European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T137108.20130228 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 28 Februar 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1371/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99111773.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01S 17/02 G01S 7/497 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur optoelektronischen Überwachung eines Schutzbereichs | ||||||||
Name des Anmelders: | SICK AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ifm electronic gmbh | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Klarheit (ja) Unzulässige Erweiterung (nein) Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die am 09. Mai 2008 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent EP-B-0 967 492 in geänderter Form aufrechterhalten wurde.
II. In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass der Patentanspruch 1 klar sei (Artikel 84 EPÜ 1973) und keine unzulässige Erweiterung im Sinne des Artikels 123(2) EPÜ darstelle. Darüber hinaus sei der beanspruchte Gegenstand insbesondere gegenüber dem Dokument DE-C-41 19 797 (D1) erfinderisch im Sinne des Artikels 56 EPÜ 1973.
III. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 15. Juli 2008 gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde am gleichen Tag entrichtet.
In der am 19. September 2008 eingereichten Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents in vollem Umfang.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin führten die im Einspruchsverfahren durchgeführten Änderungen im Hauptanspruch zu Verstößen gegen die Anforderungen der Artikel 84 EPÜ 1973 und 123(2) EPÜ. Neben Dokument D1, wurde auf ein weiteres neues Dokument DE-A-196 34 269 (D6) Bezug genommen. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin war das beanspruchte Verfahren durch das Dokument D6 neuheitsschädlich vorweggenommen oder beruhte ausgehend von D1 und im Kenntnis von D6 jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
IV. In ihrer Erwiderung vom 12. März 2009 trat die Beschwerdegegnerin dem entgegen und beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Am 20. November 2012 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung geladen. In einer Anlage zur Ladung wurden sie über die vorläufige unverbindliche Auffassung der Kammer unterrichtet.
Zu der Frage der Neuheit und erfinderischer Tätigkeit konnte die Kammer das beanspruchte Merkmal, dass "die vorbestimmte Distanz unabhängig von einer Kontur (6) definiert wird, wobei die Kontur sich in Senderichtung des Lichtstrahls außerhalb des Schutzbereichs (5) befindet, mit Entfernungswerten größer als die vorbestimmte Distanz", keinem der zitierten Dokumenten entnehmen. Insbesondere, eine Auslegung von D6 (vgl. Spalte 2, Zeile 59 - Spalte 3, Zeile 1), wonach die Toleranzgrenzen einer Referenzfläche ein solches Merkmal darstellen könnten, erschien nicht überzeugend.
VI. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 28. Februar 2013 in Anwesenheit der Vertreter beider Parteien statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das angegriffene Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
VII. Der Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur optoelektronischen Überwachung eines sich über eine vorbestimmte Distanz zu einer einen Sender (2) und einen Empfänger (3) umfassenden Überwachungseinrichtung (1) erstreckenden Schutzbereichs (5), der periodisch durch den vom Sender (2) ausgesandten Lichtstrahl abgetastet wird und ein von einem im Schutzbereich (5) befindlichen Objekt (7) zu dem Empfänger (3) reflektierter Lichtstrahl zur Entfernungsmessung zwischen diesen ausgewertet wird, dadurch gekennzeichnet, dass die vorbestimmte Distanz unabhängig von einer Kontur (6) definiert wird, wobei die Kontur sich in Senderichtung des Lichtstrahls außerhalb des Schutzbereichs (5) befindet, mit Entfernungswerten größer als die vorbestimmte Distanz und daß [sic!] beim Abtasten des Schutzbereichs (5) die Detektion der Kontur (6) bei fehlendem Objekt (7) im Schutzbereich (5) dazu verwendet wird, ein "freies Schutzfeld" anzeigendes Signal zu erzeugen."
Die Ansprüche 2-4 sind abhängige Ansprüche.
VIII. Im Hinblick auf die am 13. Dezember 2007 in Kraft getretene revidierte Fassung des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ 2000) wird auf den Beschluss des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 hingewiesen (vgl. Sonderausgabe Nr. 1 Abl. EPA 2007, Seite 197). Auf den Beschluss des Verwaltungsrats vom 7. Dezember 2006 zur Änderung der Ausführungsordnung zum EPÜ 2000 (vgl. Sonderausgabe Nr. 1 Abl. EPA 2007, Seite 89) wird ebenfalls Bezug genommen.
In dieser Entscheidung werden zitierte Artikel und Regeln mit dem Zusatz "1973" versehen, wenn auf bis zum 13. Dezember 2007 geltende Vorschriften des EPÜ Bezug genommen wird. Andernfalls werden Artikel und Regeln ohne Zusatz zitiert.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Klarheit (Artikel 84 EPÜ 1973)
2.1 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei nicht klar, was mit dem im Einspruchsverfahren hinzugefügten Merkmal des Anspruchs 1, wonach "die vorbestimmte Distanz unabhängig von einer Kontur (6) definiert wird", gemeint sei. Es sei insbesondere nicht klar, worauf sich diese Unabhängigkeit beziehen solle, das heißt, ob z.B. die Lage, die Form oder bestimmte Eigenschaften der Kontur gemeint seien. Darüber hinaus stehe diese Aussage in krassem Widerspruch zu dem weiteren Merkmal des Anspruchs 1, wonach sich die Kontur außerhalb des Schutzbereichs befindet. Denn eine solche Behauptung setze eine Art Wechselwirkung zwischen dem Schutzbereich und der Kontur voraus.
Für die Kammer ist das Fehlen von Angaben, die die Unabhängigkeit des Schutzbereichs von der Kontur näher beschreiben, so zu verstehen, dass grundsätzlich überhaupt keine Beziehung zwischen der Schutzbereichsgrenze und der Kontur besteht. Ein Widerspruch mit der Angabe, die Kontur befindet sich außerhalb des Schutzbereichs, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Denn es ist zu berücksichtigen, dass der Hauptanspruch auf ein Verfahren gerichtet ist, d.h. auf eine Sequenz von Schritten. Mit der Aussage, dass die Kontur sich in Senderichtung des Lichtstrahls außerhalb des Schutzbereichs befindet, wird eine Bedingung an die Kontur gestellt, die erst nach der Bestimmung des Schutzbereichs zu erfüllen ist. Diese Auslegung impliziert wiederum, dass die vorbestimmte Distanz in dem Verfahren nach Anspruch 1 zu einem Zeitpunkt definiert wird, zu dem die Kontur noch nicht bestimmt ist. Schon aus diesem Grund wird die vorbestimmte Distanz unabhängig von einer solchen Kontur definiert.
Das beanspruchte Verfahren setzt voraus, dass alle Anforderungen für dessen Durchführbarkeit erfüllt sind. In dieser Hinsicht ist nicht bestritten, dass die Definition einer vorbestimmten Distanz nur dann ein Schutzfeld bestimmen kann, wenn dieses Schutzfeld tatsächlich frei von Hindernissen ist, d.h. wenn sich keine Kontur in dem so definierten Schutzfeld befindet. Daraus ergibt sich jedoch für die Kammer kein Widerspruch im Wortlaut des Hauptanspruchs. Denn dieser verlangt nicht, auch nicht implizit, dass die vorbestimmte Distanz erst nach Identifizierung einer Kontur bestimmt wird.
2.2 Das weitere dem Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal, wonach "die Kontur sich in Senderichtung des Lichtstrahls außerhalb des Schutzbereichs (5) befindet, mit Entfernungswerten größer als die vorbestimmte Distanz", verstöße nach Auffassung der Beschwerdeführerin ebenfalls gegen Artikel 84 EPÜ. Insbesondere sei die Verwendung des Plurals "Entfernungswerten" unklar.
Dem folgt die Kammer nicht. Aus der Figur 2 der Patentschrift ist unmittelbar ersichtlich, dass der Abstand zwischen der Kontur (6) und der Überwachungseinrichtung (1) nicht auf einen bestimmten Wert festgelegt ist, sondern einem ganzen Bereich entspricht. Aus diesem Grund erscheint die Verwendung des Plurals berechtigt und steht im Einklang mit der Lehre der Patentschrift.
2.3 Daraus folgt, dass die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ 1973 vom Anspruch 1 erfüllt sind.
3. Unzulässige Erweiterung (Artikel 123(2) EPÜ)
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, aus den drei von der Einspruchsabteilung zitierten Absätzen [0009], [0011] und [0017] der veröffentlichten Patentanmeldung ergebe sich nicht, dass die vorbestimmte Distanz unabhängig von einer Kontur definiert werde. Im Gegenteil folge aus dem Absatz [0011], dass sich der Schutzbereich bis an die Kontur erstrecken oder mit Abstand davor enden kann. Außerdem werde in diesen Absätzen explizit auf die Kontur Bezug genommen. Die vorbestimmte Distanz werde deshalb gerade nicht unabhängig von der Kontur definiert.
Die Kammer ist jedoch von der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht überzeugt. In dieser Hinsicht erscheinen die Angaben im Absatz [0007] der veröffentlichten Anmeldung, wonach es Aufgabe der Erfindung ist, ein Verfahren zu schaffen, "bei dem der Schutzbereich nicht durch eine Referenzfläche begrenzt und unabhängig von einer solchen definierbar ist", für die Offenbarung des in Frage stehenden Merkmals ausreichend.
Unabhängig davon, ob ein Merkmal als wesentlich dargestellt oder überhaupt thematisiert wird, erfordert Artikel 123(2) EPÜ nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern lediglich, dass das Merkmal sich unmittelbar und eindeutig aus der ursprünglichen Lehre ergibt. Das ist hier der Fall.
Aus diesen Gründen kann die Kammer im Wortlaut des Anspruchs 1 keinen Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erkennen.
4. Neuheit - (Artikel 54 EPÜ 1973)
4.1 Aus Dokument D6 ist ein Verfahren bekannt, wie es im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 definiert ist. D6 zwar beschreibt eine Vorrichtung zur optoelektronischen Überwachung eines sich über eine vorbestimmte Distanz zu einer einen Sender (2) und einen Empfänger (3) umfassenden Überwachungseinrichtung (1) erstreckenden Schutzbereichs. Daraus ist jedoch ein entsprechendes Verfahren zweifellos abzuleiten. Der Schutzbereich wird periodisch durch vom Sender (2) ausgesandte Lichtstrahlen (5) abgetastet, wobei ein von einem im Schutzbereich befindlichen Objekt zu dem Empfänger (3) reflektierter Lichtstrahl zur Entfernungsmessung zwischen Objekt und Empfänger ausgewertet wird (vgl. Figur 1).
Bei freiem Strahlengang treffen die Strahlen (5) auf eine den Schutzbereich begrenzende Referenzfläche (9), deren Distanzwerte zum Empfänger mit vorgegebenen Toleranzen vermessen werden. Diesbezüglich offenbart D6, dass die Toleranzgrenzen als applikationsspezifische Parameter frei vorgegeben werden können (vgl. Spalte 2, Zeile 59 - Spalte 3, Zeile 1).
Dies wiederum bedeute nach Auffassung der Beschwerdeführerin, dass der Schutzbereich in einem beliebigen Abstand von der Referenzfläche enden könne. Hieraus folge, dass das beanspruchte Verfahren durch D6 neuheitsschädlich vorweggenommen sei.
4.2 Die Kammer kann sich dieser Auffassung der Beschwerdeführerin nicht anschließen.
Zunächst ist fragwürdig, ob die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Auslegung des Absatzes auf Spalte 2, Zeile 59 - Spalte 3, Zeile 1 der Lehre von D6 entspricht.
Der Einwand der Beschwerdegegnerin, wonach sich die Wahl der Toleranzgrenzen als applikationsspezifische Parameter auf spezifische Eigenschaften der Kontur beziehen würde, erscheint durchaus plausibel, mit der Folge, dass der Schutzbereich nicht mehr in einem beliebigen Abstand von der Referenzfläche, sondern unmittelbar an dieser Fläche endet. Schon aus diesem Grund vermag die Analyse der Beschwerdeführerin nicht zu überzeugen.
Darüber hinaus ist das beanspruchte Merkmal, wonach "die vorbestimmte Distanz unabhängig von einer Kontur (6) definiert wird", unabhängig davon, was man unter "applikationsspezifischen Parametern" für die Bestimmung der Toleranzgrenzen versteht, D6 nicht zu entnehmen, weil der Schutzbereich gemäß D6 durch die Kontur und deren Toleranzgrenzen bestimmt wird.
4.3 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu im Sinne der Artikel 54 EPÜ 1973 gegenüber D6.
5. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)
5.1 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei ebenfalls aus Dokument D1 ein Verfahren bekannt, das alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbare (vgl. Spalte 2, Zeilen 55-59). Der in D1 definierte Schutzbereich (24) ende an einer begrenzenden Referenzfläche (25), wobei ein Toleranzbereich (26) mit den Grenzen (26') und (26'') definiert sei (vgl. Figur 2). Der in Figur 2 dargestellte Bereich (26) sei jedoch so breit im Vergleich zum Schutzbereich (24), dass ein Fachmann ihn nicht mehr als Toleranzbereich ansehen würde.
Ausgehend von der Lehre von D1 bestehe die technische Aufgabe der Erfindung nach Auffassung der Beschwerdeführerin darin, einen frei wählbaren Toleranzbereich zu definieren. Dabei sei aus D6 (vgl. Spalte 2, Zeile 59 - Spalte 3, Zeile 1) als Lösung dieser Aufgabe bekannt, Toleranzgrenzen als "applikationsspezifische Parameter" frei zu definieren. Somit käme der Fachmann durch das Zusammenschauen von D1 und D6 unmittelbar auf dem Gegenstand des Anspruchs 1.
5.2 Die Kammer konnte sich dieser Analyse nicht anschließen. Wie schon unter Punkt 4.1 erwähnt und von der Beschwerdegegnerin unterstrichen, kann der Fachmann aus D6 nicht ableiten, dass die applikationsspezifischen Parameter dazu dienen, etwas anderes als lediglich die Grenzen eines Toleranzbereichs zu definieren. Dokument D6 enthält keine Angaben, die es rechtfertigen würden, diesem Begriff eine andere Bedeutung beizumessen. Darüber hinaus, wäre ein solcher Bereich immer noch von der Definition einer Kontur oder Referenzfläche abhängig. Dies steht im Widerspruch zum Wortlaut des Anspruchs 1.
5.3 Es folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber einer Kombination der Dokumenten D1 und D6 erfinderisch im Sinne des Artikels 56 EPÜ 1973 ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.