T 1814/08 () of 26.1.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T181408.20100126
Datum der Entscheidung: 26 Januar 2010
Aktenzeichen: T 1814/08
Anmeldenummer: 03405486.6
IPC-Klasse: C23C 8/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 37 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Isolierung eines Oberflächenbereichs eines Werkstücks
Name des Anmelders: Bode, Hilmar
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Zulässigkeit der Änderungen (ja)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0176/84
T 0195/84
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Anmelder) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 03 405 486.6 Beschwerde eingelegt. Die Prüfungsabteilung hatte entschieden, dass die in Anspruch 1 des Hauptantrags, eingereicht mit Schreiben vom 10. Dezember 2007, vorgenommenen Änderungen die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ nicht erfüllten und es dem Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags, obwohl datiert vom 10. Dezember 2007 nachträglich eingereicht mit Schreiben vom 18. Januar 2008, gegenüber einer Kombination der Lehren von D1 (bzw. D2) mit D5 an der notwendigen erfinderischen Tätigkeit mangelte. Der Beschwerdeführer beantragte, ein Patent auf der Basis eines geänderten Hauptantrags oder, alternativ, auf der Basis eines geänderten Hilfsantrags, beide eingereicht mit der Beschwerdebegründung datiert vom 4 September 2008, zu erteilen. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

II. In der vorliegenden Entscheidung werden die folgenden Dokumente zitiert:

D1 = US-B-6 224 673

D2 = DE-B-1 053 013

D3 = US-A-2 179 073

D5 = US-A-3 631 837

D6 = US-A-3 740 259

D7 = JP-A-60-204 879

D8 = WO-A-90 10809

D9 = EP-A-0 863 288

D10 = US-B-6 176 934

III. Mit Bescheid vom 28. September 2009, der als Anlage zur Ladung für die angesetzte mündliche Verhandlung vor der Kammer beigefügt war, teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung im Hinblick auf die Ansprüche 1-4 des Hauptantrags bzw. den Ansprüchen 1-3 des Hilfsantrags, eingereicht mit der Beschwerdebegründung mit. Dabei teilte sie weder die Meinung der Prüfungsabteilung zur Zulässigkeit der im Prüfungsverfahren vorgenommenen Änderungen, noch zur Bestimmung des nächstkommenden Standes der Technik. Die Ansprüche 1 beider Anträge schienen jedoch die Erfordernisse der Artikel 84 und aus anderen Gründen die des Artikels 123(2) EPÜ nicht zu erfüllen.

Ungeachtet der Mängel nahm die Kammer zu den Anträgen bezüglich der erfinderischen Tätigkeit Stellung. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags schien gegenüber dem nächstkommenden Stand der Technik D3 und seinem allgemeinen Fachwissen für den Fachmann naheliegend zu sein, während das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags vom vorliegenden Stand der Technik nicht in zwingender Weise herleitbar erschien.

Sollte ein geänderter formal zulässiger Antrag eingereicht werden, der auch die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ erfüllt, dann wäre die Kammer in der Lage, auch ohne mündliche Verhandlung im Sinne des Beschwerdeführers zu entscheiden, so dass die mündliche Verhandlung abgesagt werden könnte.

IV. Mit Schriftsatz vom 25. November 2009 reichte der Beschwerdeführer als Reaktion auf den Bescheid der Kammer einen auf Verfahrensansprüche 1-3 beschränkten Hauptantrag ein und ersuchte, sollte weiterhin eine mündliche Verhandlung als notwendig erachtet werden, um eine Mitteilung, um etwaige verbleibende Hindernisse für die Erteilung des Patents so rechtzeitig ausräumen zu können, damit die mündliche Verhandlung entbehrlich werde.

V. Mit dem Fax vom 18. Januar 2010 informierte die Kammer den Beschwerdeführer über die noch notwendigen Änderungen in Anspruch 1 sowie der Beschreibung.

VI. Mit dem Fax vom 19. Januar 2010 reichte der Beschwerdeführer einen korrigierten Anspruchssatz des einzigen Antrages sowie eine dazu angepasste Beschreibung mit den Seiten 1-3, 3a, 3b und 4-13 ein.

VII. Am 20. Januar 2010 erfolgte eine telefonische Rücksprache zwischen dem Berichterstatter und dem Vertreter des Beschwerdeführers, in welcher zusätzliche Änderungen in der Beschreibung auf den Seiten 3, 3a, 5, 7, 8, 9, 10 und 11 vereinbart wurden, um die Beschreibung strikt an Anspruch 1 anzupassen.

VIII. Der Beschwerdeführer reichte mittels Fax vom 20. Januar 2010 Austauschseiten 3, 3a, 5, 7, 8, 9, 10 der Beschreibung bzw. mittels Fax vom 21. Januar 2010 die Austauschseite 11 der Beschreibung ein.

IX. Mit der Verfügung vom 21. Januar 2010 wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2010 von der Kammer aufgehoben.

X. Der Wortlaut des geltenden unabhängigen Anspruches 1 lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Oberflächenbehandlung eines Kugelzapfens (12) mittels einer Vorrichtung zur Isolierung eines Oberflächenbereichs (2) des Kugelzapfens (12) von einem gasförmigen Medium, bei welchem Verfahren

(a) der Kugelzapfen (12) teilweise durch eine Öffnung (5) in einen Hohlraum (4) der Vorrichtung eingebracht wird und

(b) mit Mitteln (6) zur Abdichtung der Hohlraum abgedichtet wird, so dass während der Oberflächenbehandlung des Kugelzapfens (12) ein Eindringen des Mediums in den Hohlraum (4) verhindert wird,

dadurch gekennzeichnet, dass

(c) als Vorrichtung zur Isolierung eine Abdeckhülse (7) verwendet wird, die ein Dichtelement (61), das im Bereich der Öffnung des Hohlraums (4) angeordnet ist, umfasst,

(d) wobei das Werkstück (3) mittels eines Gewindes (11) in einer Gewindebohrung (71) der Abdeckhülse (7) fixiert wird, wobei das Dichtelement (61) mit einem äußeren Umfang (21) des Kugelzapfens (12) dichtend zusammenwirkt und

(e) wobei ein Bereich (31) der Oberfläche des Kugelzapfens (12) (i) bei einer Temperatur zwischen 350ºC und 900ºC (ii) durch einen Gas-Nitrierprozess und/oder einen Plasmanitrierprozess nitriert oder nitrocarburiert wird."

XI. Der Beschwerdeführer hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Die vorliegenden Ansprüche 1-3 räumen alle Beanstandungen der vorläufigen Meinung der Kammer aus.

Das Verfahren nach Anspruch 1 definiert ein Verfahren zum Nitrieren oder Nitrocarburieren eines Kugelzapfens. Da das von der Prüfungsabteilung verwendete Dokument D1 ein Verfahren zum Beschichten offenbart, tauge es nicht als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. D7 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar und lehre, dass die Hülse und das Werkstück einen kleinen Spalt bilden sollen, damit das Werkstück in die Hülse eingeführt werden kann. Damit beim Nitrieren kein Gas in die Hülse eindringen könne, setze dieses Verfahren nach D7 voraus, dass die Hülse und das Werkstück zunächst auf eine erhöhte Temperatur gebracht werden, so dass sich die Lücke durch die unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten dieser Teile schließe. Das aber setze eine gesonderte Heizvorrichtung voraus, die der Nitriervorrichtung vorzuschalten sei. Somit sei die objektive Aufgabe, das in D7 beschriebene Verfahren so weiterzubilden, dass eine zusätzliche Vorheizvorrichtung bzw. ein Vorheizschnitt entbehrlich werde. Die Erfindung löse das Problem über das Merkmal (d), indem nämlich das Gewinde des Kugelzapfens bereits so mit der Hülse verschraubt wird, dass eine im Wesentlichen gasdichte Verbindung erreicht werde. Dass es möglich sei, dass allein durch Aufschrauben der Hülse prozesssicher eine gasdichte Verbindung hergestellt werden könne, sei D7 nicht entnehmbar. Diese Lehre sei auch in keiner der anderen Druckschriften enthalten. Dabei würde der Fachmann insbesondere D1` D5, D6, D8, D9 und D10 nicht in Betracht ziehen, weil diese kein Nitrier- bzw. Nitrocarburier-Verfahren betreffen. Die Schraub-Haltevorrichtung gemäß D5 ist aufgrund der im Bauteilträger vorhandenen Bohrung 13 nicht gasdicht, so dass sie für den gemäß vorliegender Anmeldung beabsichtigten Einsatz in einer reaktiven Atmosphäre ungeeignet ist und nicht nur für die beabsichtigten Temperaturen modifiziert werden müsste. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe daher auf erfinderischer Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ) - Klarheit und Stütze der Ansprüche (Artikel 84 EPÜ)

1.1 Der Gegenstand des vorliegenden Anspruches 1 des einzigen Antrages lässt sich von den ursprünglichen Ansprüchen 8, 9 und 3 sowie von Seite 4, Zeilen 5 bis 19; Seite 5, Zeilen 7 bis 27; Seite 7, Zeilen 13 bis 23; sowie Seite 8, Zeilen 11 bis 29 und den Figuren 1-3 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung eindeutig herleiten.

Anspruch 1 erfüllt daher die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ.

1.2 Die Prüfungsabteilung bemängelte den damals auf ein "Verfahren zur Oberflächenbehandlung eines Werkstücks" gerichteten Anspruch 1 unter Artikel 123(2) EPÜ allein damit, dass die relevanten Teile der Beschreibung ein Verfahren zur Isolierung und Behandlung eines Oberflächenbereiches eines speziellen Artikels, nämlich eines Kugelzapfens, betrafen, während der gültige Anspruch 1 sich auf ein "sehr allgemeines Werkstück" bezog.

1.3 Außer dass die Prüfungsabteilung verkannt hat, dass es in dieser Hinsicht nicht um eine Änderung des auf ein Verfahren zur Oberflächenbehandlung eines Werkstücks gerichteten Anspruches 1 gehen kann, scheint sie die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ mit denen des Artikels 84 EPÜ (Stütze der Ansprüche in der Beschreibung) zu verwechseln.

Letztere Bestimmung ist im Übrigen damit erfüllt, dass das Verfahren nach dem jetzigen Anspruch auf die Oberflächenbehandlung eines Kugelzapfens abstellt.

1.4 Die abhängigen Verfahrensansprüche 2 und 3 basieren auf einem Teil des Anspruchs 9 bzw. auf Seite 5, Zeile 19, der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung.

Die Ansprüche 2 und 3 erfüllen daher ebenfalls Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ.

1.5 Mit den vorgenommenen Änderungen erfüllen die Ansprüche im Übrigen auch die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ, insbesondere in Bezug auf die - ohne weitere Schlussfolgerung gemachte - Anmerkung der Prüfungsabteilung in ihrer Begründung mangelnder erfinderischer Tätigkeit, dass die "Isolierende Fixierung des Gewindebereichs eines Kugelzapfens in einer Gewindebohrung, wobei Mittel zur Abdichtung des Hohlraums vorgesehen sind, so dass während einer Oberflächenbehandlung des Kugelzapfens ein Eindringen eines fluiden Mediums in den Hohlraum verhinderbar ist." wesentliche Merkmale der Erfindung darstellen.

2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Die Kammer stimmt mit der Prüfungsabteilung überein, dass kein Dokument ein Verfahren mit allen Merkmalen von Anspruch 1 des Hauptantrags offenbart. Somit ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags eindeutig neu. Anspruch 1 erfüllt daher die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

3.1.1 Von dem ermittelten Stand der Technik betrachtet die Kammer D3 als den nächstkommenden Stand der Technik für das Verfahren zur Oberflächenbehandlung eines Werkstücks gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags, bei dem Teile des Werkstücks (Kugelzapfens) gegenüber einer reaktiven gasförmigen Atmosphäre abgeschirmt werden (vgl. D3, Seite 4, linke Spalte, Zeile 34 bis rechte Spalte, Zeile 40; Figuren 4 und 5; Ansprüche 8 bis 12).

3.1.2 Das Argument des Beschwerdeführers, wonach D7 für Anspruch 1 den nächstkommenden Stand der Technik bilden würde, ist nicht akzeptabel, da D7 - wie D1 - eine Beschichtung eines Werkstückes in einem Reaktionsofen durchführt, wobei eine Maskierung eines Teilbereiches des zylindrischen Werkstückes über die unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten des Werkstückes und einer Hülle, welche eine runde Aussparung für das nicht zu beschichtende Teil des zylindrischen Werkstücks aufweist, erreicht wird (siehe Zusammenfassung).

3.1.3 Gemäß einer ersten Ausführungsform nach den Figuren 1 und 2 von D3 wird ein längliches Werkstück (Getriebeteil) in einen aus zwei aneinander geflanschten, zylindrischen Teilen bestehenden, gasdichten Einzelbehälter 3 eingebracht, wobei eine Vielzahl dieser Einzelbehälter in eine Gitterstruktur 1 zum Aufheizen bzw. Abkühlen in einem Ofen montiert wird (siehe Figuren 1 und 2; Seite 2, Zeile 4 bis Seite 3, Zeile 17). Der nicht zu beschichtende Teil 37 des Werkstücks wird so in einen passend geformten zylindrischen Wandbereich 15 des unteren Teiles des Einzelbehälters 3 eingebracht, dass die Schulter des Werkstücks mit dem Flansch 21 eine Dichtung bildet, so dass eine Carburierung durch das in jedem Einzelbehälter 3 befindliche Carburierungsmittel 39 verhindert wird (siehe Figur 2 und Seite 3, Zeilen 18 bis 53).

Gemäß der zweiten Ausführungsform nach den Figuren 4 und 5 von D3 werden in einem Behälter 52 die länglichen, nicht zu behandelnden Teile der Kugelzapfen 61 durch die Öffnungen einer ersten Platte 53 durchgeführt (der Durchmesser dieser Öffnungen ist so gewählt, dass die runden Kugelköpfe der Kugelzapfen 61 nicht durchfallen können) und durch die Öffnungen der weiteren, mittels Bolzen 57 etwas beabstandet angeordneten Platte 59 ausgerichtet, wobei die unteren Teile der Kugelzapfen aufgrund der daran vorhandenen Gewinde mittels Muttern 60 fixiert werden können (siehe Figur 4). Das Carburierungsmittel zum Härten der Köpfe der Kugelzapfen 61 bzw. zu deren Oberflächenbehandlung befindet sich zwischen der Platte 53 mit den Stützwänden 55 und der Abdeckung 63; somit ist der untere Teil der Vorrichtung, in dem keine Behandlung der länglichen Teile der Kugelzapfen stattfinden soll, effektiv gegenüber der Hauptmenge der Carburierungsgase abgedichtet (siehe Seite 4, Zeilen 28 bis 45 und Figur 4).

Durch diesen unteren Teil mit den Behälterteilen 52, 53, 55 und 65 gemäß D3 wird eine Vorrichtung mit einem Hohlraum gebildet, in den die länglichen Teile der Kugelzapfen 61 zum Maskieren ihrer Teiloberfläche eingebracht werden. Dabei wirken die Löcher in der Platte 53 mit dem äußeren Umfang der Kugelköpfe der Kugelzapfen 61 dichtend zusammen, so dass dieser Hohlraum zum Maskieren der länglichen Teile der Kugelzapfen 61 im wesentlichen gegenüber der sich bildenden gasförmigen Reaktivatmosphäre isoliert wird.

Das Verfahren von Anspruch 1 unterscheidet sich somit von jenem gemäß der zweiten Ausführungsform nach D3 dadurch, dass

a) der zu behandelnde Bereich der Oberfläche des Kugelzapfen durch einen Gas-Nitrierprozess und/oder einen Plasmanitrierprozess bei einer Temperatur zwischen 350ºC und 900ºC behandelt wird, wobei

b) als Vorrichtung zur Isolierung eines nicht zu behandelnden Oberflächenbereichs dieses Kugelzapfens eine Abdeckhülse verwendet wird, welche im Bereich der Öffnung ihres Hohlraums ein Dichtelement aufweist, und

c) bei dem der Kugelzapfen mittels eines Gewindes in einer Gewindebohrung der Abdeckhülse fixiert wird, wobei d) das Dichtelement mit einem äußeren Umfang des Kugelzapfens dichtend zusammenwirkt.

Das Merkmal a) bewirkt eine bestimmte Oberflächenbehandlung, z.B. Einstellung einer gewünschten Härte, des zu behandelnden Teilbereichs des Kugelzapfens.

Die Merkmale b) und d) bedingen, dass das Verfahren auch bei Unterdruck angewandt werden kann und dabei nur der nicht abgedeckte Teilbereich der Oberfläche des Kugelzapfens behandelt wird.

Das Merkmal c) bedingt eine einfache Fixierung des Kugelzapfens in der Abdeckhülse.

3.2 Die zu lösende technische Aufgabe wird ausgehend von D3 darin gesehen, das bekannte Verfahren zur teilweisen Oberflächenbehandlung des Kugelzapfens so zu vereinfachen, dass es auch bei Unterdruck sicher in einer Prozesskammer angewandt werden kann (siehe Anmeldung wie ursprünglich eingereicht, Seite 3, Zeilen 1 bis 19 und Seite 6, Zeilen 20 bis 24).

3.3 Die Lösung dieser Aufgabe gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags beruht aus folgenden Gründen auf einer erfinderischen Tätigkeit:

3.4 Die Anwendung von Nitrier- oder Nitrocarburier-Verfahren zur Oberflächenbehandlung von Werkstücken wird für den Fachmann als naheliegend erachtet, da diese Verfahren im allgemeinen ähnliche Temperaturen wie die in D3 offenbarte Carburierung verwenden.

Allerdings lassen sich die in D3 beschriebenen Vorrichtungen mit ihren Behältern, bei denen das oder die zu behandelnde(n) Oberfläche(n) des (der) Werkstück(e) zusammen mit dem Carburierungsmittel in einem Behälter eingeschlossen ist(sind) und bei denen gleichzeitig eine Härtung und eine Carburierung dieses Teiles der Oberfläche der Werkstücke erfolgt, nicht ohne dafür aufwändige Modifikationen zur Nitrierung oder Nitrocarburierung in einem Gas-Nitrierprozess und/oder einen Plasmanitrierprozess verwenden.

3.4.1 Das auf der Hand liegende Vorsehen einer Gaszuführung bzw. eines Gasauslasses in den bzw. in die entsprechenden Behälter gemäß D3 würde zwar die Durchführung eines Gas-Nitrierprozesses ermöglichen, würde aber nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrages führen. Diese Modifikation würde auch die Durchführung eines Plasma-Nitrierprozesses noch nicht ermöglichen, da dafür der obere Behälterteil der Vorrichtung nach D3 umgebaut werden müsste, damit das Plasma an die Oberfläche des Werkstückes gelangen kann. Insbesondere würde diese Modifikation nicht die Nichtbeschichtung eines Teiles der Oberfläche sicherstellen, da die in D3 beschriebenen Dichtungen zwischen Behälter und Umgebung, bzw. zwischen dem Werkstück und der Behälterwand für in etwa Normaldruck (siehe z.B. Seite 3, linke Spalte, Zeilen 1 bis 14) und nicht für entsprechenden Unterdruck ausgelegt sind.

3.4.2 Falls die Dichtigkeit des Behälters nach dem zweiten Ausführungsbeispiel von D3 mit seinen Maskierungsbereichen nicht mehr ausreicht, um das Nichtbeschichten eines Teiles der Oberfläche bei einem Gas-Nitrierprozess sicherzustellen, könnte der Fachmann z.B. eine Nitrierschutzpaste nach dem bekannten Stand der Technik (siehe Seite 2, letzter Absatz der Anmeldung) oder eine andere temperaturbeständige Abdeckung für die nicht zu beschichtende Oberfläche verwenden, oder er könnte zusätzliche Dichtelemente zwischen Kugelkopf und unterer Behälterwand 53 vorsehen, um diese Gasdichtigkeit zu erreichen.

Selbst wenn der Fachmann zusätzliche Dichtelemente vorsehen würde, wie sie z.B. von D1 offenbart werden (siehe Spalte 2, Zeilen 37 bis 58; Spalte 3, Zeilen 1 bis 7 und Zeilen 15 bis 39; Figur 1), dann würde er nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen, da er vom vorliegenden Stand der Technik keine Anregung bekommt, jedes Werkstück (d.h. jeden Kugelzapfen) mittels seines Gewindes in einer separaten Abdeckhülse zu fixieren.

3.5 Die Argumente des Beschwerdeführers bezüglich D5 (welche analog für deren Teilanmeldung D6 gelten) sind für die Kammer plausibel:

Dokument D5/D6 wird vom im vorliegenden Fall zu berücksichtigenden Fachmann auf dem Gebiet der Nitrier- bzw. Nitrocarburierverfahren nicht herangezogen, weil es ein Verfahren zur Beschichtung von Behältern (z.B. Flaschen) mittels einer Spritzpistole betrifft. Das Gebiet der Beschichtung von Behältern mittels Spritzvorrichtungen ist weder ein übergeordnetes technisches Gebiet noch ein nebengeordnetes Spezialgebiet, von dem der hier zu berücksichtigende Fachmann Kenntnisse haben sollte (siehe T 195/84, ABl. EPA 1985, 421 und T 176/84, ABl. EPA 1986, 50).

Im Übrigen werden nach D5 die Behälter 12 mit ihrem Gewinde in ein in einem Träger-Bauteil 10 befindliches Gewinde 18 eingeschraubt, wobei in der zylindrischen Öffnung 11 dieses Träger-Bauteils ein O-Ring 15 in einer ringförmigen Aussparung 14 angeordnet ist, mit dem eine Abdichtung des Gewindebereiches des Behälters erfolgt (siehe Spalte 2, Zeile 14 bis Spalte 3, Zeile 29). Die so montierten Behälter können anschließend mittels einer Spritzpistole mit einer Beschichtung versehen werden, ohne dass der Gewindebereich mitbeschichtet wird (siehe Spalte 3, Zeile 30 bis Spalte 4, Zeile 14), wobei die Beschichtung der Behälter bei Normaldruck und normaler Temperatur erfolgt. Das Träger-Bauteil 10 weist die Bohrung 13 auf, welche die Möglichkeit vermeidet, ein Vakuum im Behälter 12 anzulegen (siehe Spalte 2, Zeilen 39 bis 42). Somit liegt bei der Anordnung nach D5 kein geschlossener Hohlraum vor, wodurch der Eintritt von reaktiven Reaktionsgasen in den Innenraum des Behälters nicht vermieden werden kann, so dass diese Anordnung für den beabsichtigten Einsatz in einer reaktiven Atmosphäre bei höheren Temperaturen gemäß vorliegender Anmeldung ungeeignet ist, da sie nicht nur für die beabsichtigten Temperaturen modifiziert werden müsste.

3.6 In der angefochtenen Entscheidung ist nach Meinung der Kammer bei der Diskussion der D5 zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, dass das Verfahren nach dem damals geltenden Haupt- und Hilfsantrag sich - wie der vorliegende Verfahrensanspruch - nicht auf ein allgemeines Beschichtungsverfahren, sondern auf ein Oberflächenbehandlungsverfahren mittels Nitrieren bzw. Nitrocarburieren (geschweige denn in einem Gasnitrierprozess und/oder in einem Plasmanitrierprozess) bezieht.

3.7 Die Dokumente D2 und D8-D10 werden von der Kammer für die erfinderische Tätigkeit ebenfalls als nicht relevant erachtet, da sie weder ein zusätzliches Dichtelement noch eine Fixierung des Werkstückes über ein Gewinde in einem Oberflächenbehandlungsverfahren offenbaren (D2) bzw. weil sie keine Nitrierung oder Nitrocarburierung eines Werkstücks betreffen, insbesondere keine Maskierung eines Teilbereichs der Oberfläche desselben (D8-D10).

3.8 Das Verfahren von Anspruch 1 des einzigen Antrags erfüllt daher die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.

Die von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 und 3 definieren bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1 und erfüllen daher ebenfalls die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.

4. Bezüglich der angegriffenen Entscheidung macht die Kammer noch folgende Bemerkung:

Wie die Kammer der Akte entnehmen konnte, wurde der Hilfsantrag datiert vom 10. Dezember 2007 nicht, wie die Prüfungsabteilung in ihrer Entscheidung fälschlicherweise behauptet, mit dem Schreiben vom 10. Dezember 2007 eingereicht (siehe Sachverhalt und Anträge, Punkt 9). Dieser Hilfsantrag wurde von dem Beschwerdeführer tatsächlich mit dem Schreiben vom 18. Januar 2008 unter Bezugnahme auf "eine telefonische Mitteilung der Prüfungsabteilung vom 18. Januar 2008" eingereicht. Offensichtlich war dieser Hilfsantrag - irrtümlich - nicht zusammen mit dem Hauptantrag und dem Schreiben vom 10. Dezember 2007 eingereicht worden.

In der vorliegenden Akte gibt es allerdings keine entsprechende Telefonnotiz vom 18. Januar 2008 über eine telefonische Rücksprache zwischen dem beauftragten Prüfer und dem Anmelder/Beschwerdeführer, welche aber gemäß den Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt (siehe Kapitel C-VI, 6.2) hätte angelegt werden müssen.

Der Sinn einer solchen Telefonnotiz liegt darin, dass von der Öffentlichkeit bzw. nicht zuletzt der Beschwerdekammer in der Akte nachverfolgt werden kann, was zwischen der Prüfungsabteilung und dem Vertreter im Telefongespräche diskutiert bzw. vereinbart worden ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Beschreibung:

Seiten: 1, 2, 3b, 4, 6, 12 und 13, eingereicht mit Fax vom 19. Januar 2010

Seiten: 3,3a, 5, 7, 8, 9 und 10, eingereicht mit Fax vom 20. Januar 2010

Seiten: 11, eingereicht mit Fax vom 21. Januar 2010

Ansprüche:

Nr.: 1 bis 3, eingereicht mit Fax vom 19. Januar 2010

Zeichnungen:

Figuren: 1 bis 3, wie ursprünglich eingereicht.

Quick Navigation