T 1885/08 () of 16.11.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T188508.20111116
Datum der Entscheidung: 16 November 2011
Aktenzeichen: T 1885/08
Anmeldenummer: 04000719.7
IPC-Klasse: B60K 5/12
B61C 9/48
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Elastisches Lager, insbesondere Keillager, und Rahmen
Name des Anmelders: Voith Turbo GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Jörn GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0079/96
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 25. September 2008 eingelegte Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 4. August 2008 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, womit der gegen das europäische Patent Nr. 1 445 138 eingelegte Einspruch zurückgewiesen wurde.

II. Die Beschwerdeführerin hat sich insbesondere auf folgende Dokumente aus dem Einspruchsverfahren bezogen

D6: EP-A-1 132 244,

D11: Sonderdruck aus "Eisenbahntechnische Rundschau", Heft 1/1958, Carl Röhrig Verlag, Darmstadt, Titel: "Erfahrungen mit Metallgummi-Federn im Schienenfahrzeugbau" von Raoul Jörn.

III. Am 16. November 2011 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der Entscheidung der Einspruchsabteilung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hatte mit Schreiben vom 19. September 2011 erklärt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde, jedoch dass sie ihren bisherigen im schriftlichen Verfahren gestellten Antrag aufrechterhalte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. In der mündlichen Verhandlung wurde, wie bereits in der der Anlage zur Ladung für die mündlichen Verhandlung nach Artikel 15 (1) VOBK angekündigt, die Frage der erfinderischen Tätigkeit erörtert und insbesondere, ob ausgehend von dem aus der Druckschrift D6 bekannten Lager es für den Fachmann naheliegend war, zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen.

V. Unter Verwendung der in der Patentschrift vorgenommenen Merkmalsgliederung hat der Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut:

1. Lager (1), insbesondere Keillager (2)

1.1 mit wenigstens zwei Teilelementen- einem Innenteil (3) zur Aufnahme eines Lagerbolzens und einem das Innenteil (3) wenigstens teilweise umschließenden Außenteil (4);

1.2 Innenteil (3) und Außenteil (4) sind lösbar miteinander verbunden;

1.3 das Lager (1) ist frei von einem Gehäuse;

1.4 das Außenteil (4) umfasst wenigstens zwei Teilbereiche - einen ersten Teilbereich (7.1), der die Anschlag- und Kontaktflächen (13.1, 13.2) bei Verbindung des Lagers (1) mit einem Anschlussbauelement bildet und einen zweiten Teilbereich (7.2), der mit dem ersten Teilbereich (7.1) das Innenteil (3) wenigstens teilweise bezogen auf die Achse des Lagerbolzens in Umfangsrichtung umschließt;

1.5 die Anlage- und Kontaktflächen (8) zur Verbindung mit einem Anschlussbauelement sind am Außenteil (4) angeordnet;

1.6 mit wenigstens einem zwischen Innenteil (3) und Außenteil (4) angeordneten elastischen Element (14.1, 14.2) mit einer Steifigkeit in einem Bereich von einschließlich 500 bis einschließlich 10.000 N/mm;

1.7 die Verbindung des Innenteils (3) mit dem Außenteil (4) erfolgt über ein konisch zulaufendes gebogenes Element, insbesondere Blech (17), welches zwischen Innenteil (3) und Außenteil (4) angeordnet ist.

VI. Die Beschwerdeführerin war der Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem in den Figuren 8A bis 8E, bzw. in den Figuren 9A bis 9D des Dokuments D6 gezeigten Lager nicht neu sei, oder sich aber in naheliegender Weise aus diesem Stand der Technik ergebe. Selbst wenn die Kammer die Neuheit in dem Federsteifigkeitsbereich des Merkmals 1.6 als gegeben ansehe, könne dieser Bereich keine erfinderische Tätigkeit begründen.

VII. Die diesbezüglichen schriftlichen Gegenargumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ergebe sich nicht in naheliegender Weise aus dem Dokument D6. Wie die Einspruchsabteilung zurecht festgestellt habe, zeigten die Figuren 8 und 9 des Dokuments D6 ein Lager mit einer X-Konfiguration. Dieses Lager sei nicht als nächstliegender Stand der Technik anzusehen, weil es einen gänzlich anderen Lagertyp betreffe.

Im Übrigen zeige das Dokument D6 auch nicht ein Außenteil, das ein Innenteil bezogen auf die Achse eines Lagerbolzens, der vom Innenteil aufgenommen werde, umschließe. Wie aus den Figuren 8A bis 8D sowie der Figur 9A und der zugehörigen Figurenbeschreibung entnommen werden könne, verlaufe die Bohrung 836 bzw. 927, welche die Beschwerdeführerin offensichtlich mit der Bohrung zur Aufnahme eines Lagerbolzens im Innenteil gleichsetze, durch die Symmetrieebene des Innenteils 826, 926.

Auch zu den Maßangaben der Elastizität gemäß Merkmal 1.6 sei im Dokument D6 nichts ausgeführt.

Schließlich entspreche die Vielzahl von gebogenen Blechen 842a und 842b nicht der Verbindung zwischen dem Innenteil mit dem Außenteil über ein konisch zulaufendes gebogenes Element.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Für die Kammer stellt das Dokument D6 den nächstliegenden Stand der Technik dar.

Dieses Dokument zeigt in den Figuren 9A bis 9D, ein Lager

1.1 mit wenigstens zwei Teilelementen- einem Innenteil (inner member 926) zur Aufnahme eines Lagerbolzens (vgl. Absatz [0035]: Loch 927) und einem das Innenteil wenigstens teilweise umschließenden Außenteil (outer member 924);

1.2 Innenteil und Außenteil sind lösbar miteinander verbunden (vgl. Montageanleitung im Absatz [0030]);

1.3 das Lager ist frei von einem Gehäuse;

1.4 das Außenteil 924 umfasst wenigstens zwei Teilbereiche - einen ersten Teilbereich (Flansch), der die Anschlag- und Kontaktflächen 925a bei Verbindung des Lagers mit einem Anschlussbauelement bildet und einen zweiten Teilbereich, der mit dem ersten Teilbereich das Innenteil wenigstens teilweise bezogen auf die Achse (P1) des Lagerbolzens in Umfangsrichtung umschließt;

1.5 die Anlage- und Kontaktflächen 925a zur Verbindung mit einem Anschlussbauelement sind am Außenteil 924 angeordnet;

1.6 mit wenigstens einem zwischen Innenteil und Außenteil angeordneten elastischen Element 934a, 934b;

1.7 die Verbindung des Innenteils mit dem Außenteil erfolgt über ein konisch zulaufendes gebogenes Blech 936, welches zwischen Innenteil und Außenteil angeordnet ist.

2.2 Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass D6 nicht den nächstliegenden Stand der Technik darstelle, weil es einen anderen Lagertyp betreffe. Der Patentanspruch 1 bezieht sich auf ein allgemeines Lager und die in D6 offenbarte Motorlagerung ist eindeutig ein solches Lager. Die Variante, wonach das Lager ein Keillager sein kann, ist im Anspruch nur optional. Im Übrigen entspricht das Lager mit X-Konfiguration gemäß D6 einer doppelten Anordnung eines Keillagers.

2.3 Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin geht aus der Figur 9A von D6 hervor, dass das Außenteil 924 bezogen auf die Achse P1 des Lagerbolzens das Innenteil 926 in Umfangsrichtung zumindest teilweise umschließt. Die Konstruktion und die Montage des Lagers gemäß Figur 9A entspricht der des Lagers nach der Figur 8A von D6. In dieser perspektivischen Ansicht ist klar erkennbar, dass das Außenteil 824 das Innenteil 826 von drei Seiten im Umfangsrichtung bezogen auf die Achse des Lagerbolzens umschließt.

2.4 Der Ansicht der Beschwerdegegnerin, dass das Merkmal 1.7 aus D6 nicht zu entnehmen sei, ist zu widersprechen. Bei der Beurteilung, ob ein Merkmal aus dem Stand der Technik bekannt ist oder nicht, sollte seinem Wortlaut die breiteste technisch sinnvolle Bedeutung beigemessen werden (vgl. T 0079/96). In der Figur 9A von D6 erfolgt die Verbindung des Innenteils 926 mit dem Außenteil 924 über ein konisch zulaufendes, gebogenes Blech 936, welches zwischen Innenteil und Außenteil angeordnet ist. Die durch das beanspruchte Blechelement in der Patentschrift erwähnten Effekte (vgl. Spalte 3, Zeile 39 bis Spalte 4, Zeile 6 der Patentschrift: einfache Montage und Demontage durch Vermeidung einer festen stoffschlüssigen Verbindung zwischen Innen- und Außenteil; Gestaltung des Bleches dergestalt, dass es mit der Innenkontur des Außenteils angepasst ist) werden nach Ansicht der Kammer auch durch das konisch zulaufend gebogene Blechelement 936 von D6 erzielt. Die lösbare Verbindung und die Konturanpassung gehen insbesondere aus den Absätze [0029]-[0030] von D6 hervor, wo es heißt, dass die elastischen Elemente mit ihren gebogenen Blechelementen mittels Montagegestells und Trichters zwischen Außen- und Innenteilen einschnappen und montiert werden sollen. Die konische Ausgestaltung des Blechelements ist durch die Biegung jedes einzelnen Blechelements 936, wobei die Konusspitze entlang der Achse P2 in Fig. 9A liegt, in D6 verwirklicht.

2.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von diesem Stand der Technik lediglich dadurch, dass das wenigstens eine elastische Element eine Steifigkeit in einem Bereich von einschließlich 500 bis einschließlich 10.000 N/mm besitzt (Merkmal 1.6). Auch wenn dieser Elastizitätsbereich sehr weit gespreizt ist, bildet er ein gegenüber dem Stand der Technik abgrenzendes Merkmal, das neuheitsbegründend im Sinne von Artikel 54(2) EPÜ ist.

2.6 Ausgehend von dem in den Figuren 9A bis 9C von D6 offenbarten Lager als Stand der Technik stellt sich für den Fachmann die objektive technische Aufgabe, eine Lagersteifigkeit für das elastische Element zu bestimmen, welche an die im jeweiligen konkreten Einzelfall gegebenen Belastung angepasst ist.

2.7 Für den Fachmann gehört es zum allgemeinen Fachwissen, die Federkennlinie der elastischen Elemente von derartigen Lagern durch geeignete Materialauswahl und Auslegung an die spezielle Einsatzerfordernisse anzupassen. Der beanspruchte Steifigkeitsbereich ist sehr breit und ein Steifigkeitswert zwischen 500 bis einschließlich 10.000 N/mm liegt klar im Rahmen dessen, was zum Beispiel bei derartigen Lagerungen im Schienenfahrzeugbau üblich ist (vgl. D11: Seite 3, Federdiagramm gemäß Bild 6 oder die in der linken Spalte von Seite 5 erwähnten Werte: 1070 bis 5000 kg/cm, d.h. etwa 1050 bis 4905 N/mmm). Der beanspruchte Steifigkeitsbereich überdeckt somit herkömmliche Werte und seine Auswahl kann nicht als erfinderisch betrachtet werden.

2.8 Die Kammer kommt zum Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben,

2. Das Patent wird widerrufen.

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