T 1864/08 () of 19.4.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T186408.20100419
Datum der Entscheidung: 19 April 2010
Aktenzeichen: T 1864/08
Anmeldenummer: 04010744.3
IPC-Klasse: A47B 88/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Auszugsvorrichtung für Schrankauszüge, insbesondere in einem Hochschrank
Name des Anmelders: Heinrich J. Kesseböhmer KG
Name des Einsprechenden: Vauth-Sagel GmbH & Co. Kg
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 24. September 2008 gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 29. Juli 2008 Beschwerde eingelegt, am 26. September 2008 die Beschwerdegebühr entrichtet und am 8. Dezember 2008 die Beschwerde schriftlich begründet.

II. Der Einspruch wurde auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ 1973 (Neuheit und erfinderische Tätigkeit) gestützt.

III. Folgende Dokumente haben in diesem Verfahren eine Rolle gespielt:

E2: DE-C-195 26 108

E3: EP-A-0 922 417

E5: Europäische Norm 1153 aus 1995

IV. Am 19. April 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte den Widerruf des Patents.

Sie hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

E2 stelle den nächstkommenden Stand der Technik dar und beschreibe eine Auszugsvorrichtung, die bei vollständig herausgezogenem Rahmengestell einen Abstandsspalt zum Schrankkorpus offenbare. Ausgehend von dieser Druckschrift sei die zu lösende Aufgabe darin zu sehen, eine Auszugsvorrichtung vorzuschlagen, die bei guter Nutzung einen zuverlässigen Finger- bzw. Klemmschutz gewährleiste. Eine Lösung dieser Aufgabe, nämlich eine die Rückverlagerung des Rahmengestells nach Erreichen der Langauszugsstellung blockierende Verriegelungsvorrichtung, sei in E3 beschrieben. Des Weiteren belege die europäische Norm (E5) nicht nur, dass die Aufgabe, einen Finger- bzw. Klemmschutz bereitzustellen, zu den vom Fachmann immer zu berücksichtigenden Sicherheitsaspekten gehöre, sondern auch deren naheliegende Lösung mittels eines Abstandsspalts mit einem Finger- bzw. Klemmschutz definierten Maß.

Die Beschwerdeführerin 2 (Patentinhaberin) hat dem widersprochen und im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

E2 offenbare keine Auszugsvorrichtung, die über die Vollauszugstellung hinaus, eine Langauszugstellung angefahren werden könne, so dass ein Abstandsspalt entstehe, der so breit sei, dass er einen Finger- bzw. Klemmschutz bilde. Da auch E3 eine solche Maßnahme nicht beschreibe, könne die Kombination von E2 und E3 nicht zu der Lehre des Anspruchs 1 führen. Die europäische Norm (E5) sehe Ausnahmen vor und sei gerade bei ausziehbaren Elementen, also bei Auszugsvorrichtungen nicht anwendbar.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, bzw. das Patent auf der Grundlage der von der Einspruchsabteilung gebilligten Fassung aufrechtzuerhalten.

Der geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Auszugsvorrichtung für Schrankauszüge, insbesondere Hochschrankauszüge (4), mit einem im Innenraum eines Schrankkorpus (1) befindlichen und vorderseitig an einem vertikalen Längsträger (6) eine Schranktür (7) oder dergleichen tragenden Rahmengestell (5), wobei das jeweilige Auflageböden (8) tragende Rahmengestell (5) in Richtung einer senkrecht zur vorderen Öffnungsebene (e) des Schrankkorpus (1) verlaufenden Mittellängsebene (m) aus seiner innenliegenden Verwahrstellung in eine vor dem Schrankkorpus (1) befindliche Vollauszugsstellung soweit herausziehbar ist, daß das insbesondere eine obere und eine untere Auszugschiene als jeweiliges Führungsbauteil (9, 10) aufweisende Rahmengestell (5) mit seinem hinteren vertikalen Längsträger (11) im wesentlichen mit der Öffnungsebene (e) des Schrankkörpers (1) gleichebenig verläuft und der Schrankauszug in herausgezogener Stellung verschenkbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Auszugsvorrichtung mit einer Abstützung versehen ist, die für den Schrankauszug (4) eine Langauszugsstellung definiert, derart, daß das vollständig herausgezogene Rahmengestell (5) rückseitig einen Abstandsspalt (s) mit einem als Finger- bzw. Klemmschutz definierten Maß zur Öffnungsebene (e) bildet, wobei das Rahmengestell (5) über Lager (12, 13) mit als Auszugsschienen ausgebildeten oberen und unteren Führungsbauteilen (9, 10) verbunden ist, diese eine vertikale, mit der Mittelachse (M') des Schrankauszuges (4) zusammenfallende Hochachse (h) bilden, um diese das Rahmengestell (5) nach Verlagerung in die Langauszugstellung in oder entgegen dem Uhrzeigersinn (b) in eine Entnahmestellung schwenkbar und aus dieser rückschwenkbar ist, und daß der Schrankauszug (4) zumindest eine nach Erreichen der Langauszugsstellung (s) eine Rückverlagerung (Z') des Rahmengestells (5) blockierende Verriegelungsvorrichtung (19, 23) aufweist."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Erfinderische Tätigkeit:

Es ist unbestritten, dass E2 den nächstkommenden Stand der Technik darstellt, der die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbart.

Bei der Auszugsvorrichtung für Schrankauszüge gemäß E2 (Spalte 2, Zeilen 49 bis 56; Anspruch 2; Figur) sind der Schrankkorpus und der Schrankauszug durch Führungen miteinander verbunden, an denen sich der Schrankauszug über die Kontur des Schrankkorpus hinaus, aus diesem hervorziehen lässt und an denen sich der Schrankauszug im hervorgezogenen Zustand um eine senkrechte Schwenkachse verschwenken lässt.

Da der Schrankauszug "über die Kontur des Korpus hinaus", aus diesem hervorgezogen wird, entsteht zwangsläufig bei vollständig herausgezogenem Rahmengestell rückseitig ein Abstandsspalt zum Schrankkorpus (bzw. zur Öffnungsebene). Diese Position entspricht somit der im Anspruch 1 definierten Langauszugstellung, da sie nach der Vollauszugstellung in der das Hinterteil des Rahmengestells im wesentlichen mit der Öffnungsebene des Schrankkorpus gleichebenig verläuft, erreicht wird.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von E2 dadurch, dass:

- der Abstandsspalt ein Finger- bzw. Klemmschutz definiertes Maß zur Öffnungsebene bildet,

- der Schrankauszug zumindest eine nach Erreichen der Langauszugsstellung eine Rückverlagerung des Rahmengestells blockierende Verriegelungsvorrichtung aufweist.

Nach Erreichen der Langauszugsstellung soll das Rahmengestell arretiert werden, um das den Finger- bzw. Klemmschutz definierende Abstandsmaß sicher beizubehalten, bis es durch einen spezifischen Entriegelungsvorgang wieder aufgehoben wird.

Die durch die Erfindung in Bezug auf den nächstkommenden Stand der Technik E2 zu lösende Aufgabe kann somit darin gesehen werden, eine Auszugsvorrichtung vorzuschlagen, die bei guter Nutzung einen zuverlässigen Fingerschutz gewährleistet (siehe Streitpatentschrift, Abschnitt [0004]).

Aus E3 (Abschnitte [0001], [0002], [0004], [0005] und [0018]; Anspruch 1; Figur 1) ist es bekannt, Teleskopschienen für Schrank- und Gestelleinschübe mit einer Einrichtung zur Arretierung der Teleskopschiene in herausgezogener Stellung zu versehen.

Da diese Teleskopschienen für relativ große und schwere Schrankauszüge bestimmt sind (Abschnitt [0002]), sind sie auch für Schrankauszüge, wie im Streitpatent beansprucht, geeignet.

Es ist daher für den Fachmann naheliegend, eine ungewollte Rückverlagerung des bekannten Schrankauszugs gemäß E2 sowie eine Einklemmung der Finger der Bedienperson zwischen dem rückfahrenden Schrankauszug und dem Schrankkorpus durch eine Arretierungsvorrichtung, wie in E3 beschrieben, zu verhindern.

Mit der Arretierung des Schrankauszugs in dessen Langauszugstellung wäre in E2 der Abstandsspalt zur Öffnungsebene festgelegt. Bei dem Maß dieses Abstandes wird selbstverständlich auf einen Finger- bzw. Klemmschutz geachtet. Hierbei handelt es sich nämlich um einen vom Fachmann immer berücksichtigten Sicherheitsaspekt.

Die europäische Norm (E5) regelt die konstruktiven Sicherheitsanforderungen für Bauteile oder Teile von Küchenmöbeln und Arbeitsplatten.

Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, dass diese Norm auch Ausnahmen vorsehe und für Türen und ausziehbare Elemente nicht anwendbar sei (siehe E5, Abschnitt 6.2).

Diese Norm gilt jedoch für Küchenschränke und die dort angegebenen Sicherheitsanforderungen sind vom Fachmann zu beachten.

Der zuständige Fachmann weiß somit, dass ein Finger- bzw. Klemmschutz dann gewährleistet ist, wenn ein Spalt zwischen Teilen, die relativ zueinander bewegt werden können, kleiner als 8mm oder breiter als 25mm ist (siehe Punkt 6.2 unter der Überschrift "Konstruktive Sicherheitsanforderungen").

Deshalb ist es für den Fachmann selbstverständlich auch den Abstandsspalt zwischen Rahmengestell und Öffnungsebene dementsprechend zu dimensionieren.

Die Beschwerdegegnerin hat weiter ausgeführt, dass keine der Entgegenhaltungen eine Auszugsvorrichtung nahelege, die über die Vollauszugstellung hinaus, eine Langauszugstellung aufweist, so dass ein Abstandsspalt entstehe, der so breit sei, dass er einen Finger- bzw. Klemmschutz bilde.

Wie E5 es lehrt, ist jedoch für den Fachmann, ein Finger- bzw. Klemmschutz dann vorhanden, wenn der Abstandsspalt zwischen dem beweglichen Schrankauszug in seiner Langauszugstellung und dem Schrankkorpus entweder so eng ist, dass die Finger der Bedienperson in den Abstandsspalt nicht geraten können, oder so breit ist, dass eine Einklemmung in den Abstandsspalt nicht möglich ist.

Aus alldem folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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