European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2010:T096808.20100527 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 Mai 2010 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0968/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01913752.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | D04H 1/46 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung von Verbundvliesstoffen mittels hydrodynamischer Vernadelung | ||||||||
Name des Anmelders: | Fleissner GmbH, et al | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Rieter Perfojet | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - nein | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 13. Januar 2001 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 24. Februar 2000 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 01913752.0 wurde das europäische Patent Nr. 1 266 058 mit 9 Ansprüchen erteilt.
II. Gegen das erteilte Patent wurde, gestützt auf die Einspruchsgründe der Artikel 100 a) und 100 b) EPÜ 1973, Einspruch eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.
Mit ihrer am 5. Mai 2008 zur Post gegebenen Entscheidung widerrief die Einspruchsabteilung das europäische Patent. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Erfindung durch einen Fachmann ausführbar sei, die Gegenstände des Haupt- und des Hilfsantrags jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.
III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 15. Mai 2008 Beschwerde ein und bezahlte am gleichen Tag die Beschwerdegebühr.
Mit ihrer am 28. August 2008 beim Europäischen Patentamt eingegangenen Beschwerdebegründung verfolgte sie auf der Basis eines neuen Hauptantrags ihren Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents weiter.
IV. Die Beschwerdekammer teilte in ihrem Bescheid als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mit, wonach die Beurteilung der Einspruchsabteilung im Hinblick auf Artikel 100 b) EPÜ 1973 sowie auf die Neuheit nicht zu beanstanden sei. Die erfinderische Tätigkeit werde zu diskutieren sein.
V. Am 27. Mai 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in der die folgenden Entgegenhaltungen eine Rolle spielten:
D1: EP-B-0 830 470
D4: EP-A-0 992 338.
Der Anspruch 1 gemäß dem neuen Hauptantrag lautet:
"Verfahren zur Herstellung eines Kompositvlieses zur Aufnahme und Speicherung von Flüssigkeiten oder dergleichen, bestehend aus einem Krempelvlies, das zur Verfestigung behandelt wird, und einer auf das verfestigte Krempelvlies aufgegebenen Zellstoffschicht wie aus Woodpulpfasern, die mit dem Krempelvlies in festen Kontakt gebracht werden, wobei das Krempelvlies vor der Beschichtung mit dem superabsorbierenden Material durch Kalandrieren trocken vorverfestigt und die Schicht aus Zellstofffasern auf dieses vorverfestigte Krempelvlies aufgegeben wird, dass auf diese Zellstofffaserschicht eine dritte Schicht als Deckschicht aus Krempelfasern aufgebracht und alles zusammen zur Verbindung mittels einer hydrodynamischen Vernadelung beaufschlagt wird, dass das Kompositvlies getrocknet wird und dass das getrocknete Kompositvlies erneut kalandriert wird, hier aber mit höherer Energie."
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf der Grundlage der Ansprüche vom 19. August 2008.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Zwar sei es aus D4 bekannt, die Krempelvliesschichten vorzuverfestigen, dies geschehe jedoch zu dem Zweck, diese Schichten aufrollen zu können. Es sei offen, welche Art der Vorverfestigung angewendet werde; Trockenverfestigung durch Kalandrieren sei nicht offenbart.
Das aus D1 bekannte Produkt bestehe aus einer Krempelvliesschicht mit einer darauf angebrachten Pulpschicht. Durch die Wasserstrahlvernadelung entstehe dort ein dreischichtiger Aufbau, nämlich ein Pulp-Pulp-Vlies-Gemenge-Vlies. In einer weiteren Ausführungsform könne eine weitere Vliesschicht vorhanden sein, was dann zu einem vierschichtigen Aufbau führe. Das Endprodukt könne durch Kalanderwalzen noch leicht gepresst werden, jedoch müsse die für den Flüssigkeitstransport wichtige Offenheit der Struktur erhalten werden.
Im Gegensatz zu D1 entstehe beim beanspruchten Verfahren ein symmetrisch aufgebautes Produkt, bei dem die Endverfestigung mit höherer Energie durchgeführt werde als bei der Vorverfestigung des Krempelvlieses, das sich von dem nach D4 erzeugten Produkt grundlegend unterscheide, da in D4 keine Kalandrierung vorgesehen sei. Ausgehend von D4 finde der Fachmann zur Verbesserung des bekannten Produkts deshalb keine geeignete Lösung in D1, die ihn zum Verfahren nach Anspruch 1 führe, denn die Endkalandrierung nach D1 gehe in eine ganz andere als die von D4 aufgezeigte Richtung. Die beanspruchte Lösung beruhe daher auf erfinderischer Tätigkeit.
VII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte, D4 offenbare die Herstellung eines gleichartigen Produkts wie es nach dem Patent erzeugt werde. Auch sei daraus bereits die trockene Vorverfestigung des Krempelvlieses bekannt, bevor die Pulpschicht aufgebracht werde. Kalandrieren sei ein typischer und dem einschlägigen Fachmann geläufiger Verfahrensschritt bei der Herstellung derartiger Faservliese. Beim Verfahren nach D1 werde es zur Vorverfestigung der ersten Krempelvliesschicht eingesetzt, und das Endprodukt werde nochmals kalandriert, um die Oberflächenfaserigkeit und den Griff zu verbessern. Dadurch werde der Fachmann angeregt, dieses Verfahren auch bei der Herstellung des aus D4 bekannten Produkts einzusetzen, so dass er das beanspruchte Verfahren ohne erfinderische Tätigkeit erhalte.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ 1973)
Die Ausführbarkeit der Erfindung wurde von der Einspruchsabteilung zutreffend beurteilt.
3. Änderungen (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ)
Gegen die die Zulässigkeit der vorgenommenen Änderungen, die den Schutzbereich einschränken, bestehen seitens der Kammer keine Bedenken, da die zusätzlichen Merkmale in den Ansprüchen sowie in der Beschreibung im jeweils formulierten Zusammenhang offenbart sind.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)
4.1 Das zweifellos neue Verfahren nach Anspruch 1 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
4.2 Als nächstliegender Stand der Technik ist D4 anzusehen. Dieses Dokument beschreibt ein Verfahren zur Herstellung eines Kompositvlieses, welches als solches die Merkmale des nach dem Patent hergestellten Produktes aufweist. Das beanspruchte Verfahren unterscheidet sich von dem nach D4 durch:
Vorverfestigen des Krempelvlieses durch Kalandrieren.
Endverfestigung des getrockneten Vlieses durch erneutes Kalandrieren mit höherer Energie.
Ausgehend von D4 bleibt die Aufgabe, ein Verfahren zur Herstellung eines preisgünstigen Krempelvlieses mit genügender (Oberflächen-)Festigkeit herzustellen.
4.3 D1 offenbart ein Verfahren zur Herstellung eines Kompositvlieses, welches zur Aufnahme und Speicherung von Flüssigkeiten geeignet ist (Seite 2, Zeilen 5 bis 8). Auf ein Krempelvlies als Trägerschicht wird eine Schicht aus Woodpulpfasern aufgebracht und anschließend hydrodynamisch vernadelt. Die Möglichkeiten des Kalandrierens zur Vorverfestigung während des Verfahrens und als abschließender Verfahrensschritt sind in D1 explizit genannt (Abschnitte [26] und [34]). Dem Fachmann wird somit das Kalandrieren als Alternative zu anderen trockenen Verfestigungsverfahren, wie sie aus D4 bekannt sind, an die Hand gegeben. Da das Kalandrieren an sich bei der Vliesherstellung eine übliche Maßnahme darstellt und nach D1 insbesondere beim fertigen Produkt eine gleichmäßige Oberfläche und einen guten Griff erzeugt (Abschnitt [34]), wendet es der Fachmann als günstige Verfestigungsmethode an und gelang so allein mit seinen fachlichen Fähigkeiten zum Verfahren nach Anspruch 1.
4.4 Ob das nach D1 herstellte Produkt einen symmetrischen Aufbau hat, spielt hierbei keine Rolle, denn dieses Merkmal ist nicht im Anspruch enthalten. Hinzu kommt, dass beim hydrodynamischen Vernadeln nach D4 oder nach dem Patent gleichermaßen Woodpulpfasern in die Trägerschicht aus Krempelfasern transportiert werden dürften, so dass bereichsweise ein Pulp-Vlies-Gemenge vorliegt. Das nach D1 produzierte Vlies hat gegenüber dem nach D4 hergestellten Vlies folglich keinen so unterschiedlichen Aufbau, dass der Fachmann die Lehren von D4 und D1 nicht kombinieren würde.
4.5 Da auch das Verfahren nach Anspruch 1 des neuen Antrags nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, ist die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen, zutreffend.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.