European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T112108.20110412 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 12 April 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1121/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03005674.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | A01M 7/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Messeinrichtung an einer landwirtschaftlichen Maschine | ||||||||
Name des Anmelders: | CLAAS Selbstfahrende Erntemaschinen GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Octrooibureau Van der Lely N.V. | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Zwischenverallgemeinerung Verspätet vorgelegter Hilfsantrag |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Einspruchsabteilung stellte mit ihrer am 10. April 2008 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung fest, dass das europäische Patents Nr. 1 356 729 in der von der Patentinhaberin eingereichten, geänderten Fassung den Erfordernissen des europäischen Patentübereinkommens genügte.
II. Die Einsprechende 01 (Beschwerdeführerin) legte am 12. Juni 2008 gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Am selben Tag wurde die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerde wurde am 26. Juli 2008 be grün det.
III. Am 12. April 2011 wurde vor der Kammer mündlich verhandelt.
IV. Die Beschwerführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung der Ansprüche 1 bis 19 wie eingereicht mit Schreiben von 15. Dezember 2008 (Hauptantrag), hilfsweise auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrages.
Der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Ermittlung des Abstandes zwischen einer landwirtschaftlichen Maschine und dem Boden, wobei die landwirtschaftliche Maschine aus einer selbstfahrenden Arbeitsmaschine und einem Vorsatzgerät besteht und zumindest ein Sensor den Abstand zwischen dem Vorsatzgerät und der Oberfläche des Feldes berührungslos ermittelt,
dadurch gekennzeichnet, dass
der landwirtschaftlichen Maschine (20) wenigstens ein Sensor (24;34;50) zugeordnet ist, der mittels zumindest einer den Feldbewuchs (35;36;60) durchdringenden elektromagnetischen Welle wenigstens den Abstand zum Boden (23) berührungslos ermittelt und wobei der wenigstens eine Sensor (24;33;50) oberhalb des ungeernteten Feldbewuchses (35) in Fahrtrichtung (15) der landwirtschaftlichen Maschine (20) voraus angeordnet ist und wobei dem Vorsatzgerät wenigstens ein weiterer Sensor (46;48) in einem Abteiler (30,31) des Vorsatzgerätes der landwirtschaftlichen Maschine (20) und in Fahrtrichtung (15) der landwirtschaftlichen Maschine (20) voraus zugeordnet ist und wobei der wenigstens eine weitere Sensor (46,48) die Höhe des Vorsatzgerätes über dem Boden ermittelt."
Der Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Ermittlung des Abstandes zwischen einer landwirtschaftlichen Maschine und dem Boden, wobei die landwirtschaftliche Maschine (20 )aus einer selbstfahrenden Arbeitsmaschine und einem Vorsatzgerät (21) besteht und zumindest ein Sensor (24;34;50) den Abstand zwischen dem Vorsatzgerät und der Oberfläche des Feldes berührungslos ermittelt,
dadurch gekennzeichnet, dass
der landwirtschaftlichen Maschine (20) wenigstens ein Sensor (24;34;50) zugeordnet ist, der mittels zumindest einer den Feldbewuchs (35;36;60) durchdringenden elektromagnetischen Welle wenigstens den Abstand zum Boden (23) berührungslos ermittelt und wobei der wenigstens eine Sensor (24;33;50) oberhalb des ungeernteten Feldbewuchses (36) in Fahrtrichtung (15) der landwirtschaftlichen Maschine (29) voraus angeordnet ist und wobei dem Vorsatzgerät (21) jeweils ein Lasersensor (46;48) in einem Abteiler (30,31) des Vorsatzgerätes (21) der landwirtschaftlichen Maschine (20) und in Fahrtrichtung (15) der landwirtschaftlichen Maschine (20) voraus zugeordnet ist und wobei die Lasersensoren (46,48) die Höhe des Vorsatzgerätes (21) über dem Boden (23) ermittelt [sic]."
VI. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen vor, dass der Gegenstand des geänderten Anspruches 1 gemäß dem Hauptantrag über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung insofern hinausgehe, als er Merkmale enthalte, die aus einem spezifischen Ausführungsbeispiel isoliert worden seien, das unter anderem einen Radarsensor und zwei seitlich angeordnete Lasersensoren offenbare. Die Aufnahme dieser aus einer Merkmalkombination isolierten Merkmale im Anspruch 1 stelle eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar.
In Bezug auf den Hilfsantrag trug sie im Wesentlichen vor, dass die zusätzlich in Anspruch 1 aufgenommenen Merkmale ("Lasersensoren") nur in Kombination unter anderem mit dem nicht beanspruchten Merkmal "annähernd senkrecht zum Boden ausgerichtete Laserstrahlen" offenbart seien. Dies stelle eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar. Der Anspruch 1 sei nicht eindeutig gewährbar und der Hilfsantrag daher als verspätet zurückzuweisen.
VII. Die Beschwerdegegnerin trug im Wesentlichen vor, dass sich der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag eindeutig aus der Beschreibung und den Zeichnungen der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung (EP-A-1 356 729) ergebe, insbesondere im Hinblick auf die Figur 1, Spalte 7, Absatz [0026] und Spalte 9, Zeilen 38 bis 41. Die im Oberbegriff des Anspruchs 1 gewählte Formulierung "berührungslos" verlange nicht, dass es sich um einen Lasersensor handele, insofern als sowohl Radar- als auch Lasersensor den Abstand zum Boden "berührungslos" ermitteln.
In Bezug auf den Hilfsantrag trug sie im Wesentlichen vor, dass sich die in Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen eindeutig aus der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung ergäben, insbesondere im Hinblick auf Spalte 9, Zeilen 27 bis 44 und Spalte 10, Zeilen 33 bis 40. Das weitere Merkmal ("annähernd senkrecht zum Boden") sei eine vorteilhafte Ausbildung, jedoch kein zwingendes Merkmal.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag (Artikel 123 (2) EPÜ)
2.1 Anspruch 1 unterscheidet sich von dem erteilten Anspruch 1 unter anderem dadurch, dass die folgenden Merkmale hinzugefügt worden sind:
(a) wobei dem Vorsatzgerät wenigstens ein weiterer Sensor (46; 48) in einem Abteiler (30;31) des Vorsatzgerätes der landwirtschaftlichen Maschine (20) und in Fahrtrichtung der landwirtschaftlichen Maschine (20) voraus zugeordnet ist,
(b) und wobei der wenigstens eine weitere Sensor (46; 48) die Höhe des Vorsatzgerätes über dem Boden ermittelt.
2.2 In der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung werden unter Bezugnahme auf Zeichnungen (Figuren 1 bis 3) drei verschiedene Ausführungsbeispiele beschrieben, die sich jeweils auf eine landwirtschaftliche Maschine (Mähdrescher) mit mehreren Messeinrichtungen beziehen.
Die von der Beschwerdegegnerin zitierten Stellen der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung (siehe den vorstehenden Abschnitt VIII) betreffen das Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 1, das von Spalte 7, Zeile 28 bis Spalte 10, Zeile 40 beschrieben ist. Dieses Ausführungsbeispiel betrifft einen Mähdrescher mit einem Radarsensor, der am Getreideschneidwerk auf der Hälfte der Arbeitsbreite angeordnet ist (Spalte 7, Zeilen 48 bis 51). An den Abteilern des Getreideschneidwerks sind jeweils ein Lasersensor angeordnet. Diese ermitteln mit punktförmigen Abtaststrahlen, die annähernd senkrecht zum Boden hin ausgerichtet sind, die Höhe des Getreideschneidwerks über dem Boden (Spalte 9, Zeilen 42 bis 47).
Die Merkmale (a) und (b) sind in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nur in Kombination mit den konstruktiven Maßnahmen offenbart, dass i) der weitere Sensor in einem Abteiler ein Lasersensor ist und ii) der Lasersensor mit "annähernd senkrecht zum Boden hin" ausgerichteten punktförmigen Abtaststrahlen die Höhe des Vorsatzgerätes über dem Boden ermittelt.
Es ist jedoch unzulässig, aus einer ursprünglich offenbarten Merkmalskombination einzelne Merkmale zu isolieren, es sei denn, es wäre klar zu erkennen, dass die isolierten Merkmale in keinem engen Zusammenhang mit den anderen Merkmalen der offenbarten Merkmalskombination stehen (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 6. Auflage, III.A.2 und die dort zitierten Entscheidung T 1067/07 und T 714/00).
Im vorliegenden Fall steht das isolierte Merkmal (der in einem Abteiler angeordnete weitere Sensor) im klaren und engen Zusammenhang mit den Merkmalen, dass dieser Sensor ein Lasersensor ist, dessen punktförmigen Strahlen annähernd senkrecht zum Boden hin gerichtet sind.
2.3 Diesbezüglich trug die Beschwerdegegnerin vor, dass es zur Definition der Erfindung nicht erforderlich sei, den an einem Abteiler angeordneten weiteren Sensor als Lasersensor zu kennzeichnen. Es reiche aus, dass dieser weitere Sensor den Abstand zum Boden berührungslos ermittele.
In dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 sind die Sensoren, die jeweils an den Abteilern 30 und 3 des Getreideschneidwerkes angeordnet sind, jedoch als Lasersensoren beschrieben. Die im Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen stellen für den Fachmann eine neue Information dar, nämlich dass der an einem Abteiler angeordnete Sensor nicht zwingend als Lasersensor ausgebildet sein muß. Diese Information geht nicht unmittelbar und eindeutig aus dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 hervor.
2.4 Der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag geht somit über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung hinaus (Artikel 123 (2) EPÜ).
3. Hilfsantrag
3.1 Dieser Hilfsantrag wurde zwar im Laufe der mündlichen Verhandlung in Erwiderung auf die Einwände unzulässiger Erweiterungen gegen den Hauptantrag eingereicht. Mit der Ladung zu der beantragten mündlichen Verhandlung hat jedoch die Kammer die Beteiligten auf die voraussichtlichen Diskussionspunkte, insbesondere auf die Zulässigkeit der vorgenommenen Änderungen im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ hingewiesen.
Es lag somit im Ermessen der Kammer, diese Änderungen nicht zu berücksichtigen, weil sie spät, nämlich im Laufe der mündlichen Verhandlung, eingereicht worden sind.
Bei der Ausübung dieses Ermessens hat die Kammer geprüft, ob der geänderte Anspruch 1 des Hilfsantrages im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ eindeutig gewährbar ist.
3.1.1 Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag dadurch, dass die im vorstehenden Abschnitt 2.1 erwähnten Merkmale (a) und (b) durch die folgenden Merkmalen ersetzt worden sind:
(a') wobei dem Vorsatzgerät (21) jeweils ein Lasersensor (46; 48) in einem Abteiler (30;31) des Vorsatzgerätes (21) der landwirtschaftlichen Maschine (20) und in Fahrtrichtung der landwirtschaftlichen Maschine (20) voraus zugeordnet ist,
(b') und wobei die Lasersensoren (46-48) die Höhe des Vorsatzgerätes (21) über dem Boden (23) ermitteln.
Im Ausführungsbeispiel der Figur 1 sind an den Abteilern des Getreideschneidwerks (2) jeweils ein Lasersensor (46 und 48) angeordnet, "die mit punktförmigen Abtaststrahlen (47, 49), die annähernd senkrecht zum Boden hin ausgerichtet sind, die Höhe des Schneidwerks (21) über dem Boden" ermitteln. Die vorstehend genannten Merkmale a') und b') sind nur in Kombination mit diesen "annähernd senkrecht zum Boden hin" gerichteten punktförmigen Abtaststrahlen offenbart. Es versteht sich von selbst, dass diese beiden Merkmale a') und b') in engem Zusammenhang mit den "annähernd senkrecht zum Boden hin" gerichteten punktförmigen Abtaststrahlen" stehen. Da der geänderte Anspruch 1 dieses Merkmal nicht enthält, ist er im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nicht eindeutig gewährbar.
3.1.2 Dem Argument der Beschwerdegegnerin, wonach das Merkmal "annähernd senkrecht zum Boden" kein zwingendes Merkmal sei, kann die Kammer nicht folgen, weil es im ursprünglich eingereichten unabhängigen Anspruch 6 in Bezug auf einen mit den Bezugszeichen "46;48" versehenen Sensor aufgeführt ist und daher als erfindungswesentlich dargestellt worden ist.
3.2 Der Hilfsantrag ist somit mangels eindeutiger Gewährbarkeit als verspätet zurückzuweisen.
AUS DIESEN GRÜNDEN WIRD ENTSCHIEDEN:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das europäische Patent wird widerrufen.