T 1078/08 () of 15.6.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T107808.20100615
Datum der Entscheidung: 15 Juni 2010
Aktenzeichen: T 1078/08
Anmeldenummer: 06007281.6
IPC-Klasse: B23Q 39/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 23 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Bearbeitungsvorrichtung mit einer 5-Achs-Spindeleinheit
Name des Anmelders: Homag Holzbearbeitungssysteme AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Zulässigkeit der Änderungen - ja
Neuheit und erfinderische Tätigkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 06007281.6, eingereicht am 6. April 2006, wurde von der Prüfungsabteilung mit der am 6. Februar 2008 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.

Die Prüfungsabteilung kam zu dem Ergebnis, dass die Gegenstände der jeweiligen unabhängigen Ansprüche 1 gemäß Haupt- und zwei Hilfsanträgen die Erfordernisse des EPÜ nicht erfüllten. Die mit Hauptantrag und Hilfsantrag 2 beanspruchten Gegenstände beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf die Dokumente:

D1: DE-A-195 18 965

D2: EP-A-1 247 611

D5: EP-A-0 993 903

Hilfsantrag 1 verletze das Erfordernis von Artikel 123 (2) EPÜ 1973.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin am 28. Februar 2008 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt.

Mit der am 2. Juni 2008 eingegangenen Beschwerdebegründung hat sie ihren Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents auf der Basis der ursprünglich eingereichten Unterlagen weiter verfolgt.

III. Die Beschwerdekammer hat in ihrem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Bescheid mitgeteilt, dass sie im Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsabteilung keinen Fehler erkenne, der zu einer unterschiedlichen Beurteilung führen würde.

IV. Am 15. Juni 2010 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerdeführerin einen neuen Antrag einreichte.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein europäisches Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche 1 bis 5 und

Beschreibung Seiten 1, 1A, 2 bis 6 vom 15. Juni 2010; Zeichnungen Figuren 1 bis 3 wie ursprünglich eingereicht.

Der Anspruch 1 lautet:

"Bearbeitungsvorrichtung (1), insbesondere Bearbeitungszentrum zur Bearbeitung von Werkstücken, die bevorzugt zumindest teilweise aus Holz, Holzwerkstoffen, Kunststoff oder dergleichen bestehen, mit:

einem Aufspanntisch (2) zur Aufspannung der zu bearbeitenden Werkstücke,

einer balkenförmigen Führungseinrichtung (4), die sich zumindest abschnittsweise über den Aufspanntisch (2) erstreckt, wobei der Aufspanntisch (2) und die balkenförmige Führungseinrichtung (4) in zumindest einer ersten Richtung in Bezug zueinander verfahrbar sind,

einer ersten Spindeleinheit (6), die als 4-Achs-Spindeleinheit ausgebildet auf einer ersten Seite der Führungseinrichtung (4) in zumindest einer zweiten Richtung verfahrbar angeordnet ist, wobei

die Bearbeitungsvorrichtung ferner eine zweite Spindeleinheit (10) aufweist,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Bearbeitungsvorrichtung eine Kantenanleimeinrichtung (8) aufweist, die auf einer der ersten Seite gegenüberliegenden zweiten Seite der Führungseinrichtung (4) angeordnet ist,

die zweite Spindeleinheit als 5-Achs-Spindeleinheit ausgebildet ist, die eine Spindel aufweist, welche um eine senkrecht zu ihrer Erstreckungsrichtung verlaufende Achse schwenkbar ist, wobei

die zweite Spindeleinheit (10) auf der ersten Seite der Führungseinrichtung (4) angeordnet ist und mit der ersten Spindeleinheit zum Verfahren entlang der Führungseinrichtung (4) gekoppelt ist."

V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Die beanspruchte Vorrichtung unterscheide sich vom Stand der Technik schon dadurch, dass eine Kantenanleimvorrichtung integriert sei. In Kombination mit zwei Arbeitsspindeln, von denen eine als 5-Achs-Einheit ausgebildet sei, werde erstmals die Fertigbearbeitung der Werkstücke in einer einzigen Aufspannung ermöglicht, nämlich die Konfektionierung mit anschließender Kantenanleimung und die Nachbearbeitung der Kante. Durch die Kopplung der zwei Spindeln zum gemeinsamen Verfahren werde ein einfacher Aufbau sowie eine einfache Steuerung der Maschine erreicht, wozu der Stand der Technik keine Anregung enthalte.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

Der unabhängige Anspruch 1 wurde durch Aufnahme von Merkmalen der ursprünglich eingereichten abhängigen Ansprüche 2 und 4 eingeschränkt und mit einer Einfügung aus der Beschreibung (Abschnitt [0017] des A-Dokuments), die im beanspruchten Zusammenhang offenbart ist. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 gehen auf die ursprünglich eingereichten Ansprüche 4 (Alternative) und 5 bis 7 zurück. Das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ ist daher erfüllt.

3. Neuheit (Artikel 54 (2) EPÜ 1973)

Die Neuheit war bereits im Prüfungsverfahren unstreitig. Zumindest das Merkmal einer Kantenanleimrichtung ist in keiner der Entgegenhaltungen offenbart, so dass das Neuheitserfordernis erfüllt ist.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

4.1 Aus D1 ist ein Bearbeitungszentrum für Holz- und Kunststoffwerkstoffe mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 bekannt.

4.2 Ausgehend von diesem Stand der Technik soll bei einer derartigen Bearbeitungsvorrichtung die Flexibilität im Hinblick auf die zu bearbeitenden Werkstücke erhöht werden. Gelöst wird das technische Problem mit der Vorrichtung nach Anspruch 1, wobei bei erhöhter Flexibilität ein einfacher Aufbau sowie eine einfache Steuerung erhalten bleiben.

4.3 Die aus D1 bekannte Bearbeitungsvorrichtung weist zwei Spindeleinheiten zur Aufnahme von Bearbeitungswerkzeugen und Bearbeitungsaggregaten auf, die an einer Führungseinrichtung 3 an deren gegenüberliegenden Seiten verfahrbar angeordnet sind. Mit den zwei Spindeleinheiten können entweder aufeinander folgende Bearbeitungsschritte an einem Werkstück oder die parallele Bearbeitung von zwei Werkstücken durchgeführt werden. Es handelt sich um 4-Achs-Spindeleinheiten , die gemeinsam in X-Richtung sowie unabhängig voneinander in Y- und Z-Richtung verfahrbar sind und deren Werkzeuge um eine C-Achse drehbar sind (Spalte 7, Zeilen 30 bis 39). Ob eine davon mit einer Kantenanleimvorrichtung ausgerüstet werden kann, ist dem Dokument nicht entnehmbar, so dass der Fachmann zur derartigen Ausgestaltung keine Anregung erhält. Würde er aufgrund seines allgemeinen Fachwissens eine Kantenanleimvorrichtung in einer der Spindeleinheiten vorsehen, so wäre die Flexibilität der Bearbeitungsvorrichtung erheblich eingeschränkt. Die Werkzeugwechsel in der anderen Spindeleinheit hätten einen höheren Zeitbedarf, was dem angestrebten Ziel in D1 zuwiderliefe, die Wechselzeiten für Bearbeitungswerkzeuge zu minimieren (Spalte 1, Zeilen 25 bis 30). Da auch kein Hinweis vorhanden ist, eine weitere Spindeleinheit als 5-Achs-Einheit vorzusehen, kann dieser Stand der Technik dem Fachmann keinen Anstoß hin zur beanspruchten Merkmalskombination vermitteln.

4.4 D2 offenbart ein Bearbeitungszentrum mit zwei 5-Achs-Spindeleinheiten 13, die an gegenüberliegenden Seiten einer Führungseinrichtung 6 unabhängig voneinander verfahrbar sind. Die Spindeleinheiten sind mit Bearbeitungswerkzeugen ausgerüstet; auf eine Kantenanleimeinrichtung fehlt jeglicher Hinweis.

4.5 D5 zeigt und beschreibt eine Holzbearbeitungsmaschine, bei der mehrerer Bearbeitungsspindeln 4 nebeneinander an einer Führungseinrichtung 3 verfahrbar sind. Weder eine Kantenanleimvorrichtung noch eine Kopplung der Spindeleinheiten sind erwähnt. Für die Verschiebung der Spindeleinheiten sind Antriebe mit Steuerungen erforderlich, die einerseits voneinander unabhängige Bewegungen ermöglichen und andererseits Kollisionen vermeiden.

4.6 Somit kann weder eine einzelne der Entgegenhaltungen noch deren Kombination dem Fachmann eine zielführende Anregung zur beanspruchten Merkmalskombination geben, bei der die Bearbeitungsvorrichtung eine Kantenanleimeinrichtung aufweist, die auf der den zwei Spindeleinheiten gegenüberliegenden Seite der Führungseinrichtung angeordnet ist, und bei der die zweite 5-Achs-Spindeleinheit mit der ersten 4-Achs-Spindeleinheit zum Verfahren entlang der Führungseinrichtung gekoppelt ist, wodurch der Verfahr-Antrieb und dessen Steuerung für die zwei Spindeleinheiten einfach realisierbar sind. Da die im Anspruch 1 angegebene Lösung nicht naheliegt, beruht sie auf erfinderischer Tätigkeit.

4.7 Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 enthalten weitere Ausgestaltungen der Erfindung. Auch sie erfüllen die Anforderungen des EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, ein europäisches Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche 1 bis 5 und

Beschreibung Seiten 1, 1A, 2 bis 6 vom 15. Juni 2010; Zeichnungen Figuren 1 bis 3 wie ursprünglich eingereicht.

Quick Navigation