T 1029/08 () of 18.7.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T102908.20120718
Datum der Entscheidung: 18 Juli 2012
Aktenzeichen: T 1029/08
Anmeldenummer: 01129820.5
IPC-Klasse: G01S 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Positionsbestimmung von geostationären Satelliten durch Laufzeitmessungen von Satelliten-Navigationssignalen
Name des Anmelders: EADS Astrium GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die am 03. Januar 2008 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 01 129 820.5 zurückzuweisen. Die Entscheidung erfolgte nach einem Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage.

II. In der angefochtenen Entscheidung wurde auf zwei frühere Bescheide der Prüfungsabteilung sowie auf eine telefonische Rücksprache mit dem Vertreter der Anmelderin hingewiesen. In diesen Bescheiden bzw. während der telefonische Rücksprache vertrat die Prüfungsabteilung die Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des damaligen Antrags nicht erfinderisch sei.

III. Gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung wurde am 28. Februar 2008 Beschwerde eingelegt und am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die schriftliche Begründung wurde am 30. April 2008 eingereicht.

IV. Am 18. Juli 2012 fand eine mündliche Verhandlung statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erteilung eines Patents mit folgender Fassung:

Patentansprüche 1-8, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 2012;

Beschreibungsseiten 4-17 in der ursprünglichen Fassung;

Beschreibungsseiten 1, 1a, 2, 3, eingereicht mit Schreiben vom 7. Juli 2005;

Zeichnungsblätter 1/12 - 12/12 in der ursprünglichen Fassung.

V. Während des Verfahrens wurde auf folgende Dokumente Bezug genommen:

Dl: MITTNACHT M. et al.: "Real Time On-board Orbit Determination of GEO Satellites Using Software or Hardware Correlation", PROC. OF ION GPS-2000, 19.-22. September 2000, Salt Lake City, USA, Seiten 1976-1984, XP002283550

D2: US-A-6 150 980

D3: KRONMAN J. D.: "Experience Using GPS For Orbit Determination of a Geosynchronous Satellite", PROC. OF ION GPS-2000, 19.-22. September 2000, Salt Lake City, USA, Seiten 1622-1626, XP002283551.

VI. Anspruch 1 des einzigen Antrags lautet wie folgt:

"Verfahren zur Positionsbestimmung von geostationären Satelliten mit Hilfe von Signalen mindestens eines Navigationssatelliten mittels einer dynamischen oder kinematischen Navigationslösung, gekennzeichnet durch

- eine Bestimmung von Laufzeitdaten der Signale von dem mindestens einen Navigationssatelliten zu dem geostationären Satelliten durch eine Einrichtung des geostationären Satelliten,

- eine Bestimmung von Navigationsdaten des mindestens einen Navigationssatelliten durch eine von dem mindestens einen Navigationssatelliten sowie von dem geostationären Satelliten unabhängige Navigationseinrichtung,

- eine Bestimmung von Daten über die Systemzeit des mindestens einen Navigationssatelliten durch die von dem mindestens einen Navigationssatelliten sowie von dem geostationären Satelliten unabhängige Navigationseinrichtung,

- einen Datenaustausch zwischen dem geostationären Satelliten und der Navigationseinrichtung zur Bestimmung von Positionsdaten des geostationären Satelliten aus den Laufzeiten, den Navigationsdaten sowie der Systemzeit des mindestens einen Navigationssatelliten."

Ansprüche 2-8 sind abhängige Ansprüche.

VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin, soweit sie für die Entscheidung relevant sind, werden in den Entscheidungsgründen wiedergegeben.

Entscheidungsgründe

1. Die Erfindung

1.1 Die Erfindung bezieht sich auf die Positionsbestimmung von geostationären Satelliten mit Hilfe von Signalen mindestens eines Navigationssatelliten (z.B. GPS oder GLONASS Satelliten). Da nur Signale aus Navigations-satelliten, die sich auf der gegenüberliegenden Seite der Erde befinden, empfangen werden können, ist das Signal/Rausch-Verhältnis (S/N-Verhältnis) dieser Signale entsprechend niedrig. Das von einem Navigations-satelliten ausgestrahlte Signal enthält zwei Teile, die mit unterschiedlichen Frequenzen einem Trägersignal aufmoduliert werden. Trotz des niedrigen S/N-Verhältnisses, ist derjenige Teil, der die Laufzeitdaten des Signals vom Navigationssatelliten zu einem geostationären Satelliten enthält, noch so brauchbar zu empfangen, dass die Laufzeitdaten bestimmt werden können. Jedoch reicht das S/N-Verhältnis des empfangenen Signals nicht aus, um den Teil des Signals, der die Navigation Message enthält, an dem geostationären Satelliten zu demodulieren. Eine von dem Satelliten unabhängige Navigationseinrichtung wird daher vorgesehen, die die Navigationsdaten und Systemzeitdaten des Navigationssatelliten demodulieren kann. Die Bestimmung von Laufzeitdaten findet an dem geostationären Satelliten statt. Die Bestimmung von Navigationsdaten und Systemzeitdaten findet an der unabhängigen Navigationseinrichtung statt. Ein Austausch aller Daten zwischen dem geostationären Satelliten und der Navigationseinrichtung ermöglicht die Vervollständigung der zur Bestimmung der Position des geostationären Satelliten benötigten Daten.

2. Erfinderische Tätigkeit (Artikeln 52(1), 56 EPÜ)

2.1 Das Dokument D1 ist als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Dieses Dokument offenbart ein Verfahren zur Positionsbestimmung von geostationären Satelliten mit Hilfe von Signalen mindestens eines Navigationssatelliten (Seite 1976, rechte Spalte, Absatz 1, Zeilen 10-13). Bei diesem Verfahren werden gemessene Pseudoranges (oder Differenzen von Pseudoranges) verwendet, um eine durch einen Kalman-Filter geschätzte Position eines geostationären Satelliten zu aktualisieren (siehe Kapitel 3: Navigation strategies in GEO). Somit befasst sich dieses Dokument mit der Problematik einer niedrigen Anzahl von sichtbaren Navigationssatelliten.

Der Fachmann würde jedoch erkennen, dass ein weiteres Problem darin besteht, dass unterhalb eines bestimmten S/N-Verhältnisses die Navigations- und Systemzeitdaten der GPS-Satelliten nicht mehr aus dem GPS-Signal demoduliert werden können.

2.2 Die mit der vorliegenden Erfindung zu lösenden Aufgabe kann somit darin gesehen werden, ein Verfahren zur Positionsbestimmung von geostationären Satelliten zu entwickeln, die auch mit Navigationssignalen mit einem sehr niedrigen S/N-Verhältnis erfolgen kann.

2.3 Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, dass nur derjenige Teil des vom Navigationssatelliten ausgehenden Signals, der die Laufzeitdaten enthält, an dem geostationären Satelliten demoduliert wird, um dort die Laufzeitdaten zu bestimmen. Die fehlenden Systemzeit- und Navigationsdaten werden mit Hilfe einer unabhängigen Navigationseinrichtung ermittelt. Ein Austausch aller Daten ermöglicht die Bestimmung von Positionsdaten des geostationären Satelliten.

2.4 Eine solche Lösung ist nicht durch den vorhandenen Stand der Technik nahegelegt.

2.4.1 Wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, würde der Fachmann die Offenbarung von D2 nicht in Betracht ziehen, um die obengenannte Aufgabe zu lösen.

D2 offenbart ein Verfahren zur Zeitbestimmung in einem mobilen Kommunikations- und GPS-Empfänger, insbesondere einem integrierten Mobiltelefon/GPS-Empfänger (Fig. 3; Spalte 2, Zeilen 9-28).

Da der empfangene Signalpegel des GPS-Signals oft zu niedrig ist, um das Satellitensignal fehlerlos demodulieren zu können, werden bei dem Verfahren nach D2 Zeitdaten für den mobilen Empfänger bereitgestellt, ohne dass der mobile Empfänger diese Zeitdaten aus dem GPS-Signal ableiten muss. Dies erfolgt, indem die Kommunikationssystemzeit mit der GPS-Systemzeit korreliert wird. Während der mobile GPS-Empfänger Satellitenpositionsdaten von dem GPS-Satellit empfängt, empfängt der Kommunikationsempfänger ein kommerzielles Kommunikationssignal (Mobilfunksignal), das Funkzeitdaten enthält. Ferner empfängt eine unabhängige GPS-Basestation sowohl das Kommunikationssignal mit den Funkzeitdaten als auch das GPS-Signal. Der Signalpegel an der Basestation ist ausreichend, um die GPS-Systemzeit aus dem GPS-Signal abzuleiten. Eine Korrelation der GPS-Systemzeit mit den Funkzeitdaten des Kommunikationssignals ermöglicht, die GPS-Systemzeit an dem mobilen Empfänger festzulegen. Diese abgeleitete GPS-Systemzeit wird mit der an dem mobilen Empfänger empfangenen Satellitenpositionsinformation kombiniert, um die Position des mobilen GPS-Empfängers zu bestimmen.

Obwohl das Konzept, Positionsdaten an einem ersten Empfänger und Zeitdaten an einem zweiten Empfänger zu bestimmen, aus D2 bekannt ist, ist dieses Konzept so eng mit der Korrelation der GPS-Systemzeit mit der Mobilfunkzeit verknüpft, dass der Fachmann die zwei Aspekte nicht trennen würde. Um die notwendige GPS-Zeitdaten dem mobilen Empfänger bereitzustellen, ist in D2 die Verwendung der Mobilfunkzeit unentbehrlich. Da eine Lösung, die auf den Zeitdaten eines solchen Kommunikationssystems beruht, für eine Positionsbestimmung von geostationären Satelliten völlig ungeeignet wäre, kommt die Beachtung des aus D2 bekannten Verfahrens für den Fachmann nicht in Frage.

2.4.2 Auch würde der Fachmann die Offenbarung von D3 nicht in Betracht ziehen, um die obengenannte Aufgabe zu lösen.

D3 betrifft zwar die Verwendung von GPS-Signalen, um die Position eines geostationären Satelliten zu bestimmen. Doch werden die GPS-Signale, die vom geostationären Satelliten empfangen werden, mittels eines Transponders einfach an eine Bodenstation weitergeleitet (Kapitel 3.1.2 und 3.2). An der Bodenstation wird das GPS-Signal demoduliert, um die Laufzeit-, Systemzeit- und Navigationsdaten zu gewinnen und um die Position des geostationären Satelliten zu bestimmen (Abbildung auf Seite 1622). D3 weist ausdrücklich darauf hin, dass die Verwendung des Transponders, um die GPS-Signale an die Bodenstation weiterzuleiten, gewisse Vorteile gegenüber einem GPS-Empfänger an dem geostationären Satellit bietet (Kapitel 3.0). Folglich wird der Fachmann aufgrund dieser Lehre veranlasst, einen anderen Weg einzuschlagen als das in Anspruch 1 vorgeschlagene Vorgehen.

2.4.3 Ausgehend von D3 würde der Fachmann auch nicht zu der Bestimmung von unterschiedlichen Datenteilen sowohl an dem geostationären Satelliten als auch an einer unabhängigen Empfängereinrichtung gelangen. Insbesondere wird das Problem des niedrigen S/N-Verhältnisses in D3 umgangen, indem nur diejenigen Signale bearbeitet werden, die aus sich in einem sehr günstigen Blickwinkel befindenden GPS-Satelliten stammen (Kapitel 5.0, 4. Absatz). Diese Signale weisen nämlich ein ausreichendes S/N-Verhältnis auf, um daraus alle notwendigen Daten demodulieren zu können. Es besteht daher kein Grund, einen Teil der Daten aus dem Navigationssignal im geostationären Satelliten auszuwerten und die restlichen Daten an der Bodenstation zu empfangen und zu bearbeiten.

2.4.4 Somit ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem vorhandenen Stand der Technik.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Patentansprüche 1-8, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 2012;

Beschreibungsseiten 4-17 in der ursprünglichen Fassung;

Beschreibungsseiten 1, 1a, 2, 3, eingereicht mit Schreiben vom 7. Juli 2005;

Zeichnungsblätter 1/12 - 12/12 in der ursprünglichen Fassung.

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