikel 12(4) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) zu prüfen. Die Beschwerdeführerin reichte daraufhin mit Schreiben vom 16. September 2011 eine sprachlich klargestellte Fassung des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ein.
IV. Am 18. Oktober 2011 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag) oder alternativ auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag 1 eingereicht mit der Beschwerdebegründung oder alternativ der Ansprüche 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag 2 eingereicht am 16. September 2011 oder alternativ der Ansprüche 1 bis 10 gemäß Hilfsantrag 3 eingereicht mit der Beschwerdebegründung und auf der Basis der Beschreibungs seiten 2, 2a und 3 bis 9 wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung sowie der Figuren 1 und 2 wie erteilt oder alternativ der Ansprüche 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag 4 eingereicht während der mündlichen Verhandlung.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Anspruch 1 wie erteilt (Hauptantrag) lautet wie folgt:
"Als elektronisches Steuergerät für ein elektronisch gesteuertes Bremssystem eines Fahrzeuges ausgebildete Einrichtung (1), mit Signaleingängen (86, 9) für wenigstens ein Bremsbetätigungssignal und ein die Fahrzeugbelastung repräsentierendes Signal und mit wenigstens einem Signalausgang (15, 25, 35, 45, 55, 65) für ein Stellsignal zur Beaufschlagung eines Bremsaktuators (11, 21, 31, 41, 51, 61) zur Betätigung wenigstens einer Radbremse (10, 20, 30, 40, 50, 60), wobei durch Verarbeitung der an den Signaleingängen (86, 9) empfangenen Signale das Stellsignal für den Bremsaktuator (11, 21, 31, 41, 51, 61) derart bestimmt wird, daß eine Bremskraftsteuerung an der wenigstens einen Radbremse (10, 20, 30, 40, 50, 60) in Abhängigkeit von dem Bremsbetätigungssignal erfolgt, dadurch gekennzeichnet, daß ein weiterer Signalausgang (7) für ein weiteres durch Verarbeitung der an den Signaleingängen (86, 9) empfangenen Signale bestimmtes Stellsignal (ST) vorhanden ist, das zur Beaufschlagung eines weiteren Stellmittels (5, 54, 64) zum Anheben und Absenken einer anhebbaren Fahrzeugachse geeignet ist."
Hilfsantrag 1
Im unabhängigen Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist gegenüber Anspruch 1 gemäß Hauptantrag das folgende Merkmal im kennzeichnenden Teil angefügt:
"wobei das Stellsignal unter Berücksichtigung der Masse der anhebbaren Fahrzeugachse bzw. der anhebbaren Fahrzeugachsen erzeugt wird."
Hilfsantrag 2
Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist gegenüber Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch ein weiteres Merkmal am Ende des kennzeichnenden Teils ergänzt, welches wie folgt lautet:
"wobei eine scheinbare Vergrößerung der Fahrzeugbelastung, die durch einen Messwert der Fahrzeugbelastung (Mmess) in Folge eines Anhebens der anhebbaren Fahrzeugachse bzw. der anhebbaren Fahrzeugachsen angezeigt wird, kompensiert wird."
Im Anspruch 1 ist zudem entsprechend der geltenden Rechtschreibung die Konjunktion "daß" durch "dass" ersetzt worden.
Hilfsantrag 3
Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist gegenüber Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die folgenden Merkmale im Kennzeichen ergänzt:
"wobei ein Stellsignal (ST) "Fahrzeugachse absenken" erzeugt wird, wenn die Bedingung
Mmess >= Mzul
erfüllt ist, wobei ein Stellsignal (ST) "Fahrzeugachse anheben" erzeugt wird, wenn die Bedingung
Mzul . K2 . (n-i)
Mmess < ???????????????? - Mlift
n
erfüllt ist, wobei die Größen Meßwert der Fahrzeugbelastung (Mmess), zulässige Belastung des Fahrzeuges (Mzul), eine fahrzeugspezifische Konstante (K2), die Gesamtanzahl der Fahrzeugachsen (n), die Anzahl der mittels des Stellsignals (ST) anhebbaren Fahrzeugachsen (i) sowie die Masse (Mlift) der anhebbaren Fahrzeugachse bzw. Fahrzeugachsen berücksichtigt werden.
Hilfsantrag 4
Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 ist dahingehend geändert, dass gegenüber Anspruch 1 gemäß Hauptantrag das folgende Merkmal im kennzeichnenden Teil angefügt ist (die Änderungen gegenüber Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 sind in Fettdruck hervorgehoben):
"wobei das Stellsignal unter Berücksichtigung eines gespeicherten Werts der Masse der anhebbaren Fahrzeugachse bzw. der anhebbaren Fahrzeugachsen erzeugt wird."
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Einspruchsabteilung habe in ihrer Zwischenentscheidung ausgehend von D11 nicht eindeutig dargelegt, gegenüber welcher Kombination von Dokumenten der erteilte Anspruch 1 nicht erfinderisch sei und welche Veranlassung der Fachmann zur Verknüpfung der Dokumente haben könnte.
Es sei unstrittig, dass D11 nicht die Merkmale des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1 zeige. Die von der Einspruchsabteilung formulierten Teilaufgaben beinhalteten - im Widerspruch zu den Richtlinien - bereits technische Lösungsansätze und führten somit zwangsläufig zu einer retrospektiven Betrachtungsweise. Außerdem wirkten die Merkmale des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1 so zusammen, dass eine technische Wirkung erzielt werde; die Aufteilung der objektiven Aufgabe in zwei Teilaufgaben sei daher nicht zulässig.
Ausgehend von D11 sei die der Erfindung zu Grunde liegende objektive technische Aufgabe darin zu sehen, das in D11 offenbarte Steuergerät eines EBS mit zusätzlichen Funktionen zu versehen.
D11 zeige eine lastabhängige Bremsdruckregeleinrichtung in Form eines elektronisch gesteuerten Bremssystems (nachfolgend "EBS" genannt), da als Bremswertsignal ein elektrisches Signal ausgewertet werde. Die Einrichtung aus D11 beinhalte zwar eine vom Fahrer über einen Schalter betätigbare Liftachse, wobei dem elektronischen Steuergerät des EBS auch ein elektrisches Anhebesignal zugeführt werde; allerdings werde abhängig von diesem Eingangssignal des Steuergeräts der Bremsdruck durch Auswahl einer Kennlinie angepasst.
Ausgehend von D11 sei die zu lösende Aufgabe darin zu sehen, das in D11 offenbarte Steuergerät eines EBS zu verbessern und mit zusätzlichen Funktionen zu versehen.
Der mit dieser Aufgabe konfrontierte Fachmann habe keine Veranlassung, sich mit der Steuerung einer anhebbaren Liftachse zu befassen, insbesondere nicht mit Dokumenten, welche kein Steuergerät für ein EBS offenbarten, da es in D11 um die Verbesserung der Bremsdruckregelung durch Auswahl der passenden Bremskennlinie gehe. Insbesondere werde der Fachmann nicht dazu angeregt, im Bereich der Liftachse eine Verbesserung vorzunehmen und eine aktive elektrische Ansteuerung der Liftachse vorzusehen. Würde der Fachmann D12 zu Rate ziehen, so würde er sich beim Studium von D12 zuerst mit der automatischen lastabhängigen Bremskraftregelung in Figur 2 befassen, welche keine Verbesserung gegenüber D11 darstelle, und D12 daraufhin verwerfen. Selbst wenn der Fachmann D12 berücksichtigen würde, so zeige D12 nur einen Überlastschutz in einem Nutzfahrzeug, welcher bei zu hoher Achslast den Abhebebefehl des Fahrers zum Abheben der Liftachse sperre bzw. zeitlich begrenze. Dies stelle keine aktive Liftachsansteuerung dar und damit keine Verbesserung gegenüber D11, da die Bedienung der Liftachse weiterhin manuell durch den Fahrer erfolge. Außerdem würde der Fachmann den erhöhten Aufwand scheuen, einen zusätzlichen Ausgang und dazu ein zusätzliches Schaltungsmodul für den Überlastschutz 32 nach D12 vorzusehen. Auf jeden Fall wäre der Fachmann abgehalten, den Überlastschutz 32 aus D12 in das Steuergerät zu integrieren, da dies eine weitere Modifikation darstelle. Im Übrigen zeige D11 ein elektrisch gesteuertes EBS, während D12 in Figur 2 eine klassische Druckluftanlage und kein EBS zeige.
Der Fachmann auf dem Gebiet elektronischer Bremssysteme ("EBS") würde auch keine Anregungen aus den von einer klassischen pneumatischen Bremse ausgehenden ABS-Systemen entnehmen. Es gebe allenfalls Indizien im Stand der Technik für ein ABS mit Liftachssteuerung, aber keine Schrift zeige bisher ein EBS mit Liftachssteuerung.
In den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurde aus der Beschreibung das zusätzliche Merkmal aufgenommen, dass das Stellsignal unter Berücksichtigung der Masse der anhebbaren Fahrzeugachse bzw. der anhebbaren Fahrzeugachsen erzeugt werde. Dies sei in der Patentschrift bzw. der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht offenbart (jeweils Absatz [0022]) und stelle eine Verbesserung gegenüber der im Stand der Technik gezeigten Hysterese dar, da eine präzisere Steuerung der Liftachse mit genauerer Einhaltung der Lastgrenzen bei Anheben und Absenken der Liftachse möglich sei. Gegenüber dem von der Kammer während der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwand, dass zu klären sei, ob das in Anspruch 1 aus der Beschreibung aufgenommene zusätzliche Merkmal nur die explizite Berücksichtigung eines Massewertes der anhebbaren Fahrzeugachse oder auch eine implizite Berücksichtigung dieser Masse - wie beispielsweise durch eine im Stand der Technik vorgesehene Hysterese, was aber in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht offenbart sei - umfasse, vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass die Masse der anhebbaren Fahrzeugachse explizit berücksichtigt werden solle. Wie in der Patentschrift ausgeführt sei die Masse der anhebbaren Fahrzeugachse(n) als Parameter in der Einrichtung gespeichert oder werde automatisch bei einem Anhebe- oder Absenkvorgang bestimmt. Auch liege keine unzulässige Erweiterung vor, da das zusätzliche Merkmal wörtlich in Absatz [0022] der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart sei, selbst wenn im nachfolgenden Absatz [0023] genauer beschrieben werde, wie die Berücksichtigung des Massewertes der anhebbaren Fahrzeugachse erfolge. Die Beschwerdeführerin reichte in Reaktion auf diesen Einwand - die von der Kammer in der mündlichen Verhandlung eingeräumte Gelegenheit ergreifend - vorsorglich einen weiteren Hilfsantrag in Form des nachrangigen Hilfsantrags 4 ein.
Der mit Schreiben vom 16. September 2011 eingereichte Hilfsantrag 2 sei innerhalb der in der Ladung gesetzten Frist eingereicht worden, und zwar nach dem in der Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung erfolgten Hinweis (siehe Punkt III.). Die Einreichung eines neuen Hilfsantrags sollte im Beschwerdeverfahren möglich sein.
In Bezug auf Anspruch 1 gemäß geltendem Hilfsantrag 3 (entspricht dem der Entscheidung der Einspruchsabteilung zu Grunde liegenden Hilfsantrag 2) könne die Definition der Aufgabenstellung durch die Einspruchsabteilung nicht nachvollzogen werden, da kein nächstliegender Stand der Technik als Ausgangspunkt genannt werde.
Im Stand der Technik, insbesondere in D3 und D5, finde sich kein Hinweis auf eine Bedingung zur Erzeugung des Stellsignals "Fahrzeugachse anheben" gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3, da aus den im Einspruchsverfahren eingeführten Dokumenten nicht hervorgehe, die Masse der anhebbaren Fahrzeugachse(n) zu berücksichtigen. Die mathematischen Umformungen durch die Einspruchsabteilung basierten auf einer rückschauenden Betrachtungsweise. Außerdem bestehe ausgehend von einer manuellen Liftachsansteuerung für den Fachmann keine Veranlassung, D3 oder D5 heranzuziehen und ein Anheben bzw. Absenken der Fahrzeugachse nach D3 bzw. D5 durchzuführen. Auch spreche die benötigte Anzahl der Dokumente, die man kombinieren müsse, für die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
Folge man der von der Beschwerdeführerin gegebenen Definition der objektiven technischen Aufgabe ausgehend von D11 ("EBS mit zusätzlichen Funktionen versehen"), so sei als relevantes technisches Gebiet das Gebiet der Fahrzeugbremssysteme anzusehen, welches sowohl EBS als auch ABS umfasse. Der mit der genannten Aufgabe befasste Fachmann würde sogar Nachbargebiete in Betracht ziehen, da die Steuerung von Fahrzeugbremssystemen eng verbunden sei mit der Steuerung anderer Fahrzeugfunktionen wie beispielsweise Niveauregulierungen.
Der technische Unterschied von Anspruch 1 im Vergleich zu D11 liege in der Herkunft des Stellsignals für die anhebbare Fahrzeugachse. Die daraus abzuleitende technische Aufgabe bestehe deshalb - anders als von der Beschwerdeführerin vorgetragen - in einer verbesserten Steuerung der anhebbaren Fahrzeugachse mit geringem Aufwand. D12 spreche bereits den Aspekt des geringen Aufwandes an, indem drei unterschiedliche Funktionen von einer gemeinsamen Regelzentrale unter Ausnutzung eines gemeinsamen Lastanzeigers gesteuert werden. Außerdem werde in D12 eine aktive Liftachsansteuerung gezeigt (Spalte 3, Zeilen 60-62).
Laut Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 werde die Masse der anhebbaren Fahrzeugachse(n) nicht bestimmt, sondern nur "berücksichtigt". Jedes System zur Liftachsansteuerung, das ein Lastsignal in Abhängigkeit einer Auslenkung der Federung misst, berücksichtige automatisch die Masse der anhebbaren Achse, werde also inhärent bzw. implizit schon in der Kombination der Dokumente D11 und D12 gezeigt. Im Übrigen sei bereits im Einspruchsverfahren ein Einwand erhoben worden, dass das zusätzliche Merkmal in Anspruch 1 gegenüber der ursprünglichen Offenbarung in der Beschreibung eine Verallgemeinerung darstelle.
Der im Einspruchsverfahren zurückgezogene und kurz vor der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren geänderte Hilfsantrag 2 sei der Beschwerdegegnerin erst zwei Wochen vor dem Termin der mündlichen Verhandlung zugestellt worden und sei deshalb nicht zuzulassen.
Die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 formulierte Bedingung zum Anheben der Fahrzeugachse sei in naheliegender Weise zu erhalten, und zwar in Form einer einfachen mathematischen Umgruppierung oder Darstellung der bereits in D3 oder D5 in anderer Weise aufgeführten Merkmale. Ausgehend von der in D11 und D12 gezeigten manuellen Liftachsansteuerung bestehe die zu lösende Aufgabe in einer verbesserten Steuerung der anhebbaren Fahrzeugachse(n). Die nun zusätzlich beanspruchte Anhebebedingung beschreibe nichts anderes als einen Weg zur Vermeidung des "cycling" und entspreche nur einer mathematischen Darstellung des in D3 oder D5 Gezeigten. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 sei deshalb nicht erfinderisch gegenüber einer Kombination der Dokumente D11 und D12 mit D3 oder D5.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist aus folgenden Gründen nicht erfinderisch:
2.1 Die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 sind unstrittig aus dem Dokument D11 bekannt.
D11 zeigt (siehe einzige Figur) ein elektronisches Steuergerät (19) für eine Bremsdruckregeleinrichtung mit Signaleingängen für das elektrische Sollwertsignal eines Bremswertgebers (18) und das beladungsbhängige Signal eines Potentiometers (26) sowie einem Signalausgang zur Ansteuerung eines Drucksteuerventils (20). Darüber hinaus zeigt D11 auch eine manuelle Ansteuerung der anhebbaren Fahrzeugachse durch einen Liftachsschalter (11), also ein Stellsignal zur Beaufschlagung eines weiteren Stellmittels zum Anheben und Absenken einer anhebbaren Fahrzeugachse.
2.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Einrichtung gemäß D11 dadurch, dass ein weiterer Signalausgang für ein weiteres durch Verarbeitung der an den Signaleingängen empfangenen Signale bestimmtes Stellsignal zur Beaufschlagung des Stellmittels zum Anheben und Absenken der anhebbaren Fahrzeugachse vorhanden ist.
Die Bestimmung eines Stellsignals zur Ansteuerung der anhebbaren Fahrzeugachse (kurz: "Liftachse") aus den an den Signaleingängen anliegenden Signalen ermöglicht eine verbesserte Ansteuerung der Liftachse, wobei die Verarbeitung und Ausgabe über einen weiteren Signalausgang des (vorhandenen) Steuergeräts den dazu erforderlichen Aufwand minimiert.
Die zu lösende objektive Aufgabe besteht nun darin, eine verbesserte Ansteuerung der anhebbaren Fahrzeugachse mit möglichst geringem Aufwand bereitzustellen.
2.3 Zur Lösung dieser Aufgabe würde der Fachmann das Dokument D12 heranziehen, da dieses ebenfalls (Figur 4) eine manuelle Ansteuerung der anhebbaren Fahrzeugachse über einen Schalter (36) zeigt. Darüber hinaus ist in D12 ein Überlastschutz verwirklicht, der den Abhebebefehl nicht annimmt, wenn die mittels eines Lastanzeigers gemessene Last einen Schwellwert überschreitet; damit zeigt D12 eine Verbesserung in der manuellen Ansteuerung einer anhebbaren Achse. In anderen Ausführungsformen zeigt D12 eine lastabhängige Bremsdruckregeleinrichtung (Figur 2) und weist explizit darauf hin (Spalte 4, Zeile 68 - Spalte 5, Zeile 19; oder Spalte 7, Zeile 36-42), dass die verschiedenen Funktionen - Bremsdruckregelung und z. B. Überwachung auf Überlast - in einer gemeinsamen Regelzentrale unter Verwendung eines gemeinsamen Lastanzeigers programmiert sind; damit weist D12 auch auf eine Realisierung mit geringem Aufwand hin, indem ein gemeinsames Steuergerät für verschiedene lastabhängige Funktionen verwendet wird.
Das Dokument D12 vermittelt dem Fachmann also die Lehre, ein Steuergerät ("Regelzentrale" genannt) mit einem Lastsignal als Eingangssignal zur Steuerung verschiedener Funktionen in Abhängigkeit des Lastsignals zu programmieren, beispielsweise zur Steuerung einer lastabhängigen Steuerung des Bremsdrucks und eines Überlastschutzes für eine manuelle Liftachsansteuerung. Ausgehend von dem in D11 gezeigten Steuergerät für eine lastabhängige Bremsdruckregelung wird der Fachmann - zur Verbesserung der auch in D11 gezeigten manuellen Liftachsansteuerung - diese mit einem Überlastschutz gemäß D12 versehen, wobei er durch D12 auch dazu angeregt wird, die Funktion des Überlastschutzes in ein schon vorhandenes Steuergerät zur lastabhängigen Bremsdruckregelung (d. h. mit einem Lastsignal als Eingang) zu integrieren - was den Aufwand zur Realisierung verringert. Dazu muss das Steuergerät aus D11 nur um einen weiteren Signalausgang für die Liftachsansteuerung ergänzt werden, wie in der Figur 4 der D12 (SM) gezeigt. Somit gelangt der Fachmann, ohne erfinderisch tätig zu werden, zum Gegenstand von Anspruch 1.
Der Fachmann würde - der Lehre von D12 folgend - zusätzlich das in Figur 4 gezeigte Modul für den Überlastschutz (32) vorsehen, welches den Signalausgang des Steuergeräts (SM) mit dem Signal des Liftachsschalters (O) verknüpft zur Generierung eines modifizierten Abhebebefehls des Liftachsschalters (OM), um damit das in D11 gezeigte Liftachsventil (8) anzusteuern. Der Gegenstand des gemäß Anspruch 1 beanspruchten Steuergeräts schließt eine solche Ausführungsform mit ein, da Anspruch 1 sich über Details zur weiteren Verschaltung der Signale ausschweigt.
2.4 Entgegen der Aussage der Beschwerdeführerin hat die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung ausgehend von D11 eindeutig dargelegt, dass der erteilte Anspruch 1 gegenüber einer Kombination von D11 mit D12 nicht als erfinderisch betrachtet werden kann, wobei der Fachmann D12 auf Grund seiner ähnlichen Problematik in Betracht ziehen würde.
Zwar kann der Beschwerdeführerin darin gefolgt werden, dass im vorliegenden Fall eine Aufteilung der objektiven Aufgabe in zwei Teilaufgaben nicht zulässig ist. Anders als von der Beschwerdeführerin argumentiert liegt jedoch ausgehend von D11 die objektive technische Aufgabe nicht darin, ein EBS-Steuergerät mit zusätzlichen Funktionen zu versehen. Denn D11 zeigt neben den Merkmalen eines EBS gemäß Oberbegriff von Anspruch 1 auch ein vom Fahrer manuell erzeugtes Stellsignal zum Anheben und Absenken einer anhebbaren Fahrzeugachse, und die unterscheidenden Merkmale gegenüber D11 betreffen die Funktion der Ansteuerung dieser Liftachse und nicht die Funktion der elektronischen Bremsregelung EBS. Die zu formulierende technische Aufgabe ist also in Zusammenhang mit der Liftachsansteuerung zu sehen und wie vorstehend genannt zu formulieren.
Es ist anzuerkennen, dass dem EBS-Steuergerät aus D11 auch ein elektrisches Anhebesignal des Liftachsschalters zugeführt wird, allerdings zur Auswahl einer angepassten Bremsdruckkennlinie und nicht zur Ansteuerung des in D11 gezeigten Liftachsventils; damit ist aber nicht die Frage der erfinderischen Tätigkeit sondern der Neuheit gegenüber D11 angesprochen, die nicht bestritten wurde.
Im Gegensatz zur Argumentation der Beschwerdeführerin würde sich der mit der objektiven technischen Aufgabe (siehe Absatz 2.2) konfrontierte Fachmann mit der Verbesserung der aus D11 bekannten Liftachsansteuerung befassen und sich dazu nicht auf EBS-Steuergeräte einschränken. Dies muss allerdings nicht zu einer aktiven bzw. automatischen Liftachsansteuerung führen, da D11 von einer manuellen Liftachsansteuerung ausgeht. Eine solche manuelle Liftachsansteuerung ist aber gerade in D12 gezeigt und gegenüber der aus D11 bekannten Liftachsansteuerung verbessert, indem ein Überlastschutz vorgesehen ist. Es ist dabei nicht nachvollziehbar, wieso der Fachmann bei Berücksichtigung von D12 und nach Studium der lastabhängigen Bremsdruckregelung gemäß Figur 2 dieses Dokument nicht weiter in Betracht ziehen würde, da in D12 drei gleichwertige Funktionen realisiert werden wie in Figur 2 bis 4 gezeigt, die alternativ oder auch gemeinsam in einem Steuergerät ein Lastsignal auswerten, darunter auch eine mit einem Überlastschutz ausgestattete manuelle Ansteuerung der Liftachse (Figur 4).
Die Beschwerdeführerin argumentiert weiterhin, dass der Fachmann den erhöhten Aufwand eines zusätzlichen Ausgangs und eines zusätzlichen Schaltungsmodul für den Überlastschutz (32) nach D12 scheue. Dem ist jedoch nicht zu folgen, da die Verbesserung eines bekannten Steuergerätes nicht mit einer Vereinfachung des Steuergerätes verwechselt werden darf, sondern durchaus einen zusätzlichen Aufwand bedeuten kann. Es mag dahingestellt bleiben, ob das Modul 32 für den Überlastschutz aus D12 in das Steuergerät zu integrieren ist oder nicht, da der erteilte Anspruch 1 sich darüber ausschweigt, wie der weitere Signalausgang mit dem Stellmittel zum Anheben und Absenken der anhebbaren Fahrzeugachse verschaltet ist; der Anspruchsgegenstand umfasst sowohl eine Verknüpfung des erzeugten Überlastsignals mit einem Liftachssignal als Eingangssignal bereits innerhalb des Steuergerätes als auch eine Verknüpfung - wie in D12 gezeigt - in einem externen Modul für den Überlastschutz. Die letztgenannte Variante ergibt sich - wie bereits weiter oben unter Punkt 2.3 ausgeführt - in naheliegender Weise ausgehend von D11 unter Berücksichtigung der Lehre von D12.
Der von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Einwand, dass der Fachmann ausgehend von dem in D11 gezeigten EBS keine Anregungen aus klassischen pneumatischen Druckluftanlagen - ob mit oder ohne ABS-Funktion ausgestattet - entnehmen würde, geht ins Leere, da die von der Beschwerdeführerin definierte technische Aufgabe nicht zutrifft. Der Fachmann sucht nach Verbesserungen auf dem Gebiet der Liftachsansteuerungen und wird deshalb auf Dokument D12 stoßen. D12 zeigt zudem eine verbesserte Liftachsansteuerung, welche zusammen mit einer - auch in D11 gezeigten - lastabhängigen Bremsdruckregelung mit reduziertem Aufwand in einem gemeinsamen Steuergerät unter Ausnutzung eines gemeinsamen Lastsignals realisierbar ist. Den Vorteil dieses reduzierten Aufwandes würde der Fachmann ausgehend von der in D11 gezeigten Einrichtung bei Übertragung der Lehre von D12 nutzen und damit ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen.
Die Aussage der Beschwerdeführerin, dass keine Schrift bisher ein EBS mit Liftachssteuerung zeige, belegt allenfalls, dass der Gegenstand von Anspruch 1 durch den vorliegenden Stand der Technik nicht neuheitsschädlich getroffen wird, was aber nicht bestritten wurde, oder dass als einziges unterscheidendes Merkmal ein die Fahrzeugbelastung repräsentierendes Signal zur Liftachssteuerung verarbeitet wird, was keine erfinderische Tätigkeit begründen kann.
3. Hilfsantrag 1
Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1, dass das Stellsignal unter Berücksichtigung der Masse der anhebbaren Fahrzeugachse bzw. der anhebbaren Fahrzeugachsen erzeugt wird, stellt eine unzulässige Erweiterung dar (Artikel 123(2) EPÜ).
In der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung ist das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 zwar wörtlich offenbart (siehe Absatz [0022]), allerdings nur in Zusammenhang mit der Beschreibung der Bedingung für das Stellsignal "Fahrzeugachse anheben". Außerdem wird nachfolgend darauf Bezug genommen (siehe Absatz [0023]: "Die zuvor erwähnte Masse (Mlift) der anhebbaren Fahrzeugachse bzw. Fahrzeugachsen") und klargestellt, dass die genannte Masse entweder "als weiterer Parameter in der Einrichtung gespeichert" sein kann oder "automatisch bei einem Anhebe- oder Absenkvorgang dieser Fahrzeugachse bzw. Fahrzeugachsen bestimmt" wird. Damit werden zwei Ausführungsformen beschrieben, die einen gespeicherten oder automatisch bestimmten Massewert umfassen, keinesfalls aber eine implizite Berücksichtigung der Masse z. B. durch Vorsehen einer Hysterese. Der durch Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 definierte Gegenstand, der auch eine implizite Berücksichtigung der Masse der anhebbaren Fahrzeugachse(n) beinhaltet, geht also über den in der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung eingereichten Gegenstand hinaus.
Die Beschwerdeführerin argumentierte zwar, dass eine Berücksichtigung der Masse der anhebbaren Fahrzeugachse bzw. anhebbaren Fahrzeugachsen ursprünglich offenbart sei und dass damit eine Verbesserung gegenüber der im Stand der Technik bekannt gewordenen Hysterese erreicht werde. In der Patentschrift bzw. der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht (jeweils Absatz [0022] und [0023]) ist dieses Merkmal allerdings entweder nur in Kombination mit einem formelmäßigen Zusammenhang gezeigt, der die Bedingung für das Stellsignal "Fahrzeugachse anheben" angibt, oder mit der zusätzlichen Angabe, dass die Masse als Parameter in der Einrichtung gespeichert sein kann oder automatisch bei einem Anhebe- oder Absenkvorgang bestimmt wird. Die geänderte Fassung des Anspruchs 1 umfasst jedoch auch ursprünglich nicht offenbarte Ausführungsformen, beispielsweise eine implizite Berücksichtigung der Masse bei Vorsehen einer Hysterese. Somit liegt ein Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ infolge einer Zwischenverallgemeinerung vor.
4. Hilfsantrag 2
Der mit Schreiben vom 16. September 2011 eingereichte Hilfsantrag 2 wird nicht in das Verfahren zugelassen.
Es ist zwar anzuerkennen, dass der Hilfsantrag 2 in Reaktion auf einen Hinweis der Kammer in der Anlage zur Ladung für die mündlichen Verhandlung eingereicht wurde. Allerdings beinhaltet Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 auch das schon in Bezug auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 diskutierte Merkmal, welches eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung darstellt.
Die Kammer hat daher von ihrem Ermessen nach Artikel 13(1) VOBK (ABl. 11/2007, Seiten 536-547) Gebrauch gemacht und Hilfsantrag 2 aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht in das Verfahren zugelassen.
5. Hilfsantrag 3
5.1 Anspruch 1 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 3 beruht auf einer Kombination der erteilten Ansprüche 1, 8 und 9. Die Zulässigkeit dieser Kombination wurde nicht bestritten.
5.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich - im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags - durch zwei weitere Merkmale von D11 als nächstliegendem Stand der Technik, indem zusätzlich eine Bedingung zur Erzeugung des Stellsignals "Fahrzeugachse absenken" und eine als formelmäßiger Zusammenhang gegebene Bedingung zur Erzeugung des Stellsignals "Fahrzeugachse anheben" definiert werden. Diese beiden Bedingungen beschreiben die Auslösung einer automatischen Liftachsansteuerung durch Vergleich eines Messwertes der Fahrzeugbelastung mit je einem Schwellwert, bewirken also eine präzisere Steuerung der Liftachse mit genauerer Einhaltung der Lastgrenzen bei Anheben und Absenken. Dies zielt in eine andere Richtung als die aus der Kombination von D11 mit D12 resultierende manuelle Liftachsansteuerung, d. h. durch diesen weiteren Unterschied wird eine gesonderte Aufgabenstellung gelöst.
Die zu lösende Aufgabe kann also darin gesehen werden, eine verbesserte Steuerung der anhebbaren Fahrzeugachse gegenüber der bekannten manuellen Liftachsansteuerung zu ermöglichen.
5.3 Der Vergleich des Messwertes der Fahrzeugbelastung mit einem festen Schwellwert, um das Stellsignal "Fahrzeugachse absenken" zu erzeugen, mag zwar für den Fachmann naheliegend sein. Jedoch ist die Kammer der Ansicht, dass der durch einen formelmäßigen Zusammenhang gegebene Schwellwert zur Erzeugung des Stellsignals "Fahrzeugachse anheben" im vorliegenden Stand der Technik nicht gezeigt und auch für den Fachmann nicht in naheliegender Weise ableitbar ist. Der so definierte Schwellwert weist explizit die Berücksichtigung eines Wertes der Masse der Liftachse durch einen subtraktiven Term auf, was aus dem Stand der Technik nicht hervorgeht. Auch D3 oder D5 sprechen nur allgemein von einer Hysterese bei der Steuerung der Liftachse, ohne Angaben zur genaueren Berechnung der Schwellwerte bei Anheben und Absenken zu machen.
Selbst wenn der Fachmann zur Bestimmung der Anhebe-Bedingung der Fahrzeugachse vorausschauend eine projizierte Achslast mit angehobener Liftachse berechnen würde, so käme er allenfalls zu folgender Bedingung (siehe dazu die Herleitung in der Entscheidung der Einspruchsabteilung):
Mzul . (n-i) Mlift
Mmess < ??????????? - ??????
n n
Die so erhaltene Anhebe-Bedingung weist gegenüber der beanspruchten Absenk-Bedingung bereits eine Hysterese auf. Erst mit weiteren Modifikationen, die nach Ansicht der Kammer auf einer rückschauenden Betrachtungsweise beruhen, würde der Fachmann die Anhebe-Bedingung gemäß Anspruch 1 erhalten.
5.4 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass die Bedingung zum Anheben der Fahrzeugachse in naheliegender Weise als eine einfache mathematische Umgruppierung oder Darstellung der bereits D3 oder D5 in anderer Weise aufgeführten Merkmale zu erhalten sei. Dem ist jedoch nicht zu folgen, da aus den vorliegenden Dokumenten, insbesondere auch nicht aus D3 oder D5 hervorgeht, die Masse der anhebbaren Fahrzeugachse bzw. der anhebbaren Fahrzeugachsen explizit in Form eines Massewertes zu berücksichtigen.
5.5 Somit erfüllt der Gegenstand von Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ 1973.
6. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 mit den abhängigen Ansprüchen 2 bis 10 und der daran angepassten Beschreibung und den vorliegenden Zeichnungen bilden daher eine geeignete Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang.
7. Da mit Hilfsantrag 3 eine gewährbare Fassung vorliegt, erübrigt es sich, noch näher auf den nachrangigen Hilfsantrag 4 einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die 1. Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein europäisches Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
- Ansprüche 1 bis 10 gemäß Hilfsantrag 3, eingereicht mit der Beschwerdebegründung;
- Beschreibungsseiten 2, 2a, 3 bis 9, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2011;
- Figuren 1 und 2 wie erteilt.