European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2010:T192408.20100910 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 10 September 2010 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1924/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 05018796.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | F27D 1/10 C03B 5/43 C04B 35/66 B22D 41/02 C21C 7/04 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung eines feuerfesten keramischen Produkts, Verwendung des Produkts und Verfahren zur Veränderung einer Schmelze mit dem Produkt | ||||||||
Name des Anmelders: | Refractory Intellectual Property GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 05 018 796.2 betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines keramischen Produkts, das bei seiner Anwendung als Spender zur Einführung von Komponenten in eine Schmelze sich lässt.
II. Die Prüfungsabteilung ist zum Ergebnis gekommen, dass der Gegenstand aller Ansprüche des Hauptantrags bzw. der Hilfsanträge nicht neu sei und dass die Anmeldung die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfülle, weil die Ansprüche nicht klar gefasst seien. Daher hat die Prüfungsabteilung mit der am 26. Mai 2008 zur Post gegebenen Entscheidung die Patentanmeldung zurückgewiesen.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 2. Juni 2008 Beschwerde eingelegt, am 3. Juni 2008 die Beschwerdegebühr entrichtet und am 29. August 2008 ihre Beschwerde begründet.
IV. Eine mündliche Verhandlung fand am 10. September 2010 statt, während der die Beschwerdeführerin als Hauptantrag geänderte Ansprüche 1 und 2 eingereicht hat.
V. Ansprüche
Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Herstellung eines keramischen Produkts, das bei seiner bestimmungsgemäßen Anwendung als Auskleidungsmaterial oder Funktionalprodukt einer Einrichtung zur Aufnahme, Behandlung und/oder Durchleitung einer Stahlschmelze, Nicht-Eisenschmelze, Glasschmelze oder Gesteinsschmelze feuerfest ist, mit folgenden Schritten:
a) Aufbereitung eines keramischen Versatzes aus mehreren Versatzkomponenten,
b) Auswahl und Einstellung mindestens einer Versatzkomponente derart, dass diese Versatzkomponente nach einer Verarbeitung des Versatzes zu dem Produkt im Produkt eine Komponente bildet, die bei anwendungskonformem Kontakt der Schmelze mit dem Produkt aus dem Produkt in die Schmelze abgegeben wird, und
c) der Anteil dieser Komponente in der Schmelze erhöht wird und Abweichungen einer Ist- von einer Sollanalyse der der Einrichtung entnommen Schmelze bezüglich mindestens dieser Schmelzenkomponente geringer sind als bei der der Einrichtung zugeführten oder in der Einrichtung zuvor behandelten Schmelze."
Der ebenfalls unabhängige Anspruch 2 lautet wie folgt:
"2. Verfahren zur Herstellung eines keramischen Produkts, das bei seiner bestimmungsgemäßen Anwendung als Auskleidungsmaterial oder Funktionalprodukt einer Einrichtung zur Aufnahme, Behandlung und/oder Durchleitung einer Stahlschmelze, Nicht-Eisenschmelze, Glasschmelze oder Gesteinsschmelze feuerfest ist, mit folgenden Schritten:
a) Aufbereitung eines keramischen Versatzes aus mehreren Versatzkomponenten,
b) Auswahl und Einstellung mindestens einer Versatzkomponente derart, dass diese Versatzkomponente nach einer Verarbeitung des Versatzes zu dem Produkt im Produkt eine Komponente bildet, die bei anwendungskonformem Kontakt der Schmelze mit dem Produkt in eine chemische Reaktion mit der Schmelze tritt und mindestens ein Reaktionsprodukt schafft, das anschließend als Legierungsbestandteil unmittelbar von der Schmelze aufgenommen wird, und
c) Abweichungen einer Ist- von einer Sollanalyse der der Einrichtung entnommen Schmelze bezüglich mindestens dieses Legierungsbestandteils geringer sind als bei der Einrichtung zugeführten oder in der Einrichtung zuvor behandelten Schmelze."
VI. Stand der Technik
Die Prüfungsabteilung hat die folgenden Dokumente in Betracht gezogen:
D1: EP-A1-1 541 259
D2: EP-A1-0 472 350
Das folgende Dokument ist in der Patentanmeldung als Stand der Technik zitiert:
D3: DE-A1-29 48 636
VII. Vorbringen der Beschwerdeführerin
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
Die Erfindung betreffe die Herstellung eines keramischen Produkt unter besonderer Berücksichtigung einer Komponente im Produkt, die bei der späteren Anwendung aus dem Produkt in die Schmelze abgegeben werde, um Defizite in der Zusammensetzung der Schmelze auszugleichen.
Zwischen der Erfindung und dem Stand der Technik (D1, D2) bestehe ein grundsätzlicher Unterschied insofern, als dass bei D1/D2 unerwünschte Fremdstoffe aus der Schmelze entfernt werden, während erfindungsgemäß aus dem keramischen Produkt Bestandteile in die Schmelze hineingebracht werden. Die beanspruchten Verfahren seien deshalb neu.
Zusätzliche Bestandteile werden normalerweise mittels Legierungsdrähten oder als Pulver in die Schmelze zugeführt. Die Erfindung habe den Vorteil, dass eine homogenere Dosierung und Verteilung der Bestandteilen in der Schmelze möglich sei, weil die Oberfläche des keramischen Produkts (die Auskleidung eines Schmelz- oder Behandlungsgefäßes), die in Kontakt mit der Schmelze sei, deutlich größer sei. Die beanspruchten Verfahren beruhen somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VIII. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 und 2, wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 123(2) EPÜ
Die während der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche basieren auf dem ursprünglich Anspruch 1 in Verbindung mit Seite 4, zweiter Satz des vierten Absatzes, sowie Seite 6, dritter Absatz (Anspruch 1) bzw. Seite 8, dritter Absatz (Anspruch 2) der Anmeldung. Der beanspruchte Gegenstand hat daher eine Grundlage in der ursprünglichen Anmeldung und es liegt kein Verstoß gegen Artikel 123(2) vor.
3. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
3.1 Die Prüfungsabteilung war der Meinung, dass u.a. die Begriffe "Schmelze" und "Schmelzkomponente" der ursprünglichen Ansprüche nicht klar seien, da damit nicht zwischen Legierungskomponenten und Verunreinigungen unterschieden werde.
3.2 Nach den vorliegenden Ansprüchen ist es eindeutig, dass der Anteil der Komponente (Anspruch 1) bzw. des Reaktionsprodukts oder Legierungsbestandteils (Anspruch 2), die bzw. der in die Schmelze hineingebracht wird, erhöht wird. Deshalb ist es klar, dass die Ansprüche die Abweichung der Ist- von der Sollanalyse der Legierungskomponenten der Schmelze und nicht die Entfernung der unerwünschten Verunreinigungen betreffen. Daher sind mit den vorliegenden Ansprüchen mögliche Klarheitseinwände in dieser Hinsicht ausgeräumt.
4. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
4.1 Sowohl D1 als auch D2 offenbaren ein keramisches Produkt, das CaO enthält, zur Anwendung als Auskleidungsmaterial für Gefäße zur Behandlung von Stahlschmelze. Das CaO im keramischen Versatz des Produkts reagiert mit Al2O3 in der Schmelze mit dem Ergebnis, dass der Gehalt von unerwünschtem Al2O3 verringert wird. Al2O3 ist eine Verunreinigungskomponente der Schmelze und deshalb wird der Unterschied zwischen Ist-Zustand und Soll-Zustand von Al2O3 in der Schmelze reduziert.
4.2 Der Unterschied des Verfahrens nach Anspruch 1 bzw. Anspruch 2 liegt darin, dass aus dem keramischen Produkt Komponenten bzw. Legierungsbestandteile in die Schmelze hineingebracht werden, während bei D1 oder D2 eine unerwünschte Verunreinigung aus der Schmelze entfernt wird. Das beanspruchte Verfahren ist daher neu.
5. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
5.1 Die in der Anmeldung beschriebene Erfindung betrifft die Zuführung fehlender Bestandteile in eine Schmelze, z.B. eine Stahlschmelze, Nicht-Eisenschmelze, Glasschmelze oder Gesteinschmelze (Absätze [0001], [0012] bis [0014]).
5.2 Gemäß dem in der Anmeldung zitierten Stand der Technik erfolgt die Zuführung fehlender Legierungsbestandteile über Legierungsdrähte (D3, siehe Absatz [0013]) oder Pulver (Absatz [0014]). Solche Methoden haben den Nachteil, dass eine homogene Verteilung in der Schmelze aufwändig ist und im Fall des Pulvers ein großer Teil der fehlenden Bestandteile in der Schlacke hängen bleibt (Absätze [0013] und [0014]).
5.3 In Vergleich mit diesen Methoden sind die Vorgänge der D1 und der D2, bei denen ein unerwünschter Fremdstoff in der Schmelze reduziert wird, weiter entfernt und daher als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit weniger geeignet. Wie die Beschwerdeführerin argumentiert hat, sind daher die in der Anmeldung erwähnten Methoden als nächstliegender Stand der Technik anzusehen.
5.4 Ausgehend von z.B. D3 ist die objektive Aufgabe, ein verbessertes Verfahren zur optimalen Einstellung des Qualität und der Eigenschaften der aus der Schmelze hergestellten Gegenstände anzugeben.
5.5 Die beanspruchte Lösung ist, die fehlenden Bestandteile der Schmelze aus einem keramischen Produkt, z.B. dem Auskleidungsmaterial des Schmelz-/Behandlungsgefäßes, entweder direkt (Anspruch 1) oder durch Reaktion des keramischen Materials mit der Schmelze (Anspruch 2) zur Verfügung zu stellen.
5.6 Dies hat den Vorteil, dass die relativ große Oberfläche des Schmelz-/Behandlungsgefäßes eine Quelle für fehlende Bestandteile des Schmelze bildet, mit dem Ergebnis, dass eine verbesserte Dosierung erfolgt.
5.7 In D1 und D2 findet sich zwar der Gedanke, dem keramischen Produkt eine aktive Rolle bei der Einstellung der Schmelze zuzuschreiben. Dieser Gedanke erschöpft sich aber darin, Verunreinigungen aus der Schmelze zu entfernen. Ein Hinweis darauf, aus dem keramischen Produkt fehlende Bestandteile der Schmelze zuzuführen, fehlt. Damit hat der Fachmann aber auch keinen Anlass, diese Druckschriften zur Lösung der genannten Aufgabe heranzuziehen. Dafür wäre nämlich der weitergehende Gedanke erforderlich, die aktive Rolle des keramischen Produkts bei D1 und D2 in doppelter Hinsicht zu verändern: zur Einstellung der Bestandteile der Schmelze anstelle der Verunreinigungen und zum Hinzufügen fehlender Bestandteile anstelle des Entfernens. Diese Gedanke kann aber nicht als fachüblich angesehen werden.
Damit beruht das Verfahren nach Anspruch 1 und Anspruch 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
6. Regel 43(2) EPÜ
6.1 Nach dem Verfahren des Anspruchs 1 wird eine Komponente des keramischen Produkts einen Bestandteil der Schmelze bilden. Der unabhängige Anspruch 2 definiert ein Verfahren, bei dem das Bestandteil der Schmelze ein Produkt einer chemischen Reaktion zwischen einer Komponente des keramischen Produkts und der Schmelze ist.
6.2 Anspruch 1 und Anspruch 2 betreffen daher zwei Alternativlösungen zur Einbringung von Bestandteilen aus dem keramischen Produkt in die Schmelze; dieses ist das erforderliche Merkmal zur Lösung der oben angegebenen Aufgabe.
Es ist auch nicht zweckmäßig, die Alternativlösungen in einem einzigen unabhängigen Anspruch wiederzugeben.
6.3 Die Erfordernisse des Artikels Regel 43(2) c) EPÜ sind daher erfüllt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz
zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent auf der folgenden Grundlage zu erteilen.
a) der Ansprüche 1 und 2, wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht;
b) der Beschreibung, Seiten 1, 2, 2a, 3 bis 21, wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht,