T 0532/08 () of 19.12.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T053208.20111219
Datum der Entscheidung: 19 Dezember 2011
Aktenzeichen: T 0532/08
Anmeldenummer: 98920492.0
IPC-Klasse: A01N 25/04
A01N 25/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Pflanzenschutzmittel
Name des Anmelders: Stefes Agro GmbH
Name des Einsprechenden: BASF SE
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
Schlagwörter: Zulassung verspätet eingereichter Druckschriften (nein)
Hauptantrag: unzulässige Erweiterung des Schutzbereichs durch Streichung eines Disclaimers
Hilfsanträge 2-4: Merkmalskombinationen nicht ursprünglich offenbart
Zulassung des Hilfsantrags 5 (nein) - verspätet - nicht eindeutig gewährbar
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0136/12

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 14. Januar 2008, das Europäische Patent Nr. 0 975 215 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt.

II. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die folgenden Druckschriften Bezug genommen.

(5a) Englische Übersetzung von JP 06092801 (Druckschrift (5))

(18) Technical Bulletin, BASF, Pluronic® P105 Block Copolymer Surfactant

(19) PubMed Zusammenfassung eines Artikels von Mefford et al. aus J. Chromatogr. 1987, Sept. 25, 420(2) 241-51

III. Mit dem Einspruch war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang wegen fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100(a) EPÜ) angegriffen worden. Nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung durch die Einspruchsabteilung wurden von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) mit Brief vom 16. Oktober 2007 darüber hinaus unzulässige Erweiterung und mangelnde Offenbarung geltend gemacht (Artikel 100(b) und (c) EPÜ).

IV. Die angefochtene Entscheidung gründet sich auf den in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Haupt- und Hilfsantrag.

Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Hauptantrag durch die Streichung der Disclaimer sowie des Begriffs "flüssig" gegen den Artikel 123(3) EPÜ verstieß und darüber hinaus durch die Verwendung der Begriffe "Konzentrat" und "genannten" nicht die gemäß Artikel 84 EPÜ erforderliche Klarheit aufwies. Der Hilfsantrag verstieß durch die Streichung der Disclaimer ebenfalls gegen den Artikel 123(3) EPÜ.

V. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag und neue Hilfsanträge 1-5 ein.

VI. In ihrer Antwort auf die Beschwerdebegründung erhob die Beschwerdegegnerin Einwände unter Artikel 123(2) und (3) sowie Artikel 84 EPÜ gegen den Hauptantrag und die Hilfsanträge. Des Weiteren reichte sie eine englische Übersetzung der Druckschrift (5) ein (Druckschrift (5a)).

VII. In einem Bescheid, der der Ladung zur mündlichen Verhandlung als Anlage beigefügt war, teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mit. Insbesondere verwies sie auf die Frage, welcher Einspruchsgrund durch den von der Beschwerdeführerin als "klarstellend" bezeichneten Begriff "genannten" ausgeräumt werden solle. In Bezug auf die Streichung der Disclaimer schien sich nach Ansicht der Kammer der erste Disclaimer auf Zusammensetzungen zu beziehen, die kein Wasser enthielten. Im Hinblick auf das Weglassen des zweiten Disclaimers stellte die Kammer fest, dass dafür seitens der Beschwerdeführerin keine Gründe angegeben wurden. In Bezug auf die Einwände unter Artikel 123(2) EPÜ teilte die Kammer mit, dass, insbesondere für die Merkmalskombinationen der Hilfsanträge, zu klären sein werde, wo diese Änderungen ihre Basis fänden. Des Weiteren informierte die Kammer die Parteien über ihre Absicht, die Sache zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen, sollte zumindest ein Antrag der Beschwerdeführerin den Erfordernissen der Artikel 123(2) und (3) und 84 EPÜ genügen.

VIII. Mit Schreiben vom 21. November 2011 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag, neue Hilfsanträge 1-5 und die geänderten Beschreibungsseiten 2 und 3 ein.

IX. Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zog die Beschwerdeführerin die Hilfsanträge 1 und 5 zurück und ersetzte sie durch neue Hilfsanträge 1 und 5. Des Weiteren reichte sie die beiden Druckschriften (18) und (19) ein.

X. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"1. Pflanzenschutzmittel formuliert als flüssige wässrige Suspension aus blattaktiven oder systemischen Wirkstoffen, dadurch gekennzeichnet, dass es

im Falle von Herbizidpräparaten mindestens ein Herbizid aus den Gruppen der Harnstoffderivate oder Sulfonylharnstoffe, der Carbamate, Biscarbamate, Diphenylether, Pyridolylessigsäurederivate, Pyridazine, Triazine, Triazinone, Uracile, Benzofuranderivate, Glyphosate oder Glufosinate,

im Fall von Fungizidpräparaten mindestens ein Fungizid aus der Gruppe der Morpholine, Azole, Phthalimide oder Piperidine,

im Fall von Insektizidpräparaten mindestens ein Insektizid aus der Gruppe der Pyrethroide, Carbamate oder Organophosphate,

oder mögliche Salze oder Ester der vorgenannten Wirkstoffgruppen,

mindestens ein anorganisches Adsorbens und mindestens ein Tensid aus der Gruppe der ethoxylierten C6- bis C20-Alkohole, vorzugsweise C8- bis C16-Alkohole, der ethoxylierten Rizinusöle oder der Alkylethersulfate enthält, wobei die Summe der Anteile des Adsorbens/der Adsorbentien und des Tensids/der Tenside 5,5 bis 45,0 Gew.-% beträgt, vorzugsweise 15,0 bis 25,0 Gew.-%, und wobei der Wirkstoffanteil 5,0 bis 75 Gew.-% beträgt.

Der Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass im Anspruch 1 die Summe der Anteile des Adsorbens/der Adsorbentien und des Tensids/der Tenside auf 15,0 bis 25,0 Gew.-% eingeschränkt und der Anspruch 10 gestrichen wurde.

Der Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass in Anspruch 1 das zusätzliche Merkmal, "dass der Anteil an Tensiden 7-35 Gew.-% beträgt" eingeführt und der abhängige Anspruch 10 entsprechend angepasst wurde.

Im Hilfsantrag 3 wurden gegenüber dem Hilfsantrag 2 weitere Merkmale in den Anspruch 1 eingeführt, der damit wie folgt lautet:

"1. Pflanzenschutzmittel formuliert als flüssige wässrige Suspension aus blattaktiven oder systemischen Wirkstoffen, dadurch gekennzeichnet, dass es ein Herbizidpräparat ist, welches mindestens ein Herbizid aus den Gruppen Biscarbamate, Triazinone, und Benzofuranderivate,

oder mögliche Salze oder Ester der vorgenannten Wirkstoffgruppen,

mindestens ein anorganisches Adsorbens und mindestens ein Tensid aus der Gruppe der ethoxylierten C6- bis C20-Alkohole, vorzugsweise C8- bis C16-Alkohole, der ethoxylierten Rizinusöle oder der Alkylethersulfate enthält, wobei die Summe der Anteile des Adsorbens/der Adsorbentien und des Tensids/der Tenside 5,5 bis 45,0 Gew.-% beträgt, vorzugsweise 15,0 bis 25,0 Gew.-%, und wobei der Wirkstoffanteil 5,0 bis 75 Gew.-%, und dass der Anteil an anorganischem Adsorbens 0,5 bis 25 Gew.-% und der Anteil an Tensiden 7 bis 35 Gew.-% beträgt."

Der abhängige Anspruch 10 wurde entsprechend angepasst.

Der Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Hilfsantrag 3 dadurch, dass ein weiteres Merkmal, nämlich dass "das anorganische Adsorbens kolloidale Kieselsäure (Kieselgel) und/oder pyrogene Kieselsäure (Aerosil) ist", in den Anspruch 1 eingeführt wurde und dementsprechend die abhängigen Ansprüche 2 und 3 gestrichen und die verbliebenen Ansprüche umnummeriert wurden.

Der Hilfsantrag 5 unterscheidet sich vom Hilfsantrag 4 dadurch, dass in Anspruch 1 die Herbizide in den Herbizidpräparaten auf "Phenmedipham, Desmedipham, Metamitron und Ethofumesat sowie Mischungen dieser Wirkstoffe umfassenden Gruppe" und die Summe der Anteile des Adsorbens/der Adsorbentien und des Tensids/der Tenside auf "15,0" bis 45,0 Gew.-% eingeschränkt wurde. Dementsprechend wurden zusätzlich die abhängigen Ansprüche 4 und 8 gestrichen.

XI. Die Argumente der Beschwerdeführerin, soweit sie für diese Entscheidung relevant sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Das Streichen der beiden Disclaimer erweitere den Schutzbereich des Streitpatents nicht, da sich der erste Disclaimer ausschließlich auf feste Formulierungen beziehe, deren einzelne Bestandteile sich zu 100 Gew.-% ergänzten, wobei Wasser als Komponente nicht vorgesehen sei. Der zweite Disclaimer, der sich zwar auf eine flüssige, wässrige Formulierung beziehe, enthalte mit Pluronic P105® und Igepon T77® keine anspruchsgemäßen Tenside. Dies werde auch durch die Druckschriften (18) und (19) belegt. Diese seien erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgelegt worden, da erst zu diesem Zeitpunkt die Bedeutung der Handelsnamen in Frage gestellt wurde. Zudem seien von der Beschwerdegegnerin diesbezüglich auch keine gegenteiligen Beweise vorgelegt worden.

Die Gewichtsprozentangaben des Wirkstoffs seien in die Ansprüche aufgenommen worden, um sich vom vorliegenden Stand der Technik abzugrenzen, insbesondere von vorgeblich neuheitsschädlichen verdünnten Spritzbrühen, wie sie beispielsweise durch Auflösen wasserdispergierbarer Pulver hergestellt werden. Ein Verstoß gegen die Regel 80 EPÜ liege daher nicht vor.

Der Einwand gegen das Merkmal "flüssige, wässrige Suspension" sei von der Beschwerdegegnerin überraschend erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer und damit verspätet erhoben worden. Zudem sei dieser Einwand aus formalen Gründen nicht zulässig, da die Einspruchsschrift keinen Einwand unter Artikel 100(c) EPÜ enthielt. Auch von der Einspruchsabteilung sei dieses Merkmal nicht beanstandet worden.

Der beanspruchte Gegenstand gehe nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, da alle Merkmale dort offenbart seien. Das Merkmal der flüssigen, wässrigen Suspension werde durch die auf Seite 3 genannten wässrigen Suspensionskonzentrate sowie insbesondere die Ausführungsbeispiele A-E gestützt. Zudem weise auch der Begriff "Suspension" in Suspensionskonzentrat implizit auf eine flüssige Form hin. Die aufgenommenen Gewichtsprozentanteile bezüglich der Adsorbentien, Tenside, der Summe an Adsorbents/Adsorbentien und Tensid/Tensiden (im folgenden kurz Summe an Adsorbentien/Tensiden genannt) und des Wirkstoffs fänden sich auf den Seiten 4 und 5 sowie im Anspruch 10 der ursprünglichen Anmeldung. Für den Fachmann gäbe es darüber hinaus auch keinen Grund, die angegebenen Bereiche für die Gewichtsprozentanteile, darunter auch die allgemeinen und bevorzugten Bereiche, nicht zu kombinieren. Die in den Hilfsantrag 3 aufgenommene zusätzliche Beschränkung auf Herbizidpräparate mit bestimmten Wirkstoffgruppen werde durch den ursprünglichen Anspruch 6, dessen Verbindungen unter diese Wirkstoffgruppen fallen, und die weitere Aufnahme des Merkmals des spezifischen Adsorbens im Hilfsantrag 4 durch den ursprünglichen Anspruch 3 gestützt. Die Änderungen im neuen Hilfsantrag 5 beseitigten den gerügten Widerspruch in der Angabe der Gewichtsprozentanteile der Tenside und der Summe der Adsorbentien/Tenside. Die zusätzliche Beschränkung auf die spezifischen Wirkstoffe im Herbizidpräparat werde durch den ursprünglichen Anspruch 6 gestützt.

XII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin, soweit sie für diese Entscheidung relevant sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Das Streichen der beiden Disclaimer stelle einen Verstoß gegen Artikel 123(3) EPÜ dar. So lasse der Wortlaut des Anspruchs 1 des Streitpatents offen, ob die ausgenommenen Kombinationen als Pulver, Granulat oder flüssige, wässrige Suspension vorliegen. Der zweite Disclaimer beziehe sich eindeutig auf flüssige, wässrige Suspensionen. Es sei nicht ersichtlich, dass in der ausgenommenen Suspension keines der anspruchsgemäßen Tenside enthalten sei. Durch die Verwendung von Handelsnamen, die keinem klaren Begriffsinhalt entsprächen, könne nicht bestimmt werden, ob sich durch das Weglassen dieses Disclaimers der Schutzbereich ändere. Damit könne der Disclaimer auch nicht gestrichen werden. Die Druckschriften (18) und (19) seien verspätet eingereicht worden. Im Übrigen stamme die Druckschrift (19) aus dem Jahr 1987 und lasse damit keine Rückschlüsse darüber zu, was Igepon T77 zu einem späteren Zeitpunkt enthalte bzw. ob sich seine Zusammensetzung über die Zeit verändert habe.

Die Einführung der Gewichtsprozentanteile des Wirkstoffs betreffe keinen Einspruchsgrund und verstoße damit gegen die Regel 80 EPÜ.

Darüber hinaus verstießen die vorgenommenen Änderungen auch gegen den Artikel 123(2) EPÜ. Zunächst gehe das Merkmal der flüssigen, wässrigen Suspension nicht aus der ursprünglichen Anmeldung hervor. Weiter sei dort auch die beanspruchte Merkmalskombination "flüssige, wässrige Suspension", "Gewichtsprozentanteile der Summe an Adorbentien/Tensiden" und "Gewichtsprozentanteile an Wirkstoff" nicht offenbart. Der ursprüngliche Anspruch 1 sei, neben Pulvern und Granulaten, lediglich auf Formulierungen auf Wasserbasis gerichtet, so dass für das Merkmal der "flüssigen, wässrigen Suspension" bereits eine doppelte Auswahl zu treffen war, zusätzlich zu der entsprechenden Wahl der Gewichtsprozentanteile für die Summe an Adsorbentien/Tensiden und den Wirkstoff. Jedes Merkmal, dass in den Hilfsanträgen dem Anspruch 1 hinzugefügt werde, verschärfe den Mangel an Offenbarung. Die mangelnde Offenbarung der Kombination der Gewichtsprozentanteile mit dem Merkmal "flüssige, wässrige Suspension", zeige sich auch daran, dass die Angaben der Gewichtsprozentanteile der verschiedenen Komponenten nicht nur zu flüssigen, wässrigen Suspensionen führe, sondern sich auch auf Pulver, Granulate, pastöse oder breiige Massen erstrecke. Dies zeige sich deutlich im Hilfsantrag 1 mit einem beanspruchten Anteil von 75 Gew.-% Wirkstoff und beanspruchten Anteilen von 15-25 Gew.-% für die Summe an Adsorbentien/Tensiden. Dadurch sowie durch weitere sich widersprechende Gewichtsprozentanteile, beispielsweise in den Hilfsanträgen 3 und 4, werde evident, dass die beanspruchten Kombinationen nicht offenbart seien. Der neue Hilfsantrag 5 sei nicht zuzulassen, da er diesbezüglich an dem gleichen Mangel leide. Die angegebenen Bereiche für die Gewichtsprozentanteile seien konstruiert und in ihrer Kombination nicht offenbart.

XIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit auf der Grundlage des Hauptantrags oder, hilfsweise, eines der Hilfsanträge 2-4, alle eingereicht mit Schreiben vom 21. November 2011, oder eines der Hilfsanträge 1 und 5, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, zur weiteren Behandlung an die erste Instanz zurückzuverweisen. Weiter beantragte sie, die Druckschrift (5a) nicht in das Verfahren zuzulassen.

XIV. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde abzuweisen. Weiter beantragte sie, die während der mündlichen Verhandlung eingereichten Druckschriften sowie den während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 5 nicht in das Verfahren zuzulassen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulassung verspätet eingereichter Druckschriften.

2.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurden von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Diskussion über die Streichung des zweiten Disclaimers des Streitpatents erstmalig die Druckschriften (18) und (19) eingereicht. Diese sollten das Vorbringen der Beschwerdeführerin stützen, dass der Gegenstand dieses Disclaimers nicht unter den Schutzbereich des geänderten Anspruchs fällt und daher ohne dessen Erweiterung weggelassen werden kann. Die Beschwerdegegnerin rügte das Einreichen dieser Druckschriften als verspätet und beantragte diese nicht in das Verfahren zuzulassen.

2.2 Die Beschwerdeführerin begründete das verspätete Einreichen damit, dass Zweifel darüber, auf was sich die in diesem Disclaimer verwendeten Handelsnamen bezögen, erstmals in der Verhandlung geäußert worden seien.

2.3 Die Kammer stellt jedoch fest, dass die Beschwerdegegnerin bereits in ihrer Antwort auf die Beschwerdebegründung, die Streichung des zweiten Disclaimers gerügt hatte. Auch die Kammer hat in ihrem Ladungsbescheid darauf hingewiesen, dass in der Beschwerdebegründung keine Gründe für das Weglassen des zweiten Disclaimers, der sich auf wässrige Suspensionen bezieht, angegeben wurden. Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 21. November 2011 zu diesem Bescheid Stellung genommen und dabei auch bereits vorgebracht, auf welches Erzeugnis sich nach ihrer Ansicht die verwendeten Handelsnamen beziehen. Sie hätte damit bereits zu diesem Zeitpunkt die Druckschriften (18) und (19) zur Stützung ihrer Argumentation einreichen können.

2.4 Des Weiteren sind diese Druckschriften zum Nachweis der für die Zulässigkeit der Streichung des zweiten Disclaimers relevanten Zusammensetzung der genannten Produkte "Pluronic P105®" und "Igepon T77®" untauglich. Bei der Druckschrift (18) handelt es sich um eine einzelne Seite ohne Veröffentlichungsdatum mit der Überschrift Technical Bulletin, in der "Pluronic® P105" als difunktionelles Blockcopolymer bezeichnet wird. Eine weitergehende Analyse dieses Produkts enthält diese Druckschrift nicht. Die Druckschrift (19) ist eine Zusammenfassung aus der Datenbase "PubMed", die sich auf einen Artikel aus dem Jahr 1987 bezieht und in der der Begriff "Igepon T-77" für ein Amidsurfactant, nämlich N-Methyloleoyltaurat, verwendet wird. Diese Zusammenfassung kann damit höchsten belegen, was mit dem Handelsnamen "Igepon T-77" 10 Jahre vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents, bezeichnet wurde. Weiterhin enthält auch die Druckschrift (19) keine genauen Analysendaten.

2.5 Unter diesen Umständen entschied die Kammer, die beiden verspätet eingereichten Druckschriften (18) und (19) nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK)).

Hauptantrag

3. Änderungen (Regel 80 und Artikel 123(3) EPÜ)

3.1 Die Beschwerdegegnerin rügte die Einführung des Merkmals der Gewichtsprozentanteile an Wirkstoff als eine Änderung, die nicht durch einen Einspruchsgrund nach Artikel 100 EPÜ veranlasst war.

3.2 Die Kammer teilt diese Auffassung nicht und sieht die Änderung als einen Versuch der Beschwerdeführerin an, sich vom Stand der Technik abzugrenzen und damit insbesondere den von der Beschwerdegegnerin erhobenen Einwänden bezüglich mangelnder Neuheit zu begegnen. In Anbetracht des Verfahrensausgangs bedarf dieser Punkt indes keiner eingehenden Erörterung.

3.3 Anspruch 1 des Streitpatents, der sich auf Pflanzenschutzmittel formuliert als Pulver, Granulat oder flüssige, wässrige Suspension bezieht, enthält zwei Disclaimer. Der erste bezieht sich auf den Ausschluss von Kombinationen aus den Bestandteilen (I) bis (VII) deren Zusammensetzung in tabellarischer Form angegeben ist, wobei sich die Summe der einzelnen Bestandteile zu 100 Gew.-% ergänzt. Bei keinem der Bestandteile (I) bis (VII) handelt es sich um Wasser. Der zweite Disclaimer bezieht sich auf eine Kombination aus 33,93 Gew.-% Propachlor (94%), 11,31 Gew.-% Atrazin (95%), 4,00 Gew.-% Hi-Sil 233®, 1,00 Gew.-% Kaolin, 2,80 Gew.-% Pluronic 105®, 1,00 Gew.-% Igepon T77®, 1,00 Gew.% CaCl2x2H2O, 8,00 Gew.% Ethylenglykol, 0,10 Gew.-% Corak® und 36,86 Gew.-% Wasser.

3.4 Im geänderten Anspruch 1, der nur noch auf flüssige, wässrige Suspensionen gerichtet ist, wurden beide Disclaimer gestrichen. Bezüglich des ersten Disclaimers war es zwischen den beiden Parteien strittig, ob sich dieser, wie die Beschwerdeführerin vorbrachte, ausschließlich auf Feststoffformulierungen bezieht, oder ob er, wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht wurde, auch flüssige, wässrige Suspensionen umfasst. Die Kammer stimmt in diesem Zusammenhang der Beschwerdeführerin zu, dass der erste Disclaimer durch die Abwesenheit von Wasser als Komponente auf feste Formulierungen, nicht aber auf flüssige, wässrige Suspensionen gerichtet ist. Angesichts des negativen Ausgangs der Entscheidung, sieht es die Kammer allerdings nicht als notwendig an, auf diesen Punkt näher einzugehen.

3.5 Der zweite Disclaimer ist, unbestritten von der Beschwerdeführerin, auf eine flüssige, wässrige Suspension gerichtet. Diese enthält neben CaCl2 und Ethylenglykol, ebenfalls unbestritten, einen anspruchsgemäßen Wirkstoff und anspruchsgemäße Adsorbentien. Anspruchsgemäße Tenside werden zwar nicht explizit genannt, jedoch enthält die flüssige, wässrige Suspension weitere Bestandteile, die durch die Handelsnamen Pluronic 105®, Igepon T77® und Corak 100® gekennzeichnet sind. Ein Weglassen dieses Disclaimers ohne den Schutzbereich des Streitpatents zu erweitern kann daher nur dann erfolgen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die mit den Handelsnamen gekennzeichneten Bestandteile keine der beanspruchten Tenside umfassen.

3.6 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass die durch den Disclaimer ausgeschlossene Suspension keine anspruchsgemäßen Tenside enthalte und zudem das Merkmal der Summe der Anteile an Adsorbentien/Tensiden nicht erfüllt sei. Als Tenside werden im Disclaimer Pluronic 105® und Igepon T77® genannt. Dabei handle es sich um ein Blockpolymer aus Propylenoxid und Ethylenoxid bzw. um Natrium-N-methyl-N-oleoyltaurat. Corak 100® sei ein Antischaummittel auf Silikonbasis und komme daher als anspruchsgemäßes Tensid ebenfalls nicht in Betracht. Zudem brachte die Beschwerdeführerin vor, dass seitens der Beschwerdegegnerin keine Beweise vorgelegt worden seien, die belegten, dass es sich bei den im zweiten Disclaimer genannten durch Handelsnamen gekennzeichneten Verbindungen um anspruchsgemäße Tenside handle.

3.7 Dazu ist festzustellen, dass sich der Anspruch 1 des Hauptantrags bezüglich der anspruchsgemäßen Tenside gegenüber dem Streitpatent, aber auch gegenüber dem Anspruch 1 der ursprünglichen Anmeldung nicht geändert hat. Da im Laufe des Erteilungsverfahrens eine bestimmte Zusammensetzung durch einen Disclaimer ausgenommen wurde, ist zunächst davon auszugehen, wie dies auch die Beschwerdegegnerin getan hat, dass die mit diesem Disclaimer ausgeschlossene wässrige Suspension anspruchsgemäße Tenside umfasst, und dass das Merkmal der Summe der Anteile an Adsorbentien/Tensiden erfüllt ist. Beruft sich die Beschwerdeführerin nunmehr darauf, dass dies gar nicht der Fall sei, und dies auch bereits für den erteilten Anspruch galt, so liegt die Beweislast für diese Behauptung bei der Beschwerdeführerin.

3.8 Seitens der Beschwerdeführerin liegen jedoch keine Beweise vor, die mit der notwendigen Sicherheit belegen können, dass die im Streitpatent ausgeschlossene Suspension keine anspruchsgemäßen Tenside umfasst bzw. dass das Merkmal der Summe der Anteile an Adsorbentien/Tenside nicht erfüllt ist. Erschwerend kommt in diesem Zusammenhang auch noch dazu, dass bei durch Handelsnamen charakterisierten Erzeugnissen nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich das Erzeugnis oder dessen Zusammensetzung im Laufe der Zeit ändert, seinen Namen aber beibehält. Was durch einen Disclaimer, der sich auf Handelsnamen bezieht ausgeschlossen wird, ist daher nicht eindeutig festgelegt.

3.9 Da aus den genannten Gründen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, das die flüssige, wässrige Suspension des zweiten Disclaimers anspruchsgemäße Tenside enthält und das Merkmal der Summe der Anteile an Adsorbentien/Tenside erfüllt, kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die Änderung im Anspruch 1 des Hauptantrags den Schutzbereich des Streitpatents erweitert und damit ein Verstoß gegen Artikel 123(3) EPÜ vorliegt.

Hilfsantrag 1

4. Zulassung des verspätet eingereichten Hilfsantrags 1

4.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer legte die Beschwerdeführerin in Reaktion auf einen Klarheitseinwand seitens der Beschwerdegegnerin gegen den am 21. November 2011 eingereichten Hilfsantrag 1 einen geänderten Hilfsantrag 1 vor. Die Änderung betrifft lediglich die Streichung des von der Beschwerdegegnerin gerügten Anspruchs 10 und ändert den Prozessstoff nicht. Die Beschwerdegegnerin hat der Zulassung dieses Antrags auch nicht widersprochen. Daher übt die Kammer ihr Ermessen gemäß Artikel 13 (1) VOBK dahingehend aus, den geänderten Hilfsantrag 1 zuzulassen.

5. Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

5.1 Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 dahingehend, dass das Pflanzenschutzmittel auf eine flüssige, wässrige Suspension begrenzt wurde. Des Weiteren wurde die Summe der Anteile des Adsorbens/der Adsorbentien und des Tensids/der Tenside auf 15,0 bis 25 Gew.-% begrenzt und umfasst damit nicht länger die durch den zweiten Disclaimer ausgeschlossene Suspension. Als weiteres Merkmal wurde der Wirkstoffanteil von 5,0 bis 75 Gew.-% aufgenommen. Die beiden Disclaimer wurden gestrichen.

5.2 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin werden die Änderungen durch Seite 3, Absatz 4, Zeilen 7-8, Seite 4, letzter Absatz, Zeilen 3-4, Seite 5, Zeile 17 bzw. Anspruch 10 sowie die Ausführungsbeispiele A-E der ursprünglich eingereichten Anmeldung gestützt. Die Angaben auf den Seiten 4 und 5 bezögen sich generell auf die erfindungsgemäßen Pflanzenschutzmittel, und somit auch auf die auf Seite 3 genannten wässrigen Suspensionskonzentrate. Dass diese flüssig seien, zeige sich schon am Namen, Suspension bedeute eine Dispersion von Teilchen in einer Flüssigkeit, insbesondere aber auch in den Beispielen A-E.

5.3 Im Absatz 4 auf Seite 3 der ursprünglichen Anmeldung wird festgestellt, dass durch den Einsatz der erfindungsgemäß ausgewählten anorganischen Adsorbentien in Verbindung mit speziellen Tensiden in Pulvern, Granulaten und wässrigen Suspensionskonzentraten blattaktiver bzw. systemischer Wirkstoffe das Wirkungspotential und das Unkraut-Applikationsspektrum gesteigert werden. In den sich anschließenden Absätzen auf den Seiten 3 und 4 der ursprünglichen Beschreibung wird zunächst einzeln auf die einzusetzenden Adsorbentien und Tenside und deren mögliche Gewichtsprozentanteile im Pflanzenschutzmittel eingegangen. Gemäß dem letzten Absatz auf Seite 4 beträgt die Summe der Anteile an erfindungsgemäß ausgewählten Adsorbentien/Tensiden 5,5 bis 45,0 Gew.-%, vorzugsweise 15,0 bis 25,0 Gew.%. Im nachfolgenden Absatz auf Seite 5 wird dann auf die herbiziden, fungiziden und insektiziden Wirkstoffe eingegangen, deren Anteile 5,0 bis 75,0 Gew.-%, vorzugsweise 15,0 bis 55,0 Gew.-% betragen. Die Kombination der Merkmale "flüssige wässrige Suspension" mit der "Summe der Anteile an Adsorbentien/Tensiden" von 15,0-25,0 Gew.-%" und einem "Wirkstoffanteil von 5,0 bis 75,0 Gew.-%" geht aus den obengenannten Absätzen der ursprünglichen Anmeldung jedoch nicht hervor. Vielmehr wurde aus der Liste der Formulierungsformen eine der genannten Formen ausgewählt und diese willkürlich mit dem bevorzugten Bereich für die Summe der Anteile an Adsorbentien/Tenside und mit dem allgemeinen Bereich für die Anteile an Wirkstoff kombiniert.

5.4 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass die anspruchsgemäße Merkmalskombination durch die ursprüngliche Anmeldung gestützt wird, beruht auf ihrer Auffassung, dass sich die auf den Seiten 4 und 5 angegebenen Gewichtsprozentanteile gleichermaßen auf jede einzelne der drei auf Seite 3 genannten Formulierungsformen beziehen und zudem auch beliebig miteinander kombiniert werden können.

5.5 Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. Die Angabe der Gewichtsprozentanteile für die Adsorbentien, Tenside, die Summe an Adsorbentien/Tensiden oder den Wirkstoff sind lediglich allgemeine Angaben für die einzelnen Merkmale, die vom Fachmann unabhängig voneinander gelesen werden, und insbesondere nicht für alle Formulierungsformen zusammen gelesen werden können. So ergibt beispielsweise die Kombination eines Wirkstoffanteils von 75 Gew.-%, wie er auf Seite 5, Zeile 17 offenbart wird, mit der Summe der Anteile an Adsorbentien/Tensiden von 25 Gew.-%, wie sie im letzten Absatz auf Seite 3 als bevorzugte Obergrenze offenbart wird, keine flüssige, wässrige Suspension. Auch die Kombination der Untergrenze von 15 Gew.% für die Summe der Anteile an Adsorbentien und Tenside mit einem Wirkstoffanteil von 75 Gew.-% lässt allenfalls einen Wasseranteil von maximal 10% zu, was, von der Beschwerdeführerin unbestritten, ebenfalls nicht zu einem Pflanzenschutzmittel in Form einer flüssigen, wässrigen Suspension führt, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass solche Suspensionen üblicherweise weitere Hilfs- und/oder Trägerstoffe enthalten, wie beispielsweise Frostschutzmittel, Stabilisatoren, Entschäumer (Seite 5, letzter Absatz, Zeilen 1-7 der ursprünglichen Anmeldung).

5.6 Dafür, dass sich die auf den Seiten 4 und 5 angegebenen Gewichtsprozentanteile lediglich auf die einzelnen Merkmale des Pflanzenschutzmittels beziehen und nicht in Kombination zu lesen sind, spricht auch die Tatsache, dass ein solches Zusammenlesen zwangsläufig zu Widersprüchen führt. So stehen beispielsweise die bevorzugten Gewichtsprozentanteile an Asorbentien, nämlich 2,0 bis 15,0 Gew.-%, und die bevorzugten bzw. besonders bevorzugten Gewichtsprozentanteile an Tensiden, nämlich 7 bis 35 Gew.-% bzw. 10,0 bis 25, im Widerspruch zur bevorzugten Summe der Anteile an Adsorbentien/Tensiden von 15,0 bis 25 Gew.-%. In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, dass der ursprüngliche Anspruch 1 keinerlei Beschränkung hinsichtlich der Anteile an Adsorbentien, Tensiden, der Summe an Adsorbentien/Tensiden oder des Wirkstoffs enthält.

5.7 Hinsichtlich der Diskrepanz bezüglich der Summe der Anteile an Adsorbentien/Tensiden, der Anteile an Wirkstoff und dem Merkmal der flüssigen, wässrigen Suspension, die gegen eine Kombination dieser Merkmale sprechen, führte die Beschwerdeführerin an, dass der Fachmann, da der Anspruch eine flüssige, wässrige Suspension erfordere, die Bereiche für die Summe der Adsorbentien/Tenside und der Wirkstoffe so auswählen wird, dass sich eine solche Suspension ergibt. Dieses Argument der Beschwerdeführerin geht jedoch an der Sache vorbei. Bei der Frage, ob das Erfordernis des Artikels 123(2) EPC erfüllt ist, ist entscheidend, ob die Kombination der Merkmale unmittelbar und eindeutig aus der ursprünglichen Anmeldung hervorgeht, nicht, ob der Fachmann in der Lage ist, im Nachhinein eine solche Kombination sinnvoll auszulegen.

5.8 Auch der ursprüngliche Anspruch 10 kann die Änderungen im Anspruch 1 des Hauptantrags nicht stützen. Der ursprüngliche Anspruch 10 ist auf den Anspruch 1 rückbezogen und reflektiert die auf den Seiten 4 und 5 angegebenen Gewichtsprozentanteile an anorganischem Adsorbens, Tensid und Wirkstoff. Weder der Anspruch 10 noch der Anspruch 1 enthalten Angaben zur Summe der Gewichtsprozentanteile an Adsorbentien/Tensiden. Darüber hinaus bezieht sich der Anspruch 1 auch nicht auf flüssige, wässrige Suspensionen, sondern lediglich auf Pflanzenschutzmittel auf Wasserbasis. Die Kombination aus den Merkmalen einer flüssigen, wässrigen Suspension, der Summe der Anteile an Adsorbentien/Tensiden von 15,0 bis 25,0 Gew.-% und des Wirkstoffanteils von 5,0 bis 75 Gew.-% wird durch den Anspruch 10 nicht gestützt. Vielmehr wurde einer der im Anspruch 10 angegebenen Bereiche für den Wirkstoff ausgewählt und willkürlich mit einem davon unabhängigen Bereich für die Summe der Anteile an Adsorbentien/Tensiden aus der Beschreibung und dem Merkmal der flüssigen, wässrigen Suspension, ebenfalls aus der Beschreibung, kombiniert.

5.9 Aus den oben genannten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 vorgenommenen Änderungen über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen. Die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ sind daher nicht erfüllt.

5.10 Seitens der Beschwerdegegnerin wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erstmalig auch ein Einwand unter Artikel 100(c) EPÜ gegen ein einzelnes Merkmal, nämlich das der flüssigen, wässrigen Suspension, vorgebracht. Dieser sowohl für die Beschwerdeführerin als auch für die Kammer überraschende Einwand wurde von der Kammer nicht berücksichtigt (Artikel 13(1) VOBK).

Hilfsantrag 2

6. Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

6.1 Der Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Hilfsantrag 1 dadurch, dass die Summe der Anteile an Adsorbentien/Tensiden 5,5 bis 45,0 Gew.-% beträgt und als weiteres Merkmal der Anteil der Tenside von 7 bis 35 Gew.-% aufgenommen wurde. Auch hier gilt, dass aus den voneinander unabhängig offenbarten Merkmalen auf den Seiten 3-5 der ursprünglichen Anmeldung willkürlich einzelne Merkmale, d.h. bestimmte Gewichtsprozentanteile und eine bestimmte Formulierungsform, herausgegriffen und miteinander kombiniert wurden. So wurde aus den offenbarten Formulierungen die flüssige, wässrige Suspension ausgewählt und mit dem breitesten Bereich der Summe der Adsorbentien/Tenside, dem bevorzugten Bereich der Tenside und dem breitesten Bereich der Wirkstoffe kombiniert. Wie bereits unter Punkt 5 ausgeführt, sind die Angaben auf den Seiten 3-5 unabhängig voneinander zu lesen und bieten keine Grundlage für eine solche Kombination. Dies wird auch erneut durch die sich aus der Kombination ergebenden Widersprüche deutlich. So widersprechen sich die Summe der Adsorbentien/Tenside von 5,5 Gew.-% und der Anteil von 7 Gew.-% an Tensiden.

Da ebenso wie für den Hilfsantrag 1 die Kombination aus der Summe der Anteile der Adsorbentien/Tenside von 5,5 bis 45,0 Gew.-%, des Wirkstoffanteils von 5,0-75 Gew.-%, und des Tensidanteils von 7-35 Gew.-% mit der flüssigen, wässrigen Suspension nicht unmittelbar und eindeutig aus den ursprünglichen Anmeldung hervorgeht, gehen auch diese Änderungen über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus. Die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ sind daher nicht erfüllt und der Hilfsantrag 2 nicht gewährbar.

6.2 Von der Beschwerdeführerin wurden bezüglich des Hilfsantrags 2 keine weiteren Argumente vorgebracht. Sie verwies erneut auf die ursprüngliche Beschreibung, die jedes dieser Merkmale offenbare. Da jedoch nach Beurteilung durch der Kammer die Kombination der einzelnen Merkmale nicht unmittelbar und eindeutig offenbart ist, kann das Argument der Anmelderin nicht durchgreifen.

Hilfsanträge 3 und 4

7. Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

7.1 Die Hilfsanträge 3 und 4 unterscheiden sich vom Hilfsantrag 2 dadurch, dass der jeweilige Anspruch 1 auf bestimmte Herbizidpräparate mit bestimmten Wirkstoffgruppen eingeschränkt und zusätzlich das Merkmal des Anteils an anorganischen Adsorbens von 0,5 bis 25,0 Gew.-% aufgenommen wurde. Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 wird zusätzlich das anorganische Adsorbens als kolloidale und/oder pyrogene Kieselsäure definiert.

7.2 Auch für diese Anträge gilt, dass die unabhängig voneinander zu lesenden Angaben auf den Seiten 3-5 der ursprünglichen Anmeldung bezüglich der Formulierungsform und den Gewichtsprozentanteilen an Tensiden, Adsorbentien, Summe an Adsorbentien/Tensiden und des Wirkstoffs die beanspruchte Kombination, die gegenüber dem Hilfsantrag 2 sogar noch um eine weitere Gewichtsprozentanteilsangabe, nämlich der für das anorganische Adsorbens, ergänzt wird, nicht stützen können. Inwieweit darüber hinaus die Kombination mit den zusätzlichen Merkmalen der Herbizidpräparate mit den spezifischen Wirkstoffgruppen oder des spezifischen Adsorbens offenbart ist, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben.

Die gleichen Schlussfolgerungen wie für den Hilfsantrag 2 gelten damit auch für die Hilfsanträge 3 und 4. Diese sind gemäß Artikel 123(2) EPÜ ebenfalls nicht gewährbar.

Hilfsantrag 5

8. Zulassung des verspätet eingereichten Hilfsantrags 5

8.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin den vorliegenden Hilfsantrag 5 zurückgenommen und einen neuen Hilfsantrag 5 eingereicht. Die Beschwerdeführerin hat diesen Antrag als verspätet gerügt und beantragt, diesen nicht in das Verfahren zuzulassen.

8.2 Die Zulassung von Anträgen in das Verfahren, die in einem sehr späten Stadium eingereicht wurden, liegt im Ermessen der Kammer (Artikel 13(1) und (3) VOBK). In der Ausübung dieses Ermessens prüfen die Beschwerdekammern nach ständiger Rechtsprechung unter anderem als ein dafür entscheidendes Kriterium, ob die Änderungen in diesen Anträgen eindeutig gewährbar sind oder ob sie neue Einwände hervorrufen, die bisher nicht vorhanden waren (Entscheidung T 183/09 vom 9. September 2010, Punkt 4.1 der Entscheidungsgründe).

8.3 Der Hilfsantrag 5 unterscheidet sich vom Hilfsantrag 4 dadurch, dass die Herbizidpräparate weiter eingeschränkt wurden und die Summe der Anteile der Asorbentien/Tenside von 5,5 bis 45 Gew.-% auf 15,0 bis 45 Gew.-% geändert wurde. Diese Änderungen können den bereits für die Hilfsanträge 1-4 erhobenen Einwand, dass die Kombination des Merkmals "flüssige, wässrige Suspension" mit willkürlich ausgewählten Bereichen an Gewichtsprozentanteilen für die Adsorbentien, Tensiden, Summe an Adsorbentien/Tensiden oder des Wirkstoffs nicht in der ursprünglichen Anmeldung offenbart ist, nicht überwinden.

8.4 Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 verstößt daher ebenfalls gegen den Artikel 123(2) EPÜ und ist somit nicht eindeutig gewährbar. Die Kammer übte daher ihr Ermessen dahingehend aus, diesen Antrag nicht in das Verfahren zuzulassen.

9. Verfahrensfragen

9.1 Angesichts der Tatsache, dass keiner der vorliegenden Anspruchssätze gewährbar und die Beschwerde zurückzuweisen ist, ist eine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin, die Druckschrift (5a), die von der Beschwerdegegnerin zur Stützung ihres Einwandes bezüglich mangelnder Neuheit und erfinderische Tätigkeit eingereicht wurde, nicht in das Verfahren zuzulassen, nicht erforderlich.

9.2 Gleichermaßen erübrigt es sich, über die von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung geforderte Richtigstellung vorgeblicher Fehler in der Entscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich der sich im Verfahren befindlichen Druckschriften zu befinden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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