T 0988/08 () of 20.7.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T098808.20100720
Datum der Entscheidung: 20 Juli 2010
Aktenzeichen: T 0988/08
Anmeldenummer: 03020306.1
IPC-Klasse: E04H 1/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wohnhaus mit gestafelten Geschosswohnungen
Name des Anmelders: Hans Zwimpfer
Name des Einsprechenden: Bund Schweizer Architekten-BSA/SIA et al.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Hauptantrag - Neuheit (bejaht)
Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Hilfsantrag 1 - Erweiterung (verneint)
Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 1. April 2008, das Europäische Patent No. 1 455 033 gemäß Artikel 101(2) EPÜ wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) zu widerrufen.

II. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) hatte am 27. Mai 2010 zusammen mit der Beschwerdebegründung Beschwerde eingelegt und am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet.

III. Mit Ladung vom 22. April 2010 zur mündlichen Verhandlung teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung in einem Bescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK mit. Die mündliche Verhandlung fand am 20. Juli 2010 unter Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.

IV. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag) bzw. auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1 oder des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 2.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Der unabhängige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Hauptantrag:

"1. Wohnhaus mit gestaffelten Wohnungen basierend auf der Bauweise mit einer Gebäudehülle und einer durch Säulen und Tragbalken geprägten Konstruktion, welche Geschossflächen und Dach trägt und einem räumlichen, mehrfach staffelbaren Angebot für Wohnungen mit offenem Grundriss und für jede Wohneinheit individuellen Wünschen anpassbarer Wohnfläche, dadurch gekennzeichnet, dass eine Wohnung (1) aus einem eingeschossigen Wohnungsteil (10) und einem zweigeschossigen Wohnungsteil (11) besteht, wobei die Grundfläche (100) des eingeschossigen Wohnungsteiles (10) mindestens die Fläche F in m**(2)der Grundfläche (110) des zweigeschossigen Wohnungsteiles (11) aufweist und letzterer aus einem einer Fassade zugewandten Aussenraum (12) und einem Innenraum (13) besteht."

Hilfsantrag 1:

wie Hauptantrag, unter Einfügung des Ausdrucks "doppelt hohen" im ersten Merkmal des Kennzeichens:

"... gekennzeichnet, dass eine Wohnung (1) aus einem eingeschossigen Wohnungsteil (10) und einem doppelt hohen zweigeschossigen Wohnungsteil (11) besteht, ..."

und unter Hinzufügung des folgenden Wortlauts am Ende des Kennzeichens:

"... Innenraum (13) besteht, und dass jeweils über einem eingeschossigen Wohnungsteil (10´) mit derselben Wohnfläche (100) der eingeschossige Wohnungsteil (10) der darüber liegenden Wohnung (1) angeordnet ist."

Hilfsantrag 2:

wie Hilfsantrag 1, unter Hinzufügung des folgenden Wortlauts am Ende des Kennzeichens:

"... angeordnet ist und dass in einem Wohnhaus der zweigeschossige Wohnungsteil (11) aller gestaffelten Geschosswohnungen (1) die gleiche Grundfläche (110) aufweisen, wobei die zweigeschossigen Wohnungsteile immer ein Geschoss überspringen und wechselseitig angeordnet sind, so dass in jeder Wohnung (1) die Wohnfläche des eingeschossigen Wohnungsteils (10) und des zweigeschossigen Wohnungsteils (11) in derselben Ebene liegen."

VI. Für die vorliegende Entscheidung wurden insbesondere

folgende Beweismittel berücksichtigt:

E2 = "Le Corbusier 1910-65", W.Boesinger/H.Girsberger,

Les Editions d´Architecture; Zürich 1967, Seiten

138 bis 147

E3 = "l'architecture d'aujourdhui" Nr.46, Februar bis

März 1953, Seiten 65 bis 67

E4 = "Architectural Design", Januar 1955, Band XXV,

Seiten 2 bis 5

VII. Die Parteien haben zu den entscheidungserheblichen Fragen im wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

VII.1 Hauptantrag

Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass in E2 stets eine obere Wohnung in die darunterliegende reiche und umgekehrt. Diese aus jeweils zwei Niveaus bestehenden übereinanderliegenden Wohnungen seien somit gestaffelt im Sinne des Anspruchs 1. Weiters sei in E2 ein zweigeschossiger Innenraum (mit sitzendem Mann) gezeigt. Die im Innenraum dargestellte Galerie diene lediglich der Erschließung der jeweiligen Wohnung über die zentral im Bauwerk angeordnete "innere Strasse". Auch der gezeigte Außenraum jeder Wohnung sei zweigeschossig, da die in E2 beschriebene Sonnenblende in Form einer Art Zwischendecke den Außenraum nicht in seiner ganzen Tiefe teile. Somit sei Anspruch 1 nicht neu gegenüber E2.

Selbst wenn der in E2 gezeigte Außenraum wegen der Aufteilung durch die Sonnenblende nicht als "zweigeschossig" verstanden werde, unterscheide sich Anspruch 1 von E2 dann lediglich durch das Weglassen dieser Sonnenblende. Sonnenblenden seien aber, wie dem Fachmann hinlänglich bekannt, nur gezielt eingesetzte Konstruktionselemente, um eine Erwärmung hinter der Glaswand im Inneren der Wohnung zu verhindern. Eine Sonnenblende, etwa in Form einer Markise, oder eben einer Zwischendecke so wie in E2 nach Le Corbusiers Entwurf für ein Bauwerk in Marseille, werde aber in kälteren Wohngebieten nicht benötigt. Falls nun der Architekt die Blenden aus E2 in nördlicheren Wohngebieten nicht brauche oder auch aus gestalterischen Gründen nicht wolle, und zudem der Lichteinfall im hinteren Teil der Wohnungen verbessert werden solle, würde er den in E2 gezeigten Außenraum einer Wohnung ohne Sonnenblende, also als zweigeschossigen Raum ausführen. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von E2 durch übliches Fachwissen nahegelegt.

Der Beschwerdeführer erwiderte, dass, basierend auf der zugehörigen Beschreibung und den Zeichnungen des Patents, "staffeln" nach Anspruch 1 als das Überspringen eines Stockwerks durch die zweigeschossigen Wohnungsteile der jeweils wechselseitig angeordneten Wohnungen zu verstehen sei. "Staffeln" hänge also mit "Stufen" zusammen, wobei stets ein Fortschreiten von einer Wohnung zur anderen erfolge. In E2 sei dies nicht der Fall, da jedes Geschoss nach drei Niveaus ende, und darüber ein neues Wohnungspaar einfach angrenze. Darüber hinaus offenbare E2 zwar Wohnungen mit einem zweigeschossigen Wohnungsteil, dieser bestehe aber zunächst nicht aus einem zweigeschossigen Innenraum. Ein aufrecht stehender Mensch "erkenne" einen zweigeschossigen "großen" Innenraum: dies schließe die Anordnung einer Decke in Form einer Galerie oder einer Treppe, so wie in E2 gezeigt, aus. Darüber hinaus offenbare E2 auch keinen zweigeschossigen Außenraum, da die gezeigte Loggia der Wohnungen durch eine Zwischendecke getrennt sei, welche einen Sonnenschutz bilde. Aufgrund des in den Zeichnungen gezeigten schwarzen Balkens scheine es sich bei dieser Sonnenblende um Mauerwerk zu handeln, in jedem Fall aber um einen festen Gebäudebestandteil. So sei die Sonnenblende in E2 auch als wesentliches Architekturelement beschrieben. Die Weglassung einer solchen Sonnenblende sei somit eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte des Anspruchs 1. Anspruch 1 sei daher insbesondere aus E2 weder bekannt noch nahegelegt.

VII.2 Hilfsantrag 1

Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass in der ursprünglichen Anmeldung der zweigeschossige Wohnungsteil als "etwa doppelt so hoch" beschrieben sei. Im vorliegenden Anspruch 1 entfiel aber das Wort "etwa", und es stelle sich daher die Frage der Offenbarung einer solchen Änderung. Außerdem sei in der Beschreibung der maßgebliche Stand der Technik im Lichte des nunmehr vorliegenden Hilfsantrags 1 entsprechend zu zitieren, beispielsweise in Bezug auf das bekannte Staffeln von Wohnungen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich vom nächstliegenden Stand der Technik, der E2, durch den Wegfall der Sonnenblenden im Außenraum und der Staffelung der eingeschossigen Wohnungsteile. Durch diese Merkmale seien zwei voneinander unabhängige Teilaufgaben gelöst worden, nämlich einerseits die Verbesserung des Lichteinfalls im hinteren Teil der Wohnungen und andererseits die zweckmäßige Anordnung der Wohnungen. Für das Staffeln der Wohnungen sei es hierbei unerheblich, ob das zweigeschossige Wohnungsteil einer Wohnung in einen Innen- und Außenraum unterteilt sei, oder, so wie bei den Wohnungen aus E3 und E4, eben nicht. Die Lösung der ersten Teilaufgabe in Form des Wegfalls der Sonnenblende sei aus den zum Hauptantrag vorgetragenen Gründen naheliegend. Ausgehend von E2 würde der Fachmann durch E3 bzw. E4 aber auch zur Lösung der zweiten Teilaufgabe angeregt werden, denn in E3 bzw. E4 liegen stets die eingeschossigen Wohnungsteile der dort gezeigten Wohnungen übereinander. Somit sei auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 nahegelegt.

Der Beschwerdeführer erwiderte, dass die Klarstellung in Anspruch 1, wonach das zweigeschossige Wohnungsteil "doppelt so hoch" wie der eingeschossige Wohnungsteil sei, explizit aus Spalte 7, Zeilen 40 bis 42, des Patents zu entnehmen sei. Aber auch in den Figuren sei die doppelte Höhe der zweigeschossigen Wohnungsteile offenbart. Dem Fachmann sei hierbei bewusst, dass durch den Wegfall der mittleren Decke der Raum etwas höher sei als zwei getrennte Einzelräume. Dies sei auch der Grund für die an anderer Stelle der Beschreibung verwandte Formulierung "etwa" doppelt so hoch. Zum zitierten Stand der Technik sei festzustellen, dass insbesondere E2 in der Beschreibung gewürdigt sei und keine weiteren Angaben hierzu vonnöten seien.

Den gegenüber E2 unterscheidenden Merkmalen des Anspruchs 1 liege sehr wohl eine zusammenhängende Aufgabe zugrunde, nämlich die dadurch verbesserte räumliche Nutzbarkeit, nicht nur in Bezug auf den Lichteinfall, sondern auch bezüglich der veränderten Schallausbreitung und Großzügigkeit des Raumes. Ausgehend von E2 gebe es hierzu für den Fachmann keinerlei Anregung aus E3 oder E4, insbesondere die eingeschossigen Wohnungsteile übereinander anzuordnen. Zudem sei die Anbindung der Wohnungen in E2 durch die dort als wesentliches Konstruktionsmerkmal beschriebene "innere Strasse" nur möglich, wenn die Anordnung der zweigeschossigen Wohnungsteile jeweils über den eingeschossigen erhalten bleibe. Und schließlich liegen in E3 und E4 zwar die eingeschossigen Wohnungsteile übereinander, die zweigeschossigen Wohnungsteile bestehen aber nicht aus Innen- und Außenraum. Die solcherart vorgegebenen Konstruktionsweisen lassen sich nicht mittels Teilaufgaben "zerstückeln". Ausgehend von E2 würde der Fachmann daher nicht veranlasst, zur Lösung der gestellten Aufgabe E3 bzw. E4 in Betracht zu ziehen, und selbst eine Zusammenschau von E2 mit E3 (bzw. mit E4) würde ihn nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 führen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit und erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag

(Artikel 100 a) EPÜ, i.V.m. Artikel 54 und 56 EPÜ)

Das Dokument E2 beschreibt ein Wohnhaus mit übereinanderliegenden Wohnungen, welche jeweils aus einem eingeschossigen und doppelt hohen zweigeschossigen Wohnungsteil bestehen und in einer aus Säulen und Tragbalken geprägten Konstruktion angeordnet sind (siehe E2, Seite 138, dritte Spalte, zweiter Absatz und die Abbildungen auf den Seiten 139, 144 und 145). Da Anspruch 1 keine Aussage zur Mindestanzahl gestaffelter Wohnungen enthält, offenbart E2 auch gestaffelte Wohnungen, da jeweils zwei Wohnungen stufenweise aufeinandergesetzt sind, siehe z.B. Abbildung des Gebäudequerschnitts oben links auf Seite 144 der E2. Weiters sind, seinem Wortlaut folgend, in Anspruch 1 zwar zweigeschossige Wohnungsteile beschrieben, welche nur aus einem Innenraum und einem Außenraum bestehen, und somit jeweils einen zweigeschossigen Innen- und Außenraum aufweisen. Dennoch verbleibt die Frage, was solch einen zweigeschossigen Raum von zwei getrennt übereinanderliegenden Räumen aus der Sicht des Baufachmanns nun tatsächlich unterscheidet. So mögen zwar Einbauten wie Galerien oder Treppen zu einer unterschiedlichen Raumgestaltung führen, aber nach Auffassung der Kammer zu keiner echten baulichen Trennung eines freien zweigeschossigen Raumes in zwei Einzelgeschosse. Die Kammer folgt daher der Ansicht der Beschwerdegegnerin, wonach der z.B. auf Seite 145 oben in E2 gezeigte Wohnraum (sitzender Mann) als zweigeschossiger Innenraum im Sinne des Anspruchs 1 zu verstehen ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin weisen die an jede Wohnung außen an den Wohnraum angesetzten Loggias der E2 jedoch eine bauliche Trennung in zwei Einzelgeschosse auf, da die beschriebenen Sonnenblenden jeder Loggia offenbar eine massive Konstruktion darstellen und horizontal von der Außenflucht des Gebäudes bis fast zum Innenraum hin anschließen (siehe E2; Seite 138, dritte Spalte, vorletzter Absatz; Seite 139, Gebäudequerschnitt links unten: "Loggias brise-soleil"; die Fotographien auf den Seiten 141 bis 143, wobei das Bild auf Seite 143 den Blick von der Galerie her durch die oberen Fenster auf die Sonnenblendenkonstruktion zeigt; die Abbildung des Gebäudequerschnitts auf Seite 144 links oben; und die Abbildung im Querschnitt auf Seite 145 oben: die Sonnenblende der Loggia ist als schwarzer Balken dargestellt).

Der Gegenstand des Anspruch 1 unterscheidet sich von der Offenbarung aus E2 daher durch das Vorsehen eines zweigeschossigen Außenraums anstatt des durch eine Sonnenblende in zwei Einzelgeschosse getrennten Außenraums und ist daher neu. Die Neuheit des Anspruchs 1 gegenüber dem ansonsten bekanntgewordenen Stand der Technik wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten.

Ausgehend von E2 kann diesem Merkmal die Aufgabe zugrunde gelegt werden, in kühleren Klimaten den Lichteinfall im Wohninnenraum zu verbessern.

Die Kammer schließt sich zwar der Auffassung des Beschwerdeführers an, wonach es sich bei der Sonnenblende aus E2 um einen festen Gebäudebestandteil handelt, welcher auf Seite 138, vorletzter Absatz, in E2 als neues Architekturelement hervorgehoben wird. Der Anordnung von Sonnenblenden in den Loggias der E2 als künstlerische Gestaltungselemente Corbusiers liegt zunächst jedoch keine technische Aufgabe zugrunde, denn ob solcherart "sorgfältig ausgedachte" Architektur-Elemente nun das Erscheinungsbild des Gebäudes verbessern, oder nicht, ist für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 im Lichte der E2 ohne Belang. Vielmehr ist, so wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, der Zweck der Sonnenblenden technisch nur in Zusammenhang mit dem klimatischen Standort des Gebäudes von Bedeutung, nämlich inmitten der Hitze Marseilles in Südfrankreich als Sonnenschutz zu dienen (siehe E2; Inhaltsverzeichnis: "138 L'Unité d'habitation à Marseille", und Seite 138, dritte Spalte, dritter und vierter Absatz).

Daher würde der Fachmann, basierend auf seinem allgemeinen Fachwissen über konstruktive Ausbildungen zum Sonnenschutz, die an kühleren Standorten nicht benötigten Sonnenblenden der E2 als triviale Maßnahme zur Verbesserung des Lichteinfalls im Innenraum einfach entfernen, um dadurch naheliegend zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag erfüllt daher nicht die Erfordernisse der erfinderischen Tätigkeit.

3. Änderungen - Hilfsantrag 1

(Artikel 123(2) und (3) EPÜ)

Die einschränkenden Änderungen des Anspruchs 1 beruhen zunächst auf dem Wortlaut der Ansprüche 1 und 3 wie erteilt. Darüber hinaus ist die Änderung, wonach das zweigeschossige Wohnungsteil "doppelt so hoch" ist wie der eingeschossige Wohnungsteil, der Beschreibung des Patents aus Spalte 7, Zeilen 40 bis 42 (vergleiche Anmeldung Spalte 7, Zeilen 43 bis 46, wie veröffentlicht) und den Figuren unmittelbar zu entnehmen. Die Formulierung "etwa" doppelt so hoch in Spalte 5, Zeilen 20 bis 22 des Patents steht hierbei nicht in Widerspruch zu Anspruch 1, da, wie vom Beschwerdeführer argumentiert, durch den Wegfall der Decke der freie Raum eines zweigeschossigen Wohnungsteils stets geringfügig höher ist als zwei durch eine Decke getrennte Räume eingeschossiger Wohnungsteile.

Daher erfüllt Anspruch 1 die Erfordernisse der Artikel 123(2) und (3) EPÜ.

Die Kammer ist zudem der Auffassung, dass mit Nennung bekannter Wohntypologien in Absatz [0005] des Patents, unter anderem der "Unité d'habitation" von Corbusier aus der E2, der Stand der Technik in der Beschreibung hinreichend gewürdigt wurde (Regel 42(1) b) EPÜ).

4. Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 1

(Artikel 56 EPÜ)

Als nächstliegender Stand der Technik wurde von der Beschwerdegegnerin Dokument E2 angesehen. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen unter Punkt 2 zum Hauptantrag, unterscheidet sich auch Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 von E2 durch einen zweigeschossigen Außenraum. Darüber hinaus unterscheidet sich Anspruch 1 nunmehr von E2 auch dadurch, dass jeweils über einem eingeschossigen Wohnungsteil der eingeschossige Wohnungsteil der darüberliegenden Wohnung angeordnet ist, denn, wie z.B. aus der obersten Abbildung auf Seite 145 der E2 ersichtlich, ist dort über dem eingeschossigen Wohnungsteil einer Wohnung stets ein zweigeschossiges Wohnungsteil vorgesehen. Die Neuheit des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurde im übrigen von der Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten.

Wie vom Beschwerdeführer argumentiert, kann ausgehend von E2 diesen unterscheidenden Merkmalen eine verbesserte räumliche Nutzbarkeit, insbesondere in Hinblick auf Lichteinfall und Großzügigkeit des Raumes, zugrunde gelegt werden.

Im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdegegnerin stellt sich ausgehend von E2 die Aufgabe einer wie immer gearteten anderen Anordnung der jeweils zwei ineinandergreifenden Wohnungen im Skelett des Gebäudes der E2 jedoch nicht. Die Kammer folgt der Auffassung des Beschwerdeführers, wonach in E2 die Anbindung eines drei Niveaus umfassenden Wohngeschosses, bestehend aus zwei übereinanderliegenden Wohnungen, über die als zentrales Konstruktionselement beschriebene sogenannte "innere Strasse" nur dann erfolgen kann, wenn die spezielle Art der Staffelung der beiden Wohnungen unverändert bleibt (siehe E2; Seite 144, Gebäudequerschnitt links oben und Text in Spalte 3; Seite 145 oben, Querschnitt durch zwei gestaffelte Wohnungen und deren Zugang von der zentralen "inneren Strasse").

Der Fachmann würde daher, ausgehend von der Lehre der E2, die auf Seite 67 Mitte ("Abbildung 3") der E3 (bzw. Seite 5 rechts unten ("Abbildung 2") der E4) gezeigte Wohnungsanordnung mit jeweils übereinanderliegenden eingeschossigen Wohnungsteilen zur Lösung der gestellten Aufgabe nicht in Betracht ziehen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Da Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, erübrigt sich Hilfsantrag 2.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 6, wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer

- Beschreibung Seiten 2 bis 5 und Figuren 1 bis 14, wie erteilt.

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