T 1100/08 () of 6.5.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T110008.20100506
Datum der Entscheidung: 06 Mai 2010
Aktenzeichen: T 1100/08
Anmeldenummer: 02738172.2
IPC-Klasse: C21D 8/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Herstellen von hochfesten, aus einem Warmband kaltverformten Stahlprodukten mit guter Dehnbarkeit
Name des Anmelders: ThyssenKrupp Steel Europe AG
Name des Einsprechenden: Corus Staal BV
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 11. April 2008 über die Fassung, in der das Europäische Patent Nr. 1 399 598 in geändertem Umfang aufrecht erhalten werden kann, unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr am 11. Juni 2008 Beschwerde eingereicht. Die Beschwerdebegründung ist am 24. Juli 2008 eingegangen.

II. Für die vorliegende Entscheidung haben folgende Entgegenhaltungen eine Rolle gespielt:

D1: DE-A-1 9710 125 &

D2: EP-A-0 966 547 (Familienmitglied von D1);

D3: US-A-3 950 190;

D11: Materials Science and Technology, A Comprehensive Treatment, Edited by R. W. Cahn, P. Haasen, E. J. Kramer, volume 7: "Constitution and Properties of Steels", Volume Editor: F. Brian Pickering, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim (Federal Republic of Germany), 1992, ISBN 3-527-26820-0, Seiten 49, 272, 273, 337, 350, 351;

D16: J. Penning et al.: "The development of recovery annealed steels", International Journal of Materials and Product Technology, Vol. 10, Nos. 3-6, 1995, Seiten 325 bis 337;

D18: EP-A-1 191 114;

D19: H. Berns: "Stahlkunde für Ingenieure", Springer Verlag 1991, ISBN 3-540-54557-3, Seite 105.

III. Am 6. Mai 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

- Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der Entscheidung und den Widerruf des Europäischen Patents Nr. 1 399 598.

- Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage

der Ansprüche 1 und 7, eingereicht am 26. März 2010 und den Ansprüchen 2 bis 6 und 8 bis 17 wie erteilt (Hauptantrag) oder

der Ansprüche 1 und 7 bis 16, eingereicht am 26. März 2010 und den Ansprüchen 2 bis 6 wie erteilt (Hilfsantrag).

IV. Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Verfahren zum Herstellen eines hochfesten, aus einem Warmband kaltverformten Produkts mit gutem Umformvermögen bei dem

- ein Stahl mit (in Gewichts-%):

C: 0,01 - 0,25 %,

Si: 0,01 - 1,50 %,

Mn: 0,50 - 2,00 %,

P: • 0,08 %,

S: • 0,01 %,

Al: 0,001 - 1,50 %,

Cr: • 0,60 %,

Mo: • 0,60 %,

N: < 0,02 %,

sowie mindestens einem Mikrolegierungselement aus der Gruppe

Ti: • 0,20 %,

Nb: • 0,06 %,

V: • 0,15 %,

Rest Eisen und übliche Verunreinigungen,

zu einem Vormaterial, wie Brammen, Dünnbrammen

oder gegossenes Band, vergossen wird,

- bei dem das Vormaterial ausgehend von einer Warmwalzanfangstemperatur, bei der die Mikrolegierungselemente im wesentlichen gelöst bleiben, zu Warmband warmgewalzt wird,

- bei dem das Warmband bei einer weniger als 600 °C betragenden Haspeltemperatur gehaspelt wird,

- bei dem das Warmband anschließend bei einem mindestens 5 % und höchstens 20 % betragenden Kaltverformungsgrad zu einem Produkt kaltverformt wird, und

- bei dem das durch Kaltverformung erzeugte Produkt

bei im Bereich von 450 - 700 °C liegenden Glühtemperaturen geglüht wird, wobei die Glühtemperaturen und Glühzeiten unterhalb der zur vollständigen Rekristallisation erforderlichen Temperaturen und Zeiten liegen.

Anspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich hiervon dadurch, dass "...bei dem durch Kaltverformung erzeugte Produkt bei im Bereich von 550 - 600 °C liegenden Glühtemperaturen geglüht wird...".

V. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Neuheit:

Außer der zahlenmäßigen Angabe des Umformgrads beim "Dressieren" des Warmbandes zeige Druckschrift D1 alle Merkmale des Verfahrens nach Anspruch 1 des Streitpatents. Nach dem allgemeinen Fachwissen entsprechend der Druckschrift D19 erfolge beim Dressieren "in der Regel" ein Kaltwalzen von weniger als 5%, was darauf hindeute, dass auch mehr als 5% Verformung durchaus möglich seien. Somit nehme die Lehre von Druckschrift D1, fachmännisch verstanden, das beanspruchte Verfahren neuheitsschädlich vorweg.

Auch Druckschrift D18 belege die Auffassung, dass Dressieren (skin pass rolling and leveling) ein Umformen zwischen 1,5 und 10% bedeute (siehe D18, Absatz [0080]). Dort werde Warmband aus einem mikrolegierten Stahl, z.B. die Legierung C bzw. C1 in den Tabellen 14 und 15, die eine Zusammensetzung innerhalb der beanspruchten Zusammensetzung aufweise, auf 400°C oder höher wärmebehandelt (siehe D18, Absatz [0059]). Beim mikrolegierten Stahl Nr. C1 nach Tafel 14 folge dem Haspeln bei 550°C ein Feuerverzinken im Al-Zn Bad bei 475°C, was der beanspruchten Wärmebehandlung zwischen 450 bis 700°C entspreche (siehe D18, Absatz [0111], Tafel 15). Zusammen mit dem oben beschriebenen skin-pass rolling and leveling mit 1,5 bis 10% Verformung nehme Druckschrift D18 das beanspruchte Verfahren somit ebenfalls neuheitsschädlich vorweg.

Auch gehöre es zum fachmännischen Wissen, belegt durch Druckschrift D11, Absatz 6.7.3.3, dass 565°C eine geeignete Temperatur sei, um eine kontinuierliche Erholung von zuvor kalt verformtem Kohlenstoffstahl zu erreichen, wobei sich mit mikrolegierten Stahlqualitäten die Festigkeitswerte bis auf 1000 MPa steigern ließen. Deshalb sei auch der beanspruchte Temperaturbereich von 450 bis 700°C zur Wärmebehandlung kein patent¬begründendes unterscheidendes Merkmal, sondern übliche Praxis, die der Fachmann auch in D1 und D18 anwende.

Erfinderische Tätigkeit:

Druckschrift D3 als nächstkommender Stand der Technik zeige das Walzen von Warmband, ein Haspeln unterhalb von 600°C, eine Kaltverformung zwischen 10 und 50% und eine anschließende Wärmebehandlung beispielsweise im Bereich von 552 bis 602°C (siehe D3, Ansprüche 1, 4; Spalte 7, Zeilen 25 bis 30). Aus dem Warmband würden, wie im Streitpatent, Teile für die Automobilindustrie hergestellt. Der einziger Unterschied zum patentgemäß beanspruchten Verfahren bestehe darin, dass in D3 auf mikrolegierte Stähle verzichtet und ohne Zusätze von Ti, Nb oder V eine ausreichende Festigkeit und Duktilität der Bauteile erreicht werde (D3, Spalte 2, Zeilen 19 bis 48). Wolle der Fachmann dagegen hochfeste Bauteile erzeugen, so würde er ohne erfinderische Leistung auf mikrolegierte Stähle zurückgreifen. Genau zu diesem Zweck empfehle das Lehrbuch D11 auf Seite 351, linke Spalte beispielhaft einen hochfesten (HSLA high strength low alloy) Stahl der beanspruchten Zusammensetzung. In der Zusammenschau der Lehre von D3 mit dem allgemeinen Fachwissen gemäß Druckschrift D11 habe das beanspruchte Verfahren somit für den Fachmann nahegelegen.

Auch ausgehend von der Lehre von D16 enthalte das Verfahren des Streitpatents keine erfinderischen Merkmale. Die Erläuterung zu Figur 4 in D16 zeige einen mikrolegierten Stahl, allerdings mit einem zu niedrigen Mn-Gehalt und ohne Angaben zum Si-Gehalt. Diesen beiden Legierungsbestandteilen käme jedoch nach der Patentschrift keine erfindungswesentliche Bedeutung zur Lösung der technischen Aufgabe zu. Figur 5(a) und 5(b) von D16 zeige in allgemeiner Form den Einfluss der Kaltverformung über einen weiten Bereich von 0 bis 80% ohne und mit anschließender Glühung bei 560°C auf die Festigkeit und Duktilität (elongation) des Warmbandes. Absatz 1 auf Seite 331 von D16 beschreibe noch einmal den in Figur 5(a) und 5(b) dargestellten Sachverhalt, wonach bei Warmband durch eine anschließende Kaltverformung zwischen 0 bis 25% einerseits die Duktilität stark abfällt, während die Festigkeit steigt. Auch wenn D16, Seite 331 aus praktischen Gründen letztendlich eine Kaltverformung von mehr als 40% bzw. von ungefähr 50 bis 55% nach Seite 332, Absatz 4 und in den Schlussfolgerungen Seite 337, Punkt 2(i) empfehle, so wisse der Fachmann dennoch aus der allgemeinen Lehre und den Untersuchungsergebnissen von D16, welcher Grad an Kaltumformung und welche Glühung im Einzelfall anzuwenden seien, um eine bestimmte, d.h. die für den jeweiligen Anwendungszweck gewünschte Kombination von Festigkeit und Duktilität im kaltverformtem und geglühte Warmband zu gewährleisten. Eine erfinderische Tätigkeit sei damit nicht verbunden.

VI. Die Beschwerdegegnerin argumentierte wie folgt:

D1 zeige vor dem Glühen als Kaltverformung nur ein Dressieren, was entsprechend Druckschrift D19 üblicherweise ein Kaltwalzen unterhalb von 5% Reduktion bedeute. D18 enthalte keine konkrete Ausführungsform zur Erzeugung von Warmband mit der patentgemäß verwendeten Stahlqualität und den Schritten des beanspruchten Verfahrens. Die Neuheit gegenüber der Lehre dieser Druckschriften deshalb gegeben.

Den nächstliegenden Stand der Technik bilde D1 und nicht D3, die bewusst auf den Einsatz mikrolegierter Stählqualitäten zur Herstellung von kaltverformtem und geglühtem Warmband verzichte. D1 alleine oder in Kombination mit der Lehre einer anderen Schrift führe nicht in naheliegender Weise zum beanspruchten Verfahren. Druckschrift D16 weise in der Zusammenfassung am Ende in Punkt 4.2 (Conclusions) eindeutig vom beanspruchten Verfahren weg. Druckschrift D11 enthalte keine Hinweise auf einen geeigneten Kaltumformgrad, welcher bei der Lösung der gestellten Aufgabe hilfreich sein könnte.

Das beanspruchte Verfahren beruhe somit auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Gegenstand des angefochtenen Patents:

Mit dem beanspruchten Verfahren soll kalt verformtes Warmband mit hoher Festigkeit bei gleichzeitig erhöhter Dehnbarkeit hergestellt werden, das auch nach einer Kaltverformung in das gewünschte Bauteil noch ein hohes Umformvermögen besitzt, wie es z.B. zur Herstellung von Crash-Elementen in Autos erforderlich ist. Die Merkmale des beanspruchten Verfahrens lassen sich wie folgt untergliedern in:

(a) die Stahlzusammensetzung:

0,01 - 0,25 % C,

0,01 - 1,50 % Si

0,50 - 2,00 % Mn

0,001-1,50 % Al

• 0,08 % P

• 0,01 % S

• 0,60 % Cr

• 0,60% Mo

< 0,02% N

• 0,20% Ti (*)

• 0,06% Nb (*)

• 0,15% V (*)

(*) mindestes eines dieser Mikrolegierungselemente,

Rest Fe und Verunreinigungen;

(b) Gießen zu Brammen, Dünnband etc;

(c) Warmwalzen bei einer Temperatur, wo die Mikrolegierungselemente gelöst bleiben;

(d) Haspeltemperatur <600°C (nach dem Haspeln müssen die Mikrolegierungselement im gelösten Zustand vorliegen);

(e) Kaltverformung mit einem Umformgrad von 5 bis 20%;

(f) Glühung (Anlassen) unterhalb der vollständigen Rekristallisation bei Temperaturen von 450 bis 700°C.

Durch die dem Glühen vorausgehende Kaltverformung werden eine ausreichende Dehnbarkeit bei einem günstigen Streckgrenzenverhältnis (Umformreserve) und damit verbesserte Festigkeitswerte mit einer nahezu unveränderten Gleichmaßdehnung Agl erreicht, die annähernd der Agl des nicht kaltverformten und nicht wärmebehandelten Bleches entspricht (siehe Patent Absatz [0031]).

3. Neuheit

Das in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beanspruchte Verfahren unterscheidet sich von dem aus D1 bekannten Verfahren durch Schritt (e). Gemäß D1 wird das Warmband einem Dressiervorgang unterzogen, ohne dabei jedoch zahlenmäßig den Umformgrad beim Dressieren zu benennen (siehe D1, insbesondere Anspruch 6). Nach dem allgemeinen Fachwissen entsprechend dem Lehrbuch D19 bedeutet "Dressieren" ein Nachwalzen mit einer Kaltverformung von weniger als 5%, wohingegen das beanspruchte Verfahren eine Kaltverformung von 5% bis 20% vorsieht. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin bezieht sich die Aussage "in der Regel" in D19 nicht auf die Dickenabnahme von weniger als 5%, sondern vielmehr darauf, dass nach dem Kaltwalzen und Glühen "in der Regel" (d.h. üblicherweise) ein Dressieren erfolgt.

Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin, die Druckschrift D18, Absatz [0080] belege, dass "skin pass rolling and leveling" (= Dressieren) eine Umformung zwischen 1,5 bis 10% nach dem Haspeln bedeute, kann an der obigen Bewertung nichts ändern. Zum einen stellt die Patentschrift D18 nicht das allgemeine Fachwissen dar, sondern beschreibt vielmehr die in D18 in diesem Zusammenhang gewählte Definition. Zum anderen ist Druckschrift D18 nachveröffentlicht und kann nicht als Beleg dafür herangezogen werden, wie der Begriff "Dressieren" am Prioritätstag des Streitpatents zu verstehen war.

Die Neuheit gegenüber der Lehre von D1 ist damit gegeben.

Auch das Argument der Beschwerdeführerin, Druckschrift D18 nehme die Lehre des Streitpatents neuheitsschädlich vorweg, kann nicht überzeugen. D18 betrifft die Erzeugung von hochfestem Warmband, z.T. aus mikrolegiertem Stahl, mit guter Formbarkeit und einem Streckgrenzenzuwachs von • 80 MPa beim Lackeinbrennen (bake-hardenability BH) für die Produktion von Teilen der Automobilindustrie (siehe D18, z.B. Zusammenfassung (57)). Zwar weist die Beschwerdeführerin auf D18, Absatz [0059] hin, wo eine Wärmebehandlung von mehr als 400°C angesprochen wird, doch stellt D18 in Absatz [0060] klar, dass zum Erreichen einer optimalen Einbrennhärte (BH) eine Wärmebehandlung zwischen 100 und 300°C/0.5 bis 20 min bevorzugt ist. Dieser Temperaturbereich liegt unterhalb von 450 bis 700°C für die patentgemäß beanspruchte Glühbehandlung.

D18 beschreibt in den Absätzen [0080] und [0081], dass der Streckgrenzenzuwachs beim Einbrennlackieren (BH) durch ein vorausgehendes Dressieren und Glattwalzen (skin pass rolling and leveling) mit einer Streckung (elongation) zwischen 1,5 und 10% verbessert wird. Tatsächlich zeigen die Ausführungsbeispiele in D18, Tafel 2, 9 und 10 jedoch ein skin pass rolling (Dressieren) mit einer Dickenabnahme (reduction rate) von 2,0 % bzw. 1,0%, was den üblichen in D19 benannten Kaltwalzgraden beim Dressieren von < 5% entspricht.

Auch wird in D18, Absatz [0111] Warmband aus mikrolegiertem Stahl der beanspruchten Zusammensetzung, wie beispielsweise Warmband Nr. C1, durch Tauchen in ein Al-Zn-Bad bei 475°C feuerverzinkt, was einer Wärmebehandlung bei einer Temperatur im beanspruchten Bereich entspricht (siehe D18, Absatz [0111], Tafel 14 und 15). Allerdings ist D18 nicht eindeutig und unmissverständlich zu entnehmen, dass bei Stahlband C1 bzw. irgendeinem anderen Beispiel dem Verzinken bei 475°C eine Kaltverformung im Bereich von 5 bis 20% vorausgegangen ist, wie dies das beanspruchte Verfahren in Schritt (e) erfordert.

Damit ist das patentgemäße Verfahren nach Anspruch 1 auch neu gegenüber der Lehre von D18.

4. Erfinderische Tätigkeit:

4.1 Wie das beanspruchte Verfahren, so betrifft Druckschrift D1 ein Verfahren mit den patentgemäßen Merkmalen (a) bis (f) mit Ausnahme der Kaltverformung in Schritt (e) zur Herstellung von Warmband mit einem hohen Verfestigungsvermögen, welches eine hohe Umformbarkeit und eine hohe Bauteilfestigkeit bewirkt (siehe D1, Spalte 1, letzte Zeile bis Spalte 2, Zeile 11; Ansprüche 1 bis 3, 6, 10). Nach Angaben der Patentschrift in den Absätzen [0004 und [0005] ist bei der Entwicklung des patentgemäßen Verfahrens von Druckschrift D1 ausgegangen worden.

Gegenüber der Lehre von D1 als nächstkommendem Stand der Technik bestand die patentgemäße Aufgabe in der Erzeugung eines Stahlbands, das im kaltverformten Zustand bei erhöhter Festigkeit gleichzeitig eine hohe Dehnbarkeit und damit eine verbesserte Umformbarkeit aufweist. Diese Aufgabe wird durch eine Kaltverformung zwischen 5 und 20% gelöst.

Hinsichtlich der Kaltverformung schlägt D1 nach Anspruch 6 ein "Dressieren" vor, was für den Fachmann lediglich eine Glättung mit einer Dickenreduktion von weniger als 5% bedeutet. Die in Lehrbuch D19 genannte, allgemein gültige Definition des Begriffs "Dressieren" konnte von der Beschwerdeführerin z.B. durch die Vorlage anderer Beweismittel zur Stützung ihrer Behauptung, der "Dressiervorgang" bedeute auch eine Dickenreduktion von mehr als 5%, nicht widerlegt werden.

In einer bevorzugten Ausführungsform gemäß Anspruch 11 schlägt D1 eine Kaltwalzung von mindestens 30% verbunden mit einer Glühung bei Temperaturen zwischen 700 bis 900°C vor. Beide Parameter weisen jedoch eindeutig von den Schritten (e) und (f) des erfindungsgemäßen Verfahrens weg.

Ausgehend von D1 kann auch keine der übrigen Druckschriften den Fachmann dazu anregen, zur Lösung der im Streitpatent gestellten Aufgabe den Schritt (e) in Kombination mit Schritt (f) des beanspruchen Verfahrens auszuwählen. D11 beschreibt in Absatz 6.7.3.3 eine Temperatur von 565°C als geeignet zum Erholungsglühen von Kohlenstoffstahl, wobei bei mikrolegierten Stählen aufgrund ihrer erhöhten Rekristallisationstemperatur diese Temperatur auch höher gewählt werden kann. Jedoch macht D11 keine Aussagen zur Kaltverformung. D3 schließt den Einsatz mikrolegierter Stähle definitiv aus und D16 empfiehlt trotz der allgemeinen breiten Aussagen auf Seite 330 und in den Figuren 5(a) und 5(b) in der Zusammenfassung Seite 337, Punkt 4 letztendlich ein Kaltwalzen von ca. 55% vor dem Glühen des Bandes.

Das beanspruchte Verfahren wird somit weder durch die Lehre der Druckschrift D1 allein noch durch deren Kombination mit einer der übrigen genannten Druckschriften nahegelegt.

4.2 Auch der Ansicht der Beschwerdeführerin, D3 als nächstliegender Stand der Technik führe in der Zusammenschau mit der Lehre von D11 in naheliegender Weise zum beanspruchten Verfahren, kann nicht gefolgt werden.

Druckschrift D3 betrifft die Herstellung von 10 bis 50% kaltverformtem und geglühtem Warmband aus Kohlenstoffstahl mit einer bestimmten Festigkeit und Formbarkeit. Diese Kombination von Eigenschaften soll im Gegensatz zum patentgemäßen Verfahren in D3 ohne den Einsatz von mikrolegiertem Stahl erreicht werden (siehe insbesondere D3, Spalte 2, Zeilen 10 bis 15, 19 bis 31; Anspruch 1). Die Mangangehalte liegen bei höchstens 0,9%, vorzugsweise 0.3 bis 0.6% und überschneiden sich nur knapp mit dem Manganbereich der patentgemäß eingesetzten Stahlqualität. Ferner enthält D3 keine Angaben über die Anteile von Si und Al, die im patentgemäßen Stahl innerhalb bestimmter Grenzen vorhanden sein müssen. Da Druckschrift D3, anders als beim patentgemäßen und dem in D1 beschriebenen Verfahren, ganz bewusst von nicht mikrolegiertem Warmband ausgeht, kann nach Ansicht der Kammer die Druckschrift D3 nicht den nächstkommenden Stand der Technik bilden. Würde der Fachmann dennoch mikrolegierten Stahl verwenden, so würde er klar entgegen der Lehre von D3 arbeiten, die ja gerade darauf abzielt, den Einsatz solcher Stahlqualitäten zu vermeiden. Bereits aufgrund dieser Überlegungen kann es für den Fachmann nicht naheliegend sein, ausgehend von D3 auf den in D11, Seite 351 genannten mikrolegierten hochfesten HSLA Stahl zurückzugreifen.

Daran kann auch das Hinweis der Beschwerdeführerin, höhere Festigkeiten im Warmband ließen sich eben nur durch den Einsatz mikrolegierter HSLA Stahlqualitäten wie z.B. die in D11 genannte erreichen, nichts ändern.

4.3 Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumente der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens im Hinblick auf die Lehre von Druckschrift D16 führen ebenfalls ins Leere.

Wie im Streitpatent so zielen auch die Untersuchungen in D16 darauf ab, ein geglühtes Warmband mit hoher Festigkeit bei gleichzeitiger guter Formbarkeit zu erreichen. Eine verbesserte Formbarkeit wird nach den Ausführungen auf Seite 330 und Figur 5 durch folgende Faktoren beeinflusst: (i) den Kaltumformgrad, (ii) die Stahlqualität und (iii) die gewählten Verfahrens¬parameter. Figur 5(a) und 5(b) zeigen den Einfluss des Kaltumformgrades zwischen 0 und 80% von einem bei 550°C geglühten Warmband auf die Festigkeit und Dehnung. Wie auf Seite 331, Absatz 1 von D16 beschrieben, fällt im Bereich von 0 bis 20% Kaltverformung die Duktilität stark ab, während die Festigkeit ansteigt. Auf der gleichen Seite wird in Absatz 5 für geglühtes Warmband allerdings eine Kaltverformung von mehr als 40% empfohlen, die auch bei den Beispielen in Tabelle 1 an 50% kaltgewalztem und bei ca. 560°C geglühtem Blechen angewendet wurde. Nach den Aussagen von D16, Seite 332, lässt sich für nicht mikrolegiertes Band durch ein Kaltwalzen mit 50 bis 55 % Dickenreduktion und anschließendem Glühen eine interessante Kombination aus Festigkeit und Duktilität erreichen. In allgemeiner Form wird auf der gleichen Seite darauf hingewiesen, dass die Bandeigenschaften nach dem Erholungsglühen durch mehrere Faktoren beeinflusst werden, nämlich die Aufheiztemperatur der Bramme vor dem Warmwalzen, die Warmwalz-Endtemperatur, die Haspeltemperatur und auch durch die Zugabe von Legierungselementen wie Stickstoff, Aluminium und Titan. Auf Seite 337 der D16 wird der Einfluss des Dressierens mit 0.5 bis 1% Dickenabnahme für low carbon (LC) Stahl und Nb und Ti-haltige Bandqualitäten untersucht. Diese als optimal bewertete Kaltverformung beim Dressieren liegt unterhalb des dafür beanspruchten Bereichs des patentgemäßen Verfahrens. Alles in allem wird, wie in den Schlussfolgerungen in D16, Seite 337 zusammengefasst, dem Fachmann empfohlen, ein Kaltwalzen von ca. 55 % und z.B. die Zugabe von Bor zur Erzeugung von teilrekristallisiertem Band mit der gewünschten Eigenschaftskombination vorzunehmen.

Damit ist festzustellen, dass die Druckschrift D16 trotz der zahlreichen Untersuchungsergebnisse keine konkreten Hinweise enthält, die die Fachmann in naheliegender Weise dazu anleiten würden, ein Verfahren mit den Schritten (a) bis (f) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents durchzuführen.

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents beruht folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 17 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 und sind damit ebenfalls gewährbar.

6. Bei dieser Sachlage war es nicht notwendig, auf den Hilfsantrag einzugehen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Ansprüche: 1 und 7, eingereicht am 26. März 2010

2 bis 6 und 8 bis 17 wie erteilt;

Beschreibung: Seiten 2 bis 7 in der am 20. April 2009 eingereichten Fassung.

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