T 0569/08 () of 29.10.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T056908.20121029
Datum der Entscheidung: 29 October 2012
Aktenzeichen: T 0569/08
Anmeldenummer: 98122737.4
IPC-Klasse: H04N 7/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Übertragung von Videodaten mit Mobilfunkgeräten
Name des Anmelders: IPCom GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung - Haupt- und Hilfsantrag I (ja)
Zulässigkeit von Anträgen - Hilfsanträge II und III (nein)
Orientierungssatz:

Auch eine Kombination ursprünglich eingereichter Ansprüche kann im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt bleiben (siehe Abschnitte 4 bis 6)

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Prüfungsabteilung hat die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 98122737.4 damit begründet, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß den damals vorliegenden Anträgen nicht den Anforderungen des Artikels 123(2) EPÜ entspreche.

II. Mit der Beschwerdebegründung hat der Beschwerdeführer beantragt, ein Patent auf der Grundlage des der Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrags zu erteilen.

III. In der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung hat die Kammer unter anderem Zweifel geäußert, ob die Ausführung eines Verfahrens mit den die Zuordnung eines physikalischen Datenkanals betreffenden Schritten gemäß Anspruch 1 unmittelbar und eindeutig ursprünglich offenbart sei.

IV. Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2012 hat der Beschwerdeführer Anspruchsätze gemäß einem Hauptantrag und gemäß Hilfsanträgen I bis III eingereicht.

V. In der mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 2012 hat die Kammer insbesondere die Bedeutung und ursprüngliche Offenbarung der Änderungen in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag I sowie die Zulässigkeit der Hilfsanträge II und III mit dem Beschwerdeführer erörtert.

VI. Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent in der im Schriftsatz vom 1. Oktober 2012 angegebenen Fassung (Hauptantrag und Hilfsanträge I bis III) zu erteilen und hilfsweise die Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.

VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Verfahren zur Übertragung von Daten mit Mobilfunkgeräten (1, 15), wobei die Daten in einem Mobilfunkgerät (1) codiert werden, dadurch gekennzeichnet, dass zur Übertragung der Daten ein physikalischer Datenkanal (10, 30, 60) von mehreren zur Verfügung stehenden Datenkanälen unterschiedlicher Datenrate zugeordnet wird, wobei derjenige physikalische Datenkanal (10, 30, 60) für die Übertragung der Daten zugeordnet wird, dessen Datenrate zur Datenrate der codierten Daten nächstliegend ist, dass die Datenrate der codierten Daten an die Datenrate des der Übertragung der Daten zugeordneten physikalischen Datenkanals (10, 30, 60) angepasst wird und dass die codierten Daten mit der angepassten Datenrate in dem zugeordneten physikalischen Datenkanal (10, 30, 60) vom Mobilfunkgerät (1) an eine Zielstation (15, 20) adressiert abgestrahlt werden."

VIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I lautet:

"Verfahren zur Übertragung von Videodaten mit Mobilfunkgeräten (1, 15), wobei die Daten in einem Mobilfunkgerät (1) quellcodiert und kanalcodiert werden, dadurch gekennzeichnet, dass zur Übertragung der Videodaten ein physikalischer Datenkanal (10, 30, 60) von mehreren zur Verfügung stehenden Datenkanälen unterschiedlicher Datenrate zugeordnet wird, wobei derjenige physikalische Datenkanal (10, 30, 60) für die Übertragung der Videodaten zugeordnet wird, dessen Datenrate zur Datenrate der kanalcodierten Videodaten nächstliegend ist, dass die Datenrate der kanalcodierten Videodaten an die Datenrate des der Übertragung der Daten zugeordneten physikalischen Datenkanals (10, 30, 60) angepasst wird und dass die kanalcodierten Videodaten mit der angepassten Datenrate in dem zugeordneten physikalischen Datenkanal (10, 30, 60) vom Mobilfunkgerät (1) an eine Zielstation (15, 20) adressiert abgestrahlt werden."

IX. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II lautet:

"Verfahren zur Übertragung von Videodaten mit Mobilfunkgeräten (1, 15), wobei die Videodaten in einem Mobilfunkgerät (1) komprimiert und anschließend codiert werden, wobei die Datenrate der codierten Videodaten an die Datenrate eines der Übertragung der Videodaten zugeordneten ersten physikalischen Datenkanals (10) angepasst wird und wobei die codierten Videodaten mit der angepassten Datenrate in dem ersten physikalischen Datenkanal (10) vom Mobilfunkgerät (1) an eine zweite Zielstation (20) eines Festnetzes (45) adressiert abgestrahlt werden, wobei die Videodaten in dem ersten physikalischen Datenkanal (10) von einer Basisstation (25) empfangen werden, wobei die Videodaten von der Basisstation (25) über eine Datenleitung (40) an das Festnetz (45) übertragen werden, wobei die Videodaten über das Festnetz (45) an die zweite Zielstation (20) übertragen werden und wobei im Mobilfunkgerät (1, 15) die Datenrate der komprimierten Videodaten an die Datenrate des Festnetzes (45) angepasst wird."

X. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III lautet:

"Verfahren zur Übertragung von Videodaten und Audiodaten mit Mobilfunkgeräten (1, 15), dadurch gekennzeichnet, dass die Videodaten und die Audiodaten in einem Mobilfunkgerät (1) codiert werden, dass die Datenrate der codierten Videodaten an die Datenrate eines der Übertragung der Videodaten zugeordneten ersten physikalischen Datenkanals (10) angepasst wird, dass die Datenrate der codierten Audiodaten an die Datenrate eines der Übertragung der Audiodaten zugeordneten zweiten physikalischen Datenkanals (30) angepasst wird, dass die codierten Videodaten mit der angepassten Datenrate in dem ersten physikalischen Datenkanal (10) und die codierten Audiodaten mit der angepassten Datenrate in dem zweiten physikalischen Datenkanal (30) vom Mobilfunkgerät (1) an eine Zielstation (20) eines Festnetzes adressiert abgestrahlt werden, dass die Videodaten in dem ersten physikalischen Datenkanal (10) und die Audiodaten in dem zweiten physikalischen Datenkanal (30) von einer Basisstation (25) empfangen werden, dass die Audiodaten für eine Übertragung im Festnetz (45) transcodiert werden, dass die transcodierten Audiodaten mit den Videodaten in einen gemeinsamen Datenbitstrom gemultiplext und über eine Datenleitung (40) an das Festnetz (45) weitergeleitet werden, und dass der Datenbitstrom über das Festnetz (45) an die Zielstation (20) übertragen wird."

XI. Die Begründung in der angefochtenen Entscheidung kann wie folgt zusammengefasst werden:

Die folgende Kombination von Merkmalen nach Anspruch 1 geht nicht unmittelbar und eindeutig aus dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hervor und stellt daher eine unzulässige Erweiterung des Offenbarungsgehaltes dar:

a) Verfahren zur Übertragung von Daten,

b) in dem die erforderliche Datenrate zur Übertragung der codierten Daten ermittelt wird, und

c) zur Übertragung der Daten derjenige physikalische Datenkanal von mehreren zur Verfügung stehenden Datenkanälen unterschiedlicher Datenrate zugeordnet wird, dessen Datenrate zur ermittelten Datenrate nächstliegend ist.

Die Ermittlung der erforderlichen Datenrate und die Auswahl eines physikalischen Datenkanals in Abhängigkeit der ermittelten erforderlichen Datenrate sind zwar in der ursprünglichen Anmeldung erwähnt, aber nicht im Rahmen eines operationellen Verfahrens, das heißt nicht als Verfahrensschritte eines Verfahrens, das eingesetzt wird während der Datenübertragung, also während des Betriebs des Mobilfunkgerätes.

XII. Bezüglich der Offenbarung in den ursprünglich eingereichten Unterlagen argumentiert der Beschwerdeführer wie folgt:

Der Schritt des Ermittelns der erforderlichen Datenrate wurde gestrichen. Der Schritt des Zuordnens und der Auswahl eines physikalischen Datenkanals in Abhängigkeit einer (erforderlichen) Datenrate im laufenden Betrieb vor der Übertragung ist den folgenden Stellen zu entnehmen:

- Der ursprüngliche Anspruch 1 umfasst die Anpassung der Datenrate der codierten Videodaten an die Datenrate eines der Übertragung der Videodaten zugeordneten physikalischen Datenkanals.

- Figur 5 und die entsprechende Beschreibung offenbaren getrennte, sich nicht überlappende physikalische Datenkanäle für Video, Audio und weitere Datendienste. Die Datenrate steht vorher nicht fest. Datenkanäle mit unterschiedlichen Datenraten (zum Beispiel 64 und 128 kBit/s für Videodaten, oder 16 und 32 kBit/s für Audiodaten) stehen zur Verfügung, aus denen dann ein Datenkanal ausgewählt wird (Seite 6, Zeile 33 bis Seite 7, Zeile 7 und Seite 9, Zeilen 22 bis 33). In analoger Weise gilt für Datendienste, dass die Datenrate von der gewählten Datenanwendung abhängt (Seite 10, Zeilen 25 bis 29).

- Ein physikalischer Datenkanal wird von mehreren zur Verfügung stehenden Datenkanälen unterschiedlicher Datenrate für die Übertragung der Daten zugeordnet, beispielsweise durch Definition eines generischen Trägerdienstes gemäß der UMTS Spezifikation (Seite 1, Zeilen 20 bis 31). Die Übertragungsrate des Datenkanals hängt von der Zielstation ab, kann bis maximal 2 MBit/s gewählt werden, aber muss nicht so hoch ausfallen, und kann angepasst werden (Seite 19, Zeile 32 bis Seite 20, Zeile 7).

XIII. Bezüglich der Zulässigkeit der Hilfsanträge II und III argumentiert der Beschwerdeführer wie folgt:

Im Beschwerdeverfahren müsste es möglich sein, nicht nur formale Probleme, etwa Klarheitsprobleme, durch Änderungen zu beheben, sondern auch den beanspruchten Gegenstand substantiell zu ändern, um substantiellen Einwänden zu begegnen.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II ergibt sich aus der Kombination von Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche mit Merkmalen aus der Beschreibung (Seite 20, Zeilen 1 bis 10). Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III ergibt sich allein aus der Kombination von Merkmalen der ursprünglichen und recherchierten Ansprüche 1, 2, 4 und 6, welche die Prüfungsabteilung hätte prüfen können.

Die Änderungen, insbesondere die Streichung der von der Kammer als nicht offenbart angesehenen Merkmale (im folgenden als M3+M4 bezeichnet), sind als eine legitime Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer anzusehen.

Eine Verschiebung des beanspruchten Gegenstands liegt nicht vor, da die wesentlichen Merkmale der Zuordnung eines physikalischen Datenkanals und der Anpassung der Datenrate weiterhin beansprucht sind.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1 Der beanstandete Verfahrenschritt bezüglich der Ermittlung einer erforderlichen Datenrate (Merkmal b) im obigen Punkt XI) wurde ersatzlos gestrichen. Jedoch sind durch weitere Änderungen des ursprünglichen Anspruchs 1 Merkmale des beanspruchten Verfahrens hinzugekommen, insbesondere die Merkmalkombination:

"dass zur Übertragung der Daten ein physikalischer Datenkanal (10, 30, 60) von mehreren zur Verfügung stehenden Datenkanälen unterschiedlicher Datenrate zugeordnet wird" (nachfolgend Merkmal M3) und

"wobei derjenige physikalische Datenkanal (10, 30, 60) für die Übertragung der Daten zugeordnet wird, dessen Datenrate zur Datenrate der codierten Daten nächstliegend ist" (nachfolgend Merkmal M4).

Die Merkmalkombination M3+M4 entspricht der in der angefochtenen Entscheidung als nicht offenbart angesehenen Kombination der Merkmale a) und c), indem sie die Auswahl und Zuordnung eines physikalischen Datenkanals in Abhängigkeit einer (erforderlichen oder erwünschten) Datenrate impliziert (Merkmal c)), und zwar im Rahmen eines Verfahrens zur Übertragung von Daten (Merkmal a)). Das wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

2.2 Die ursprüngliche Anmeldung offenbart eine Mehrzahl physikalischer Datenkanäle. Figur 5 und die entsprechende Beschreibung offenbaren mehrere, sich nicht überlappende physikalische Datenkanäle. Zur Verfügung steht allerdings ein einziger physikalischer Datenkanal (10) für vom Mobilfunkgerät abgestrahlte Videodaten (Seite 9, Zeile 35 bis Seite 10, Zeile 10). Eine Anpassung der Bandbreite oder Datenrate dieses Datenkanals wird an dieser Stelle nicht erwähnt.

2.3 Ferner offenbart die Anmeldung, dass zur Verfügung stehende Datenkanäle üblicherweise Datenraten von 2**(n)kBit/s aufweisen, zum Beispiel 64 oder 128 kBit/s für Videodaten. Die nächstliegende Datenrate, 64 kBit/s im beschriebenen Beispiel, wird für den physikalischen Datenkanal gewählt (Seite 6, Zeile 35 bis Seite 7, Zeile 7 und Seite 7, Zeilen 14 bis 21). Die Beschreibung offenbart ebenfalls, dass die Datenrate für die Übertragung von gewählten Datenanwendungen abhängt (Seite 10, Zeilen 25 bis 29). Aus der Anmeldung geht jedoch nicht eindeutig hervor, ob die Datenrate im Rahmen des "Verfahrens zur Übertragung von Daten", mit anderen Worten während des Betriebs des Mobilfunkgeräts, angepasst oder gewählt wird, oder ob die Wahl der Datenrate zu den Überlegungen beim Entwurf des Übertragungssystems oder zur Anpassung an einen gegebenen physikalischen Datenkanal gehört. In den letztgenannten Fällen stünde im Verfahren nach Anspruch 1 ein physikalischer Datenkanal mit einer vor dem Beginn des beanspruchten Verfahrens (vor dem Betrieb) festgelegten Datenrate zur Verfügung.

2.4 Die Offenbarung verweist zwar auch auf Merkmale des UMTS-Standards, insbesondere die Möglichkeit, einen Kanal entsprechend den Anforderungen eines Benutzers zu definieren (Seite 1, Zeilen 20 bis 31), oder eine Datenrate im Mobilfunkgerät an externe technische Umstände anzupassen, zum Beispiel auf 20 kBit/s zu beschränken (Seite 19, Zeilen 32 bis 35 und Seite 20, Zeilen 1 bis 7). Dem Fachmann war außerdem allgemein bekannt, dass generische Trägerdienste während des Betriebs eines UMTS-Mobilfunkgeräts verhandelbar sind. Ein Zusammenhang zwischen generischen UMTS-Trägerdiensten und der Zuordnung eines von mehreren zur Verfügung stehenden physikalischen Datenkanälen unterschiedlicher Datenrate ist aber weder aus der Anmeldung eindeutig erkennbar noch vom Beschwerdeführer als allgemein bekannt dargelegt worden.

2.5 Zusammenfassend ergibt sich daher, dass das Verfahren zur Übertragung von Daten mit der Merkmalkombination M3+M4 aus den ursprünglich eingerechten Anmeldungsunterlagen nicht unmittelbar und eindeutig hervorgeht. Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 verstößt somit gegen Artikel 123(2) EPÜ.

2.6 Daher ist der Hauptantrag nicht gewährbar.

3. Hilfsantrag I

3.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I betrifft ebenfalls ein Verfahren mit der Merkmalkombination M3+M4. Die zusätzlichen Merkmale, wie die Einschränkung auf quellcodierte und kanalcodierte Videodaten, spielen bei der vorangehenden Begründung keine Rolle. Infolgedessen verstößt der Gegenstand des Anspruchs 1 aus denselben Gründen gegen Artikel 123(2) EPÜ.

3.2 Daher ist der Hilfsantrag I nicht gewährbar.

4. Zulässigkeit der Hilfsanträge II und III

4.1 Einem Anmelder ist zumindest einmal Gelegenheit zu geben, von sich aus die Anmeldung zu ändern (Artikel 123(1) EPÜ). Unstreitig hat der Anmelder im vorliegenden Fall im Prüfungsverfahren von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht (Regel 86(3) EPÜ 1973 bzw. Regel 137(2) EPÜ) und sich letztlich dafür entschieden, für ein Verfahren mit der Merkmalkombination M3+M4 Schutz zu begehren.

4.2 Schon im Prüfungsverfahren können weitere Änderungen der Anmeldung nur mit Zustimmung der Prüfungsabteilung vorgenommen werden (Regel 86(3) EPÜ 1973 bzw. Regel 137(3) EPÜ). Der Anmelder hat im vorliegenden Fall nicht versucht, die Zustimmung der Prüfungsabteilung für einen eingeschränkten oder alternativen Gegenstand zu erhalten für den Fall, dass der Einwand der fehlenden Offenbarung der Merkmalkombination M3+M4 endgültig bestätigt wird. Somit hatte die Prüfungsabteilung keine Veranlassung, mögliche Kombinationen des ursprünglichen Anspruchs 1 mit ursprünglich abhängigen Ansprüchen auf erfinderische Tätigkeit zu prüfen, da diese Frage in keinem der der Prüfungsabteilung vorliegenden Anträge entscheidungsrelevant war.

4.3 Die primäre Aufgabe des Beschwerdeverfahrens liegt darin, die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu beurteilen. Im Beschwerdeverfahren können ebenfalls Änderungen der Anmeldung vorgenommen werden, um formale oder substantielle Mängel zu beheben. Deren Zulassung liegt jedoch im Ermessen der Kammer.

4.4 Mit der Beschwerdebegründung hat der Beschwerdeführer den Gegenstand des Hauptantrags vor der Prüfungsabteilung weiterverfolgt und den vollständigen Sachvortrag darauf beschränkt (Artikel 12(2) VOBK, Amtsblatt EPA, 2007, 536). Erst in Erwiderung auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung durch die Kammer hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahingehend geändert, dass nun für den Fall einer Bestätigung der Entscheidung der Prüfungsabteilung ein Gegenstand geprüft werden soll, der die Merkmalkombination M3+M4 nicht mehr enthält. Solche Änderungen des Vorbringens im Beschwerdeverfahren unterliegen aber dem Ermessen der Kammer nach Artikel 13(1) VOBK, welches die Komplexität des neuen Vorbringens, den Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie zu berücksichtigen hat.

4.5 Es stellt sich daher die Frage, ob es sich im vorliegenden Fall um Änderungen handelt, die schon im Prüfungsverfahren hätten vorgebracht werden können (Artikel 12(4) VOBK), zumindest aber das Verfahren in der mündlichen Verhandlung nicht so komplizieren, dass es mit der gebotenen Verfahrensökonomie unvereinbar wäre, diese Änderungen des Vorbringens zuzulassen (Artikel 13(1) und (3) VOBK).

5. Hilfsantrag II

5.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II stellt im Wesentlichen eine Kombination von Merkmalen aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 3 zusammen mit einem Merkmal aus der Beschreibung dar ("wobei im Mobilfunkgerät (1, 15) die Datenrate der komprimierten Videodaten an die Datenrate des Festnetzes (45) angepasst wird."). Die Merkmalkombination M3+M4 wurde ersatzlos gestrichen, welche bis dato als der Kern der Erfindung galt.

Das Argument, die Erfindungen gemäß allen Anträgen beträfen Verfahren, in dem ein physikalischer Datenkanal zugeordnet und eine Datenrate angepasst würden, ist nicht überzeugend, da diese Merkmale in dieser Allgemeinheit nicht den Kern der Erfindung(en) charakterisieren.

Der Gegenstand, für welchen Schutz begehrt wird, wurde daher gegenüber dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Gegenstand erheblich geändert.

5.2 In der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung hat die Kammer im Wesentlichen die Begründung der angefochtenen Entscheidung vorläufig übernommen, kommentiert und ergänzt. Die Kammer kann nicht erkennen, dass die vorläufige Meinung ursächlich für die Änderungen sein könnte. Der Hilfsantrag II stellt daher keine Änderung dar, die erst wegen der vorläufigen Meinung der Kammer erforderlich gewesen wäre.

5.3 Da die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Einwände im Verfahren bis zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer im Wesentlichen unverändert geblieben sind, hätte der Beschwerdeführer den Hilfsantrag II bereits im Prüfungsverfahren vorbringen können (und sollen), damit der Kammer eine entsprechende erstinstanzliche Entscheidung zur Überprüfung vorliegt. Vielmehr bewirken die Änderungen wegen der erheblichen Verschiebung des beanspruchten Gegenstandes, dass die Kammer in der mündlichen Verhandlung erstmals eine Debatte über die erfinderische Tätigkeit eines Gegenstandes hätte führen müssen, zu welchem es keine fundierte Meinung der Prüfungsabteilung in der Akte gibt. Das entspricht nicht dem Wesen eines Beschwerdeverfahrens. Nach Ansicht der Kammer verbietet die gebotene Verfahrensökonomie in diesem Fall aber eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz.

5.4 Infolgedessen übt die Kammer ihr Ermessen gemäß Artikel 12(4) und 13(1) VOBK aus, indem sie den Hilfsantrag II, welcher erstmals Änderungen der Ansprüche aufweist, die schon vor der Prüfungsabteilung, zumindest in Form eines Hilfsantrags, hätten vorgebracht werden sollen, um die gebotene Verfahrensökonomie nicht zu gefährden, auch als Änderung des Vorbringens nicht ins Verfahren zulässt.

6. Hilfsantrag III

6.1 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III ergibt sich im Wesentlichen aus einer Kombination von Merkmalen aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2, 4 und 6. Der Recherchenbericht wurde auf der Grundlage aller ursprünglichen Ansprüche erstellt. Daher ist das beanspruchte Verfahren als recherchiert zu betrachten. Wie Anspruch 1 des Hilfsantrags II weist der vorliegende Anspruch 1 nicht mehr die Merkmalkombination M3+M4 auf.

6.2 Im Normalfall bilden recherchierte ursprüngliche abhängige Ansprüche prädestinierte Rückfallpositionen, falls ein unabhängiger Anspruch nicht gewährbar sein sollte. Das gilt jedoch nicht zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens, da Änderungen der Anmeldung abhängig vom Verfahrensstadium dem Ermessen der Prüfungsabteilung bzw. der Kammer unterliegen. Wie schon unter Punkt 5.3 oben ausgeführt, ist im vorliegenden Fall die Verschiebung des Gegenstands, welcher mit der Beschwerde entschieden werden soll, auf einen Gegenstand, der schon der Prüfungsabteilung hätte vorgelegt werden können und erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf erfinderische Tätigkeit geprüft werden müsste, nicht mit der gebotenen Verfahrensökonomie vereinbar.

6.3 Infolgedessen übt die Kammer ihr Ermessen gemäß Artikel 12(4) und 13(1) VOBK aus, indem sie den Hilfsantrag III, welcher erstmals Änderungen der Ansprüche aufweist, die schon vor der Prüfungsabteilung, zumindest in Form eines Hilfsantrags, hätten vorgebracht werden sollen, um die gebotene Verfahrensökonomie nicht zu gefährden, auch als Änderung des Vorbringens nicht ins Verfahren zulässt.

7. Der hilfsweise Antrag des Beschwerdeführers, die Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen, ist gegenstandslos, da die Kammer über den für den Hauptantrag und Hilfsantrag I relevanten Sachverhalt und Zurückweisungsgrund als Voraussetzung für eine Zurückverweisung zu entscheiden hatte und die weiteren Anträge im Beschwerdeverfahren nicht zugelassen hat. Zusammenfassend liegt der Kammer daher kein gewährbarer bzw. zulässiger Antrag vor.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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