T 1054/08 () of 6.10.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T105408.20081006
Datum der Entscheidung: 06 October 2008
Aktenzeichen: T 1054/08
Anmeldenummer: 03003074.6
IPC-Klasse: H04Q 7/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Chipkarte mit integriertem Zeitbestimmungssystem
Name des Anmelders: Swisscom AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 76
European Patent Convention Art 83
Schlagwörter: Zulässigkeit (Hauptantrag - verneint)
Zurückverweisung an Prüfungsabteilung (Hilfsantrag)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Anmeldung Nr. 03003074.6 wurde als Teilanmeldung der ursprünglichen Anmeldung Nr. 99908730.7 eingereicht.

II. Die Prüfungsabteilung erließ am 4. März 2005 eine Mitteilung gemäß Regel 51 (4) EPÜ 1973, in der sie der Anmelderin ihre Absicht mitteilte, ein Patent auf der Grundlage der geltenden Ansprüche 1 bis 18, mit Änderungen der Ansprüche 16 und 17, zu erteilen.

III. Mit einem am 26. September 2005 ergangenen Bescheid wurde die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ 1973 zurückgenommen und wurden statt dessen Einwände unter Artikel 76 (1) EPÜ gegen die unabhängige Ansprüche 1 und 16 erhoben.

IV. Im weiteren Verlauf des Prüfungsverfahrens reichte die Anmelderin am 1. Dezember 2005 einen Anspruchssatz als Hauptantrag und am 30. März 2007 einen weiteren Anspruchssatz als Hilfsantrag ein.

V. Die Prüfungsabteilung erließ am 21. Mai 2007 eine weitere Mitteilung gemäß Regel 51 (4) EPÜ 1973 in der Absicht, ein Patent auf der Grundlage des Hilfsantrags zu erteilen. In einer Anlage wurde begründet, weshalb der Hauptantrag als nicht gewährbar erachtet wurde.

VI. Die Anmelderin teilte in einem am 29. November 2007 eingegangenen Schreiben mit, sie sei mit der vorgelegten Fassung für die beabsichtigte Erteilung nicht einver standen, beantragte die Erteilung auf der Grundlage des Hauptantrags und bat um eine beschwerde fähige Entscheidung.

VII. Am 22. Februar 2008 erließ die Prüfungsabteilung eine Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung. In den Entscheidungsgründen wurde angeführt, die Ansprüche 1 und 15 des Hauptantrags erfüllten nicht die Erfordernisse der Artikel 76 (1) und 84 EPÜ.

VIII. Die am 5. März 2008 eingelegte Beschwerde richtet sich gegen diese Entscheidung.

Mit der am 22. März 2008 eingegangenen Beschwerdebe gründung wurde beantragt, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage eines Hauptantrags oder eines von zwei Hilfsanträgen zu erteilen. Dem Hauptantrag lagen die Anmeldungsunterlagen zu Grunde, auf denen die erste Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ vom 14. März 2005 ergangen war, dem Hilfsantrag 1 die am 1. Dezember 2005 eingegangenen Ansprüche und dem Hilfsantrag 2 die in der zweiten, am 21. Mai 2007 ergangenen Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ genannten Anmeldungsunterlagen.

IX. Die Kammer legte in einer am 16. Februar 2009 ergangenen Mitteilung sowie in der Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung ihre vorläufige Meinung dar, wonach die Ansprüche aller Anträge unzulässige Verallgemeinerungen beinhalteten und über den Gegenstand der früheren Anmeldung hinausgingen. Weiterhin äußerte die Kammer Zweifel an der erfinderischen Tätigkeit. Es wurde auf die folgenden Druckschriften verwiesen:

D1: WO97/40616 A

D7: E. D. Kaplan: "Understanding GPS: principles and applications", Artech House, Norwood, MA, US, 1996, ISBN 0-89006-793-7, Abschnitt 12.5.

X. Im Laufe der mündlichen Verhandlung am 6. Oktober 2009 reichte die Beschwerdeführerin neue Ansprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag ein.

Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:

"Verfahren, um die Dauer von zu verrechnenden Prozessen zu ermitteln, umfassend die folgenden Verfahrenschritte:

Identifizierung eines Benutzers in einem Mobilfunknetz mittels einer Chipkarte (2),

wobei eine Zeitinformation mit einem GPS-Empfänger für ein Satelliten-Standortbestimmungssystem (23,24,25; 23,24,15; 23,14,15; 13,14,15; 33,34,35) ermittelt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die benannte Zeitinformation verwendet wird, um die Dauer von den verrechneten Prozessen zu ermitteln, wobei der GPS-Empfänger in der Chipkarte ist, wobei die Zeitinformation in der Chipkarte (2) ermittelt wird und die Zeitdauerermittlung in der Chipkarte (2) erfolgt,

wobei der GPS-Empfänger die von einem Mobilgerät und vom Mobilfunknetz erhaltene Zeit- und Standortinformation benutzt, um sich mit einem GPS-Signal zu synchronisieren."

Der einzige Anspruch des Hilfsantrags lautet:

"Verfahren, um die Dauer von zu verrechnenden Prozessen zu ermitteln, umfassend die folgenden Verfahrenschritte:

Identifizierung eines Benutzers in einem Mobilfunknetz mittels einer Chipkarte (2),

wobei eine Zeitinformation mit einem GPS-Empfänger für ein Satelliten-Standortbestimmungssystem (23,24,25; 23,24,15; 23,14,15; 13,14,15; 33,34,35) ermittelt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die benannte Zeitinformation verwendet wird, um die Dauer von den verrechneten Prozessen zu ermitteln, wobei die Zeitinformation mit dem in der Chipkarte (2) enthaltenen GPS-Empfänger ermittelt wird,

wobei der GPS-Empfänger eine Standortinformation ermittelt,

wobei die Zeit- und Standortinformation einem in der Chipkarte enthaltenen GSM-Prozessor abgegeben werden, der die Dauer ermittelt,

wobei der GSM-Prozessor in Abhängigkeit der Zeit, der Dauer und des Standorts eine Telekommunikationsgebühr ermittelt."

XI. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Zulässigkeit

Anspruch 1 enthält das Merkmal, dass der GPS-Empfänger die von einem Mobilgerät und vom Mobilfunknetz erhaltene Zeit- und Standortinformation benutzt, um sich mit einem GPS-Signal zu synchronisieren. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei dieses Merkmal aus Absatz [0029] der Beschreibung zu entnehmen.

Das im Absatz [0029] der Anmeldung offenbarte Merkmal des Anspruchs 1 stellt jedoch nach Auffassung der Kammer für den Fachmann keine nacharbeitbare Offenbarung dar.

Ein GPS-Empfänger ist darauf ausgelegt, sich auf ein GPS-Signal allein durch stufenweise Auswertung des empfangenen GPS-Signals zu synchronisieren. Aus der Anmeldung lässt sich jedoch nicht entnehmen, wie durch Zeit- und Standort information aus dem Mobilfunknetz eine schnellere Synchronisation einer GPS-Schaltung mit dem empfangenen GPS-Signal erreicht werden kann: außer der genannten Stelle in Absatz [0029] findet sich in der Anmeldung keine weitere Offenbarung hinsichtlich der Unterstützung eines GPS-Empfängers zur Synchronisation auf ein GPS-Signal. Somit fehlt es für dieses Merkmal an einer ausreichenden Offenbarung (Artikel 83 EPÜ).

Der Hauptantrag wurde deshalb nicht in das Verfahren zugelassen.

2. Hilfsantrag

2.1 Offenbarung (Artikel 76 (1) EPÜ)

Der Anspruch ist gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 der früheren Anmeldung dahingehend eingeschränkt, dass sowohl die Zeit- und Standort infor mation als auch die Telekommunikations gebühr auf der Chipkarte ermittelt werden. Eine derartige Chipkarte ist aus den Figuren 1-4 und 6 ersichtlich sowie durch die diesen Figuren entsprechenden Teile der Beschreibung der Anmeldung offenbart (vgl. insbesondere den Absatz [0025] der veröffentlichten Anmeldung). Dieser Anspruch geht somit nicht über die ursprüngliche Offenbarung der früheren Anmeldung hinaus.

2.2 Neuheit

Neuheit wurde während des Prüfungsverfahrens nicht beanstandet, und die Kammer sieht keine Veranlassung, Neuheit in Zweifel zu ziehen.

2.3 Erfinderische Tätigkeit

Die Kammer betrachtet die in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung genannte Druckschrift D1 als nächsten Stand der Technik, da diese, wie die vorliegende Anmeldung, die Verrechnung von Telefondiensten auf der Chipkarte eines Benutzers betrifft. D1 offenbart hierzu, dass der Benutzer im Mobiltelefonnetz anhand der Chipkarte identifiziert wird (Seite 3, Zeilen 5 bis 16) und mittels eines auf der Chipkarte vorhandenen Prozessors die Telefongebühren berechnet werden. Die zur Ver rech nung der Telefongebühren notwendige Zeit information wird mit einer entweder auf der Chipkarte oder im Mobiltelefon vorgesehenen Uhr bereitgestellt (vgl. Seite 26, Zeilen 14 bis 23).

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von D1 dadurch, dass die zur Bestimmung der Telekommunikations gebühr verwendete Zeit- und Standortinformation von einem auf der Chipkarte vorhandenen GPS-Prozessor ermittelt werden.

Die dadurch zu lösende technische Aufgabe besteht darin, eine Verfälschung der Zeitin formation zu verhindern. Diese Aufgabe deckt sich mit der in Absatz [0013] der veröffentlichten Anmeldung genannten Aufgabe.

Es gehört zum allgemeinen Fachwissen (vgl. D7), dass ein GPS-Signal eine genaue Zeitinformation beinhaltet und dass diese Zeitinformation nicht nur beschränkt zur Positionsbestimmung, sondern als eigen ständige, genaue Zeitquelle verwendet werden kann. Mit diesem Fachwissen wäre es für den Fachmann naheliegend, anstatt der in D1 von einer externen Uhr generierten eine von einem GPS-Signal abgeleitete Zeitinformation der Chipkarte zuzuführen. Jedoch wird durch dieses Fachwissen das weitere Merkmal, die Zeitinformation durch einen auf der Chipkarte vor handenen GPS-Prozessor zu ermitteln, dem Fach mann nicht nahegelegt: Wenn der GPS-Prozessor auf der Chipkarte angeordnet wird, steht die Zeitinformation zwar inner halb der Chipkarte zur Verfügung; sie ist jedoch ausserhalb der Chipkarte nicht zugänglich und infolgedessen gegen eine Verfälschung besser geschützt. Weiterhin bietet das GPS-Funksignal für sich genommen ein hohes Maß an Sicher heit gegen Verfälschung. Diese beiden Maßnahmen, nämlich die Zeitinformation aus dem GPS-Signal abzuleiten, als auch diese Zeitinformation nur innerhalb der Chipkarte zu belassen und nicht außerhalb dieser verfügbar zu machen, führen in Kombination zu einer erhöhten Sicherheit der Zeit information gegen Verfälschung. Das beanspruchte Verfahren wird daher nicht durch die Lehre von D1 in Kombination mit dem durch D7 belegten all gemeinen Fachwissen über die Verwendung eines GPS-Signals nahegelegt. Weiterhin findet die Kammer in dem ihr verfügbaren Stand der Technik keinen Hinweis, der den Fachmann veranlassen würde, die Ermittlung der Zeitinformation durch einen auf der Chipkarte vorhandenen GPS-Prozessor durchzu führen. Somit gilt der Gegenstand des Anspruchs des Hilfsantrags als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (Artikel 56 EPÜ).

3. Mit dem Anspruch des Hilfsantrags wurde den Zurück weisungsgründen der angefochtenen Entscheidung sowie den im Laufe des Beschwerdeverfahrens erhobenen Einwänden begegnet. Die Kammer hat jedoch nicht geprüft, ob die Beschreibung den Bestimmungen der Regel 42 EPÜ genügt und hält es daher für angebracht, die Angelegen heit zur weiteren Prüfung und Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereichten Hilfsantrags zurückverwiesen.

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