T 1097/08 () of 18.2.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T109708.20100218
Datum der Entscheidung: 18 Februar 2010
Aktenzeichen: T 1097/08
Anmeldenummer: 01967107.2
IPC-Klasse: A01J 5/007
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Steuerung und Überwachung einer Saugmelkanlage
Name des Anmelders: GEA WestfaliaSurge GmbH
Name des Einsprechenden: DeLaval International AB
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
Schlagwörter: Ausführbarkeit (ja)
Hauptantrag - Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 6. Juni 2008 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 6. Mai 2008 den Einspruch zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet, und am 10. September 2008 die Beschwerde schriftlich begründet.

II. Der Einspruch wurde auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) (Neuheit und erfinderische Tätigkeit) und b) EPÜ 1973 gestützt.

III. Folgende Druckschriften haben in diesem Verfahren eine Rolle gespielt:

D1: EP-A-0 743 444

D2: EP-B-0 568 590

D3: EP-A-0 729 699

D4: US-A-4 011 838

IV. Am 18. Februar 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die Erfindung sei mit den offenbarten Mitteln nicht ausführbar. Wie der Figur 2 des angefochtenen Patents entnommen werden könne, falle nach Aussetzen des Steuersignals der Druck steil ab. Demnach falle auch nach jedem kurzzeitigem Steuerimpuls der Druck auf null zurück und daher sei ein kontinuierlicher Druckaufbau nicht möglich. Des Weiteren sei der Ausdruck "kurzzeitiges Ansteuern" so vage, dass der Fachmann nicht wisse, wie das Ansteuern zeitlich zu gestalten sei.

Ansprüche 1 und 6 gemäß Hauptantrag verlangten nicht, dass ein mehrfaches kurzzeitiges Ansteuern des Pulsatorventils während desselben Phasenübergangs stattfinde. Daher seien der in Bezug auf Figur 1 des angefochtenen Patents beschriebene Stand der Technik, sowie D4 neuheitsschädlich für den Gegenstand dieser Ansprüche. In D3 finde auch ein mehrfaches kurzzeitiges Ansteuern des Pulsatorventils bevor der Druckaufbau beendet sei, also während des Phasenüberganges statt. Daher sei auch D3 für den Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 neuheitsschädlich.

D2 stelle den nächstkommenden Stand der Technik dar. Die beanspruchte Erfindung unterscheide sich von D2 lediglich dadurch, dass die in D2 vorhandene Drosselventilfunktion durch kurzzeitiges Ansteuern des Pulsatorventils selbst erfüllt werde. Dass ein durch eine Puls-Weiten-Modulation gesteuertes Ventil auch eine Drosselfunktion ausüben könne, sei jedoch aus D1 bekannt. Daher beruhe der Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat dem widersprochen und im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die Figur 2 sei zu schematisch, um Rückschlüsse über die physikalischen Zusammenhänge zuzulassen. Die Patentschrift offenbare jedoch die einzelnen Handlungen die der Fachmann vollziehen müsse, um zum gewünschten Effekt zu gelangen.

Aus den Ansprüchen und der Beschreibung sei für den Fachmann ohne weiteres erkennbar, dass das mehrfache kurzzeitige Ansteuern des Pulsatorventils während jedes Phasenüberganges stattfinde. Daher könnten weder der in der Patentschrift beschriebene Stand der Technik noch D4 die Neuheit der beanspruchten Erfindung vorwegnehmen.

In D3 werde das Ventil geöffnet und danach ändere sich dessen Zustand nicht mehr. Ein mehrfaches kurzzeitiges Ansteuern zum Zweck eines kontinuierlichen Druckaufbaus oder eine gezielte Variation des Druckverlaufs sei nicht offenbart.

Die in D2 beschriebene Saugmelkanlage löse zwar dieselbe Aufgabe wie die Erfindung, jedoch werde dies in D2 mit Hilfe von Drosselventilen erreicht. Ein Fachmann, der einen alternativen und vereinfachten Aufbau einer solchen Saugmelkanlage zum Ziel hätte, würde dazu auf keinen Fall das Dokument D1, das sich mit einem Temperatur kompensierten Abgasrückfuhrsystem eines Verbrennungsmotors beschäftigt, heranziehen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des Hilfsantrags, eingereicht mit Schreiben vom 18. Januar 2010, aufrechtzuerhalten.

Die Ansprüche 1 und 6 gemäß Hauptantrag (wie erteilt) lauten wie folgt:

"1. Verfahren zum Steuern und Überwachen einer Saugmelkanlage, bei welcher ein pulsierender Unterdruck mit abwechselnd aufeinanderfolgenden Saugphasen (a) und Entlastungsphasen (b) in einem Melkbecher eines Melkzeuges über ein Pulsatorventil erzeugt werden, wobei das Pulsatorventil über ein Steuersignal angesteuert wird, gekennzeichnet durch mehrfaches kurzzeitiges Ansteuern des Pulsatorventils bei den Phasenübergängen zum kontinuierlichen Druckaufbau und/oder Druckabbau."

"6. Vorrichtung zum Steuern und Überwachen einer Saugmelkanlage, mit einer Vakuumeinrichtung, welche eine Vakuumpumpe und ein Pulsatorventil aufweist, wobei ein pulsierender Unterdruck mit abwechselnd aufeinanderfolgenden Saugphasen A und Entlastungsphasen B in einem Melkbecher eines Melkzeuges über das Pulsatorventil erzeugt wird, gekennzeichnet durch eine Einheit zum Öffnen und/oder Schließen des Ventils, durch kurze aufeinanderfolgende Mehrfachbetätigungsimpulse derart erzeugbar sind, daß der Melkbecherunterdruck in seinem Druckverlauf beim Übergang zwischen, Saugphasen (a) und Entlastungsphasen (b) gezielt variiert werden kann."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Ausführbarkeit der Erfindung:

Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass die Erfindung nicht ausführbar sei, weil mit den in der Patentschrift offenbarten Mitteln kein kontinuierlicher Druckaufbau und/oder Druckabbau zu erreichen sei.

Sie war auch der Ansicht, dass keine Erklärung in der Streitpatentschrift vorhanden sei, warum die Steuerimpulse I1, I2, I3 gemäß der Erfindung einen anderen Verlauf bewirken sollten, als ein einzelner Steuerimpuls nach Figur 2.

Dem kann nicht gefolgt werden. Zuerst kann festgestellt werden, dass die Lehre des Patents an einen Durchschnittsfachmann gerichtet ist. Aus der Darstellung der Figur 1 der Streitpatentschrift entnimmt der Fachmann, dass mittels dreier Kurzeitimpulse I1, I2, I3 beim Überleiten von einer Entlastungsphase zu einer Saugphase vor dem eigentlichen Ventilsteuerimpuls über die Zeit betrachtet, ein relativ flacher und kontinuierlicher Druckaufbau erreicht wird. Der Fachmann entnimmt auch den weiteren Ausführungen der Streitpatentschrift, dass durch die kurzen aufeinander folgenden Betätigungsimpulse am Ventil bei Ausnutzung der Physikalischen Gegebenheiten, wie die Trägheit der Vorrichtungsteile und der bei der Vakuumbildung dargelegten Volumina, das Schlagverhalten aufgrund der Vakuumbildung gezielt auf sein größtmögliches reduziert und somit ein kontinuierlicher Druckaufbau ermöglicht wird, siehe insbesondere Spalte 3, Zeilen 6 bis 36.

Die Beschwerdeführerin hat weiter vorgebracht, dass der Ausdruck "kurzzeitiges Ansteuern" in der Patentschrift so unzureichend definiert sei, dass ein Fachmann den entsprechenden Verfahrensschritt nicht ausführen könne.

In der Streitpatentschrift wird angegeben, dass über die Zahl der Kurzzeitstromimpulse der Druckaufbau zeitlich in die Länge gezogen wird und über die Zeitdauer der Kurzzeitimpulse die Steigung beim Phasenübergang variierbar ist (Spalte 4, Zeilen 9 bis 17). Der mit der Gestaltung des Phasenübergangs zwischen Saugphasen und Entlastungsphasen in einem Melkbecher eines Melkzeuges vertraute Fachmann bestimmt, wie lange ein idealer Phasenübergang dauern sollte. Es ist ihm danach anhand von Versuchen zuzutrauen, die festgelegte Dauer des Phasenübergangs in einzelne Impulse (in Dauer und Anzahl) zu unterteilen, um den Druckverlauf wie erwüscht zu gestalten, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.

Die Erfindung ist deshalb im europäischen Patent so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 100(b) EPÜ).

3. Neuheit - Hauptantrag:

3.1 Die Neuheit ist in Bezug auf den in der Patentschrift anhand der Figur 2 beschriebenen Stand der Technik, sowie auf D3 und auf D4 bestritten worden.

3.2 In Bezug auf Figur 2 der Streitpatentschrift und D4:

Gemäß Anspruch 1 wird während den Phasenübergängen das Pulsatorventil kurzzeitig mehrfach angesteuert.

Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass dieses Merkmal nicht fordere, dass das mehrfache kurzzeitige Ansteuern während einem und demselben Phasenübergang stattfinden müsse.

Dem kann nicht gefolgt werden.

Im vorliegenden Fall ist es für den Fachmann aus der gesamten Patentschrift ohne weiteres erkennbar, dass die beanspruchte Erfindung darin liegt, ein mehrfaches kurzzeitiges Ansteuern während eines und desselben Phasenübergangs vorzunehmen, um einen kontinuierlichen Druckaufbau und/oder Druckabbau zu erreichen.

Während eines Phasenübergangs wird jedoch sowohl gemäß Figur 2 der Patentschrift als auch gemäß D4 das Pulsatorventil nur einmal und nicht mehrfach angesteuert.

3.3 D3:

Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass Anspruch 1 nur verlange, dass das Pulsatorventil angesteuert werde, aber nicht, dass das Pulsatorventil öffne und schließe. In D3 werde zur Puls-Weiten-Modulation umgeschaltet, bevor der Druckaufbau durch die Trägheit der Anlage bedingt beendet sei, und daher finde auch in D3 eine Puls-Weiten-Modulation während des Phasenübergangs statt.

D3 beschäftigt sich mit Energieeinsparungen (Spalte 1, Zeilen 40 bis 42). Zu diesem Zweck wird das Pulsatorventil mit voller Energie angesteuert, um es zu öffnen (Spalte 4, Zeilen 29 bis 32). Wenn das Ventil offen ist, reicht eine geringere Energie, um es offen zu halten. Daher wird ab diesem Zeitpunkt die Energiezufuhr über eine Puls-Weiten-Modulation verringert (Spalte 4, Zeilen 32 bis 37). Diese Modulation beginnt aber erst, nachdem das Ventil bereits offen ist, und das Ventil verbleibt auch danach, also während der Modulation, in seiner geöffneten Stellung. Der Durchfluss durch das Ventil wird daher nicht durch die Puls-Weiten-Modulation beeinflusst.

Anspruch 1 verlangt jedoch, dass die mehrfache kurzzeitige Ansteuerung zum kontinuierlichen Druckaufbau und/oder Druckabbau führt und Anspruch 6 verlangt, dass durch die kurzen aufeinanderfolgenden Mehrfachbetätigungsimpulse der Druckverlauf beim Übergang zwischen Saugphasen und Entlastungsphasen gezielt variiert werden kann.

Da in D3 das Ventil bei Beginn der Puls-Weiten-Modulation bereits offen ist und auch stets offen bleibt, hat die Puls-Weiten-Modulation keinen Einfluss auf den Durchfluss durch das Ventil und auch nicht auf den Druckverlauf während des Phasenübergangs. Daher kann die in D3 vorgenommene Puls-Weiten-Modulation weder zu einem kontinuierlichen Druckaufbau führen, noch diesen gezielt variieren.

3.4 Folglich nimmt keine der aufgeführten Entgegenhaltungen die Neuheit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 6 vorweg.

4. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag:

4.1 D2 (Spalte 1, Zeilen 3 bis 17) offenbart ein Verfahren zum Steuern und Überwachen einer Saugmelkanlage, sowie eine solche Saugmelkanlage mit den Merkmalen des Oberbegriffs der Ansprüche 1 und 6.

D2 hat auch zum Ziel, eine schlagartige Belastung der Zitze des zu melkenden Tieres weitgehend zu vermeiden (Spalte 1, Zeilen 38 bis 41 und 54 bis 55). Dies wird in D2 unter Anderem durch den Einsatz von Drosselventilen die den Druckaufbau in den Phasenübergängen dämpfen, erreicht (Spalte 4, Zeilen 3 bis 8).

4.2 Ausgehend von D2 als nächstkommendem Stand der Technik, könnte die objektive Aufgabe darin liegen, eine alternative und einfachere Lösung vorzuschlagen, um den Druckaufbau und/oder Druckabbau während der Phasenübergänge in einer Saugmelkanlage schonender zu gestalten.

4.3 D1 befasst sich mit der Temperaturkompensation in einem Abgasrückführsystem. Es kann von dem Fachmann auf dem technischen Gebiet der Saugmelkanlagen zwar erwartet werden, dass er auch Kenntnisse auf dem allgemeinen Gebiet des Maschinenbaus hat, jedoch nicht, dass er mit dem speziellen technischen Gebiet von temperatur- kompensierten Abgasrückführsystemen von Verbrennungsmotoren vertraut ist und auch nicht, dass er in diesem völlig fremden technischen Gebiet nach einer Lösung für die gestellte Aufgabe suchen würde.

Dadurch, dass eine Patentschrift (D1) ein durch Puls-Weiten-Modulation gesteuertes Ventil offenbart, gehört ein so gesteuertes Ventil noch nicht notwendigerweise zum Fachwissen in dem übergeordneten allgemeinen Gebiet des Maschinenbaus und dies um so weniger, als eine einzelne Patentschrift (D1) noch kein allgemeines Fachwissen nachweisen kann. Dies ist von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten worden.

4.4 Der Fachmann würde somit D1 nicht zur Lösung der der Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe heranziehen. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 gemäß Hauptantrag beruht deshalb im Hinblick auf D2 und D1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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