T 1678/08 () of 7.7.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T167808.20110707
Datum der Entscheidung: 07 Juli 2011
Aktenzeichen: T 1678/08
Anmeldenummer: 03765010.8
IPC-Klasse: A61K 8/36
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Feuchtigkeitsbeständige Mascara-Zusammensetzung
Name des Anmelders: Coty B.V.
Name des Einsprechenden: Beiersdorf AG
Kammer: 3.3.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Ausführbarkeit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht) - nicht naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die am 20. August 2008 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 1 523 299 zurückgewiesen wurde. Die erteilten Ansprüche 1, 3 und 5 lauteten wie folgt:

"1. Feuchtigkeitsbeständige Mascara-Zusammensetzung, gekennzeichnet durch einen stabilen kolloidalen Komplex, bestehend aus

0,1 bis 10 Gew-% eines wasserlöslichen Polymeren, ausgewählt unter Polyvinylpyrrolidon, Vinylacetat / Vinylpyrrolidon-Copolymeren und Gemischen davon,

0,5 bis 10 Gew-% Stearinsäure und

1 bis 40 Gew-% eines Wachses oder Wachsgemisches,

und hergestellt, indem man in die Ölphase, bestehend aus dem geschmolzenen Wachs oder Wachsgemisch und Stearinsäure, das wasserlösliche Polymere oder Copolymere einbringt bis zur Bildung eines stabilen kolloidalen Komplexes, und diesen Komplex in homogener Form mit einer Wasserphase emulgiert.

3. Mascara-Zusammensetzung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Zusammensetzung weitere Hilfsstoffe, Trägerstoffe, Wirkstoffe oder Gemische davon enthält.

5. Verfahren zur Herstellung einer feuchtigkeitsbeständigen Mascara-Zusammensetzung, dadurch gekennzeichnet, daß man eine Ölphase, bestehend aus Wachsen oder Wachsgemischen und Stearinsäure bis zur Schmelze erhitzt, in die Schmelze bei Rührgeschwindigkeiten von 100 bis 2500 U/min ein teilchenförmiges wasserlösliches Polymeres, ausgewählt unter Polyvinylpyrrolidon, Vinylacetat / Vinylpyrrolidon-Copolymeren und Gemischen davon, in die Schmelze einträgt und bis zur Homogenität rührt, und

a) zur Herstellung einer W/O-Emulsion in das homogene Gemisch Pigmente bis zur vollständigen Dispersion der Pigmente einbringt und eine wäßrige Phase hinzugibt, die aus Wasser und gegebenenfalls weiteren Hilfsstoffen, Trägerstoffen, Wirkstoffen und Gemischen davon besteht, und bei Temperaturen im Bereich von 60 bis 75 ºC bis zum Erreichen einer homogenen Emulsion rührt, das homogene Gemisch abkühlt, oder

b) zur Herstellung einer O/W-Emulsion nach Zugabe von Pigmenten zu der wäßrigen Phase und nach deren Dispersion die Ölphase in die wäßrige Phase einbringt und bei 60 bis 75 ºC bis zum Erreichen einer homogenen Emulsion rührt und dann abkühlt."

II. Mit der Einspruchsschrift war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikeln 54 und 56 EPÜ angegriffen worden. Hierbei wurde auf die Druckschriften WO 99/20230 (D1) und DE-A-100 33 527 (D2) verwiesen. Die Einsprechende hatte zu einem späteren Zeitpunkt beantragt, für den Fall, dass der Anspruch 1 so auszulegen wäre, dass der Komplex keine weiteren Inhaltsstoffe als Stearinsäure, Wachse oder Wachsgemische, und Polyvinylpyrrolidon und/oder Vinylacetat/Vinylpyrrolidon-Copolymeren enthalten dürfe, den Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ ins Verfahren einzuführen.

III. Gemäß der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass der im Anspruch 1 des Streitpatents definierte Komplex nur die oben zitierten Inhaltsstoffe enthält. Des Weiteren war die Einspruchsabteilung der Meinung, dass sich die %-Angaben im Anspruch nur auf die Gesamtzusammensetzung der Mascara beziehen können, da eine andere Interpretationsmöglichkeit ausgeschlossen sei. Im Lichte dieser Auslegung, hatte die Einspruchsabteilung keine Zweifel an der Nacharbeitbarkeit der erfindungsgemäßen Produkte und Verfahren. Aus diesem Grund wurde der Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ nicht ins Verfahren eingeführt. Die mit Schreiben der Patentinhaberin vom 13. Juni 2008 eingereichten Vergleichsversuche wurden ins Verfahren zugelassen, da sie eine faire Reaktion auf die von der Einsprechenden eingereichten Vergleichsversuche vom 19. Mai 2008 darstellten. Die während der mündlichen Verhandlung von der Patentinhaberin vorgebrachten weiteren Vergleichsversuche und Mascara-Proben wurden ins Verfahren jedoch nicht zugelassen. Die Neuheit gegenüber D1 und D2 wurde anerkannt, weil die Ölphase in Rezeptur R2 von D1 und im Beispiel 5 von D2 jeweils Silikonöl oder Neutralöl enthielt, womit in D1 und D2 kein Komplex offenbart wurde, welcher nur aus den drei Komponenten die im Anspruch 1 des Streitpatents definiert sind, bestand. Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit galt D1 als nächstliegender Stand der Technik. Die gegenüber D1 gelöste Aufgabe wurde in der Bereitstellung von Mascaras gesehen, die eine verbesserte Feuchtigkeitsbeständigkeit und Abriebfestigkeit aufwiesen. Die Lösung des Problems, die darin bestand das wasserlösliche Polymer in der Ölphase zu lösen und die Ölphase frei von weiteren Bestandteilen zu halten, war weder von D1, noch von D2 nahegelegt. Die gleiche Argumentation galt mutatis mutandis für den Gegenstand des Anspruchs 5. Somit war der beanspruchte Gegenstand als erfinderisch anzusehen.

IV. Mit der Beschwerdebegründung hielt die Beschwerdeführerin ihre Einwände unter Artikel 100 a) und 100 b) EPÜ aufrecht. Es wurden weitere Druckschriften, unter anderem D5 (W. Umbach, Kosmetik, Entwicklung, Herstellung und Anwendung kosmetischer Mittel, Georg Thieme Verlag Stuttgart, 2. Auflage, 1995, Seiten 317, 322 und 324) eingereicht, auf deren Basis, die Beschwerdeführerin die Neuheit des Produkts gemäß Anspruch 1 und die erfinderische Tätigkeit des Verfahrens gemäß Anspruch 5 bestritt.

V. Mit Schreiben vom 3. März 2009 reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) Vergleichsversuche ein und beantragte als einzigen Antrag die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. In ihrem Bescheid vom 27. Mai 2011, der zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erging, wies die Kammer insbesondere auf die widersprüchliche Darstellung der dem Streitpatent zugrundeliegenden Erfindung in den Ansprüchen bzw. in der Beschreibung hin. Um die Frage der Neuheit, der erfinderischen Tätigkeit und ob die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nach Artikel 114 EPÜ unangemessen bzw. fehlerhaft ausgeübt hat, indem sie den Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ ins Verfahren nicht eingeführt hatte, zu beantworten, hielt es die Kammer für erforderlich zu klären was der beanspruchte Gegenstand des Streitpatents umfasse und wie die zugrundeliegende Erfindung zu verstehen sei.

VII. Mit Schreiben vom 15. Juni 2011 reichte die Beschwerdegegnerin einen neuen Hauptantrag und zwei Hilfsanträge ein, auf deren Grundlage sie die Aufrechterhaltung des Patents begehrte.

VIII. Am 7. Juli 2011 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, während der die Beschwerdegegnerin einen neuen Hauptantrag bestehend aus 3 Ansprüchen und einer geänderten Beschreibung einreichte. Die unabhängigen Ansprüche dieses Antrags entsprechen den erteilten unabhängigen Ansprüchen 1 und 5, wobei Anspruch 5 als 3 umnummeriert wurde. Der abhängige Anspruch 2 entspricht dem erteilten Anspruch 3, wobei präzisiert wurde, dass die weiteren Hilfsstoffe, Wirkstoffe und Gemische davon in der Wasserphase der Zusammensetzung enthalten sind.

IX. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Es sei nicht eindeutig offenbart, ob sich die Gewichtsangaben in Anspruch 1 auf das Gesamtgewicht des Komplexes oder der Mascara-Zubereitung beziehen. Der Anspruch 1 sei darüber hinaus widersprüchlich hinsichtlich der Zusammensetzung des Komplexes, der einerseits aus 3 Komponenten bestehen soll und anderseits diese Komponenten nur in einer Maximalkonzentration von 60 Gew.-% enthalte. In sich widersprüchliche Ansprüche seien per se nicht nacharbeitbar. Des Weiteren enthalte das Patent kein Beispiel an dem sich der Fachmann orientieren könne, da weder Beispiel 1 noch Beispiel 2 erfindungsgemäße Beispiele des erteilten Patents seien. Diesbezüglich vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass die Mascara-Zusammensetzung nach Beispiel 2 Hydrogenated Castor Oil zu Bildung der Ölphase enthalte, das kein Wachs sei. Demzufolge sei die Erfindung nicht im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar.

b) Neuheit werde nicht bestritten.

c) Ausgangpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei die Druckschrift D2, insbesondere die Mascara nach Beispiel 5. Die Vergleichsversuche vom 19. Mai 2008 zeigten, dass die Zugabe des Polymers zur Ölphase zu keinem technischen Effekt führten. Die Aufgabe der Erfindung könne daher nur darin gesehen werden, eine alternative Mascara zu entwickeln. Bei der Herstellung der Mascara gemäß Beispiel 5 von D2 gäbe es nur zwei Möglichkeiten das PVP-Copolymer in die Mascara einzuführen, nämlich in die Wasserphase oder in die Ölphase. Somit handele es sich bei der Auswahl das PVP-Copolymer in die Ölphase einzuführen, um eine willkürliche Auswahl, die dem beanspruchten Gegenstand keinen erfinderischen Charakter verleihen könne. Das gleiche gelte für die Auswahl der im vorliegenden Anspruch 3 definierten Rührgeschwindigkeiten. Somit erfülle der Gegenstand der Ansprüche 1 oder 3 nicht die Kriterien des Artikels 56 EPÜ.

d) Gegen die Fassung der während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgelegten geänderten Beschreibung wurden keine Einwände erhoben.

X. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Nach der Feststellung, dass die drei Komponenten des Komplexes nicht 100 Gew.-% ergäben, sei davon auszugehen, dass der Fachmann mit der Absicht technischen Sinn im Anspruch zu erkennen die Beschreibung heranziehen würde. Im Wesentlichen ergäben sich drei Möglichkeiten der Auslegung. Die erste, dass der Passus "bestehend aus" fehlerhaft sei, und dass der Komplex noch weitere Substanzen umfasse, stehe im Widerspruch zu der Beschreibung. Die zweite Möglichkeit, dass die Mengenangaben der drei Komponenten fehlerhaft seien, scheide im Hinblick auf die Mengenangaben im Absatz [0011] und in den Beispielen 1 und 2 des Streitpatents auch aus. Somit bliebe dem Fachmann nur die Auslegung, dass sich die Angaben in Gew.-% anstatt auf das Gewicht des Komplexes auf das Gesamtgewicht der erfindungsgemäßen Mascara-Zusammensetzungen beziehen. Daher sei das Argument der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Einwands unter Artikel 100 b) EPÜ nicht durchgreifend.

b) Ausgangpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei die Druckschrift D2, insbesondere die Mascara gemäß Anspruch 5. Ausgehend von diesem Stand der Technik lösten das beanspruchte Produkt und das beanspruchte Verfahren die technische Aufgabe Mascara-Zusammmensetzungen mit zumindest verbesserter Feuchtigkeitsbeständigkeit bereitzustellen. Diesbezüglich werde auf die Vergleichsversuche vom 3. März 2009 verwiesen. Zur Lösung dieser Aufgabe lehre kein Dokument, dass das wasserlösliche Polymer in einer Mischung aus geschmolzenem Wachs und Stearinsäure zu lösen sei. Die Tatsache, dass das in D2 verwendete PVP Copolymer wasserlöslich sei, deute darauf hin, das das Polymer eher in Wasser zu lösen sei. Somit seien die erfindungsgemäßen Maßnahmen nicht naheliegend und der Gegenstand der Ansprüche gemäß dem Hauptantrag erfinderisch.

XI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

XII. Die Beschwerdegegnerin beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereichten Hauptantrags.

XIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Änderungen

2. Gegenüber dem erteilten Patent, beinhalten die Patentunterlagen gemäß dem vorliegenden Hauptantrag Änderungen in Form von Streichungen der ursprünglichen Unteransprüche 2 und 4 und der Absätze [0013]-[0015], [0021], [0023] und [0033]-[0035], sowie Streichungen von Maßnahmen in den Absätzen [0010], [0017], [0019] und [0020] und die zusätzliche Angabe im ursprünglichen Anspruch 3, dass die weiteren Hilfsstoffe, Trägerstoffe, Wirkstoffe oder Gemische davon in der Wasserphase enthalten sind. Diese Änderungen dienen dazu, widersprüchliche Darstellungen der Erfindung im erteilten Patent bezüglich der Zusammensetzung der Ölphase, bzw. des Komplexes zu beseitigen, um unter anderem zu erreichen, dass die erfindungsgemäßen Produkte des Streitpatents vom Fachmann im Hinblick auf die geforderte Stabilität des Komplexes ausgeführt werden können. Somit sind diese Änderungen durch den Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ veranlasst und daher im Hinblick auf Regel 80 EPÜ zulässig.

3. Es wurde gegen die geänderten Patentunterlagen kein Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ erhoben. Aus den durchgeführten Änderungen entsteht kein Gegenstand, der über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, da nun lediglich Ausführungsformen für die beanspruchten Produkte erlaubt sind, die im Anspruch 1 wie ursprünglich eingereicht offenbart waren, d.h. Mascara-Zusammensetzungen enthaltend eine Wasserphase und eine einen Komplexbildende Ölphase, welche aus dem Wachs oder Wachsgemisch, Stearinsäure und das dort definierte wasserlösliche Polymere oder Gemischen davon besteht, wobei die Mengen der Komponenten, die den Komplex bilden, wie im vorliegenden Anspruch 1 definiert werden. Es ist auch nicht strittig, dass diese Ausführungsformen unter den Schutzbereich des erteilten Patents fielen, so dass kein Verstoß gegenüber Artikel 123(3) EPÜ vorliegt.

Ausführbarkeit

4. Die beanspruchte Mascara-Zusammensetzung ist gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 herstellbar, indem man in die Ölphase, bestehend aus dem geschmolzenen Wachs oder Wachsgemisch und Stearinsäure, das wasserlösliche Polymere ausgewählt unter Polyvinylpyrrolidon, Vinylacetat/Vinylpyrrolidon-Copolymeren und Gemischen davon einbringt bis zur Bildung eines stabilen kolloidalen Komplexes, und diesen Komplex in homogener Form mit einer Wasserphase emulgiert. Diese Verfahrensweise wird ebenfalls im ursprünglichen Verfahrensanspruch 5 bei der Alternative b) verwendet. Gemäß Absatz [0006] des Streitpatents liegt bei der erfindungsgemäßen Mascara das wasserlösliche Polymere nicht in der Wasserphase gelöst vor, sondern es befindet sich in der Ölphase und bildet zusammen mit Wachsen und Stearinsäure einen Komplex. Diese Verfahrensweise wird im Beispiel 2 des erteilten Patents (nun Beispiel 1) weiter verfolgt, indem man PVP zu einer geschmolzenen Phase bestehend aus synthetischem Bienenwachs, Carnaubawachs, einem mikrokristallinen Wachs, Stearinsäure und "Hydrogenated Castor Oil", welches auch zur Kategorie der Wachse gehört, zugibt und bis zur Homogenität rührt und die erhaltene Ölphase zur Wasserphase zugibt, bevor das Gemisch emulgiert wird.

5. Angesichts dieser eindeutigen Lehre stützte die Beschwerdeführerin ihren Einwand der mangelnden Offenbarung der Erfindung nur auf das Argument, dass der Anspruch 1 hinsichtlich des Komplexes, der einerseits aus 3 Komponenten bestehen soll und anderseits diese Komponenten nur in einer Maximalkonzentration von 60 Gew.-% enthalte, widersprüchlich sei. Aus der Beschreibung des Streitpatents (vgl. Absatz [0026], wo eine konkrete Zusammensetzung des Komplexes angegeben wird, und die Mascara-Zusammensetzung nach dem ursprünglichen Beispiel 2), ist aber ersichtlich, dass sich die Mengen der zum Komplex gehörenden Komponenten im erteilten Anspruch 1 nicht auf das Gewicht des Komplexes, sondern auf die Mascara-Zusammensetzung beziehen. Der scheinbare Widerspruch im Anspruch 1 ist daher rein sprachlichen Charakters und lässt sich unter Heranziehung der Beschreibung ohne weiteres lösen, so dass ein Einwand der mangelnden Offenbarung der Erfindung auf der Basis dieses scheinbaren Widerspruchs nicht überzeugen kann. Die Ausführbarkeit der Erfindung gemäß dem beanspruchten Gegenstand ist daher gegeben.

Neuheit

6. Angesichts der im obigen Punkt 3 dargestellten Auslegung des Anspruchs 1 wurde die Neuheit des beanspruchten Gegenstands nicht mehr in Frage gestellt. Im Hinblick auf den vorliegenden Stand der Technik, sieht die Kammer keinen Anlass die Neuheit des beanspruchten Verfahrens in Frage zu stellen.

Erfinderische Tätigkeit

Nächstliegender Stand der Technik

7. Das Streitpatent betrifft eine Mascara-Zusammensetzung, wobei erwünscht ist, dass eine erhöhte Feuchtigkeits- und Abriebbeständigkeit, sowie eine ausgezeichnete Haftung erhalten werden (siehe Absatz [0004]). Im Einklang mit den Ausführungen beider Parteien während der mündlichen Verhandlung, betrachtet die Kammer die Druckschrift D2 als einen geeigneten Ausgangpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, insbesondere das Beispiel 5 dieser Druckschrift, da sie eine Mascara in der Form einer Emulsion, die Stearinsäure, verschiedene Wachse und ein PVP Copolymer enthält, betrifft. Zur Herstellung dieser spezifischen Mascara werden keine Angaben gemacht. D2 lehrt lediglich in der Beschreibung (Seite 8, Zeilen 29-30), dass die Herstellung der Mascara-Zusammensetzungen in der üblichen Weise durch Mischen der einzelnen Bestandteile erfolgen kann. Es wird aber nicht gelehrt, dass das PVP Copolymer zuerst in einer Mischung aus dem geschmolzenen Wachsgemisch und Stearinsäure eingebracht wird.

Aufgabe und Lösung

8. Ausgehend von diesem Stand der Technik sollen das beanspruchte Produkt und das beanspruchte Verfahren gemäß Vortrag der Beschwerdegegnerin und im Einklang mit dem Absatz [0004] des Streitpatents die technische Aufgabe lösen eine Mascara-Zusammensetzung mit zumindest verbesserter Feuchtigkeitsbeständigkeit bereitzustellen.

9. Zum Beleg für eine erfolgreiche Lösung der patentgemäßen Aufgabe durch die Bereitstellung der anspruchsgemäßen Mascaras oder Verfahren zu Herstellung von Mascaras hat die Beschwerdegegnerin auf die Vergleichsversuche vom 3. März 2009 verwiesen. Verglichen werden die Mascara gemäß Beispiel 2 des Streitpatents und eine weitere Mascara, die identisch hergestellt wird, aber mit der Ausnahme, dass das PVP nicht in die Ölphase bei Herstellung des Komplexes zugesetzt wird, sondern in die Wasserphase eingeführt wird. Diese vorgelegte nicht erfindungsgemäße Mascara stellt aber keine Zusammensetzung gemäß D2 dar. Sie unterscheidet sich in vieler Hinsicht von der Mascara gemäß Beispiel 5 von D2. Für die gleiche Menge an PVP werden für das Beispiel 5 von D2 und die vorgelegte nicht erfindungsgemäße Mascara andere Mengen an Wachs und Stearinsäure verwendet, wobei in Beispiel 5 von D2 zusätzlich Neutralöl und weitere Bestandteile vorhanden sind. Es wurden des Weiteren weder Beweise noch Argumente vorgebracht, die darauf hindeuten, dass die vermeintlichen Vorteile des patentsgemäßen Herstellungsverfahrens bezüglich der Feuchtigkeitsbeständigkeit ebenfalls im Kontext der Komponenten von Beispiel 5 von D2 vorhanden wären. Mit anderen Worten, reicht der vorgelegte Vergleichsversuch der Patentinhaberin für sich allein nicht, um eine Wirkung der erfindungsgemäßen Verfahrensmaßnahmen gegenüber dem nächstliegendem Stand der Technik nachzuweisen. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern können geltend gemachte Vorteile gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik, die aber nicht hinreichend belegt sind, bei der Ermittlung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe und damit für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen werden. Die technische Aufgabe, die gegenüber der Druckschrift D2 gelöst wird, ist deshalb in der Bereitstellung von weiteren Mascaras umzuformulieren.

Naheliegen

10. Es bleibt die Frage zu untersuchen, ob der Fachmann ausgehend von D2 unter Berücksichtigung des im Verfahren befindlichen Standes der Technik in naheliegender Weise zur beanspruchten Lösung gelangen konnte, nämlich zur Herstellung des im Anspruch 1 definierten Komplexes. Dieser Komplex wird unter anderem hergestellt indem das wasserlösliche Polymer in eine Mischung aus geschmolzenem Wachs oder Wachsgemisch und Stearinsäure eingebracht wird. Das Argument der Beschwerdeführerin, dass es für den Fachmann zur Herstellung der Mascara gemäß Beispiel 5 von D2 nur zwei Möglichkeiten gäbe, um das PVP-Copolymer in die Mascara-Emulsion einzuführen, nämlich in die Wasserphase oder in die Ölphase, setzt voraus, dass jede dieser zwei Möglichkeiten dem Fachmann aus seinem allgemeinen Fachwissen bekannt sind oder mindestens aus dem Dokument D2 suggeriert werden. Wie im obigen Punkt 7 dargestellt, lehrt D2 lediglich, dass die Herstellung der Mascara-Zusammensetzungen in der üblichen Weise durch Mischen der einzelnen Bestandteilen erfolgen kann. Es wurden keine Dokumente vorgelegt, welche zeigen, dass es üblich ist, ein PVP Copolymer, welches wasserlöslich ist, in einer Mischung aus geschmolzenem Wachs oder Wachsgemisch und Stearinsäure einzubringen, und schon gar nicht auf dem Gebiet der Mascaras. Da das PVP Copolymer wasserlöslich ist, liegt es für den Fachmann auf der Hand, dass die übliche Weise im Sinne von D2 nur bedeuten kann, das das PVP Copolymer im Wasser zu lösen ist. Das Einbringen des PVP Copolymers in einer Mischung aus geschmolzenem Wachs oder Wachsgemisch und Stearinsäure stellt daher für den Fachmann keine Verfahrensweise dar, die in die Lehre von D2 fällt. Somit ist das Argument der Beschwerdeführerin, dass diese Verfahrensweise eine willkürliche Auswahl aus der Lehre von D2 sei, nicht zutreffend. Es handelt sich im Gegenteil, um eine Verfahrensweise, die außerhalb der Lehre von D2 liegt, und die wie oben dargestellt von keinem im Verfahren befindlichen Dokument gelehrt wird. Diese Verfahrensweise ist daher als nicht naheliegend anzusehen. Somit ist der beanspruchte Gegenstand als erfinderisch anzusehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anweisung das Patent aufrechtzuerhalten auf der Basis der Ansprüche 1 bis 3 und der Beschreibung wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer.

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