T 0881/08 () of 28.1.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T088108.20100128
Datum der Entscheidung: 28 Januar 2010
Aktenzeichen: T 0881/08
Anmeldenummer: 02776916.5
IPC-Klasse: C21D 11/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Kühlung von Werkstücken insbesondere von Profilwalzprodukten aus Schienenstählen
Name des Anmelders: SMS Meer GmbH
Name des Einsprechenden: Corus UK Ltd.
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
In der mündlichen Verhandlung überreichte Anträge (abgelehnt)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Im Einspruchsverfahren war das europäische Patent EP-B-1412543 aus den Gründen des Artikels 100 (a) EPÜ (Mangel an Neuheit bzw. an erfinderischer Tätigkeit) von der Einsprechenden angegriffen worden. Außerdem beanstandete die Einsprechende unter Artikel 100 (b) EPÜ, dass das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, damit ein Fachmann sie ausführen kann. Mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 26. Februar 2008 war der Einspruch zurückgewiesen worden.

II. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) am 29. April 2008 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die vorgeschriebene Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 3. Juli 2008 eingereicht.

III. Im Beschwerdeverfahren haben folgende Entgegenhaltungen eine Rolle gespielt:

D1: JP-A-09-227942;

D1a: Übersetzung von D1 ins Englische;

D4: US-A-4 486 248

Außerdem wurde von der Beschwerdeführerin erstmals im Beschwerde verfahren auf die folgenden Druckschriften hingewiesen:

D6: US-A-4 243 441;

D7: S. Jaiswal: "British Steel Track Products Technical Advancements in Rail Steels" Conference Proceedings User-Producer Phase I Railway Track Technology, New Delhi, Inida, 20th -23rd March 1986, UIC Union Internationale des Chemins de fer, Seiten 67 bis 80;

D8: R. W. Cahn: Materials Science and Technology, volume 7, Constitution and Properties of Steels, 1992, VCH Verlagsgesellschaft, ISBN 3-527-26820-0 (Weinheim), Seiten 32 und 418.

IV. Am Ende der am 28. Januar 2010 abgehaltenen mündlichen Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

- Die Beschwerdeführerin beantragte den Widerruf des Patents.

- Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Beschwerde zurückzuweisen oder

das Patent auf der Grundlage der während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1 bzw. 2 aufrechtzuerhalten.

Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Verfahren zur Kühlung von Werkstücken, insbesondere Profilwalzprodukten, aus Schienenstählen mit einem feinperlitischen oder ferritisch/perlitischen Gefüge, wobei das warme Werkstück durch eine Kühlstrecke (1) mit einem Eintritts- (12) und einem Austrittsbereich geführt und einem Abkühlprozeß unterworfen wird und hierbei eine Umwandlung in ein perlitisches oder ferritisch/perlitisches Gefüge durchmacht, wobei

das Werkstück durch die Kühlstrecke, die sich aus einzelnen unabhängigen, über die Länge der Kühlstrecke hintereinander angeordneten Kühlmodulen (2a-e) mit unabhängig einstellbaren Kühlparametern zusammensetzt, geführt wird,

wobei zwischen den Kühlmodulen (2a-e) Zwischenbereiche (5a-e) zur Gefügeentspannung vorhanden sind mit Mitteln zur Ist-Temperaturbestimmung (TIST) des jeweiligen Werkstückes in diesem Zwischenbereich (5a-e), und wobei in Abhängigkeit von der jeweiligen Ist-Temperatur (TIST) des Werkstückes in einem Zwischenbereich (5a-e) die spezifischen Kühlparameter, insbesondere die Kühlintensität, mindestens des jeweils nachfolgenden Kühlmoduls (2b-e) zur Gewährleistung einer definierten Temperatur des Werkstückes während des gesamten Durchlaufs der Kühlstrecke (1) geregelt werden, wobei die definierte Temperatur (TSOLL) des Werkstückes jeweils oberhalb einer kritischen Temperatur, bei der sich bainitische Gefügeanteile bilden, liegt."

V. Die Beschwerdeführerin argumentierte wie folgt:

Druckschrift D4 als nächstkommender Stand der Technik beschreibe - bis auf die Temperaturmessung in den Zwischenbereichen zur Gefügeentspannung und die daraus folgende Regelung der Kühlintensität des nachfolgenden Kühlmoduls - alle Merkmale des beanspruchten Verfahrens. Werde dem Fachmann die Aufgabe gestellt, eine Schiene mit feinperlitischem Gefüge ohne unerwünschte andere Bestandteile wie Bainit mit hoher Treffsicherheit und bei hoher Produktivität einzustellen, so erfordere dies eine genaue Kenntnis und Steuerung des Abkühlvorgangs innerhalb eng begrenzter Temperaturbereiche in den einzelnen Kühlsegmenten. Da eine zuverlässige Temperaturmessung der Schiene beim Durchlaufen der einzelnen Kühleinheiten mit intensiver Kühlung nicht möglich sei, gelänge dies nur, wenn die Temperatur zwischen den einzelnen Kühlsegmenten erfasst und mit Hilfe dieses Messwerts die Kühlintensität in der der Messstelle nachfolgenden Kühleinheit geregelt werde. Die Anordnung einer Vielzahl von Messstellen zur genaueren Regelung eines Verfahrens, im vorliegenden Fall eines Abkühlverfahrens für Eisenbahnschienen, gehöre zu den Grundaufgaben eines Fachmanns der Verfahrenstechnik. Allein schon durch die Anwendung seines allgemeinen Fachwissens auf das in D4 bekannte Verfahren gelange der Fachmann zu der im Streitpatent beschriebenen Optimierung des Kühlvorgangs bei der Herstellung von feinperlitischen Eisenbahnschienen.

Darüber hinaus werde in dem in der Druckschrift D1a beschriebenen Verfahren eine solche Anordnung zur genauen Einhaltung des Abkühlvorgangs bei der Herstellung von feinperlitischen Schienen genutzt. Dabei werde die Schienentemperatur zwischen den einzelnen Kühlblöcken pyrometrisch gemessen und zur Regelung des Kühlvorgangs verwendet.

Das beanspruchte Verfahren beruhe damit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. Die Beschwerdegegnerin argumentierte wie folgt:

Das in D4 beschriebene Verfahren zur Herstellung von Eisenbahnschienen mit feinperlitischem Gefüge enthalte wie das patengemäßen Verfahren mehrere Zonen intensiver Kühlung mit dazwischen angeordneten Bereichen zur Gefügeentspannung, wobei die Schienen temperatur jedoch nur vor dem Eintreten in den ersten Kühlmodul und beim Verlassen der Kühlstrecke gemessen und zur Regelung des gesamten Abkühlvorgangs eingesetzt werde. Anders als im beanspruchten Verfahren erfolge in den Entspannungszonen keine Temperaturmessung und somit auch keine Regelung der Kühlintensität des jeweils nachfolgenden Kühlmoduls. Insofern unterscheide sich das beanspruchte Verfahren grundlegend von dem aus D4 bekannten Verfahren. Im Übrigen erlaube das bekannte Verfahren auch die Herstellung von feinperlitischen Schienen mit Anteilen an Bainit, die beim beanspruchten ausgeschlossen seien. Aus diesem Grund werde in D4 als kritische Grenze die TMartensit-Start Temperatur genannt, im Gegensatz zum beanspruchten Verfahren, bei dem die Temperatur der Schiene während Abkühlung immer oberhalb der Banit-Bildungstemperatur gehalten werden müsse. Ferner gebe die Druckschrift D4 eine in sich geschlossene Lehre, bei deren Kenntnis und Umsetzung in die Praxis der Fachmann keine Veranlassung gehabt habe, an diesem Gesamtkonzept irgendwelche Änderungen vorzunehmen. Deshalb sei es auch nicht nahegelegt, in den Zonen zur Gefügeentspannung zwischen den Kühleinheiten Temperaturmessfühler anzubringen und damit die Kühlintensität des nächsten Kühlmoduls zu regeln. Eine solche Maßnahme könne nur rückschauend, d.h. in Kenntnis der Erfindung, vorgenommen werden.

Auch die Kenntnis des Verfahrens von der D1a könne den Fachmann nicht zu dieser Maßnahme anleiten, denn die D1a betreffe ein kontinuierliches Abkühlverfahren zur Herstellung von Schienen, das gar keine Zonen zur Gefügeentspannung enthalte. Dazu seien die Abstände zwischen den einzelnen Kühlblöcken 2A, 2B und 2C viel zu gering, wie die Figur 1 erkennen lasse. Ferner unterscheide sich das aus der D1a bekannte Verfahren vom Patentgegenstand grundsätzlich dadurch, dass die Regelung des Abkühlvorgangs über die Änderung des Temperatur gradienten während der Abkühlung erfolge und nicht, wie beansprucht, nach einer Bestimmung der tatsächlichen Temperaturen T(ist) und T(soll). Somit führe auch die Zusammenschau der Lehre der Druckschriften D4 und D1a nicht zum beanspruchten Verfahren.

Eine erfinderische Tätigkeit sei beim beanspruchten Verfahren mithin gegeben.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Druckschriften D6 bis D8

Die Druckschriften D6 bis D8 wurden nach Ablauf der Einspruchsfrist erstmals im Beschwerdeverfahren von der Einsprechenden mit Schreiben vom 29. April 2008 vorgelegt. Druckschrift D6, die sich mit der kontinuierlichen Glühung von Stahlband oder -blech beschäftigt, wird von der Kammer nicht als hochrelevant und damit entscheidungswesentlich bewertet. Die Druckschrift D6 wird deshalb nicht im Verfahren zugelassen.

Die Druckschriften D7 und D8 betreffen das allgemeine technische Wissen des auf dem Gebiet der Herstellung von Schienen bewanderten Fachmanns. Gegen die Einführung der Schriften D7 und D8 bestehen seitens der Kammer deshalb keine Einwände.

3. Nächstkommender Stand der Technik:

3.1 Wie das patentgemäße Verfahren betrifft Druckschrift D4 ein Verfahren zur Kühlung von Profilwalzprodukten aus Schienenstahl. Nach Verlassen des Walzwerks durchlaufen die Schienen eine Kühlstrecke und werden einem kontrollierten Abkühlprozess unterworfen, wodurch eine Umwandlung in ein feinperlitisches Gefüge als bevorzugte Struktur erzielt wird (siehe D4, Abstract, Spalte 3, Zeilen 9 bis 26). Aus der D4, Figuren 1 und 2 ist ersichtlich, dass die Kühlstrecke aus mehreren Kühlmodulen aufgebaut ist, wobei jedes Kühlmodul aus einem Kühlsegment (1a, 1b water spray zones) zur intensiven Kühlung des Werkstücks und einen Zwischenbereich (2a, 2b; shroud air zones), welcher der Gefügeentspannung (heat soak back stage) dient, besteht (siehe D4, Spalte 5, Zeilen 7 bis 39, 53 bis 55). Wie beim beanspruchten Verfahren erfolgt in den Zwischenbereichen (D4, Figuren 1 und 2, Zone 2a, 2b, etc) durch die im Inneren des Werkstückes enthaltene Restwärme eine Wiedererwärmung und damit eine Gefügeentspannung der Schiene, wodurch sich ein sägezahnartiger Abkühlverlauf beim Durchlaufen der gesamten Kühleinheit einstellt und sich die gewünschte metallurgische Struktur ausbildet (siehe D4, Figur 4, Spalte 3, Zeilen 29 bis 37). Ein solcher sägezahnartiger Kühlverlauf wird auch durch das beanspruchte Verfahren erreicht (siehe dazu Figuren 2 und 3 des Patents).

Druckschrift D4 bildet damit den nächstkommenden Stand der Technik.

Beim Verfahren nach Druckschrift D4 wird aus der Walzhitze kommend die Temperatur T(ist) der Schiene direkt vor dem Eintritt in das erste Kühlmodul und beim Verlassen der Kühlstrecke erfasst (z.B. durch ein Pyrometer). Auf der Grundlage der Messdaten wird das Kühlverfahren mit Hilfe eines computergesteuerten Überwachungssystems automatisch so geregelt, dass beim Austritt aus der Kühlstrecke die gewünschte konstante Endtemperatur (Tsoll) sicher erreicht wird (siehe D4, Spalte 6, Zeilen 57 bis 63; Spalte 7, Zeile 46 bis Spalte 8, Zeile 29). Dabei kann die Kühlintensität während des Abkühlprozesses durch die gewählte Anzahl an Wasser sprühdüsen, die Wahl der Geschwindigkeit der Schiene beim Durchfahren der Kühlzone oder auch über den veränderbaren Wirkungsgrad der Düsen, z.B. durch größere Zugabemengen an Kühlmedium, wirkungsvoll beeinflusst werden (siehe D4, Spalte 4, Zeile 63 bis Spalte 7, Zeile 9). Das bekannte Verfahren ist dabei so ausgelegt, dass der Schienenkopf so schnell wie möglich auf die gewünschte Kühltemperatur T(soll) gekühlt wird, wobei die Oberflächentemperatur jedoch stets oberhalb der Martensit-Start Temperatur gehalten wird, um unerwünschte Gefügeausbildungen zu verhindern (siehe D4, Spalte 5, Zeilen 13 bis 28).

Das aus D4 bekannte Verfahren weist jedoch keine Mittel zur Temperaturbestimmung (Tist) der Schiene in den Zwischenbereichen 2a und 2b auf, mit deren Hilfe die Kühlintensität in dem jeweils nachfolgenden Kühlmodul (3a) geregelt wird. Die Neuheit des beanspruchen Verfahrens gegenüber der D4 ist damit gegeben.

3.2 Ausgehend von der technischen Lehre von D4 ist die objektive Aufgabe des beanspruchten Verfahrens darin zu sehen, eine verbesserte und genauere Regulierung der Abkühlung der Schiene beim Durchlaufen der einzelnen Kühlmodule zu gewährleisten und auf diese Weise zu vermeiden, dass die Unterkühlung zu hoch wird und sich außer feinstreifigem Perlit unerwünschte bainitische Gefügeanteile bilden.

Die Lösung dieser Aufgabe besteht in der Messung der Schienentemperatur Tist in den Zwischenbereichen zwischen den Kühlmodulen und auf der Grundlage dieses Messwerts die Kühlintensität des nachfolgenden Kühlmoduls zu regeln, so dass eine noch exaktere Temperaturführung während des Abkühlvorgangs ermöglicht wird (siehe dazu die Patentschrift, Absätze [0007] und [0010]).

3.3 Eine solche Vorgehensweise zur Lösung der gestellten Aufgabe ist jedoch für den Fachmann aus den folgenden Gründen naheliegend.

Aus mehreren Stellen der Druckschrift D4 ist erkennbar, dass feinstreifiger Perlit im Schienenkopf die gewünschte Gefügestruktur darstellt, selbst wenn im weiteren Sinn von D4 geringe Gefügeanteile an Bainit toleriert werden (siehe D4, Abstract, fünfte Zeile von unten, Spalte 3, Zeilen 12 bis 19; Spalte 6, Zeile 1 bis 3). Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin wird damit bei dem bekannten Verfahren die gleiche Gefügestruktur wie im beanspruchten Verfahren angestrebt und auch erzeugt. Soll die Bildung von Bainit in jedem Fall ausgeschlossen werden, so ist es für den Fachmann aufgrund seiner Kenntnisse der Umwandlung von Stahl selbstverständlich, dass er beim Abkühlprozess die Temperatur der Schiene immer oberhalb der Bainit-Bildungstemperatur halten muss, auch wenn in D4 als kritische Temperatur die TMartensit-Start genannt wird, die nicht unterschritten werden darf, wie die Beschwerdegegnerin argumentiert. Dieser vermeintliche Unterschied beider Verfahren kann somit keinen erfinderischen Schritt begründen.

Hinsichtlich der Überwachung der Kühl strecke mit Hilfe eines Computerprogramms enthält die D4 bereits ausführliche technische Informationen, wie die Abkühlung der Schienen geregelt werden kann (siehe D4, Beispiel #2: Computer based control system; Spalte 7 und 8). Allerdings weist Druckschrift D4 in Spalte 7, Zeilen 3 bis 7 ausdrücklich darauf hin, dass sich das bekannte Verfahren nicht auf das beispielhafte genannte Überwachungs programm beschränkt, sondern ermutigt den Fachmann für Verfahrens- und Regeltechnik, eigene Prozesssteuerungsprogramme für das bekannte Verfahrens zu entwickeln. Insofern stellt die D4 keine in sich geschlossene Lehre dar, wie die Beschwerdegegnerin argumentiert, sondern motiviert den Fachmann dazu, andere technisch anspruchsvollere Überwachungsprogramme durch Durchführung des Abkühlprozesses in Betracht zu ziehen und anzuwenden.

Wird der Fachmann somit vor die Aufgabe gestellt, zur Bildung von feinstreifigem Perlit als einziger Gefügestruktur in der Schiene die Temperaturführung beim Abkühlen innerhalb einer sehr engen Bandbreite zu halten, so wird er versuchen, die Oberflächentemperatur der Schiene über den gesamten Abkühlverlauf zunächst so genau wie möglich zu messen und dann mit den gewonnenen Parametern die Abkühlung in den einzelnen Kühlmodulen so zu regeln, dass die vorgegebenen Temperaturmaxima und -minima exakt eingehalten werden. Da in den Kühlmodulen mit intensiver Wasserkühlung oder Sprühnebeln eine verlässliche Messung der Oberflächentemperatur nicht vorgenommen werden kann, bleibt nur die Möglichkeit, die Messfühler in den Bereichen ohne Kühlung, d.h. in den Zwischen bereichen, in denen ein thermischer Ausgleich stattfindet, anzubringen und mit den so gewonnenen Daten die Kühlintensität des folgenden Kühlmoduls genau auf das erforderliche Maß zu regeln. Dies bedeutet jedoch nichts anderes als eine Optimierung des bereits in der D4 beschriebenen messtechnischen Verfahrens, bei dem die Oberflächentemperatur der Schiene unmittelbar vor ihrem Eintritt in die Kühlstrecke gemessen und als Parameter zur Regelung der Kühlintensität zumindest im den ersten Kühlmodul verwendet wird. Dieses Prinzip wird in gleicher Weise beim beanspruchten Verfahren auf die einzelnen Kühlmodule ausgedehnt und angewendet. Eine solche Optimierung eines Verfahrens wird - im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdegegnerin - nicht rückschauend erreicht, sondern gehört zum ingenieurmäßigen Handeln und zu den technischen Grundaufgaben eines Fachmanns. Die Ausweitung des in der D4 genannte Mess- und Regelprinzips auf die individuellen Kühlmodule kann deshalb eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

Im Übrigen wurde ein solches Messverfahren bei dem in der Druckschrift D1a beschriebenen Kühlverfahren zur Herstellung von Eisenbahnschienen mit feinperlitischem Gefüge bereits technisch verwirklicht. Auch bei diesem Verfahren besteht das Kühlsystem aus mehreren Kühlblöcken (2A, 2B, 2C), wobei zwischen den einzelnen Kühleinheiten (2A, 2B, 2C) mit Strahlungspyrometern (3) die Oberflächen temperatur der Schiene gemessen und zur Regelung der Kühlintensität in den individuell einstellbaren Kühlblöcken eingesetzt wird (siehe D1a, Figur 1; Absätze [0005] bis [0007; [0010]). Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin ist es dabei für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nebensächlich, dass das aus der D1a bekannte Verfahren statt der Ist-Temperatur die Änderung des Temperaturgradienten (dT/dt) als Regelparameter benutzt und dass die Abkühlung dabei kontinuierlich erfolgt. Entscheidend ist das allgemeine Wissen des Fachmanns, dass eine kontrollierte Abkühlung der Schiene auf eine Temperatur innerhalb eines engen Bereichs nur dann gelingt, wenn die Oberflächen temperatur der Schiene zwischen den einzelnen Kühlblöcken genau erfasst und in Abhängigkeit davon die Kühlintensität in den Kühlblöcken individuell eingestellt wird. Damit würde der Fachmann auch durch die Zusammenschau der technischen Lehren der Druckschriften D4 und D1a in naheliegender Weise zum beanspruchten Verfahren gelangen.

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruht damit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4. Hilfsanträge 1 und 2

4.1 Die Hilfsanträge 1 und 2 wurden von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung überreicht und geltend damit als verspätet eingereicht. Da während des Beschwerdeverfahrens keine neuen Beanstandungen vorgebracht und auch keine neuen Druckschriften in Betracht gezogen wurden, die die Beschwerdegegnerin hätten überraschen können, kann ein solch spätes Vorbringen nicht durch den Verfahrensverlauf gerechtfertigt werden. Auch konnte die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung keine stichhaltigen Gründe für die späte Vorlage der Hilfsanträge 1 und 2 nennen.

4.2 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts liegt es im Ermessen der Beschwerdekammern, verspätet vorgelegte Anträge, die erst in der mündlichen Verhandlung überreicht werden, nicht zu berücksichtigen (siehe Rechtsprechung der BK des EPA, VI.C.4.4.2). Sie können aber beispielsweise zugelassen werden, wenn die Ansprüche eines solchen Antrags prima facie gewährbar erscheinen. Diese Sachlage ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben.

4.3 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ergibt sich aus der Zusammenfassung der erteilten Ansprüche 1 und 3 und enthält das technische Merkmal, dass auf der Grundlage der in einem Zwischenbereich gemessenen Temperatur (Tist) die Kühlparameter des vorangehenden und nachfolgenden Kühlmoduls geregelt werden. Eine solche Maßnahme liegt für den Fachmann aus den oben genannten Gründen jedoch auf der Hand, wenn er den Abkühlvorgang innerhalb enger Temperaturgrenzen kontrollieren und regeln will.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ergibt sich aus den erteilten Ansprüchen 1 und 6 und enthält das zusätzliche technische Merkmal, dass die Kühlintensität in den Kühlmodulen durch eine Temperaturregelung des Kühlmediums erreicht wird.

Bereits in Druckschrift D4, Spalte 2, Zeilen 25 bis 27, wird aber schon auf die in Fachkreisen bekannte Tatsache hingewiesen, dass der direkte Einsatz von kaltem Wasser (unheated water) zur Überkühlung der Oberflächenbereiche (Abschrecken) der Schiene und damit zur Martensitbildung führen kann. Bei der Kenntnis dieser Zusammenhänge ist die Verwendung von temperierten Kühlmedien zum Vermeiden unerwünschter Gefügebestandteile aus Martensit oder Bainit somit für den Fachmann selbstverständlich.

Damit enthält der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 keine technischen Merkmale, die zu einer anderen als der vorliegenden Entscheidung hätten führen können. Aus diesen Gründen wurde Zulassung der während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 abgelehnt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Das Patent wird widerrufen.

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