European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2010:T128308.20100714 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 14 Juli 2010 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1283/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02017117.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60D 1/54 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Anhängekupplung | ||||||||
Name des Anmelders: | SCAMBIA Industrial Developments Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Westfalia-Automotive GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Unzulässige Erweiterung (nein) Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden richten sich gegen die am 13. Mai 2008 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1288026 in geändertem Umfang.
Gegen diese Entscheidung haben die Einsprechende (Beschwerdeführerin I) und die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin II) Beschwerde eingelegt. Die Beschwerden sind am 3. Juli 2008 bzw. am 11. Juli 2008 eingegangen; mit dem Eingang wurden jeweils die Beschwerdegebühren bezahlt.
Beide Beschwerdebegründungen sind am 10. September 2008 eingegangen.
II. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 14. Juli 2010 beantragte die Patentinhaberin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage folgender Unterlagen:
- Ansprüche 1 bis 71 gemäß Hauptantrag, eingereicht während der mündlichen Verhandlung;
- Beschreibung Seiten 2, 2A, 3 und 7, eingereicht während der mündlichen Verhandlung;
- Beschreibung Seiten 4 bis 6 und 8 bis 19, wie erteilt;
- Figuren 1 bis 25 wie erteilt.
Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
III. Vor allem die folgenden Dokumente sind für die Entscheidung relevant:
EP 1 142 732 A2 (D2)
DE 198 59 961 A1 (D4)
DE 198 58 978 A1 (D5)
IV. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt (Einfügung der fettgedruckten Merkmalskennzeichnung in eckigen Klammern durch die Kammer):
Anhängekupplung für Kraftfahrzeuge, umfassend ein fahrzeugfest angeordnetes Lagerteil (10) [Merkmal 1.1], einen gegenüber dem Lagerteil (10) zwischen einer Arbeitsstellung (a) und einer Ruhestellung (r) bewegbaren Kugelhals (40), welcher mittels eines Lagerkopfes (32) an dem Lagerteil (10) zumindest drehbar gelagert ist [Merkmal 1.2], eine Kugelhalsfixierung mit Formschlusselementen (270, 280), welche durch Relativbewegung von einer Fixierstellung, in welcher der Lagerkopf (32) relativ zum Lagerteil (10) formschlüssig festgelegt ist, in eine Lösestellung, in welcher der Lagerkopf (32) gegenüber dem Lagerteil (10) bewegbar ist, überführbar sind und umgekehrt [Merkmal 1.3], wobei lagerteilseitige Formschlusselemente (270) stationär an einer ersten Lagerwange (14) des Lagerteils (32) angeordnet sind [Merkmal 1.4], und eine mechanische Positioniereinrichtung (90), mit welcher die Relativbewegung der Formschlusselemente (270, 280) zum Erreichen der Fixierstellung und der Lösestellung ausführbar ist [Merkmal 1.5], dadurch gekennzeichnet, dass lagerkopfseitige Formschlusselemente (280) stationär am Lagerkopf (32) angeordnet sind [Merkmal 1.6], dass der Lagerkopf (32) in einer Bewegungsrichtung (20) quer zu einer Schwenkrichtung relativ zum Lagerteil (10) bewegbar ist, um die Formschlusselemente (270, 280) zwischen der Fixierstellung und der Lösestellung zu bewegen [Merkmal 1.7], dass die mechanische Positioniereinrichtung (90) in eine Fixierstellung bringbar ist, in welcher diese den Lagerkopf (32) derart positioniert, dass die Formschlusselemente (270, 280) in der Fixierstellung stehen, und in eine Lösestellung bringbar ist, in welcher diese den Lagerkopf (32) derart positioniert, dass die Formschlusselemente (270, 280) in der Lösestellung stehen [Merkmal 1.8], dass die mechanische Positioniereinrichtung (90) einen Kraftspeicher und eine Kraftübertragungsmechanik (94) für den Kraftspeicher (132) aufweist, die in der Fixierstellung selbsttätig eine stabile Stellung aufrechterhält [Merkmal 1.9], dass die Kraftübertragungsmechanik (94) als Kraftübersetzungsmechanik ausgebildet ist, die zumindest in einem Teil der möglichen Stellungen eine Kraftverstärkung bewirkt [Merkmal 1.10], dass die Positioniereinrichtung (90) eine Spannstellung als Fixierstellung aufweist, in welcher die Positioniereinrichtung (90) eine Kraft (300) erzeugt, die zu der auf den Lagerkopf (32) wirkenden Spannkraft (296) beiträgt [Merkmal 1.11], und dass bei Beaufschlagung des Lagerkopfes (32) mit der Spannkraft (296) in Richtung der ersten Lagerwange (14) aneinanderanliegende, schräg zu der Bewegungsrichtung (20) verlaufende Flächen (274, 284) aufweisende konische Formschlussabschnitte (274, 284) der mindestens ein in Eingriff stehendes Formschlusselementenpaar bildenden Formschlusselemente (270, 280) eine spielfreie Fixierung des Lagerkopfes (32) relativ zum Lagerteil (10) bewirken [Merkmal 1.12].
V. Die Einsprechende brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei unzulässig erweitert.
Im Merkmal 1.12 seien schräge Flächen aufweisende konische Formschlussabschnitte definiert. Konische Formschlussabschnitte würden in den ursprünglichen Unterlagen nur im Ausführungsbeispiel genannt. Dort seien in den Paragraphen [0198] ff. lagerteilseitige Formschlussabschnitte beschrieben, die eine konische Spitze und einen zylindrischen Schaft aufwiesen. Der konische Abschnitt sorge gemäß Paragraph [0203] für eine spielfreie Verbindung. Die zylindrischen Formschluss abschnitte dienten dazu, dass selbst dann, wenn aufgrund eines auf den Lagerkopf 32 wirkenden großen Drehmoments, beispielsweise einer beim Betrieb auftretenden Drehmoment spitze, die konischen Formschlusselemente aufgrund ihres Konuswinkels eine Relativbewegung des Lagerkopfes entgegengesetzt zur Spannkraft und somit weg von der ersten Lagerwange ausführten, die zu einem Außereingriffbringen der Formschlusselemente führen könnte, noch eine Formschlussverbindung bestehen bliebe, vgl. Paragraph [0204].
Der Anspruch berücksichtige diesen zylindrischen Wandabschnitt aber nicht. Damit fehle ein wesentliches - vor allem für die Sicherheit relevantes - Merkmal, ohne die die Erfindung nicht ausgeführt werden könne. Ohne die zylindrischen Wandabschnitte könnten die Konusflächen nicht wie offenbart verwendet werden.
Die Merkmale 1.7 und 1.8 seien dem Paragraph [0004] der Beschreibung entnommen. Auch hier seien für die Erfindung wesentliche Merkmale aus dem Kontext nicht in den geltenden Anspruch übernommen worden. Davon seien insbesondere die weiteren Eigenschaften der Positionier einrichtung, wie z.B. die Rückstellkraft, betroffen, vgl. Spalte 1, Zeilen 43 bis 49.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber dem dritten Ausführungsbeispiel des Dokuments D2 (Art. 54(3) EPÜ). Neben allen weiteren Merkmalen offenbare D2 auch einen Kraftspeicher in Form eines Elektromotors. Dort bilde die Schnecke zusammen mit dem Antriebsritzel ein selbstsperrendes Getriebe, welches in Fixierstellung selbsttätig - gemäß dem Merkmal 1.9 - eine stabile Stellung aufrechterhalte; dies sei auch dann der Fall wenn der Motor nicht mit Strom versorgt werde. Das Streitpatent selbst lasse explizit auch elektrisch wirkende Kraftspeicher zu, beispielsweise als Magnet oder als pneumatischen Kraftspeicher, vgl. Paragraph [0016].
Der Gegenstand des angegriffenen Anspruchs 1 sei nicht erfinderisch im Hinblick auf die Kombination der Dokumente D4 und D5.
Der einzige Unterschied zwischen der Anhängekupplung gemäß Dokument D4 und dem Gegenstand des Anspruchs 1 bestehe darin, dass die Formschlussabschnitte in der strittigen Erfindung konisch seien. Alle anderen Merkmale würden in D4 offenbart. Auch ohne die konischen Formschlussabschnitte sei die Vorrichtung gemäß D4 spielfrei. Insbesondere sorge die Kulissennut 17 im Zusammenhang mit der Feder 23 für eine Spannkraft. Der Mitnehmerstift 16 müsse in der Vertiefung 18 ein leichtes Spiel haben; damit sich dieses nicht auf die Lagerung des Kugelhalses auswirke, müsse die Feder 23 die Formschlusskonturen 10 und 14 in Anlage halten. Für den Fachmann sei es selbst verständlich, dass er ein Spiel des Kugelhalses zu verhindern habe, auch wenn dies nicht ausdrücklich in D4 erwähnt sei. Dies erkenne man auch an der Gestaltung der Formschlusselementflächen 10 und 14, deren Formschluss konturen nicht einfach gerade seien, sondern - wie man an der Linie ohne Bezugszeichen, die senkrecht zur Verzahnung in der Fläche 10 verläuft, erkennen könne - einen Knick hätten, und somit das Spiel unter Last in einer weiteren Dimension verhinderten.
Im Übrigen sei es für einen Fachmann selbstverständlich auch konische Strukturen zu verwenden, wenn es um die Verhinderung eines Spiels ginge, insofern sei es für ihn naheliegend, auch die konusförmigen Formschlusselemente aus Dokument D5 in die bekannte Vorrichtung aus D4 zu integrieren. Konische Formschlussabschnitte seien somit lediglich eine naheliegende Alternative.
VI. Die Patentinhaberin erwiderte mit den folgenden Argumenten:
Das Merkmal 1.12 des strittigen Anspruchs definiere jene Merkmale, die bei Beaufschlagung des Lagerkopfes mit einer Spannkraft eine spielfreie Fixierung des Lagerkopfes relativ zum Lagerteil bewirken. Auf die spielfreie Fixierung hätten aber die zylindrischen Wandabschnitte der Formschlusselemente keinen Einfluss. So beschreibe Paragraph [0204] den Fall, wo ein vollständiges Aneinanderliegen der Konusflächen nicht mehr vorliege; dafür seien die zylindrischen Wandabschnitte vorgesehen. Dieser Fall würde aber im vorliegenden Anspruch gar nicht betrachtet: dieser richte sich vornehmlich darauf, wie eine spielfreie Fixierung vorgenommen werden könne. Letztlich sei die Offenbarung gegeben durch den ursprünglichen Anspruch 67, der lediglich schräge Flächen vorschreibe und der Fachmann wisse schließlich, wie er diese in einem konkreten Fall nutze. So kenne er auch den sogenannten selbstsperrenden Konus, der zylindrische Wandabschnitte überflüssig machen würde, da der in Paragraph [0204] geschilderte Fall nicht auftreten könne. Konusförmige Formschlussabschnitte seien in Paragraph [0203] offenbart.
Ein Elektromotor, wie er in Dokument D2 gezeigt sei, könne kein Kraftspeicher im Sinne des Streitpatents sein. Die selbsttätige Fixierung finde nicht durch einen Kraftspeicher statt, sondern durch ein selbstsperrendes Getriebe.
Das Dokument D4 offenbare nicht das Merkmal 1.12. Insbesondere habe die dort offenbarte Vorrichtung keine konischen Formschluss abschnitte. Die Konstruktion, wie sie D4 vorsehe, sei nicht dazu geeignet, das Spiel unter den erheblichen Lasten, die an einer Anhängekupplung aufträten, generell zu verhindern, da die Verzahnung nur in einer Richtung verlaufe. Ein anliegender Konus habe diesbezüglich erhebliche Vorteile, da Belastungen aus unterschiedlichen Raumrichtungen wirkungsvoll abgestützt werden könnten.
Dies funktioniere aber nur dann, wenn die Formschlusselemente stationär an Lagerteil und Lagerkopf angebracht seien. Insofern sei das Dokument D5 nicht relevant, da dort die Formschlusselemente eben nicht stationär an Lagerteil bzw. Lagerkopf angebracht seien. Diese müssten in ihre Verriegelungs stellung relativ zu Lagerkopf und Lagerteil verschoben werden; eine Verschiebung sei aber nur möglich wenn ein - wenn auch geringes - Spiel zwischen dem zylindrischen Teil der Bolzen und deren Führung vorhanden sei. Dieses Spiel sei auch dann vorhanden, wenn der Konus jeweils im Eingriff sei und damit könne der Konus keine absolute Spielfreiheit herstellen und der Fachmann würde auch aufgrund der relativ zu Lagerkopf und Lagerteil verschiebbaren Formschlusselemente Dokument D5 nicht in Betracht ziehen. Die Argumentation der Einsprechenden beruhe auf einer rückblickenden Betrachtungsweise.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
Unzulässige Erweiterung
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist nicht unzulässig erweitert.
2.1 Die Einsprechende führt an, dass die "konischen Formschlussabschnitte" des Merkmals 1.12 eine unzulässige Erweiterung darstellen, da diese nur im Zusammenhang mit zylindrischen Wandabschnitten offenbart seien (vgl. Paragraph [0197] bis [0203]). Diese seien gemäß Paragraph [0204] als Sicherheit nötig, falls die konischen Formschlussabschnitte an Kontakt verlieren würden.
2.2 Das Merkmal 1.12 setzt sich mit der spielfreien Fixierung des Lagerkopfes relativ zum Lagerteil auseinander, die im Fokus des angegriffenen Patents steht, siehe auch Punkt 4, unten. So ist die Formulierung des Merkmals 1.12 eindeutig auf das Ziel der spielfreien Fixierung ausgerichtet ("... bewirken ... eine spielfreie Fixierung ..."). Nach Auffassung der Kammer sind alle wesentlichen Merkmale, die für die spielfreie Fixierung nötig sind, im vorliegenden Anspruch 1 vorhanden. Insbesondere dient das angeblich fehlende Merkmal nicht einer spielfreien Fixierung.
Indes sorgen die zylindrischen Wandabschnitte gemäß Paragraph [0204] für Sicherheit im Fall extremer Belastung, in der eine Relativbewegung zwischen Lagerkopf und Lagerteil in der Fixierstellung auftritt. In dieser Situation, in der die Fixierung nicht mehr spielfrei ist, sorgt das zylindrische Formschluss element dafür, dass "noch eine Formschlussverbindung bestehen bleibt." Aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben, die mit den Merkmalen "zylindrischer Wandabschnitt" und "konische Formschlussabschnitte" gelöst werden, sieht die Kammer diese Merkmale nicht als technisch so verbunden an, dass das Fehlen des Merkmals "zylindrischer Wandabschnitt" im Anspruch eine unzulässige Erweiterung begründen kann.
2.3 Die Einsprechende führt weiter aus, dass auch die Merkmale 1.7 und 1.8 unzulässig erweitert seien, da auch dort nicht alle Merkmale, die dazu im Kontext genannt würden, vorhanden seien. Insbesondere fehle, dass die Positioniereinrichtung durch Betätigung von der Fixierstellung in die Lösestellung bringbar ist und dass der Kraftspeicher eine Rückstellkraft erzeuge, die in Richtung eines Übergangs in die Fixierstellung wirke, wie dies in Paragraph [0004] ausgeführt sei.
2.4 Auch diesbezüglich teilt die Kammer nicht die Auffassung der Einsprechenden. Der genannte Paragraph [0004] gibt den Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 wieder. Das ursprünglich eingereichte Patent wies jedoch weitere unabhängige Ansprüche auf. Der strittige Anspruch 1 beruht auf dem ursprünglich eingereichten und erteilten Anspruch 4, der bezüglich der Positioniereinrichtung lediglich definiert, dass diese eine Mechanik aufweist, die in der Fixierstellung selbsttätig eine stabile Stellung aufrechterhält. Dieses Merkmal ist im vorliegenden Anspruch vorhanden (Merkmal 1.9).
Von daher kann der Paragraph [0004] der Beschreibung nicht als Einschränkung für den Gegenstand des erteilten Anspruchs 4 und damit für den vorliegenden Anspruch 1 verstanden werden. Somit kann die Kammer auch hier keinen Mangel an unzulässiger Erweiterung erkennen.
Neuheit (Art. 54(3) EPÜ)
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber dem Dokument D2, das gemäß Art. 54 (3) EPÜ dem Stand der Technik zuzurechnen ist. Die Kammer sieht in dem von der Einsprechenden genannten Ausführungsbeispiel keinen Kraftspeicher.
3.1 Die Einsprechende argumentiert, dass der Elektromotor mit dem selbstsperrenden Getriebe (vgl. Fig. 11 und Paragraph [0148]) einen Kraftspeicher darstelle, denn auch im stromlosen Zustand würde durch das selbstsperrende Getriebe selbsttätig eine stabile Stellung aufrecht erhalten werden. Das strittige Patent lasse schließlich ebenfalls elektrisch wirkende Kraftspeicher zu, vgl. Paragraph [0016].
3.2 Der Elektromotor, der im Ausführungsbeispiel der D5 dazu dient, Lagerkopf und Lagerteil miteinander zu verspannen, ist nach Ansicht der Kammer vor allem deshalb kein Kraftspeicher, weil der Motor abgeschaltet wird, wenn die Formschluss elemente in Eingriff sind (Spalte 24, Zeilen 48 bis 52): im Gegensatz zu einem Kraftspeicher bringt der Motor dann kein Moment mehr auf, wenn sich Lagerkopf und Lagerteil aufgrund von Belastungen oder Störungen aus der Arbeits- bzw. Fixierstellung relativ zueinander bewegen sollten.
Das aber genau zeichnet nach Meinung der Kammer eine Fixierstellung aus, die selbsttätig und stabil aufrechterhalten wird (siehe auch Paragraph [0010] der ursprünglichen Anmeldung). Dazu muss ein Kraftspeicher die gespeicherte Kraft dann zur Verfügung stellen,
- wenn sich eine Kraft-, Momenten- oder Wegsituation vom gewünschten Arbeitspunkt, also aus der Fixierstellung, wegbewegt (selbsttätig), und
- die Kraft in Richtung des Arbeitspunktes, der Fixierstellung, wirken lassen (stabil).
3.3 Auch wenn das Schneckengetriebe aus D2 die Mechanik in der Fixierstellung selbst sperrt, so stellt es aus den o.g. Gründen keinen Kraftspeicher dar. Dieses Getriebe ist lediglich in der Lage die in der Fixierstellung typischerweise einwirkende Kraft abzustützen, bringt aber selbst keine gespeicherte Kraft auf, um den Arbeitspunkt - die Fixierstellung - einzuhalten.
3.4 Da das Dokument D2 keinen Kraftspeicher im Sinne des Merkmals 1.9 offenbart, kann es offenbleiben, ob weitere Unterschiede zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und dem Ausführungsbeispiel gemäß D5 bestehen.
Neuheit (Art. 54(2) EPÜ 1973) und
erfinderische Tätigkeit (Art. 56 EPÜ 1973)
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu und erfinderisch.
4.1 Das Dokument D4 offenbart insbesondere nicht das Merkmal 1.12, welches konische Formschlussabschnitte zur Fixierung des Lagerkopfs relativ zum Lagerteil definiert.
4.2 Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine spielfreie Fixierung des Lagerkopfes relativ zum Lagerteil zu optimieren. Diese Aufgabe wird nach Meinung der Kammer durch das Merkmal 1.12 in erfinderischer Weise gelöst. Keines der im Verfahren befindlichen Dokumente zeigt konische Formschlusselemente, die stationär an Lagerkopf bzw. Lagerteil angebracht sind. Lediglich das Dokument D2 - welches aber einen Stand der Technik gemäß Art. 54 (3) EPÜ darstellt und daher für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht bleibt - zeigt dieses Merkmal z.B. in den Ausführungsbeispielen zu den Fig. 11, 12 und 14.
4.3 Die Einsprechende führt aus, dass die Vorrichtung gemäß D4 bereits eine spielfreie Fixierung des Lagerkopfes ermöglicht. Die Formschlusskonturen 10 und 14 hätten in der Verzahnung einen Knick, der an der Linie ohne Bezugszeichen in der Figur zu erkennen sei; damit würde die Fixierung in einer weiteren Krafteinwirkungsrichtung verbessert. Für den Fachmann sei es nun eine naheliegende Alternative, die Formschlusskonturen 10 und 14 gegen konusförmige Formschlussabschnitte zu ersetzen, die hinsichtlich aller Krafteinwirkungsrichtungen eine gleich gute Fixierung ermöglichen. Die Anregung dazu erhalte er aus Dokument D5. Dort würden konusförmige Formschlussabschnitte eingesetzt, um einen Lagerkopf am Lagerteil spielfrei zu fixieren.
4.4 Die Kammer teilt die Ansicht der Einsprechenden nicht. Insbesondere ist nicht plausibel, warum der Fachmann die konusförmigen Abschnitte aus D5 in die Vorrichtung gemäß D4 integrieren sollte.
4.4.1 Die Kammer bezweifelt zunächst, dass D4 eine Formschluss kontur offenbart, die in der Verzahnung einen Knick aufweist, der - so die Einsprechende - durch eine Linie angedeutet sei. Dies würde im Widerspruch zu der Beschreibung stehen, die angibt, dass die Formschlusskontur 10 in Gestalt einer Verzahnung ausgeführt sei, "die im wesentlichen parallel zu einer Diametralen der Stirnseite 9 des Kopfteils 3 des Lagerbolzens 4 verläuft", vgl. Spalte 1, Zeile 68 bis Spalte 2, Zeile 6.
4.4.2 Um die in Dokument D4 gezeigte Formschlusskontur hinsichtlich ihrer Spielfreiheit weiter zu optimieren, hätte der Fachmann vielfältige Möglichkeiten gehabt. So hätte er, weitere Verzahnungen, beispielsweise im rechten Winkel zu der gezeigten, anordnen können. Es bleibt in der Argumentation der Einsprechenden offen, warum der Fachmann gerade konische Formschlusselemente hätte verwenden sollen.
4.4.3 Die Kammer ist weiterhin nicht davon überzeugt, dass der Offenbarungsgehalt von D5 den Fachmann in die Lage versetzen würde, ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen. Die Anhängevorrichtung gemäß D5 sieht vor, dass Riegelbolzen mit einer konischen Spitze relativ zu Lagerkopf und Lagerteil verschoben werden, um in der Fixierstellung einen Formschluss herzustellen; auf diese Weise soll die Lagerwelle im Zugbetrieb von der Kraftübertragung von Gehäuse und Zugstange entkoppelt werden (vgl. Spalte 1, Zeilen 42 bis 47 und Spalte 5, Zeilen 62 ff.). Damit die Bolzen von einer Lösestellung - in der Lagerkopf und Lagerteil zueinander beweglich sind - in die Fixierstellung (Betriebsstellung, Spalte 5, Zeilen 29 ff.) gelangen können, muss ihre Lagerung zwangsläufig so bemessen sein, dass ihnen eine reibungsarme Bewegung ermöglicht wird.
4.4.4 Nach Ansicht der Kammer könnte der Fachmann dem Dokument D5 zwar entnehmen, dass konische Formschlusselemente für eine spielfreie Fixierung verwendet werden können, es bleibt aber offen, warum der Fachmann so handeln würde.
Um die Lagerwelle im Zugbetrieb von der Zugstange (wie in Dokument D5) zu entkoppeln, muss die Verspannungs einrichtung relativ zu Lagerkopf und Lagerteil beweglich sein, während stationär befestigte Formschlusselemente nicht in der Lage sind, die Lagerwelle im Zugbetrieb zu entlasten.
Somit sind die konstruktiv technischen Umstände für die Anhängekupplung gemäß D5 gänzlich andere, als für die Vorrichtung mit stationär angeordneten Formschluss elementen, wie sie D4 oder die strittige Erfindung vorsehen.
Die konische Spitze der Riegelbolzen in D5 ist somit in einen spezifischen technischen Kontext integriert und es bleibt offen, warum der Fachmann gerade dieses Merkmal isoliert aus diesem Dokument übernehmen sollte.
4.5 Die Kammer ist der Auffassung, dass das Merkmal 1.12 alleine die erfinderische Tätigkeit begründet. Insofern ist es unerheblich für die Entscheidung, ob und welche weiteren Merkmale den Gegenstand des Anspruchs 1 von der Anhängekupplung nach D4 unterscheiden und welchen Einfluss sie auf die erfinderische Tätigkeit hätten.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 71 gemäß Hauptantrag, eingereicht während der mündlichen Verhandlung;
- Beschreibung Seiten 2, 2A, 3 und 7, eingereicht während der mündlichen Verhandlung;
- Beschreibung Seiten 4 bis 6 und 8 bis 19, wie erteilt;
- Figuren 1 bis 25 wie erteilt.