T 1897/08 () of 7.9.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T189708.20100907
Datum der Entscheidung: 07 September 2010
Aktenzeichen: T 1897/08
Anmeldenummer: 03766219.4
IPC-Klasse: D01G 25/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung und Verfahren zur Vlieslegung
Name des Anmelders: Autefa Automation GmbH
Name des Einsprechenden: Oskar Dilo Maschinenfabrik KG
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Zulässigkeit der Änderungen - ja
Neuheit und erfinderische Tätigkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 18. Juli 2003 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 27. Juli 20002 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 03766219.4 wurde das europäische Patent Nr. 1 532 302 mit 21 Ansprüchen erteilt.

II. Gegen das erteilte Patent wurde, gestützt auf die Einspruchsgründe der Artikel 100 a) und 100 b) EPÜ 1973, Einspruch eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.

Mit ihrer am 11. August 2008 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das Patent EP 1 532 302 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen. Dazu führte sie aus, dass der Einspruchsgrund des Artikels 100 b) EPÜ 1973 nicht substantiiert und daher nicht begründet sei. Sie kam zu dem weiteren Ergebnis, dass die Gegenstände des unabhängigen erteilten Anspruchs 1 nach Hauptantrag und der jeweiligen unabhängigen Ansprüche 1 nach den Hilfsanträgen I bis IV nicht neu seien. Die Vorrichtung nach Anspruch 1 und das Verfahren nach Anspruch 15 des Hilfsantrags V seien jedoch neu und beruhten auf erfinderischer Tätigkeit.

III. Gegen diese Entscheidung legten die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) am 1. Oktober 2008 und die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) am 14. Oktober 2008 Beschwerden ein und bezahlten jeweils gleichzeitig die Beschwerdegebühr.

Mit ihrer am 19. Dezember 2008 beim Europäischen Patentamt eingegangenen Beschwerdebegründung verfolgte die Beschwerdeführerin I auf der Basis der der Einspruchsentscheidung zugrunde liegenden Unterlagen ihren Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents weiter.

Die Beschwerdeführerin II begründete mit der am 22. Dezember 2008 (Montag) eingegangenen Beschwerdebegründung ihren Antrag auf Widerruf des Patents näher.

IV. Die Beschwerdekammer teilte in ihrem Bescheid als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mit, wonach die Entscheidung der Einspruchsabteilung im Ergebnis nicht zu beanstanden sei. Die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit werde von dem Ergebnis der Neuheitsbetrachtung abhängen, wobei die Ausführungen der Beschwerdeführerin II hierzu noch nicht überzeugend erschienen.

V. Am 7. September 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in der die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag einreichte. Für die Entscheidung über den einzigen Antrag waren nur noch die folgenden Entgegenhaltungen relevant:

D7: WO-A-99/24 650

D8: DE-C-195 37 580

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 12 lauten:

"1. Vorrichtung zur Faserbehandlung mit zumindest einem Vliesleger (3), dem von einem Florerzeuger (2) ein aus Fasern gebildeter Flor (8) zugeführt wird, wobei dem Vliesleger (3) eine Einrichtung (5) zur Veränderung der Florlaufgeschwindigkeit, nämlich eine Verzugseinrichtung für den Flor (8), eingangsseitig vorgeschaltet ist, und wobei der Vliesleger (3) mindestens zwei Hauptwagen (11, 12) mit Förderbändern (26, 27) und einem Einlaufbereich (15) und eine integrierte Puffereinrichtung (6) für die schwankenden Florlaufgeschwindigkeiten aufweist, wobei die Fahrbewegungen der Hauptwagen (11, 12) entkoppelt sind, wobei der Oberwagen (11) zur Pufferung einen vergrößerten Fahrweg ow3 zurücklegt, dadurch gekennzeichnet, dass die Verzugseinrichtung (5) als Streckeinrichtung mit einem oder mehreren Streckabschnitten (22, 23, 24) ausgebildet ist, die klemmende Walzenpaare (25) oder Bandabschnitte aufweisen.

12. Verfahren zur Faserbehandlung mit zumindest einem Vliesleger (3), der mindestens zwei Hauptwagen (11, 12) mit Förderbändern (26, 27) und einem Einlaufbereich (15) aufweist, dem von einem Florerzeuger (2) ein aus Fasern gebildeter Flor (8) zugeführt wird, wobei dem Vliesleger (3) eine Einrichtung (5) zur Veränderung der Florlaufgeschwindigkeit, nämlich eine Verzugseinrichtung für den Flor (8), eingangsseitig vorgeschaltet wird, wobei die schwankenden Florlaufgeschwindigkeiten in einer integrierten Puffereinrichtung (6) des Vlieslegers (3) kompensiert werden, wobei zur Pufferung veränderlichen Florlaufgeschwindigkeiten und die veränderlichen Florlängen in einem Bandabschnitt (28) im Zuführbereich des Oberwagens (11) und Legewagens (12) aufgenommen werden, wobei die Fahrbewegungen der Hauptwagen (11, 12) entkoppelt werden, wobei der Oberwagen (11) zur Pufferung einen vergrößerten Fahrweg ow3 zurücklegt, dadurch gekennzeichnet, dass die Verzugseinrichtung (5) als Streckeinrichtung mit einem oder mehreren Streckabschnitten (22, 23, 24) ausgebildet ist, die klemmende Walzenpaare (25) oder Bandabschnitte aufweisen."

Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des europäischen Patents mit folgenden Unterlagen:

Ansprüche 1 bis 14 und

Beschreibung Spalten 1 bis 13 vom 7. September 2010

Zeichnungen Figuren 1 bis 6 wie erteilt.

Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) beantragte den Widerruf des europäischen Patents.

VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin I lässt sich wie folgt zusammenfassen:

In der Vorrichtung und dem Verfahren nach D7 werde der Flor zwischen den Ablösewalzen und den Nitschelwalzen lediglich gestaucht, ein Verzug in Form einer Streckung finde dort jedenfalls nicht statt, so dass das Neuheitserfordernis jedenfalls erfüllt sei. Es würde auch dem Zweck der Nitschelwalzen zuwiderlaufen, den dort zum Faserumorientierung gestauchten Flor anschließend wieder zu verziehen.

Der Fachmann würde die aus D8 bekannte Verzugseinrichtung zur Anwendung anstelle der Nitschelwalzen in D7 keinesfalls in Betracht ziehen, da sie dort eine völlig andere Aufgabe habe. Diese Verziehvorrichtung sei nämlich nicht vor dem Vliesleger angeordnet, sondern danach, und es werde kein Flor gestreckt, sondern das bereits fertig gelegte querorientierte Faservlies. Daher seien die beanspruchten Lösungen nicht nahegelegt.

VII. Die Beschwerdeführerin II argumentierte, die in D7 offenbarte Faserbehandlungsvorrichtung und der Vliesleger wiesen eine integrierte Puffereinrichtung für den mit schwankender Geschwindigkeit von Nitschelwalzen angelieferten Flor auf, so dass der Oberwagen zwangsläufig zur Pufferung einen vergrößerten Fahrweg zurücklege. Damit sei die dem Patentgegenstand ursprünglich zugrundeliegende Aufgabe gelöst.

Streckeinrichtungen zur Florverstreckung seien dem Fachmann der Textiltechnik in jeglicher Form bekannt. Wolle er anstelle des negativen Verzugs (Stauchung) an den Nitschelwalzen eine Streckung des Faserflors vornehmen, so biete der Stand der Technik entsprechende und ihm wohlbekannte Vorrichtungen an, wie beispielsweise die aus D8 bekannte Verzugseinrichtung. Der Fachmann erhalte die beanspruchten Lösungen daher ohne erfinderische Tätigkeit durch die naheliegende Kombination der Lehren von D7 und D8.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ)

Gegen die die Zulässigkeit der vorgenommenen Änderungen, die den Schutzbereich einschränken, wurden seitens der Beschwerdeführerin II keine Einwendungen vorgebracht. Der Patentanspruch 1 enthält die Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 2, 3, 14 und 15, die zur Abgrenzung vom nächstkommenden Stand der Technik in ihrer Reihenfolge umgestellt wurden. Patentanspruch 12 wurde aus den Merkmalen der erteilten Ansprüche 17, 18, 19, 2, 14 und 15 gebildet, die in ihrer Reihenfolge ebenfalls umgestellt wurden. Der Zusammenhang zwischen den Merkmalen der Verfahrensansprüche 17, 18, 19 und den Ausgestaltungen der Vorrichtungsansprüche 2, 14, 15 ist in der Patentbeschreibung eindeutig offenbart. Die Änderungen sind daher zulässig.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ 1973)

Das Dokument D7 offenbart eine Vorrichtung und ein Verfahren mit den jeweiligen Merkmalen des Oberbegriffs der Ansprüche 1 und 12. Ein Verzug, in diesem Fall ein negativer Verzug, nämlich eine Stauchung, findet dort an den Nitschelwalzen statt. Eine Streckeinrichtung zur Streckung des Flors zwischen klemmenden Walzenpaaren ist dem Dokument nicht entnehmbar. Somit sind die Vorrichtung nach Anspruch 1 und das Verfahren nach Anspruch 12 neu.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

4.1 Die Erfindung geht aus vom Stand der Technik nach D7. Als Aufgabe ist in der Patentschrift angegeben, die bekannten Vorrichtungen und Verfahren zur Faserbehandlung mit Hinblick auf die Verzugsmöglichkeiten zu verbessern. Gelöst wird dieses technische Problem mit der Vorrichtung nach Anspruch 1 und dem Verfahren nach Anspruch 12, insbesondere dadurch, dass die Verzugseinrichtung als Streckeinrichtung mit einem oder mehreren Streckabschnitten ausgebildet ist, die klemmende Walzenpaare oder Bandabschnitte aufweisen.

4.2 Nach Meinung der Beschwerdeführerin II würde der Fachmann D8 zur Lösung dieses Problems aufgreifen. Diese Druckschrift offenbart eine Vorrichtung zum Verziehen von überwiegend querorientiert einlaufenden Faservliesen. Diese Verzugseinrichtung ist im Produktionsprozess der Vliesherstellung nach dem Vliesleger angeordnet und soll das Vlies mit überwiegend querorientierten Fasern ohne wesentliche Breitenänderung verziehen. Hierzu sind wenigstens zwei zusammenwirkende Verzugswalzen mit einer Sägezahn-Garnitur mit gegenläufiger Steigung versehen, die auf garniturfreie Verzugswalzen folgen (Spalte 1, Zeilen 26 bis 29; Zeilen 41 bis 45; Spalte 3, Zeilen 33 bis 45).

4.3 Ersichtlich ist eine derart ausgebildete Verzugseinrichtung mit Sägezahngarnituren nicht für den Verzug eines von einem Florerzeuger wie einer Karde oder Krempel gelieferten Faserflors geeignet. Da diese Verzugseinrichtung auch nach dem Vliesleger angeordnet ist und eine zur beanspruchten Streckeinrichtung ganz unterschiedliche technische Funktion hat, hat der Fachmann keinen Ansatzpunkt, diese bekannte Verzugseinrichtung zur Lösung seines Problems in Erwägung zu ziehen. Da die Kombination der technischen Lehre von D7 und D8 somit nicht naheliegt, beruhen die beanspruchten Lösungen auf erfinderischer Tätigkeit.

4.4 Das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin II, dem einschlägigen Fachmann seien Florstreckeinrichtungen im Zusammenhang mit einem Vliesleger im Rahmen seines allgemeinen Fachwissens wohlbekannt, ist nicht belegt worden. Im entgegengehaltenen Stand der Technik ist eine solche nicht vorhanden. Auf andere Veröffentlichungen ist nicht hingewiesen worden.

5. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 11, 13 und 14 enthalten weitere Ausgestaltungen der Vorrichtung nach Anspruch 1 und des Verfahren nach Anspruch 12. Sie gehen auf erteilte Ansprüche zurück und haben daher Bestand. Die Beschreibung wurde an die eingeschränkte Formulierung der Patentansprüche angepasst und im erforderlichen Umfang gekürzt. Von der Beschwerdeführerin II wurden keine Einwände gegen diese Änderungen erhoben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das europäische Patent mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

Ansprüche 1 bis 14 und

Beschreibung Spalten 1 bis 13 und Beiblatt vom 7. September 2010,

Zeichnungen Figuren 1 bis 6 wie erteilt

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