T 0617/08 () of 15.9.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T061708.20100915
Datum der Entscheidung: 15 September 2010
Aktenzeichen: T 0617/08
Anmeldenummer: 02025975.0
IPC-Klasse: B60H 1/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Temperaturgesteuertes Kraftstoffventil, insbesondere für einen kraftstoffbetriebenen Heizbrenner eines Fahrzeugheizsystems
Name des Anmelders: J. Eberspächer GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Webasto AG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 15(3)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 15(5)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 15(6)
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 113(1)
Schlagwörter: Entscheidung trotz Nichterscheinen einer Beteiligten (ja)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 1 334 853 wurde mit der am 29. Januar 2008 zur Post gegebenen Entscheidung von der Einspruchsabteilung in geänderter Fassung aufrechterhalten. Dagegen wurde von der Einsprechenden am 26. März 2008 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr gezahlt. Die Beschwerdebegründung wurde am 15. Mai 2008 eingereicht.

II. Es wurde am 15. September 2010 mündlich verhandelt. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) nahm an der mündlichen Verhandlung nicht teil, wie mit Schreiben vom 14. Juni 2010 bereits angekündigt. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) nahm sämtliche Anträge zurück und reichte einen neuen einzigen Antrag ein. Der Vorsitzende stellte fest, dass die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents schriftlich beantragt hatte. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage ihres einzigen Antrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung.

Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Temperaturgesteuertes Kraftstoffventil für einen kraftstoffbetriebenen Heizbrenner eines Fahrzeugheizsystems mit wenigstens einem in Abhängigkeit von einer Temperatur im Bereich des Heizbrenners (30) verstellbaren Ventilorgan (40) und einem Ventilkörper (38) in dem ein mit einem Zuleitungsbereich (20) in Verbindung bringbarer erster Strömungswegbereich (54) vorgesehen ist, welcher zu einem Leitungsbereich (24) und über einen zweiten Strömungswegbereich zu einem weiteren Leitungsbereich (32) führt,

wobei das Ventilorgan (40) bei einer ersten Temperatur den ersten Strömungswegbereich (54) abschließt und bei einer über der ersten Temperatur liegenden zweiten Temperatur den ersten Strömungswegbereich (54) freigibt, um den ersten Strömungswegbereich (54) mit dem Zuleitungsbereich (20) in Verbindung zu bringen, wobei der dem ersten Strömungswegbereich (54) zugeordnete Leitungsbereich (24) ein erster Ableitungsbereich (24) und der dem zweiten Strömungswegbereich (58) zugeordnete Leitungsbereich (32) ein zweiter Ableitungsbereich (32) ist,

das Ventilorgan (40) bei der zweiten Temperatur den zweiten Strömungswegbereich (58) freigibt und

das Ventilorgan (40) bei einer über der zweiten Temperatur liegenden dritten Temperatur den zweiten Strömungswegbereich (58) abschließt und den ersten Strömungswegbereich (54) freigibt."

III. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich vorgebracht, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung (siehe Entscheidungsgründe unter Punkt 3 bzgl. der Unterschiede zum vorliegenden Anspruch 1) im Hinblick auf D3 (US-A-4 450 868) nicht neu sei. Speziell seien sämtliche konstruktive Merkmale des beanspruchten Ventils aus D3 bekannt, und die eine Verwendungsangabe beinhaltende Bezeichnung "Kraftstoffventil" im Anspruch 1 könne keinen Unterschied zu D3 implizieren. Es möge zwar zutreffen, dass D3 ausschließlich ein Ventil für einen Sonnenkollektor offenbare. Jedoch werde in D3 ein Ventil in seiner allgemeinsten Form beansprucht, ohne irgendeine Beschränkung auf nur bestimmte durchleitbare Medien. In Spalte 5, Zeilen 57 bis 59 gebe D3 explizit an, dass als Arbeitsmedium auch andere Fluide als Wasser in Betracht kämen. Folglich sei gemäß ständiger Rechtsprechung der Kammern zu prüfen, ob das in D3 gezeigte Ventil zur Verwendung mit Kraftstoff geeignet sei. Dies sei anscheinend der Fall, da z.B. auch Pflanzenöl als Kraftstoff verwendet werden könne. Es sei auch nicht ersichtlich, wieso die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung die Durchführung einiger Änderungen am Ventil von D3, bei der Verwendung desselben als Kraftstoffventil, als notwendig angesehen habe. Insbesondere brauche weder der Anschluss 42 noch der Anschluss 20 verschlossen zu werden, da der erste als Rücklauf zum Kraftstofftank verwendet werden könne und der zweite durch das Rückschlagventil 132 bereits verschlossen sei. Somit sei das aus D3 bekannte Ventil ohne Änderungen als Kraftstoffventil einsetzbar und hiermit fehle es dem Anspruchsgegenstand an der notwendigen Neuheit.

Der beanspruchte Gegenstand sei jedenfalls im Hinblick auf D3 bzw. auf D3 und D1 (US-A-4 437 830) ohnehin nicht erfinderisch. Die Verwendung des aus D3 bekannten Ventils als Kraftstoffventil beinhalte keine erfinderische Tätigkeit, da der Fachmann in naheliegender Weise neue Verwendungen für das Ventil von D3 suchen werde. Aber auch ausgehend von D1 sei es naheliegend, das aus D3 bekannte Ventil als Kraftstoffventil einzusetzen. Der Fachmann stehe vor der Aufgabe, das teilweise manuell zu bedienende Ventil von D1 durch ein vollautomatisches Ventil zu ersetzen, und werde dabei die Mehrwegeventile betreffende Patentliteratur studieren, und dabei auf D3 stoßen, insbesondere da es sich bei dem zu ersetzenden Ventil wie auch bei dem Ventil gemäß D3 um ein temperaturgesteuertes Ventil handle. Der Fachmann werde auch die Anschlüsse 28, 30 und 18 des Ventils von D3 problemlos als gleichwertig mit den entsprechenden Anschlüssen des Ventils von D1 betrachten, und den Anschluss 42 von D3 als äquivalent zum Anschluss 19 von D1. Somit sei die Verwendung des aus D3 bekannten Ventils als Kraftstoffventil nahegelegt.

IV. Die Beschwerdegegnerin legte dar, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu sei. Das bekannte Ventil von D3 könne aus mehreren Gründen nicht als Kraftstoffventil eingesetzt werden. Insbesondere könne dabei der Kraftstoff aus den Ableitungsbereichen 20 und 42 des Ventils zurückfließen und nach außen gelangen. Weiterhin differenziere die Offenbarung von D3, im Unterschied zum Anspruch 1, lediglich zwischen zwei Temperaturen. In der Figur 3 von D3 sei eine Zwischenstellung des Ventils dargestellt, die keinem definiert einstellbaren Betriebszustand des Ventils bei einer bestimmten vorgegebenen Temperatur entspreche, wie es dagegen bei der im Anspruch definierten zweiten Temperatur der Fall sei.

Der Anspruchsgegenstand weise im Hinblick auf D1 und D3 auch eine erfinderische Tätigkeit auf. Der Fachmann habe, ausgehend von D3, keinen Grund und keine Veranlassung, die durch den Gegenstand des Anspruchs 1 definierten Ableitungsbereiche mit den Leitungsbereichen 28 und 30 des Ventils von D3 gleichzusetzen. Weiterhin liege dies für den Fachmann auch deswegen nicht nahe, weil dann der Kraftstoff, wie bereits vorgetragen, durch die weiteren Ableitungsbereiche 20 und 42 nach außen gelange. Schließlich sei auch das Vorsehen einer Betriebsstellung des Ventils bei einer zweiten, über der ersten Temperatur liegenden Temperatur in D3 nicht offenbart und eine solche werde durch D3 auch nicht nahegelegt. Ausgehend von D1 sei im Hinblick auf D3 aus den genannten Gründen der Anspruchsgegenstand ebenfalls nicht naheliegend.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die ordnungsgemäß geladene Beschwerdeführerin war in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend. Gemäß Art. 15 (3) VOBK wurde das schriftliche Vorbringen der Beschwerdeführerin berücksichtigt. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer ihre Entscheidung, da die Sache entscheidungsreif war (Art. 15 (5), (6) VOBK) und die Abwesenheit der Beschwerdeführerin kein Grund war, die Entscheidung aufzuschieben (Art. 15 (3) VOBK).

3. Die Kammer hat den neuen, in der mündlichen Verhandlung vorgelegten einzigen Antrag der Beschwerdegegnerin trotz des späten Vorlegens und der Abwesenheit der Beschwerdeführerin zugelassen. Dies aus dem Grunde, dass die hinzugefügten Merkmale, wonach das Kraftstoffventil "für einen Kraftstoffbetriebenen Heizbrenner eines Fahrzeugsystems" konzipiert ist und das Ventilorgan in Abhängigkeit von einer Temperatur "im Bereich des Heizbrenners" verstellbar ist, bereits im ursprünglich eingereichten Anspruch 1 enthalten waren und lediglich eine weitere Präzisierung hinsichtlich der beanspruchten Verwendung (siehe Absatz [0001] sowie Anspruch 8 des Streitpatents) darstellen. Somit werfen die vorgenommenen Änderungen keine neuen Fragen auf, zu deren Behandlung eine neue Verhandlung notwendig gewesen wäre, und zudem können diese Änderungen auch für die Beschwerdeführerin nicht überraschend sein. Folglich standen insbesondere Art. 13 VOBK und Art. 113 (1) EPÜ 1973 der Zulassung des neuen Antrags der Beschwerdegegnerin zum Verfahren nicht entgegen.

4. Der Anspruch 1 gemäß der vorliegenden geänderten Fassung erfüllt die Kriterien von Art. 123 (2) EPÜ. Insbesondere sind die aufgenommenen Merkmale durch Absatz [0001], Anspruch 9 und Anspruch 2 der veröffentlichten, ursprünglich eingereichten Anmeldung gestützt.

5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist im Hinblick auf D3 neu (Art. 54(1) EPÜ 1973). Das temperaturgesteuerte Ventil von D3 besitzt bei der im vorliegenden Anspruch 1 angegebenen zweiten Temperatur, die zwischen der ersten, tieferen und der dritten, höheren Temperatur liegt, keinen stabilen, dauerhaften Betriebszustand. Dieses Ventil soll nämlich bei Erreichen von Umgebungstemperaturen in der Nähe des Gefrierpunktes die Flüssigkeit aus den Rohrleitungen des Sonnenkollektors ablassen (Spalte 1, Zeilen 40-49; Spalte 3, Zeilen 28-34). Hierfür ist ein Sensor vorgesehen, welcher bei Erreichen der Gefriertemperatur den Strom durch einen an einem thermostatischen Dehnungselement angebrachten elektrischen Widerstand abschaltet, womit ein mit dem Dehnungselement verbundenen Stellelement das Ventilorgan durch eine Zwischenstellung (D3, Figur 3) hindurch in Richtung der Schließstellung hin bewegt, in der die Zulaufleitung geschlossen ist und beide Ableitungsbereiche oder Strömungswegbereiche mit dem Abfluss verbunden sind (D3, Spalte 9, Zeilen 15-66). Die Zwischenstellung definiert hiermit eine temporäre Stellung des Ventilorgans, bei einer zwischen der dritten (eingeschalteter Heizungswiderstand) und der ersten (abgeschalteter und abgekühlter Heizungswiderstand) Temperatur liegenden zweiten Temperatur. Allerdings ist diese keine stabile, dauerhafte Betriebsstellung des Ventilorgans, sondern eben nur eine momentane, während eines Teils der Bewegung des Ventilorgans bestehende Stellung, die nicht während eines kontrollierbar langen Zeitintervalls, sondern nur solange eingenommen wird, bis sich der Heizungswiderstand und das thermostatische Dehnungselement hinreichend abgekühlt haben. Im Gegensatz dazu handelt es sich beim Anspruch 1 um ein Kraftstoffventil, dessen Einsatz in einem kraftstoffbetriebenen Heizbrenner bei allen drei Temperaturen notwendig steuerbare, stabile und dauerhafte Betriebszustände voraussetzt, wie dies insbesondere aus der gesamten Offenbarung der Patentschrift hervorgeht (siehe z.B. Absätze [0025], [0026]). Zudem ist wegen der zusätzlich zahlreich vorhandenen Drosselstellen (D3, Figur 3, Bezugszeichen 88, 98, 62) auch fraglich, ob in dieser Zwischenstellung der zweite Strömungswegbereich 30 des Ventils in gleicher Weise wie der Strömungswegbereich 28 ebenfalls der Zuleitung von Kraftstoff zum Heizbrenner dienen könnte.

Insgesamt ist also das Ventil von D3 nicht zur Verwendung als Kraftstoffventil in einem Heizbrenner geeignet, weil die Merkmale, wonach "das Ventilorgan bei einer über der ersten Temperatur liegenden zweiten Temperatur den ersten Strömungswegbereich freigibt" und "das Ventilorgan bei der zweiten Temperatur den zweiten Strömungswegbereich freigibt" im Sinne einer Eignung des Ventils als Kraftstoffventil in einem Heizbrenner nicht aus dem Ventil von D3 hervorgehen.

6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 weist auch eine erfinderische Tätigkeit auf. Der Fachmann hat ausgehend von D1 keinen Grund und keine Veranlassung, das bekannte Ventil derart umzugestalten, dass bei einer zweiten, zwischen der ersten und der dritten liegenden Temperatur beide Strömungswegbereiche freigegeben werden. Dieses Merkmal (siehe auch Punkt 3) ist nämlich erfindungsgemäß notwendig, um nach der Startphase des Heizbrenners, bei eingestellter Bestromung des Glühzündstifts und einer normalen, unterhalb der Temperatur des Glühzündstifts in der Startphase liegenden Betriebstemperatur den Kraftstoff gleichzeitig an zwei verschiedenen Stellen der Brennkammer zuzuleiten. Das besagte Merkmal verwirklicht somit erfindungsgemäß unmittelbar die Lösung der gestellten Aufgabe, eine Verbesserung der Verbrennungsqualität in einem Heizbrenner zu erzielen. Das Dokument D1 offenbart aber weder die Aufgabe der Erfindung noch gibt es irgendwelche Hinweise in Richtung der beanspruchten Lösung. Schließlich sind weder aus D3 noch aus dem weiter vorliegenden Stand der Technik Hinweise für die beanspruchte Lösung zu entnehmen.

Aus denselben Gründen würde der Fachmann für Kraftstoffventile, selbst wenn er von dem aus einem technisch fremden Fachbereich stammenden Dokument D3 ausgehen würde, nicht zum beanspruchten Gegenstand gelangen. Insbesondere offenbart D3, welches ein Ventil für einen Sonnenkollektor offenbart, weder die vorliegend gestellte Aufgabe noch enthält es Hinweise zu deren Lösung (siehe Punkt 3). Insgesamt beruht somit der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ 1973).

Die abhängigen Ansprüche bleiben mit Ausnahme der Änderung der Rückbeziehung unverändert und erfüllen auch im Hinblick auf die obigen Ausführungen die Erfordernisse des Europäischen Patentübereinkommens.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Fassung mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche Nr. 1 bis 9, eingereicht in der mündlichen Verhandlung

- geänderte Beschreibung, eingereicht in der mündlichen Verhandlung

- Zeichnungen wie erteilt.

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