European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T164808.20111129 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 November 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1648/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02758288.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | C14C 1/08 C14C 5/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Lederentfettungsmittel | ||||||||
Name des Anmelders: | BASF SE | ||||||||
Name des Einsprechenden: | TFL Ledertechnik Sasol Germany GmbH |
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Kammer: | 3.3.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit eines verspätet eingereichten Dokuments (bejaht) Erfinderische Tätigkeit - alle Anträge (verneint) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden 02 richtet sich gegen die am 28. Mai 2008 verkündete Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent 1 412 539 in geänderter Form aufrechterhalten wurde. Das erteilte Patent umfasste 13 Ansprüche, wobei die unabhängigen Ansprüche 1 und 9 auf ein Entfettungsmittel bzw. ein Verfahren zur Entfettung von Häuten, Fellen, Blößen und weiteren Zwischenprodukten in der Leder- und Pelzherstellung sowie von Wolle oder verwandten
Eiweißstoffen bei Einsetzung des Entfettungsmittels gerichtet waren.
II. Gegen die Erteilung des obigen Patents wurden zwei Einsprüche eingelegt, mit dem Antrag, das Patent wegen fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) in vollem Umfang zu widerrufen. Die Einsprüche stützten sich unter anderem auf folgende Entgegenhaltungen:
D1b: WO-A-94/11331
D3c: Datenblatt zu MARLIPAL O13
D4b: Datenblatt zu BORRON T
D9: H. Gümbel, "Alkanol-Ethoxylate - Struktur, Ökologie und Einsatzmöglichkeiten", SÖFW-Journal, 122, Jahrgang 6/96, Seiten 370-375
D10: R. A. Hankey et al. "The use and subsequent treatment of surfactants for leather processing", JALCA, Vol. 96, 2001, Seiten 205-213
III. Der angefochtenen Entscheidung lag ein mit Schreiben vom 1. März 2007 eingereichter Hauptantrag zu Grunde. Produktanspruch 1 und Verfahrensanspruch 7 gemäß diesem Antrag basierten auf den erteilten Ansprüchen 1 und 9, wobei unabhängiger Anspruch 7 wie folgt lautete:
"7. Verfahren zur Entfettung von Häuten, Fellen, Blößen und weiteren Zwischenprodukten in der Leder- und Pelzherstellung sowie von Wolle oder verwandten
Eiweißstoffen, dadurch gekennzeichnet, dass ein Entfettungsmittel auf der Basis nichtionischer Tenside vom Typ der Alkoholalkoxylate eingesetzt wird, wobei Alkoholalkoxylate eingesetzt werden, die durch Umsetzung mindestens eines Alkohols ROH mit n Mol mindestens eines Alkylenoxids pro Mol Alkohol ROH erhalten werden, worin
- R ein Alkylrest mit 5 bis 30 Kohlenstoffatomen ist, der eine Hauptkette, die die längste Alkylkette des Rests R ist, mit 4 bis 29 Kohlenstoffatomen aufweist, die in der Kettenmitte, beginnend mit dem Kohlenstoffatom C#2, wobei die Nummerierung von dem Kohlenstoffatom (C#1) ausgeht, das direkt an das dem Rest R benachbarte Sauerstoffatom gebunden ist, und endend mit dem Kohlenstoffatom omega-2, wobei omega das endständige Kohlenstoffatom der Hauptkette ist, wobei C#2 und das Kohlenstoffatom omega-2 eingeschlossen sind, mit mindestens einem Cl- bis C10-Alkylrest verzweigt ist;
- das Alkylenoxid 2 bis 6 Kohlenstoffatome aufweist und
- n ein ganzzahliger Wert zwischen 1 und 100 ist,
wobei das Entfettungsmittel ein Gemisch aus Alkoholalkoxylaten, basierend auf 1 bis 3 verschiedenen Alkoholen ROH enthält, wobei sich die Alkohole ROH in der Anzahl der Kohlenstoffatome R und/oder der Art der Verzweigung unterscheiden können."
IV. In der angefochtenen Entscheidung wurde, soweit relevant für die vorliegende Entscheidung, Folgendes ausgeführt:
a) Das Verfahren des Anspruchs 7 sei neu gegenüber dem Stand der Technik, weil die dort definierten Alkohole keine Oxoalkohole wie in D3c und D4b seien, das Dokumente D1b den Einsatz des verwendeten Mittels in der Entfettung bei Leder- und Pelzherstellung nicht offenbare und das Dokument D10 entweder die Struktur der verwendeten Alkohole nicht beschreibe oder komplexe Alkoholgemische mit mehr als drei verschiedenen Alkoholen offenbare.
b) Die im Patent gestellte Aufgabe, ein Mittel zur Entfettung von Leder bereitzustellen, das im Vergleich zu bekannten, bevorzugt aromatischen Mitteln wie Alkylphenolethoxylaten gleichwertige oder bessere Entfettungswirkung aufweise und auch biologisch verträglich sei, sei durch die Erfindung gelöst, weil die Experimente im Patent einen technischen Effekt nachwiesen. Das Verfahren des Anspruchs 7 sei erfinderisch, weil, ausgehend von D10 als nächstliegendem Stand der Technik, es im Stand der Technik nicht angedeutet sei, die Anzahl an Alkoholen zu reduzieren, um die gestellte Aufgabe zu lösen.
V. Die Einsprechende 02 (Beschwerdeführerin) legte gegen die Entscheidung Beschwerde ein. Mit der Beschwerdebegründung legte die Beschwerdeführerin unter anderem das Dokument D17 (WO-A-93/18188) vor.
VI. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) unter anderem einen Anspruchssatz als Hilfsantrag 1 (als Reinschrift des mit der Antwort zur Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 1) ein.
Verfahrensanspruch 6 gemäß Hilfsantrag 1 entsprach Anspruch 7 gemäß Hauptantrag, wobei der Verzweigungsalkylrest des Alkohols ROH auf C2 bis C4 Alkylreste beschränkt war (statt Cl bis C10).
VII. Die Einsprechende 01, die Verfahrensbeteiligte gemäß Artikel 107 Satz 2 EPÜ ist, äußerte sich nicht sachlich im Beschwerdeverfahren.
VIII. Eine mündliche Verhandlung fand am 29. November 2011 in der angekündigten Abwesenheit der Einsprechenden 01 statt. Während der mündlichen Verhandlung legte die Beschwerdegegnerin drei weitere Anspruchssätze als Hilfsanträge 2 bis 4 (geringfügig überarbeitete Versionen der mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 eingereichten Hilfsanträge 3 bis 5) vor.
Verfahrensanspruch 6 gemäß Hilfsantrag 2 entsprach Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag 1 mit der Änderung des Merkmals "basierend auf 1 bis 3 verschiedenen Alkoholen" auf "basierend auf 1 oder 2 verschiedenen Alkoholen" und mit der Hinzufügung des Merkmals "wobei das Gemisch zwei verschiedene Alkoholalkoxylate enthält, wobei ein Alkoholalkoxylat durch Umsetzung eines Alkohols ROH mit n > 6 Mol mindestens eines Alkylenoxids pro Mol Alkohol ROH erhalten wurde und ein weiteres Alkoholalkoxylat durch Umsetzung eines Alkohols ROH mit n = 1 bis 6 Mol mindestens eines Alkylenoxids pro Mol Alkohol ROH erhalten wurde, wobei der Alkohol ROH und das Alkylenoxid in den mindestens zwei Alkoholalkoxylaten gleich oder verschieden sein können und die zwei verschiedenen Alkoholalkoxylate in Verhältnissen von 20:1 bis 1:1 vorliegen" am Ende des Anspruchs.
Im Vergleich zu Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag 2 wurde Verfahrensanspruch 6 gemäß Hilfsantrag 3 in dem Bereich für das Verhältnis zwischen den zwei verschiedenen Alkoholalkoxylaten weiter beschränkt ("9:1 bis 1:1" statt "20:1 bis 1:1).
Verfahrensanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 war identisch mit Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag 3.
IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin, insofern sie für diese Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:
Zulässigkeit des Dokuments D17
a) Das Dokument D17 wurde mit der Beschwerdebegründung eingereicht und sei als Reaktion auf die Änderungen in den Ansprüchen gemäß der aufrechterhaltenen Version des Patents anzusehen. Seine Relevanz ergebe sich aus der Analyse der erfinderischen Tätigkeit.
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag
b) Das Dokument D17 als nächstliegender Stand der Technik offenbare die Verwendung von Alkoholalkoxylaten als Entfettungsmittel für die Behandlung von Häuten, Blößen, Fellen und Ledern. Die Alkohole seien bevorzugt geradkettig, was implizit bedeute, dass auch verzweigte Alkohole vorliegen könnten. D17 offenbare nicht explizit Alkohole mit einer Verzweigung im zentralen Bereich der Hauptkette. Die verfügbaren Tests ermöglichten keinen Vergleich mit geradkettige Alkohole enthaltenden Alkoxylaten, insbesondere weil die Struktur der in den Patentbeispielen verwendeten Alkohole nicht angegeben sei. Darüber hinaus sei die Definition des Entfettungsmittels im Verfahrensanspruch 7 offen, sodass es möglich sei, dass das Mittel weitere nicht spezifizierte Alkoholalkoxylate enthalte, einschließlich linearer und anders verzweigter Alkohole. Sogar Oxoalkohole seien vom Wortlaut des Anspruchs 7 nicht ausgeschlossen. Unter diesen Umständen könne nicht anerkannt werden, dass eine Verbesserung oder sogar eine Beibehaltung der Entfettungseigenschaften erhalten werde. Im Licht der Offenbarung in D9 könne nur anerkannt werden, dass die verwendeten Alkoholalkoxylate eine bessere biologische Verträglichkeit aufwiesen. D10 offenbare, dass verzweigte Alkohole enthaltende Alkoxylate (Isotridekanolalkoxylat) gute Emulgiereigenschaften bei der Lederentfettung besaßen und D9 weise darauf hin, dass Alkoxylate auf Basis von verzweigten, einschließlich mittig verzweigter Alkohole eine geringere Ökotoxizität im Vergleich zu lineare Alkohole enthaltenden Alkoxylaten aufwiesen. Der Fachmann, der, ausgehend von D17, auf der Suche nach alternativen Alkoxylaten mit verbesserter biologischer Verträglichkeit sei, würde die Offenbarung von D9 und D10 in Betracht ziehen und zum Verfahren des Anspruchs 7 ohne erfinderischen Zutuns gelangen.
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge
c) Die Beschränkung des Verzweigungsalkylrestes auf C2 bis C4 Alkylreste in Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag 1 habe keinen Einfluss auf die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens, weil kein Effekt mit dem zusätzlichen Merkmal verbunden sei und eine Ethylenverzweigung in D9 offenbart sei. Die zusätzlichen Merkmale der unabhängigen Verfahrenansprüche gemäß den Hilfsanträgen 2 bis 4 bezüglich der Mischung zweier verschiedener Alkoholalkoxylate und deren Verhältnis seien schon aus D17 bekannt, sodass dieselben Argumente wie für den Hauptantrag im Hinblick auf die mangelnde erfinderische Tätigkeit gälten.
X. Die Argumente der Beschwerdegegnerin, insofern sie für diese Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:
Zulässigkeit des Dokuments D17
a) D17 sei mehr als zwei Jahre nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereicht worden und sei somit verspätet vorgebracht und nicht zu berücksichtigen, insbesondere, weil es nicht prima facie relevant sei. Die fehlende Relevanz ergebe sich bereits daraus, dass D17 nicht bezüglich der Neuheit der beanspruchten Gegenstände, sondern lediglich bezüglich der erfinderischen Tätigkeit herangezogen werde.
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag
b) Das Dokument D17 beschreibe die Verwendung von Alkoholalkoxylaten als Entfettungsmittel für die Behandlung von Häuten, Blößen, Fellen und Ledern. Die bevorzugten Alkohole seien geradkettig. Verzweigte Alkohole seien dort nicht erwähnt. Das Verfahren des Anspruchs 7 unterscheide sich vom in D17 offenbarten Verfahren dadurch, dass mittig verzweigte Alkohole in den Alkoxylaten verwendet seien. Dadurch seien eine gute biologische Verträglichkeit und gleiche oder bessere Entfettungseigenschaften erreicht worden. Solche Effekte seien durch die Tests im Patent bewiesen. Die genaue Struktur der Alkohole in den Beispielen sei nicht gegeben, aber sie seien erfindungsgemäß. Es gebe keinen direkten Vergleich mit den geradkettige Alkohole enthaltenden Alkoxylaten, weil D17 erst im Beschwerdeverfahren eingereicht worden sei. Die Anwesendheit von anderen Alkoxylaten im erfindungsgemäßen Entfettungsmittel sei nicht ausgeschlossen, aber die erwünschten Effekte seien erreicht, soweit die im Anspruch erwähnten Alkoxylate im verwendeten Mittel enthalten seien. Die bessere biologische Verträglichkeit sei durch D9 bestätigt. Die zu lösende Aufgabe sei daher gemäß Streitpatent als die Bereitstellung einer Alternative zu Alkylphenolethoxylaten mit gleichen oder sogar besseren Entfettungseigenschaften, die des weiteren biologisch optimal verträglich sei, zu formulieren. D10 offenbare Alkoxylate enthaltend entweder mehr als drei Alkohole oder Alkohole mit nicht definierter Struktur. Darüber hinaus seien diese Produkte nicht unter den besten getesteten Tensiden, was die Emulgiereigenschaften betreffe. D9 betreffe nicht das Gebiet von Entfettungsmitteln und sei daher für die erfinderische Tätigkeit nicht relevant. Darüber hinaus enthielten die dort angegebenen Strukturen des Isotridekanols nicht zwingend einen mittig verzweigten Alkohol. Da im verfügbaren Stand der Technik der Hinweis fehle, mittig verzweigte Alkohole in Alkoxylaten zu verwenden, um die gestellte Aufgabe zu lösen, sei eine erfinderische Tätigkeit für das Verfahren des Anspruchs 7 anzuerkennen.
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge
c) Sowohl die Beschränkung des Verzweigungsalkylrestes auf C2 bis C4 Alkylreste in den unabhängigen Verfahrenansprüchen gemäß allen Hilfsanträgen, als auch die Mischung zweier verschiedener Alkoholalkoxylate im bestimmten Verhältnis in den unabhängigen Verfahrenansprüchen gemäß den Hilfsanträgen 2 bis 4, ermöglichten eine weitere Abgrenzung gegenüber der Offenbarung in D10. Durch das beschränkte Verfahren gemäß den Hilfsanträgen seien dieselben Effekte wie für den Hauptantrag ausgeführt erreicht, sodass die erfinderische Tätigkeit anzuerkennen sei. Insbesondere sei nicht zu erwarten, dass durch Mischungen von Alkoxylaten gleiche oder bessere Entfettungseigenschaften zu erreichen seien.
XI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 02) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
XII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des Hilfsantrags 1 eingereicht mit Schreiben vom 24. Oktober 2011, oder der Hilfsanträge 2 bis 4 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulässigkeit des Dokuments D17
2.1 Das Dokument D17 wurde von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung eingereicht, um die erfinderische Tätigkeit der Gegenstände der geänderten und aufrechterhaltenen Ansprüche des bestrittenen Patents in Frage zu stellen.
2.2 Die Relevanz des Dokuments geht aus der nachfolgenden Analyse der erfinderischen Tätigkeit (Punkte 3 und 4, unten) klar hervor. Da sowohl Neuheit als auch erfinderische Tätigkeit wesentliche Erfordernisse der Patentierbarkeit darstellen, ist es unerheblich, dass D17 nicht bezüglich der Neuheit der beanspruchten Gegenstände herangezogen wurde.
2.3 Da das Dokument mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurde, hatte die Beschwerdegegnerin ausreichend Zeit im Beschwerdeverfahren, um das Dokument in Betracht zu ziehen und dementsprechend zu reagieren.
2.4 Unter diesen Unständen betrachtet es die Kammer als angebracht, das Dokument D17 ins Verfahren zuzulassen.
3. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag
3.1 Das Patent betrifft Entfettungsmittel für die Behandlung von verschiedenen Produkten in der Leder- und Pelzherstellung sowie von Wolle oder verwandten Eiweißstoffen auf der Basis nichtionischer Tenside vom Typ der Alkoholalkoxylate, sowie ein Verfahren zur Entfettung derselben Produkte (Absatz [0001] der Patentschrift) und bezweckt die Bereitstellung einer Alternative zu Alkylphenolethoxylaten mit gleichen oder sogar besseren Entfettungseigenschaften, die des weiteren biologisch optimal verträglich ist (Absatz [0013]).
3.2 Das Dokument D17 ist das einzige Dokument im verfügbaren Stand der Technik, das dem selben Bereich angehört (D17, Seite 1, erster Absatz), einen ähnlichen Zweck verfolgt (Seite 2, erster und zweiter voller Absatz; Seite 3, erster voller Absatz) und detaillierte Angaben der Struktur der Alkoholalkoxylate angibt (Anspruch 1 und Beispiele). Es ist aus diesen Gründen als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten.
3.2.1 D17 offenbart ein Entfettungsmittel für die Behandlung von Häuten, Blößen, Fellen, Ledern und dergleichen auf Basis nichtionogener Emulgatoren vom Typ der Fettalkoholalkoxylate, wobei die Fettalkoholalkoxylate ein Gemisch aus (a) C12-C18-Fettalkoholethoxylaten mit im Mittel mehr als 6 EO-Gruppen im Molekül und (b) Vorlauf-Fettalkohol-Ethoxylaten mit nicht mehr als 3 EO-Gruppen im Molekül enthalten. Die Komponente (b) ist in einer Menge von etwa 2 bis 25 Gew.-% bezogen auf die Summe von (a) und (b) enthalten (Anspruch 1).
3.2.2 In der breitesten Form der Offenbarung (Anspruch 1; Seite 4, erste zwei Absätze) werden die Fettalkohole nicht spezifiziert (ob sie geradkettig oder verzweigt sind). Bei der detaillierten Beschreibung wird angegeben, dass die bevorzugten Vorlauf-Fettalkohole geradkettige Vertreter des Bereiches unterhalb C12 (insbesondere der C8 und/oder seine Abmischung mit dem C10) sind (Seite 4, vierter Absatz) und dass für den Einsatz im Rahmen der Komponente (a) Ethoxylate der entsprechend geradkettigen und gesättigten C12-, C14-, C16- und C18-Alkohole besonders geeignet sind (Seite 5, zweiter voller Absatz).
3.2.3 In Beispiel d) wird ein Produktgemisch aus 90% eines Anlagerungsprodukts von 7 Mol Ethylenoxyd an 1 Mol C12/14 Fettalkohol und 10% eines Anlagerungsprodukts von 1 Mol Ethylenoxyd an 1 Mol C8 Fettalkohol (Tabelle 1, Seite 13) in einem Verfahren für die Entfettung von Leder (Seite 10 bis 12) verwendet.
3.3 Das Verfahren des Anspruchs 7 unterscheidet sich vom in D17 beschriebenen Verfahren nur dadurch, dass Alkohole verwendet werden, die mittig verzweigt sind ("in der Kettenmitte, beginnend mit dem Kohlenstoffatom C#2, wobei die Nummerierung von dem Kohlenstoffatom (C#1) ausgeht, das direkt an das dem Rest R benachbarte Sauerstoffatom gebunden ist, und endend mit dem Kohlenstoffatom omega-2, wobei omega das endständige Kohlenstoffatom der Hauptkette ist, wobei C#2 und das Kohlenstoffatom omega-2 eingeschlossen sind, mit mindestens einem Cl- bis C10-Alkylrest verzweigt" sind). Solche Alkohole werden in D17 nicht ausgeschlossen, aber auch nicht explizit oder implizit erwähnt.
3.4 Im Patent wird die zu lösende Aufgabe als "die Bereitstellung einer Alternative zu Alkylphenolethoxylaten mit gleichen oder sogar besseren Entfettungseigenschaften und einem gleichen oder günstigeren Preis, die des weiteren biologisch optimal verträglich ist" (Absatz [0013]) definiert.
3.5 In den Tests im Patent wird der Wirkungsgrad bei der Lederentfettung mit Nonylphenolethoxylaten, verzweigten C10- und C11-Alkoholethoxylaten und C10- und C13-Oxo-Alkoholethoxylaten gemessen (Absätze [0053] bis [0067], insbesondere die Tabellen). Ein Vergleich zwischen einem erfindungsgemäßen Verfahren und einem Verfahren mit geradkettige Alkohole enthaltenden Alkoxylaten steht nicht zur Verfügung. Darüber hinaus wird im Patent weder die Struktur der in den Beispielen verwendeten verzweigten C10- und C11-Alkohole noch der C10- und C13-Oxo-Alkohole angegeben. Auch wenn es angenommen werden kann, dass die verzweigten C10- und C11-Alkohole erfindungsgemäß sind, ist ohne weitere Informationen nicht bekannt, ob die Verwendung von Oxoalkoholen in den Beispielen unter den Anspruch fällt oder nicht. Diesbezüglich ist zu bemerken, dass es der Wortlaut des Anspruchs ("das Entfettungsmittel ein Gemisch ... enthält") offen lässt, wie auch von der Beschwerdegegnerin bestätigt, dass weitere Alkoholalkoxylate (einschließlich Alkoxylate mit geradkettigen oder anders verzeigten Alkoholen oder enthaltend mehr als drei Alkohole) im Entfettungsmittel enthalten sind.
3.6 Es wurde daher von der Beschwerdegegnerin nicht bewiesen, dass durch die Auswahl von Entfettungsmittel, die mittig verzweigte Alkohole enthaltende Alkoxylate enthalten, ein gleicher oder besserer Wirkungsgrad bei der Entfettung gemäß dem Verfahren des Anspruchs 7 des Hauptantrags im Vergleich zur Entfettung gemäß D17 erhalten wird. Das Fehlen von Vergleichen gegenüber D17 kann nicht durch die Einführung des Dokuments erst beim Beschwerdeverfahren entschuldigt werden, da das Dokument schon mit der Beschwerdebegründung und mehr als drei Jahre vor der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht wurde.
3.7 Was den Preis der Alkohole und der Alkoxylate betrifft, kann er nicht als relevant für die Formulierung eines technischen Problems betrachtet werden, weil die Kosten von Produkten abhängig von Zeit und Ort sind, sodass ihre Herabsetzung nicht notwendigerweise als ein Indikator einer Verbesserung angesehen werden kann.
3.8 Was die biologische Verträglichkeit von verschiedenen Alkoholalkoxylaten betrifft, wurde Dokument D9 zitiert. Dieses Dokument befasst sich mit dem ökologischen Verhalten und dem umweltgefährdenden Potential von Alkanol-Ethoxylate (Seite 370, erste zwei Absätze).
3.8.1 In D9 werden Abbaubarkeit und aquatische Toxizität von vier unterschiedlichen Typen von Alkanol-Ethoxylaten verglichen, wobei die vier Produkte ca. 8 Mol Ethylenoxyd enthalten und sich in C-Kettenlänge und Verzweigung der Basis-Alkohole unterscheiden (Seite 370, dritte Säule). Die verwendeten Alkohole sind ein völlig linearer C12,C14-Alkohol, ein weitgehend linearer C13,C15-Alkohol, ein erster Isotridekanol (13 Kohlenstoffatome, mittig verzweigt mit einer Ethyl- und zwei Methylgruppen) und ein zweiter Isotridekanol (13 Kohlenstoffatome, mittig verzweigt mit drei Methylgruppen und mit einem weiteren Verzweigung an der omega-1 Stelle (Seite 370, dritte Säule bis Seite 371, erste Säule; Abbildungen 2 bis 5).
3.8.2 Von der Untersuchung in D9 wird festgestellt, dass die völlig bzw. weitgehend linearen Alkanol-Ethoxylate als unweltgefährlich gekennzeichnet werden müssen, während die Alkanol-Ethoxylate auf Basis Isotridekanol aufgrund ihrer hohen Verzweigung eine wesentlich geringere Ökotoxizität aufweisen (Absatz zwischen der ersten und der zweiten Säule auf Seite 371).
3.9 Aufgrund dieser Daten kann es anerkannt werden, wie von den Parteien bestätigt, dass durch die Auswahl von Entfettungsmitteln, die mittig verzweigte Alkohole enthaltende Alkoxylate enthalten, eine verbesserte biologische Verträglichkeit erhalten wird.
3.10 Die zu lösende Aufgabe ist daher, ausgehend von D17, ein Entfettungsverfahren bereitzustellen, das Entfettungsmittel mit verbesserter biologischer Verträglichkeit verwendet. Diese Aufgabe ist im Sinne des Zwecks des Streitpatents (Punkt 3.4, oben) und ist über die Breite des Anspruchs 7 als gelöst zu betrachten im Licht der Offenbarung in D9.
3.11 Der Fachmann, der mit dieser Aufgabe konfrontiert ist, würde aus D9 die direkte Information erhalten, dass verzweigte Alkohole aufgrund ihrer Verzweigung eine wesentlich geringere Ökotoxizität aufweisen (Punkt 3.8.2, oben). Er würde daher verzweigte, insbesondere mittig verzweigte, wie in D9 beschrieben (Abbildung 5), Alkohole in Betracht ziehen, um die gestellte Aufgabe zu lösen. Diese Auswahl würde er erst recht treffen, weil in D17 die Struktur der Alkohol bei der breitesten Formulierung (Anspruch 1) offen gelassen wird und verzweigte Alkohole durch dieser Definition eingeschlossen werden.
3.12 In diesem Hinblick ist nicht relevant, dass in D9 die Verwendung der Alkoholalkoxylate als Lederentfettungsmittel nicht erwähnt wird, weil die Ökotoxizität unabhängig vom Anwendungsgebiet ist und in D9 das Einsatzgebiet offen gelassen wird (siehe z.B. Seite 375, letzter Absatz).
3.13 Aus diesen Gründen würde der Fachmann, ausgehend vom Verfahren in D17 und auf der Suche nach geeigneten Alkoxylaten mit verbesserter biologischer Verträglichkeit, die Lehre von D9 in Betracht ziehen und mittig verzweigte Alkohole in den Alkoxylaten verwenden, sodass er ohne erfinderische Tätigkeit zum Verfahren des Anspruchs 7 gemäß Hauptantrag kommen würde.
4. Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 1 bis 4
4.1 Es wurde von der Beschwerdegegnerin weder behauptet noch bewiesen, dass durch die einzige Änderung in Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag 1 gegenüber Anspruch 7 gemäß Hauptantrag, nämlich die Beschränkung des Verzweigungsalkylrestes des Alkohols ROH auf C2 bis C4 Alkylreste (statt Cl bis C10), ein weiterer Effekt erreicht wird.
4.2 Die für Anspruch 7 gemäß Hauptantrag ausgeführte Analyse der erfinderischen Tätigkeit (Punkt 3, oben) gilt daher ebenso für Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag 1. Es sei in dieser Hinsicht bemerkt, dass der Unterschied zwischen dem Verfahren des Anspruchs 6 gemäß Hilfsantrag 1 und dem in D17 offenbarten Verfahren die Auswahl mittig verzweigter (noch etwas spezifischer) Alkohole zur Verwendung in den Alkoxylaten bleibt (Punkt 3.3, oben), dass in Abwesendheit eines weiteren Effekts die zu lösende Aufgabe identisch bleibt (Punkt 3.10, oben) und dass D9 Alkohole dieser Klasse unter denen mit geringerer Ökotoxizität offenbart (siehe insbesondere den ersten Isotridekanol mit einer Ethylverzweigung in Abbildung 5). Das Verfahren des Anspruchs 6 gemäß Hilfsantrag 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4.3 Die Änderungen in Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag 2 gegenüber Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag 1 haben ebenfalls keinen Einfluss auf die Analyse der erfinderischen Tätigkeit, weil sie keinen weiteren Unterschied im Vergleich zur Offenbarung in D17 darstellen.
4.3.1 Durch die Änderung des Merkmals "basierend auf 1 bis 3 verschiedenen Alkoholen" auf "basierend auf 1 oder 2 verschiedenen Alkoholen" wird keine effektive Beschränkung erreicht, weil der Wortlaut des Anspruchs offen lässt, dass weitere Alkoholalkoxylate im Entfettungsmittel enthalten sind (Punkt 3.5, letzter Satz, oben).
4.3.2 Die Spezifizierung, dass das Gemisch zwei verschiedene Alkoholalkoxylate enthält, einmal mit n > 6 Mol Alkylenoxids pro Mol Alkohol und einmal mit n = 1 bis 6 Mol Alkylenoxids pro Mol Alkohol, fügt ein Merkmal hinzu, dass schon aus D17 bekannt ist (Anspruch 1, siehe auch Punkt 3.2.1, oben).
4.3.3 Auch die angegeben Verhältnisse zwischen den zwei verschiedenen Alkoholalkoxylaten (von 20:1 bis 1:1) überlappen sich weitgehend mit der allgemeinen Offenbarung in D17 (in Anspruch 1 wird spezifiziert, dass die Komponente (b) in einer Menge von etwa 2 bis 25 Gew.-% bezogen auf die Summe von (a) und (b) enthalten ist, was Verhältnissen von 49:1 bis 3:1 entspricht) und sind insbesondere von Beispiel d) von D17 vorweggenommen. Die Mischung 90% eines Anlagerungsprodukts von 7 Mol Ethylenoxyd an 1 Mol C12/14 Fettalkohol und 10% eines Anlagerungsprodukts von 1 Mol Ethylenoxyd an 1 Mol C8 Fettalkohol (Seite 13, Tabelle 1, Beispiel d)) hat nämlich ein Verhältnis zwischen dem C12/14 Fettalkoholethoxylat und dem C8 Fettalkoholethoxylat von 9:1 (was impliziert, dass auch wenn das C12 und das C14 Fettalkoholethoxylat getrennt berücksichtigt werden, für mindestens einen dieser Ethoxylate das Verhältnis mit dem C8 Fettalkoholethoxylat im Bereicht 9:1 bis 1:1 vorliegt).
4.4 Den für Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag 1 ausgeführten Argumenten folgend (Punkte 4.1 und 4.2, oben), ist dementsprechend festzustellen, dass auch das Verfahren des Anspruchs 6 gemäß Hilfsantrag 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
4.5 Die selbe Schlussfolgerung wird für Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag 3 und Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 (die identisch sind) erreicht, weil sie sich vom Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag 2 nur in der weiteren Beschränkung des Bereiches für das Verhältnis zwischen den zwei verschiedenen Alkoholalkoxylaten ("9:1 bis 1:1" statt "20:1 bis 1:1) unterscheiden und das beschränkende Merkmal aus D17 bekannt ist (siehe Punkt 4.3.3, oben).
5. Da alle vorgelegten Anträge einen Verfahrensanspruch enthalten, der nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, muss das Patent schon aus diesem Grund widerrufen werden. Die Kammer braucht deshalb nicht über andere von der Beschwerdeführerin erhobene Einwände Stellung zu nehmen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.