European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2010:T092808.20100505 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 Mai 2010 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0928/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99115850.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65D 71/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Transporteinheit für Dämmstoffplatten | ||||||||
Name des Anmelders: | Deutsche Rockwool Mineralwoll GmbH & Co. OHG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Knauf Insulation GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulassung ins Verfahren des in Artikel 100 c) EPÜ genannten Einspruchsgrunds: ja Änderungen (Haupt- bzw. Hilfsantrag): unzulässig |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das Patent Nr. 0 987 192 Beschwerde eingelegt.
Mit dem Einspruch war das Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ in Kombination mit Artikel 54 EPÜ (mangelnde Neuheit) sowie Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit), im Hinblick auf Artikel 100 b) EPÜ in Kombination mit Artikel 83 EPÜ (unvollständige Offenbarung) und im Hinblick auf Artikel 100 c) EPÜ (unzulässige Änderungen) angegriffen worden.
II. Am 5. Mai 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 987 192.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde oder hilfsweise, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis des während der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag eingereichten Anspruchssatzes.
III. Der geänderte erteilte Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Transporteinheit, bestehend aus einer Anzahl Dämmstoffplatten (2), insbesondere Mineralwolleplatten, vorzugsweise Steinwolleplatten, die zwei parallel zueinander ausgerichtete große Oberflächen (3) aufweisen, welche Oberflächen (3) rechtwinklig an jeweils zwei Längsflächen (4) und jeweils zwei Querflächen (5) anschließen, so dass jede Dämmstoffplatte (2) quaderförmig ausgebildet ist, wobei die Dämmstoffplatten (2) auf einer Trägereinrichtung (7), beispielsweise einer Palette oder dergleichen derart angeordnet sind, dass benachbarte Dämmstoffplatten (2) mit ihren großen Oberflächen (3) aneinander anliegen, dadurch gekennzeichnet, dass die auf der Trägereinrichtung (7) angeordneten Dämmstoffplatten (2) unmittelbar miteinander durch zumindest ein Adhäsion erzeugendes Verbindungselement derart verbunden sind, dass die einzelnen Dämmstoffplatten (2) ohne Beschädigung ihrer Oberflächen (3) voneinander trennbar sind".
Der geänderte Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag lautet wie folgt (Änderung wurde durch die Kammer in Fettdruck gekennzeichnet):
"Transporteinheit, bestehend aus einer Anzahl Dämmstoffplatten (2), insbesondere Mineralwolleplatten, vorzugsweise Steinwolleplatten, die zwei parallel zueinander ausgerichtete große Oberflächen (3) aufweisen, welche Oberflächen (3) rechtwinklig an jeweils zwei Längsflächen (4) und jeweils zwei Querflächen (5) anschließen, so dass jede Dämmstoffplatte (2) quaderförmig ausgebildet ist, wobei die Dämmstoffplatten (2) auf einer Trägereinrichtung (7), beispielsweise einer Palette oder dergleichen derart angeordnet sind, dass benachbarte Dämmstoffplatten (2) mit ihren großen Oberflächen (3) aneinander anliegen, dadurch gekennzeichnet, dass die auf der Trägereinrichtung (7) angeordneten Dämmstoffplatten (2) unmittelbar miteinander durch zumindest ein Adhäsion erzeugendes Verbindungselement derart verbunden sind, dass die einzelnen Dämmstoffplatten (2) ohne die Gebrauchstauglichkeit der Dämmstoffplatten herabsetzende und den optischen Eindruck der Oberfläche beeinträchtigende Beschädigung ihrer Oberflächen (3) voneinander trennbar sind".
IV. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
a) Zulässigkeit des in Artikel 100 c) EPÜ genannten Einspruchsgrunds
Selbst wenn die Einspruchsschrift keine Begründung zu diesem Einspruchsgrund enthält, sei dieser mit dem Schreiben vom 26. Januar 2007 eingeführt. Er sei anschließend in der Entscheidung abgehandelt worden und somit Teil des Verfahrens.
b) Anspruch 1 gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag: Unzulässige Erweiterung - Artikel 100 c) EPÜ
Das Merkmal des Anspruchs 1, wonach die Dämmstoffplatten "unmittelbar" miteinander durch zumindest ein Adhäsion erzeugendes Verbindungselement verbunden seien, sei in der ursprünglich eingereichten Anmeldung weder explizit noch implizit offenbart.
Der Fachmann verstehe die Lehre, zwei Platten "unmittelbar" miteinander zu verbinden, ganz offensichtlich derart, dass die Platten ohne zwischengeschaltete, weitere Elemente unmittelbar gegeneinander anliegen.
Genau dies sei den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen jedoch gerade nicht zu entnehmen. So könne gemäß Zeilen 13 bis 25 der Seite 6 der ursprünglichen Anmeldung ein Trägermaterial in Form einer Polyolefin-Folie, auf die ein Kleber appliziert sei, zwischen den Platten vorgesehen sein.
Auch der die Seiten 4 und 5 überbrückende Absatz der ursprünglichen Anmeldung könne nicht als Offenbarung einer unmittelbaren Verbindung zwischen den benachbarten Dämmstoffplatten angesehen werden.
V. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
a) Zulässigkeit des in Artikel 100 c) EPÜ genannten Einspruchsgrunds
Obwohl im Einspruchsformblatt 2300 u.a. das Kästchen neben dem in Artikel 100 c) EPÜ genannten Einspruchsgrund von der Beschwerdeführerin angekreuzt worden sei, habe sie in ihrem Einspruchsschriftsatz keine Begründung dazu vorgelegt. Erst in ihrem Schriftsatz vom 26. Januar 2007, d.h. zwei Jahre nach Einlegung des Einspruchs und somit eindeutig außerhalb der Einspruchsfrist habe sie zum ersten Mal eine Begründung dazu nachgeliefert.
Da verspätet begründet, sei dieser Einspruchsgrund als neuer Einspruchsgrund zu werten und daher nicht ins Verfahren zuzulassen.
b) Anspruch 1 gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag: Unzulässige Erweiterung - Artikel 100 c) EPÜ
In der ursprünglichen Anmeldung sei angegeben, dass aus dem Stand der Technik bekannte Transporteinheiten für Dämmstoffplatten durch eine die Dämmstoffplatten umgebende Folie oder ein anderes Verbindungselement erfolge, und dass dagegen bei dem Gegenstand der vorliegenden Erfindung auf eine Umhüllung der Dämmstoffplatten verzichtet werden könne, siehe Seite 4, Zeilen 25 bis 30.
Gemäß Seite 5, Zeile 26 bis Seite 6, Zeile 2 der ursprünglichen Anmeldung bestehe daher die erfindungsgemäße Transporteinheit aus einem Stapel Dämmstoffplatten, welche durch partielle Verklebung ihrer Oberflächen miteinander verbunden seien. Alternativ sehe die vorliegende Erfindung vor, dass der Kleber, der weiterhin unmittelbar auf die Oberflächen der Dämmstoffplatten wirke, gemeinsam mit einem Trägermaterial zwischen den Platten angeordnet werde, siehe Seite 6, Zeilen 13 bis 14.
Es sei daher für den Fachmann, obwohl der Begriff "unmittelbar" selbst in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht vorkomme, ohne weiteres aus diesen zu erkennen, dass die Erfindung eine "unmittelbare" Verbindung der einzelnen Dämmstoffplatten zum Gegenstand habe, wobei der Begriff "unmittelbar" eine direkte Verbindung der einzelnen Dämmstoffplatten miteinander anhand eines Klebers beschreibe, während der Stand der Technik eine derartige "unmittelbare" oder "direkte" Verbindung der Dämmstoffplatten nicht vorsehe und zu diesem Zweck ein ergänzendes Material, nämlich eine Folienumhüllung brauche, welche die Dämmstoffplatten umhülle und somit eine "mittelbare" Verbindung der Dämmstoffplatten herstelle.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit des in Artikel 100 c) EPÜ genannten Einspruchsgrunds
Die Einspruchsabteilung hat im Absatz 2.3 ihrer Entscheidung den in Artikel 100 c) EPÜ genannten Einspruchsgrund unter Berücksichtigung der Eingabe des Einsprechenden hierzu abgehandelt. Somit ist dieser Einspruchsgrund spätestens ab diesem Zeitpunkt und zumindest durch die Einspruchsabteilung im Rahmen des Artikels 114 (1) EPÜ ins Verfahren eingeführt worden. Bei dieser Situation erübrigt sich für die Kammer der Frage nachzugehen, ob dieser Einspruchsgrund seitens der Beschwerdeführerin rechtzeitig oder verspätet begründet worden ist.
Der in Artikel 100 c) EPÜ genannte Einspruchsgrund ist somit Teil des Verfahrens, eine Abhandlung der Zulässigkeit dieses Grundes erübrigt sich somit.
2. Anspruch 1 gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag: Unzulässige Erweiterung - Artikel 100 c) EPÜ
2.1 Die Kammer stellt zunächst fest, dass es unstreitig ist, dass das Merkmal der unmittelbaren Verbindung der Dämmstoffplatten den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, und insbesondere dem Anspruch 1 wie eingereicht, expressis-verbis nicht zu entnehmen ist.
2.2 Die Kammer stimmt außerdem mit der Argumentation der Beschwerdeführerin überein, dass der Fachmann den Begriff "unmittelbar", als einen Begriff versteht, welcher eine Verbindung zwischen zwei Gegenständen so bestimmt, dass diese ohne zwischengeschaltete, weitere Elemente miteinander verbunden sind bzw. gegeneinander anliegen.
Durch den Anspruch 1 in der erteilten Fassung wird somit eine Transporteinheit beansprucht, deren Dämmstoffplatten ohne jegliches zwischengeschaltetes Element und somit ohne dazwischen liegenden Klebstoff, mit oder ohne weiteres Trägermaterial, miteinander verbunden sind.
2.3 Wie es die Beschwerdegegnerin selbst eingeräumt hat, ist in der ursprünglichen Anmeldung ausschließlich die Applizierung eines Klebstoffes, entweder ohne oder mit einem Trägermaterial, bzw. einer schmelzbaren Folie, auf den miteinander in Kontakt kommenden Oberflächen zweier benachbarten Dämmstoffplatten offenbart.
Dies stimmt mit einer Transporteinheit mit aufeinander liegenden Dämmstoffplatten ohne die Applizierung eines zwischengeschalteten, weiteren Elementes nicht überein.
Daraus folgert die Kammer, dass die im erteilten Anspruch 1 erfolgte Änderung über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht.
2.4 Der weiteren Argumentation der Beschwerdegegnerin, wonach der Fachmann, anhand der in der ursprünglichen Anmeldung offenbarten Information zum Stand der Technik und zur Erfindung, folienumhüllte Dämmstoffplatten als "mittelbar" miteinander verbundene Dämmstoffplatten und Dämmstoffplatten mit einem dazwischen liegenden Kleber als "unmittelbar" miteinander verbundene Dämmstoffplatten bezeichnen würde, welches somit als Basis für die Einfügung des Begriffes "unmittelbar" vor "miteinander durch zumindest ein Adhäsion erzeugendes Verbindungselement derart verbunden sind" im Anspruch 1 dienen könne, kann die Kammer aus folgenden Gründen nicht nachvollziehen:
Der in den Anspruch 1 neu aufgenommene Begriff "unmittelbar" in Bezug auf die Verbindung zweier benachbarten Dämmstoffplatten ist unstreitig in der ursprünglichen Anmeldung nicht vorhanden, die von der Beschwerdegegnerin vertretene Auffassung müsste somit auf eine implizite Offenbarung zurückzuführen sein, d.h. - in der Annahme zu Gunsten der Beschwerdegegnerin, dass es bei einem folienumhüllten Paket Dämmstoffplatten um eine "mittelbare" Verbindung der Platten miteinander geht - dass es für einen Fachmann eindeutig ist, dass die Verbindung zweier benachbarten Dämmstoffplatten mittels eines dazwischen liegenden Elements gemäß der vorliegenden Erfindung nur durch den Begriff "unmittelbar" bezeichnet werden kann. Dies ist nicht der Fall, denn die Erfindung kann genauso gut damit umschrieben werden, als dass es um eine mittelbare Verbindung zwischen den einzelnen Platten, d.h. nicht - wie im Stand der Technik - außen herum, geht. Weiter fehlt es sonst in der ursprünglich eingereichten Anmeldung an jeglichem Hinweis, dass als "unmittelbare" Verbindung auch eine solche zu bezeichnen ist, bei der die Dämmstoffplatten mit einem dazwischen liegenden Element verbunden sind.
Die Beschwerdegegnerin konnte dazu keinen anderen Teil der ursprünglichen Anmeldung angeben, anders als den Teil, der sich gerade mit der mittelbare Verbindung durch Kleber bzw. Kleber mit Trägermaterial (Seite 4, Zeile 20 bis Seite 5, Zeile 21) befasst.
2.5 Die Kammer bemerkt außerdem, dass bei der Prüfung der Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 100 c) EPÜ nachzugehen ist, ob durch die Änderung der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sich auf Gegenstände erstreckt, die in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht einbegriffen waren.
Im vorliegenden Fall fällt jedoch unter dem Gegenstand des Anspruchs 1 u.a. eine Transporteinheit mit Dämmstoffplatten, bei der benachbarte Dämmstoffplatten ohne jegliches Zwischenelement mit ihren flachen Seiten gegeneinander anliegen und über Klebebänder, welche um die Außenseiten und -kanten verlaufen und auf die zwei von einander abgewandten flachen Seiten der Dämmstoffplatten kleben, miteinander verbunden sind.
Eine solche Transporteinheit ist der ursprünglichen Anmeldung nicht zu entnehmen.
Nachdem der gleiche Begriff "unmittelbar" auch im Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag vorhanden ist und die dort vorgenommene Änderung bzgl. der Vermeidung von Beschädigungen daran nichts ändert, erfüllt aus den o.g. Gründen der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht und trifft somit der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ zu.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.