European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T152808.20111214 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 Dezember 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1528/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 00100962.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61B 6/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Bedienplatz eines Röntgenprüfgerätes | ||||||||
Name des Anmelders: | Smiths Heimann GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit: ja (nach Änderungen) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 20. März 2008 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 00 100 962.0 zurückgewiesen wurde. Die Zurückweisung wurde mit mangelnder erfinderischer Tätigkeit hinsichtlich der Dokumente
D1: DE-A-4 423 360 und
D2: US-A-5 056 864
unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens begründet.
II. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) legte hiergegen am 28. März 2008 Beschwerde ein und entrichtete am selben Tag die Beschwerdegebühr.
III. Die Beschwerdebegründung wurde am 14. Juli 2008 eingereicht. Es wurde beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis des eingereichten Hauptantrags zu erteilen. Hilfsweise wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Berücksichtigung eines weiteren als "Hilfsantrag" gekennzeichneten Anspruchssatzes beantragt.
IV. Mit Schreiben vom 30. September 2011 wurden geänderte Ansprüche 1 bis 13 und angepasste Beschreibungsseiten 1 und 2 als neuer Hauptantrag eingereicht.
V. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Bedienplatz für ein Röntgenprüfgerät (2), aufweisend eine Sitz/Steheinheit (3), einen oder zwei Monitore (4) mit einem Bedienfeld (5), wobei die Sitz/Steheinheit (3) höhenverstellbar zum Röntgenprüfgerät (2) angebracht ist und:
a) ein Stütz- und Führungsteil (11) aufweist, in dem ein Abstützteil (8), das als Sitz- und Stehhilfe für das Bedienpersonal dient, höhenverstellbar geführt ist und welches mit dem Röntgenprüfgerät über eine Führung (9) direkt verbunden ist, oder
b) zwei Stütz- und Führungsteile (11) aufweist, in welchen ein Abstützteil (8), das als Sitz- und Stehhilfe für das Bedienpersonal dient, höhenverstellbar geführt sind und welche getrennt vom Röntgenprüfgerät (2) aufbaubar sind,
wobei das Abstützteil (8) in a) und b) innerhalb der Sitz/Steheinheit (3) derart gelagert ist, dass es neben der Höhenverstellung auch vor- und zurückstellbar ist,
der / die Monitore (4) mit dem daran befestigten Bedienfeld (5) mittels einer Höhenverstelleinrichtung (6) höhenverstellbar zum Röntgenprüfgerät (2) angebracht sind,
der / die Monitore (4) in der horizontalen Ebene um eine Achse drehbar gelagert sind und
das Bedienfeld (5) am Monitor (4) klappbar befestigt ist, wodurch
ein ergonomischer Bedienplatz (1) geschaffen wird."
Die Ansprüche 2 bis 13 sind abhängige Ansprüche.
VI. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten entscheidungsrelevanten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Schaffung eines Röntgenprüfgerätebedienplatzes mit den Merkmalen des Anspruchs 1 werde weder durch D1 angesichts allgemeiner ergonomischer Anforderungen noch durch die Zusammenschau von D1 mit D2 nahe gelegt. D1 bilde auch aus Sicht der Anmelderin den nächstliegenden Stand der Technik. Die aus den Unterscheidungsmerkmalen des Anspruchs abgeleitete objektive technische Aufgabe der ergonomischen Gestaltung des Arbeitsplatzes sei wenig ergiebig und erscheine zudem als weit hergeholt. Insbesondere führe eine Kombination von D1 mit der Arbeitsstation aus D2 nicht zum beanspruchten Gegenstand. Wenig ergiebig sei auch der Hinweis der Prüfungsabteilung auf eine ergonomische Richtlinie, wenn diese durch die Prüfungsabteilung nicht weiter präzisiert werde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
Grundlage für den Gegenstand des Anspruchs 1 bildet der ursprünglich eingereichte Anspruch 1, nebst ursprünglicher Seite 1, letzter Absatz und ursprünglicher Seite 2, Zeilen 1 und 2 der ursprünglich eingereichten Anmeldung. Die Beschreibung wurde an die Ansprüche angepasst und es wurde eine Würdigung von Dokument D1 als nächstliegendem Stand der Technik eingefügt. Die Erfordernisse von Artikel 84 und 123(2) EPÜ sind somit erfüllt.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Die ursprünglich eingereichte Anmeldung geht von Bedienplätzen von Röntgenprüfgeräten aus, insbesondere von Vorrichtungen zum Prüfen von Gepäckstücken mittels Röntgenstrahlung, wie sie aus dem auf Seite 1 zitierten vorherigen Dokument DE-C-25 32 218 der Anmelderin bekannt sind. Die Anmeldung erläutert, dass diese herkömmlichen Bedienplätze von Röntgenprüfgeräten handelsübliche Stühle und Tische aufweisen, die eine individuelle Anpassung an Körpergröße und Körperhaltung des Bedienpersonals nicht zulassen (siehe Seite 1, Absatz 2 der ursprünglichen Anmeldung), wodurch sich die Aufgabe ergibt, den Bedienplatz so zu gestalten, dass er an den Bediener ergonomisch anpassbar ist.
3.2 Das von der Prüfungsabteilung zitierte Dokument D1 beschreibt ein chirurgisches Rötgendiagnostik-Gerät, das - im weitesten Sinn - auch als "Röntgenprüfgerät" angesehen werden kann. Der Bedienplatz hierfür soll in vielfältiger Weise verstellbar und für den Bediener ergonomisch gestaltet werden (siehe Spalte 2, Zeilen 1 bis 13 und 24 bis 26). Da es sich somit um ein Dokument in einem zumindest angrenzenden technischen Gebiet handelt, in dem ähnliche technische Aufgaben und Problemstellungen wie in der Anmeldung eine Rolle spielen, kann D1 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden.
Das in D1 offenbarte chirurgische Röntgendiagnostikgerät weist einen höhenverstellbaren und horizontal schwenkbaren Betrachtungsmonitor (30) auf, mit dessen Hilfe dem am Operationstisch arbeitenden Operateur (28) der Untersuchungsbereich dargestellt wird (vgl. Figur 3; Spalte 2, Zeilen 31 bis 37 und Zeilen 57 bis 60). Als "Bedienplatz" im Sinne von Anspruch 1 ist die separate Bedieneinheit (2) anzusehen, in die ein weiterer Kontrollmonitor (33) eingebaut ist (vgl. Figur 4) und von der aus der bewegbare Betrachtungsmonitor (30) durch den Bediener (6) justiert wird (vgl. Spalte 2, Zeilen 39 bis 42). Die Bedieneinheit (2) mit ihrem eingebauten Kontrollmonitor (33) ist in einer für den stehenden Bediener (6) ergonomischen, fixierten Höhe angebracht (vgl. Spalte 2, Zeilen 24 bis 26; Figur 1) und ist somit nicht höhenverstellbar und horizontal schwenkbar.
3.3 Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von D1 im wesentlichen darin, dass
i) der Bedienplatz eine Sitz/Steheinheit für das Bedienpersonal gemäß den zwei beanspruchten alternativen Varianten a) und b) aufweist, wobei die Sitz/Steheinheit höhenverstellbar zum Röntgenprüfgerät angebracht ist, und
ii) am höhenverstellbaren und horizontal schwenkbaren Monitor ein Bedienfeld klappbar befestigt ist.
3.4 Die durch die genannten Unterscheidungsmerkmale zu lösende objektive technische Aufgabe wird darin gesehen, einen für verschiedene Bediener leicht handhabbaren und individuell einrichtbaren Bedienplatz für das Röntgenprüfgerät zu schaffen.
3.5 D1 selbst gibt keinerlei Hinweis auf die erfindungsgemäße Lösung, insbesondere nicht auf die klappbare Befestigung eines Bedienfelds am Monitor. Da dieser anspruchsgemäß höhenverstellbar und schwenkbar sein soll, müsste das Bedienfeld somit am Betrachtungsmonitor 30 von D1 befestigt werden. Nach Auffassung der Kammer besteht für den Fachmann aber keinerlei Veranlassung, am höhenverstellbaren und horizontal schwenkbaren Betrachtungsmonitor 30 von D1 eine klappbare Befestigung eines Bedienfeldes vorzusehen. Das in D1 offenbarte Gerät und Bedienkonzept sieht nämlich vor, dass der Chirurg 28 am Operationstisch 27 unter Beobachtung des höhenverstellbaren und horizontal schwenkbaren Monitors 30 arbeitet, während die Bedienung des Gerätes durch einen Bediener 6 am separaten höhenfixierten Bedienpult 2 durchgeführt wird (vgl. Spalte 2, Zeilen 39 bis 42 und Zeilen 57 bis 65). Somit würde die Anbringung eines weiteren Bedienfeldes am höhenverstellbaren und horizontal schwenkbaren Monitor 30 des Chirurgen dem offenbarten Bedienkonzept des Gerätes zuwiderlaufen und auch keinen ersichtlichen ergonomischen Sinn ergeben. Demzufolge erscheint der Kammer die pauschale, nicht begründete Aussage der Prüfungsabteilung unter Punkt 1.1 der angefochtenen Entscheidung nicht nachvollziehbar, wonach das besagte Merkmal "eine naheliegende Antwort auf ergonomische Richtlinien, die öfter bei Monitorarbeitsplätzen zunutze gemacht werden", sein soll.
3.6 An dieser Auffassung der Kammer ändert auch der Umstand nichts, dass in einem weiteren Dokument, D2, ein höhenverstellbarer Monitor mit einer schwenkbaren Tastatur beschrieben ist. D2 bezieht sich nämlich auf eine ergonomische, monitorgestützte Arbeitsstation, bei der der Bediener auf einem beweglichen Sitz vor einem höhenverstellbaren Monitor mit schwenkbarer Tastatur Platz nimmt (vgl. D2, Spalte 1, Zeile 51 bis 56; Spalte 2, Zeile 67 bis Spalte 3, Zeile 6). Eine solche Arbeitsstation für einen sitzenden Bediener würde folglich am Arbeitsplatz eines am Operationstisch bekannterweise stehend arbeitenden Chirurgen gemäß Dokument D1 keine sinnvolle Verwendung finden.
3.7 Das unter Punkt 3.3 i) erwähnte Unterscheidungsmerkmal einer höhenverstellbaren Sitz/Steheinheit mit einem Abstützteil, das als Sitz- und Stehhilfe dient, trägt zur Lösung der unter Punkt 3.4 erwähnten objektiven Aufgabe bei. Hierzu gibt es aber im von der Prüfungsabteilung und in der Anmeldung zitierten Stand der Technik keinerlei Hinweis. Die Tatsache, dass solche Sitz/Steheinheiten an sich allgemein bekannt sein mögen, wie von der Prüfungsabteilung mit einem pauschalen Hinweis auf entsprechende Klassen des Europäischen Patentklassifikationssystems (ECLA) behauptet, bedeutet allerdings nicht, dass der Fachmann die genannten Merkmale ohne erfinderisches Zutun bei dem Bedienplatz des Röntgengeräts aus D1 vorsehen würde.
3.8 Demzufolge würde der von D1 als nächstem Stand der Technik ausgehende Fachmann nicht zum beanspruchten Gegenstand gelangen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht somit angesichts des vorliegenden Standes der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Dies gilt folglich auch für die in den abhängigen Ansprüchen 2 bis 13 definierten bevorzugten Ausführungen.
4. Da die vorgelegten Anmeldungsunterlagen die Erfordernisse des EPÜ erfüllen und die Kammer dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin somit stattgeben kann, erübrigt sich die Anberaumung der - nur hilfsweise - beantragten mündlichen Verhandlung.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an das Organ der ersten Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent auf der Basis folgender Unterlagen zu erteilen:
Ansprüche: Nr. 1 bis 13 eingereicht mit Schreiben vom 30. September 2011;
Beschreibung: Seiten 1 und 2 eingereicht mit Schreiben vom 30. September 2011;
Seiten 3 bis 5 wie ursprünglich eingereicht;
Zeichnungen: Blatt 1/3 bis 3/3 wie ursprünglich eingereicht.