European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T110108.20110301 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 01 März 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1101/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03400026.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60R 16/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Lenkstockmodul und Montageverfahren | ||||||||
Name des Anmelders: | Valeo Schalter und Sensoren GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Leopold Kostal GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (bejaht) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Einsprechende hat am 11. Juni 2008 gegen die am 14. April 2008 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das Patent EP 1 391 350 zurückgewiesen wurde, Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung wurde am 22. August 2008 eingereicht.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand der erteilten Ansprüche unter Berücksichtigung insbesondere folgender Dokumente,
D2: EP-A-1 069 026,
D4: DE-A-197 23 430,
D6: DE-C-199 26 278,
neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
III. Am 1. März 2011 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 28 (einziger Antrag). Die früher im Verfahren eingereichten Anträge wurden zurückgenommen.
IV. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß einzigem Antrag lautet wie folgt:
"Lenkstockmodul (10) für ein Fahrzeug, mit einem Grundgehäuse (16), mit einem mit der Drehbewegung eines Lenkrades des Fahrzeuges koppelbaren Rotor (24), wobei der Rotor (24) am Grundgehäuse (16) drehbar gelagert ist, und mit einem Wickelband zur Übertragung von elektrischen Signalen zwischen dem Rotor (24) und dem Grundgehäuse (16), wobei das Grundgehäuse (16) einen Wickelbandabschnitt (18) und einen Sensorabschnitt (20) für einen Lenkwinkelsensor aufweist, wobei der Rotor (24) den Wickelbandabschnitt (18) durchgreift, wobei sich zwischen dem Rotor (24) und dem Wickelbandabschnitt (18) eine Aufnahme (22) für das Wickelband befindet und wobei der Sensorabschnitt (20) den Lenkwinkelsensor aufnimmt, dadurch gekennzeichnet, dass der Wickelbandabschnitt (18) und der Sensorabschnitt (20) im unmontierten Zustand als separat voneinander handhabbare Teile ausgebildet sind und dass der Rotor (24) am Sensorabschnitt (20) derart drehbar gelagert ist, dass der Sensorabschnitt (20) einen zentrisch nach innen gerichteten, ringbundartigen Lagerabschnitt (34) aufweist und dass der Rotor (24) einen flanschartigen Abschnitt mit einer Lagernut (38) zur Aufnahme des Lagerabschnitts (34) aufweist, wobei die Lagernut (38) in axialer Richtung durch einerseits das Rotorgrundteil (28) oder ein Zwischenteil (32) und durch andererseits den Mitnehmer (30) oder ein Zwischenteil gebildet wird."
V. Zur Stützung ihres Antrags brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes vor:
D6 zeige ein Lenkstockmodul für ein Fahrzeug, mit einem Grundgehäuse (Stator 4,6), mit einem mit der Drehbewegung eines Lenkrades des Fahrzeuges koppelbaren Rotor 9-11 und mit einem Wickelband 1 zur Übertragung von elektrischen Signalen zwischen dem Rotor und dem Grundgehäuse. Der Rotor 9-11 sei am Grundgehäuse drehbar gelagert.
Die im Anspruch 1 verwendeten Bezeichnungen "Wickelbandabschnitt" und "Sensorabschnitt" bezögen sich auf Bereiche des Gehäuses, die die jeweiligen funktionalen Komponenten aufnähmen. Somit könnten in D6 das Statoroberteil 6, das eine Aufnahme für das Wickelband bilde, als "Wickelbandabschnitt" und das Statorunterteil 4, das den Lenkwinkelsensor (Blendeanordnung 20) aufnehme, als "Sensorabschnitt" aufgefasst werden. Obwohl die Figur 3 von D6 nur die Blendeanordnung 20 des Lenkwinkelsensors zeige, müsse die dazugehörige optische Abtasteinrichtung des Sensors notwendigerweise im Bereich der Fenster der Blendeanordnung 20 angeordnet sein und somit vom unteren Gehäuseabschnitt (Statorunterteil 4) aufgenommen sein. Sollte die Kammer in diesem Sachverhalt das Merkmal "wobei der Sensorabschnitt den Lenkwinkelsensor aufnimmt" nicht als verwirklicht betrachten, dann sei für den Fachmann naheliegend, dass die komplementär zur Blendenanordnung 20 und dazugehörige optische Abtasteinrichtung des nicht näher dargestellten optoelektronischen Lenkwinkelsensors (D6: Spalte 3, Zeilen 38-42) durch einen deckelartigen Verschluss getragen werde, der unter dem Statorunterteil 4 angebracht werden müsste. Dieser Deckel würde mit dem Statorunterteil 4 einen Sensorabschnitt bilden, der den Lenkwinkelsensor aufnehme. Die Statorteile 4, 6 seien im unmontierten Zustand als separat voneinander handhabbare Teile ausgebildet.
Die übrigen Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 seien ohnehin aus D6 bekannt. Der Rotor 9-11 sei am Statorunterteil 4 ("Sensorabschnitt") derart drehbar gelagert, dass dieser Sensorabschnitt 4 einen zentrisch nach innen gerichteten, ringbundartigen Lagerabschnitt 3 aufweise und dass der Rotor 9-11 einen flanschartigen Abschnitt mit einer Lagernut zur Aufnahme des Lagerabschnitts 3 aufweise (D6: Spalte 3, Zeilen 18-38). Der Führungsring 17 (vgl. Figuren 1, 3 und 4 und Spalte 3, Zeile 20 von D6) sei Teil des Rotors 9,11 und bilde mit dem Rotorunterteil 9 eine Lagernut zur Aufnahme des ringbundartigen Lagerabschnittes 3.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei somit nicht neu gegenüber D6 bzw. werde durch D6 nahegelegt.
VI. Zu dem Vorbringen der Beschwerdeführerin lassen sich die Gegenargumente der Beschwerdegegnerin, insofern sie für die vorliegende Entscheidung von Relevanz sind, wie folgt zusammenfassen:
Das Lenkstockmodul des Anspruchs 1 sei neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das Konzept einer Unterteilung des Grundgehäuses in einem das Wickelband aufnehmenden Wickelbandabschnitt und einem den Lenkwinkelsensor aufnehmenden Sensorabschnitt als separate voneinander handhabbare Bauteile im unmontierten Zustand gemäß Anspruch 1 werde durch das Dokument D6 nicht nahegelegt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulässigkeit der Änderungen
Gegen die Zulässigkeit der geänderten Ansprüche wurden seitens der Beschwerdeführerin keine Einwände erhoben. Der unabhängige Anspruch 1 setzt sich aus den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 mit den Merkmalen der erteilten abhängigen Ansprüche 4, 8 und 12 zusammen. Die Nummerierung und die Rückbeziehung der übrigen abhängigen Ansprüche sowie die Beschreibung wurden entsprechend angepasst. Die Kammer hat daher gegen die Zulässigkeit dieser Änderungen ebenfalls keine Bedenken.
3. Neuheit
Bei der Prüfung der Neuheit des beanspruchten Lenkstockmoduls gegenüber dem in D6 offenbarten Stand der Technik ging es in der mündlichen Verhandlung hauptsächlich um die Frage, ob der Statorunterteil 4 des Lenkstockmoduls nach der Figur 3 von D6 als "Sensorabschnitt, der den Lenkwinkelsensor aufnimmt" betrachtet werden kann.
In Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin ist die Kammer der Auffassung, dass der Begriff "Gehäuseabschnitt" nicht einschränkend als "Gehäuseteil" ausgelegt werden sollte und dass ein "Gehäuseabschnitt" aus mehreren Gehäuseteilen gebildet werden könnte. In diesem Zusammenhang hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, dass eine optische Abtasteinrichtung komplementär zur Blendenanordnung 20 des nicht näher dargestellten optoelektronischen Lenkwinkelsensors sich zwangsläufig in dem inneren Bereich des Statorunterteils befindet und von diesem aufgenommen werden muss. Weiterhin hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, dass ein die optische Abtasteinrichtung tragender Deckel des nicht näher dargestellten optoelektronischen Lenkwinkelsensors unter dem Statorunterteil 4 vorhanden sein müsste und dass dieser Deckel mit dem Statorunterteil 4 einen Sensorabschnitt bilden würde, der den Lenkwinkelsensor aufnimmt.
Für die Kammer ist jedoch das umstrittene Merkmal in D6 nicht offenbart. Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern geht von einem engen Neuheitsbegriff aus und das umstrittene Merkmal muss eindeutig und unmittelbar aus dem Inhalt des entgegengehaltenen Dokuments D6 hervorgehen. Die zwingend vorhandene optische Abtasteinrichtung mag in den inneren Bereich des Statorunterteils 4 hinein ragen, aus D6 geht jedoch nicht hervor, dass der gesamte Lenkwinkelsensor vom Statorunterteil 4 aufgenommen wird.
Auch die Mutmaßungen der Beschwerdeführerin bezüglich eines vermeintlichen an den Statorunterteil 4 angebrachten Deckels werden durch keine Textstelle des Dokuments D6 belegt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit als neu gegenüber D6 anzusehen.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 Das Streitpatent (vgl. Abs. [0004]) geht von D4 als nächstliegender Stand der Technik aus. Nach Auffassung der Kammer wird der nächstliegende Stand der Technik tatsächlich durch das in der Figur 1 des Dokuments D4 gezeigte Lenkstockmodul wiedergegeben, welches sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aufweist. Das Lenkstockmodul gemäß D4 besitzt nämlich ein Grundgehäuse 9, wobei ein am Grundgehäuse drehbar gelagerter Rotor 7 mit dem Lenkrad des Fahrzeuges drehbeweglich koppelbar ist. Das Grundgehäuse 9 weist einen Wickelbandabschnitt 9b für ein Wickelband und einen Sensorabschnitt 9a für einen Lenkwinkelsensor 4,5 auf. Der Rotor 7 durchgreift den Wickelbandabschnitt 9b. Zwischen dem Rotor 7 und dem Wickelbandabschnitt 9b befindet sich eine Aufnahme für das Wickelband 8 und der Sensorabschnitt 9a nimmt den Lenkwinkelsensor 4,5 auf (D4: Spalten 5-7 i.V.m. Figur 1).
4.2 Die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 und insbesondere diejenigen, wonach der Wickelbandabschnitt und der Sensorabschnitt im unmontierten Zustand als separat voneinander handhabbare Teile ausgebildet sind, ermöglichen es, die einzelnen Teile als separat vormontierbare Einheiten zu handhaben und das beanspruchte Lenkstockmodul auf einfache Art und Weise zu montieren. Hierzu umfasst die erste vormontierte Einheit den Wickelbandabschnitt mit dem Wickelband und dem Rotor bzw. Rotorgrundteil, die zweite vormontierte Einheit den Sensorabschnitt mit der Lenkwinkelsensor und dem Mitnehmer (vgl. Absätze [0014] und [0052] der Patentschrift).
4.3 Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Argumentation, wonach der Gegenstand nach Anspruch 1 von D6 ausgehend für den Fachmann ohne erfinderisches Zutun zu erreichen sei, konnte die Kammer aus folgenden Gründen nicht überzeugen.
Auch wenn angenommen wird, dass ein Deckel an dem unteren Bereich des Statorunterteils 4 angebracht wäre, könnte ein solches Statorunterteil nicht als separat handhabbares Sensorabschnitt des Grundgehäuses bezeichnet werden, denn das Statorunterteil 4 erstreckt sich mit seiner Außenwandung 2 sowohl entlang des Wickelbandes 1 (D6: Spalte 2, Zeilen 25-26) als auch entlang der Blendeanordnung 20 des Lenkwinkelsensors (vgl. Figur 3 von D6). Gleichermaßen bildet das Statoroberteil 6 nur eine relativ kleine, obere deckelartige Portion des Wickelbandabschnittes des Grundgehäuses. Bei der D6 besteht nämlich der Wickelbandabschnitt, also der Abschnitt des Grundgehäuses, welcher zur Aufnahme des Wickelbandes ausgelegt ist, aus der Außenwandung 2 des Statorunterteils 4 und aus dem Statoroberteil 6. Dagegen besteht der Sensorabschnitt, also der Abschnitt des Grundgehäuses, welcher zur Aufnahme des Lenkwinkelsensors ausgelegt ist, aus einem Abschnitt unterhalb der Außenwandung 2 des Statorunterteils 4. Das aus Statoroberteil 6 und Statorunterteil 4 bestehende Grundgehäuse des Lenkstockmoduls gemäß D6 legt daher das Konzept einer speziellen Unterteilung des Grundgehäuses in einem Wickelbandabschnitt und einem Sensorabschnitt als separate voneinander handhabbare Bauteile im unmontierten Zustand gemäß Anspruch 1 nicht nahe.
4.4 Da auch ausgehend von der D4 dieses Konzept vom vorliegenden Stand der Technik, insbesondere durch die D6 oder die D2, nicht nahegelegt wird (was von der Beschwerdeführerin in Bezug auf den geltenden Antrag nicht eingewendet wurde), kommt die Kammer somit zu dem Schluss, dass das Lenkstockmodul nach dem Anspruch 1 auf einer erfinderischer Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ 1973).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 28 eingereicht während der mündlichen Verhandlung;
- Beschreibung, Spalte 1 bis 11 mit der Einfügung der Seite 1a in Spalte 1, eingereicht während der mündlichen Verhandlung;
- Figuren 1 bis 4 wie erteilt.