European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T150708.20141023 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 October 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1507/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 05104813.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | G06Q 10/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur automatisierten Erstellung und Bearbeitung eines Rechnungsdokuments | ||||||||
Name des Anmelders: | Weber, Jan Dr. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung 05104813.0, Veröffentlichungsnummer EP 1 729 249 A1, betrifft die automatisierte Erstellung und Bearbeitung eines Rechnungsdokumentes, das die Rechnungsdaten in gedruckter Form ausweist und an dem ein Speicherelement für eine (zusätzliche digitale) Abspeicherung der Rechnungsdaten angebracht ist.
II. Die vorliegende europäische Patentanmeldung wurde von der Prüfungsabteilung mit der Begründung mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Hauptantrags wie auch des Anspruchs 1 eines in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrags und wegen mangelnder Neuheit in einem nebengeordneten Anspruch 15 des Hauptantrags zurückgewiesen.
III. Anspruch 1 des Hilfsantrags hatte den folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Ausführung eines Zahlungsvorgangs von einem Zahlungsschuldner (50) an einen Zahlungsempfänger (20), aufweisend die Schritte:
Erfassung der zur Ausführung des Zahlungsvorgangs zur Rechnungsbegleichung notwendigen Rechnungsdaten,
Erstellung und Ausdrucken eines Rechnungsdokumentes (10,18), das die Rechnungsdaten in gedruckter Form enthält,
Anbringen eine Speicherelements (12) an dem Rechnungsdokument,
Abspeichern der zur Ausführung des Zahlungsvorgangs zur Rechnungsbegleichung notwendigen Rechnungsdaten in dem Speicherelement (12), wobei diese Rechnungsdaten wenigstens eine der folgenden Rechnungsdaten Zahlungsempfänger, Kontonummer, Bankleitzahl, Kreditinstitut des Zahlungsempfängers, Betrag, Währung, Verwendungszweck und Rechnungsnummer umfassen,
Versenden des Rechnungsdokuments (10,18) mit Speicherelement (12) an den Zahlungsschuldner (50),
Auslesen der Rechnungsdaten von dem Speicherelement (12) durch ein Lesegerät (52) auf ein Computersystem (50) des Zahlungsschuldners,
direkte Übertragung der von dem Speicherelement (12) ausgelesenen Rechnungsdaten von dem Computersystem (50) des Zahlungsschuldners an ein automatisiertes Zahlungsverkehrssystem (30) zur Ausführung des Zahlungsvorgangs an den Zahlungsempfänger (20) basierend auf den von dem Speicherelement (12) ausgelesenen Rechnungsdaten."
Dieser Anspruch 1 unterschied sich von dem des Hauptantrags durch die zusätzlichen im wesentlichen nur klarstellenden Merkmale, dass die Rechnungsdaten durch das Lesegerät (52) "auf ein Computersystem (50) des Zahlungsschuldners" ausgelesen und "direkt" von dem Computersystem (50) an das automatisierte Zahlungsverkehrssystem (30) übertragen werden sollen.
IV. Das gemäß Hauptantrag beanspruchte Verfahren, so die Entscheidungsbegründung, unterscheide sich von dem nächstkommenden Stand der Technik, Druckschrift D1 (US 2003/0110128 A1), nur durch die in dem Speicherelement abgespeicherten und auf das Computersystem des Zahlungsschuldners ausgelesenen Rechnungsdaten, die erfindungsgemäß wenigstens eine der folgenden Rechnungsdaten Zahlungsempfänger, Kontonummer, Bankleitzahl, Kreditinstitut des Zahlungsempfängers, Betrag, Währung, Verwendungszweck und Rechnungsnummer umfassen sollten. Dieser Unterschied beträfe nur geschäftliche und administrative Aspekte innerhalb des Verfahrens der automatisierten Erstellung und Bearbeitung des Rechnungsdokumentes, deren technische Implementierung in das aus der Druckschrift D1 bekannte System ein für den Fachmann auf dem Gebiet der Datenverarbeitung naheliegender Schritt sei. Der Hilfsantrag schränke das Verfahren weitergehend dahin ein, dass die Rechnungsdaten auf ein Computersystem des Zahlungsschuldners ausgelesen und direkt von dem Computersystem an das Zahlungsverkehrssystem übertragen werde. Dem Verfahren nächstkommend sei ein herkömmliches Online-Banking-System, das auch die Druckschrift D1 als Stand der Technik benenne. Ein solches System erfordere die manuelle Eingabe der zur Ausführung des Zahlungsvorgangs zur Rechnungsbegleichung notwendigen Rechnungsdaten in ein automatisiertes Zahlungsverkehrssystem. Die Erfindung verbessere demgegenüber die Eingabe und Übertragung der Rechnungsdaten durch den Einsatz eines Speicherelementes auf dem Rechnungsdokument, was aber durch die Druckschrift D1 selbst nahe gelegt werde.
V. Der Anmelder und Beschwerdeführer hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und mit Schreiben vom 30. Juni 2008 die Beschwerdebegründung zusammen mit zwei Anspruchssätzen als Haupt- bzw. Hilfsantrag eingereicht. Anspruch 1 des Hauptantrages entspricht dem Anspruch 1 des der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden Hilfsantrags (Anspruchswortlaut siehe oben), mit Ausnahme einer Änderung im ersten Absatz, der nun wie folgt lautet (Unterstreichung zur Kennzeichnung der Änderung hinzugefügt):
"1. Verfahren zur Ausführung eines Zahlungsvorgangs von einem Zahlungsschuldner (50) an einen Zahlungsempfänger (20), aufweisend die folgenden Schritte:"
Der Hilfsantrag unterscheidet sich von dem Hauptantrag nur durch Änderungen in den letzten beiden Absätzen des Anspruchs 1, die wie folgt lauten (Unterstreichungen zur Kennzeichnung der Änderungen hinzugefügt):
"Auslesen der zur Ausführung des Zahlungsvorgangs notwendigen Rechnungsdaten direkt von dem Speicherelement (12) durch ein Lesegerät (52) auf ein Computersystem (50) des Zahlungsschuldners,
direkte Übertragung der von dem Speicherelement (12) ausgelesenen Rechnungsdaten von dem Computersystem (50) des Zahlungsschuldners an ein automatisiertes Zahlungsverkehrssystem (30) und Ausführung des Zahlungsvorgangs an den Zahlungsempfänger (20) direkt mittels der von dem Speicherelement (12) ausgelesenen Rechnungsdaten."
VI. In einer mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 23. Oktober 2014 beantragte der Beschwerdeführer, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis des Hauptantrags oder des Hilfsantrags, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 30. Juni 2008 zu erteilen.
VII. Das schriftliche und mündliche Vorbringen des Beschwerdeführers kann wie folgt zusammengefasst werden. Die Druckschrift D1 sei zwar nächstliegender Stand der Technik, offenbare aber nicht, dass das Speicherelement alle für den Zahlungsvorgang notwendigen Rechnungsdaten enthalte. Vielmehr würde nur eine Transaktionsidentifikationsnummer gespeichert; die fehlenden Rechnungsdaten müssten erst von einem Sicherheitsserver heruntergeladen werden, der eine zentrale Datenbank mit Rechnungsdaten mit zahlreichen Transaktionsdaten verwalte, die nicht nur zur Rechnungsbegleichung, sondern auch zur anderweitigen Verwertung beispielsweise für Werbezwecke gesammelt würden. In Absatz 0023 weise die Druckschrift D1 ausdrücklich darauf hin, dass es ein Vorteil sei, dass die verwendete Transaktionsidentifikationsnummer keine sicherheitsrelevanten Information enthalte, wie es beispielsweise eine Kontonummer oder Kreditkartennummer wäre, und es daher unproblematisch sei, diese mittels eines nicht sicheren Datenträgers zu übertragen.
Die Druckschrift vermittle also dem Fachmann die Lehre, genau das zu vermeiden, was die Erfindung vorschlage, und führe somit von der Erfindung weg. In der Tat liege der Erfindung die Erkenntnis zu Grunde, dass durch den Verzicht auf einen zwischengeschalteten Sicherheitsserver und die Dezentralisierung der Datenverwaltung durch direkte Übertragung individueller Rechnungsdatensätze die Sicherheit der Zahlungsabwicklung nicht verringert, sondern überraschenderweise erhöht und gleichzeitig aber auch die Systemarchitektur vereinfacht würden. Die Erfindung werde daher durch den Stand der Technik nicht nahegelegt, weise vielmehr diesem gegenüber technische Vorteile auf, so dass die erfinderische Tätigkeit anzuerkennen sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet, denn beiden vorliegenden Anträgen des Beschwerdeführers liegen Ansprüche zu Grunde, deren Gegenstand das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit nicht erfüllt.
2. Die Begründung erfordert keine Differenzierung zwischen Haupt- und Hilfsantrag, da sich die beiden Anträge nicht substantiell unterscheiden. Wie vom Beschwerdeführer vorgetragen wurde, sollte mit dem Hilfsantrag nur noch deutlicher herausgestellt werden, dass sich mit dem beanspruchten Verfahren die Rechnungsdaten, im Gegensatz zu dem Verfahren der Druckschrift D1, ohne Zwischenschaltung eines Sicherheitsservers von dem Rechnungssteller an den Zahlungsschuldner übertragen lassen. Dieses für die Erfindung wesentliche Merkmal liegt auch dem Hauptantrag zu Grunde, wenn auch weniger explizit. Ob es sich zwingend aus Wort und Sinn der Ansprüche ergibt und eine ausreichende Offenbarungsgrundlage in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung hat, kann dahingestellt bleiben, da die Patentfähigkeit der Erfindung auch bei einer engen Auslegung der Ansprüche auf Grundlage dieses Merkmals nicht bejaht werden kann, und sich daher eine Prüfung und Entscheidung dieser Fragen erübrigt.
3. Es ist unstreitig, dass die Druckschrift D1 ein Verfahren zur (automatisierten) Übertragung der für einen Zahlungsvorgang notwendigen Rechnungsdaten ("invoice data") an ein automatisiertes Zahlungsverkehrssystem ("consumer's payment software system") offenbart (siehe insbesondere Figur 2). Hierzu werden die Rechnungsdaten erfasst und ein Rechnungsdokument erstellt und ausgedruckt (,,physical paper bill"), auf dem ein Speicherelement ("RFID tag 16") angebracht wird. Das Speicherelement speichert Rechnungsdaten ("unique transaction identifier" oder "invoice number", siehe beispielsweise D1, Absatz 0015), jedoch nicht alle zur Ausführung notwendigen Rechnungsdaten. Das Rechnungsdokument wird mit dem Speicherelement an den Zahlungsschuldner ("consumer") versendet (ibid.). Die gespeicherten Rechnungsdaten werden direkt von dem Speicherelement durch ein Lesegerät auf das Computersystem des Zahlungsschuldners ausgelesen ("scanning the tag 16 with a ... suitable device", siehe Absatz 0023). Mittels dieser Daten kann der Zahlungsschuldner die in einem Sicherheitsserver (20) gespeicherten notwendigen Rechnungsdaten abrufen.
4. Das beanspruchte Verfahren unterscheidet sich von diesem Stand der Technik durch folgende Merkmale:
a) Die für den Zahlungsvorgang notwendigen Rechnungsdaten, wenigstens Zahlungsbetrag und Kontoangaben des Zahlungsempfängers, werden auf dem Speicherelement abgespeichert, durch das Lesegerät ausgelesen und direkt an das Zahlungsverkehrssystem übertragen.
b) Ausführung des Zahlungsvorgangs an den Zahlungsempfänger basierend auf den (Hauptantrag) bzw. direkt mittels der (Hilfsantrag) von den Speicherelement ausgelesenen Rechnungsdaten.
5. Es ist unstreitig, dass dem Fachmann am Anmeldetag zur Anbringung auf Dokumenten geeignete RFID-Tags mit ausreichender Speicherkapazität zur Verfügung standen, um Daten wie Kontonummer und Zahlungsbetrag aufzunehmen. Mit Blick auf die in der Druckschrift D1 vorgeschlagene Abspeicherung der Rechnungsnummer auf einem solchen RFID-Tag drängt sich dem verständigen Leser der Druckschrift D1 geradezu der Gedanke auf, auch die weiteren Rechnungsdaten wie Kontonummer oder Zahlungsbetrag auf dem Speicherelement abzuspeichern und damit direkt die für den Zahlungsvorgang notwendigen Rechnungsdaten komplett mit dem Rechnungsdokument an das Computersystem des Zahlungsschuldners zu übertragen. Die Art und der Umfang der zu übertragenden Information werden durch geschäftliche, also nichttechnische Überlegungen bestimmt und leisten daher, wie von der Prüfungsabteilung richtig festgestellt wurde, an sich keinen für die erfinderische Tätigkeit relevanten Beitrag zum Stand der Technik.
6. Der Fachmann wird auch nicht, wie vom Beschwerdeführer vorgetragen wurde, von der Druckschrift D1 abgehalten, eine unmittelbare Übertragung der Rechnungsdaten in Betracht zu ziehen. Diese Druckschrift sieht zwar eine direkte Übertragung nur für die Rechnungsnummer vor, also nicht für die Kontonummer und die anderen Rechnungsdaten, und beschreibt ausführlich eine Lösung, in der diese weiteren Rechnungsdaten an einen Sicherheitsserver übertragen und von diesem für den Abruf bereitgehalten werden. Der Fachmann erkennt aber ohne weiteres, dass diese relativ aufwändige Lösung mit Sicherheitsserver aus bestimmten Gründen vorgeschlagen wird. Die Datensicherheit soll offensichtlich durch die Vermeidung des Postweges für sensible Daten und durch die mit dieser Lösung mögliche Implementierung einer Authentifizierungsfunktion erhöht werden. Ferner wird durch die Sammlung der Rechnungs- und Kundendaten in Form einer zentralen Datenbank ein Mehrwert erzielt, der sich über verbesserten Kundenservice und Marketingoptionen realisieren lässt (siehe D1, Absätze 0016 und 0023 f.).
7. Wenn der Fachmann, aus welchen Gründen auch immer, auf diese Vorteile verzichten kann oder möchte, liegt es für ihn unmittelbar auf der Hand, dass der technische Aufwand mit Sicherheitsserver 20 überflüssig ist und die Übertragung aller notwendigen Rechnungsdaten auch direkt auf dem RFID-Tag über den Postweg erfolgen kann. Das System in Figur 1 der Druckschrift D1 zeigt hierfür alle notwendigen Komponenten, mit der einzigen Änderung, dass nicht nur die Rechnungsnummer, sondern alle notwendigen Rechnungsdaten, die von dem Rechnungssteller 12a in jedem Fall erfasst und auf dem Papierdokument 14 ausgedruckt werden müssen, in dem Speicherelement 16 abgespeichert und mit dem Lesegerät des Zahlungsschuldners ausgelesen werden müssen. Der Fachmann würde daher eine solche direkte Lösung als eine nahe liegende kostengünstige Alternative zu der Server-Lösung der Druckschrift D1 sehen.
8. Der Beschwerdeführer hat einen gegenüber der Lösung der Druckschrift D1 erhöhten Sicherheitsgewinn bei vereinfachter Systemstruktur geltend gemacht (siehe Punkt VII. oben). Die Begründung hierfür überzeugt jedoch nicht, da Datensicherheit des Transports mittels eines möglicherweise ungesicherten Speicherelements auf dem Postweg keinen einfachen Vergleich mit der Datensicherheit bei elektronischer Übermittlung und Speicherung der Daten in einem Sicherheitsserver zulassen. Die Druckschrift D1 führt daher entgegen der Argumentation des Beschwerdeführers auch nicht von der Erfindung weg.
9. Das weitere Merkmal, Merkmal b) (siehe oben), das die beanspruchte Erfindung von dem Stand der Technik unterscheidet, ist der Verfahrenschritt, den Zahlungsvorgang an den Zahlungsempfänger auszuführen. Ein solcher Schritt ist aber die logische Konsequenz, der nahe liegende nächste Schritt nach der Eintragung der Rechnungsdaten in die Eingabemaske der Online-Banking-Software. Schließlich sind Online-Banking-Programme kein Selbstzweck, sondern dienen der Ausführung eines Zahlungsvorgangs ("paying bill", siehe beispielsweise D1, Absatz 0006). Die ausdrückliche Zitierung eines solchen Ausführungsschrittes ist keine Stütze für die erfinderische Tätigkeit.
10. In Bezug auf beide Anträge kommt die Kammer daher zu dem Ergebnis, dass die beanspruchte Erfindung keinen erfinderischen Beitrag zum Stand der Technik leistet und daher das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit nicht erfüllt.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.