European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2010:T052008.20100311 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 März 2010 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0520/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 00967707.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B22D 11/06 B22D 11/14 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Bandgiessmaschine zur Erzeugung eines Metallbandes sowie Verfahren zur Steuerung derselben | ||||||||
Name des Anmelders: | SMS Siemag AG, et al | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Castrip, LLC | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - Anspruchserweiterung (verneint) Stand der Technik - öffentliche Zugänglichkeit eines Prioritätsdokuments (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
Siehe Punkt 3.1 der Entscheidungsgründe |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP-B1-1 218 129 betrifft eine Bandgießmachine mit Gießrollen und ein Verfahren zum Wechseln der Gießrollen. Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende (hier die Beschwerdegegnerin) Einspruch eingelegt und darauf gestützt, dass der Gegenstand des Patentes nicht neu oder nicht erfinderisch sei (Artikel 100(a) EPÜ).
II. Die Einspruchsabteilung ist zum Ergebnis gekommen, dass die beanspruchte Vorrichtung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie hat deshalb das Patent widerrufen. Die Entscheidung ist am 16. Januar 2008 zur Post gegeben worden.
III. Gegen diese Entscheidung haben die Patentinhaber (die Beschwerdeführer) am 3. März 2008 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und am 23. April 2008 ihre Beschwerde begründet.
IV. Eine mündliche Verhandlung fand am 11. März 2010 statt.
V. Anträge
Die Beschwerdeführer beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchssatzes.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
VI. Ansprüche
Anspruch 1 des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchssatzes lautet wie folgt (die Änderungen (hinzugefügten Merkmale) hinsichtlich des erteilten Anspruchs 1 sind unterstrichen):
"1. Bandgießmaschine zur Erzeugung eines Metallbandes, mit zwei nebeneinander angeordneten, einen Gießspalt bildenden Gießrollen (22,24), welche auf einem Rahmengestell (32) drehbar gelagert sind, wobei das die Gießrollen (22,24) tragende Rahmengestell (32) auf Schienen (48,48') von der Gießposition (g) in eine Wartungsposition (w) und umgekehrt verschiebbar ist, dass beidseitig zur Gießposition Schienen weglaufend angeordnet sind,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Rahmengestell (32) mit den Gießrollen (22,24) zusammen mit dem diese umgebenden Gehäuse (30) auf den Schienen (48,48') oder anderweitigen Mitteln für ein Verschieben entlang der Drehachsen der Gießrollen um eine solche Distanz von der Gießposition (g) auf der einen Seite weg verschiebbar ist,
dass ein zweites mit vorbereiten Gießrollen (22,24) versehenes Rahmengestell (32) zusammen mit einem die Gießrollen umgebenden Gehäuse (30) auf den Schienen (48,48') von der andern Seite in die Gießposition (g) verschiebbar ist."
Anspruch 12 betrifft folgendes Verfahren:
"12. Verfahren zum Wechseln der Gießrollen (22,24) der Bandgießmaschine zur Erzeugung eines Metallbandes, mit zwei nebeneinander angeordneten, einen Gießspalt bildenden Gießrollen (22,24), welche auf einem Rahmengestell (32) drehbar gelagert sind, wobei das die Gießrollen (22,24) tragende Rahmengestell (32) auf Schienen (48,48') von der Gießposition (g) in eine Wartungsposition (w) und umgekehrt verschiebbar ist, nach einem der Ansprüche 8 oder 9,
dadurch gekennzeichnet,
dass anstelle des auszuwechselnden ein neues Rahmengestell mit dem Gehäuse (30) mit vorbereiten Gießrollen entlang der Drehachsen der Gießrollen in Gießposition (g) verschoben wird, sodann die Seitenabdichtungen (25) mittels den Manipulatoren (40) an die Stirnseiten der Gießrollen (22,24) angestellt oder angepresst werden, Schutzhüllen (38), welche die Manipulatoren umschließen, und ein Deckel (35) dicht an das Gehäuse (30) angeschlossen und letzteres in seinem Innern durch ein Schutzgas gefüllt wird, so dass nach dem Anschließen allfälliger elektrischer oder anderer Anschlüsse angegossen werden kann."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 11 und 13 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der in Anspruch 1 definierten Bandgießmaschine bzw. des in Anspruch 12 definierten Verfahrens.
VII. Stand der Technik
Die Einspruchsabteilung hat u.a. die folgenden Dokumente in ihrer Entscheidung erwähnt:
D1: EP-A2-0 947 261
D2: Englische Übersetzung der JP-B-9185 (1993)
D4: Australische Provisional Application PO9253
(18. September 1997)
Mit Schreiben vom 11. Januar 2010 verweist die Beschwerdegegnerin noch auf folgende Dokumente:
D15: EP-B1-0 726 112
D16: WO-A-97/34718
VIII. Vorbringen der Beteiligten
Artikel 123(2) EPÜ
a) Die Änderungen, dass die Verschiebung des Rahmengestells von der Gießposition auf der einen Seite weg und von der anderen Seite in die Gießposition erfolgt, können nach Auffassung der Beschwerdeführer der Figur 3 und dem letzten Absatz auf Seite 8 der ursprünglich eingereichten Anmeldung (WO-A-01/26847) entnommen werden.
Die Beschwerdegegnerin vertritt die Auffassung, dass der Doppelpfeil in Figur 3 lediglich andeute, dass eine Verschiebung längs der Schienen in beide Richtungen erfolgen könne. Die Abfolge, die Zufuhr von der einen Seite und die Abfuhr von der anderen Seite vorzunehmen, lasse jedoch die Offenbarung offen.
b) Die Beschwerdegegnerin argumentiert weiter, dass gemäß Seite 10 der Anmeldung (erster Absatz) die Erfindung sich auch bei einer Zweistrang-Gießanlage mit zwei Gehäusen applizieren ließe. In einer solchen Anlage lägen die zwei Stränge nebeneinander und es gebe keinen Platz, ein Rahmengestell zwischen den Strängen anzuordnen. Jeder Strang könne daher nicht von beiden Seiten mit einem verschiebbaren Rahmensgestell bedient werden. Dies sei ein weiterer Hinweis, dass die ursprünglich eingereichte Anmeldung die Verschiebung von beiden Seiten nicht betreffe. Die Beschwerdeführer verwiesen auf Figur 5, die eine Zweistrang-Gießanlage darstelle und zeige, dass von beiden Seiten das Rahmengestell von der bzw. in die Gießposition verschoben werden könne.
c) Anspruch 1 sei geändert, um zu definieren, dass das Gehäuse das Rahmengestell mit den Gießrollen umgibt. Nach Meinung der Beschwerdegegnerin umfasse der Begriff "umgeben" offene Ausführungsformen, die der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht zu entnehmen seien. In der Anmeldung würden die Begriffe "umschließen" (z.B. Unteranspruch 3) und "verschließen" (z.B. Seite 5) benutzt, die ein geschlossenes Gehäuse implizieren.
Als Stütze für diese Änderung verwiesen die Beschwerdeführer auf den ersten Absatz auf Seite 5 der Anmeldung, wo erläutert sei, dass die Gießrollen mit dem Rahmengestell von einem Gehäuse umgeben sind. Dennoch argumentiert die Beschwerdegegnerin, dass auch hier das Gehäuse als verschließbar definiert sei, weil das Gehäuseinnere während des Gießens mit einem Schutzgas gefüllt sei. Da die Anmeldung lediglich geschlossene Gehäuse offenbare, enthalte die Änderung eine unzulässige Erweiterung entgegen Artikel 123(2) EPÜ.
D4 als Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ
Die Beschwerdeführer sind der Ansicht, dass die D4 zum Zeitpunkt der Prioritätsanmeldung des Streitpatentes
(8. Oktober 1999) nicht der Öffentlichkeit zugänglich gewesen sei, weil die europäische Anmeldung D1, für die die D4 als Prioritätsdokument eingereicht worden sei, erst am 6. Oktober 1999 veröffentlicht wurde. Es sei zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich gewesen, innerhalb der ersten beiden Tage nach einer Publikation die Akten einer Anmeldung einzusehen, was eine öffentliche Zugänglichkeit am 8. Oktober 1999 ausschlösse.
Die Beschwerdegegnerin trägt vor, dass gemäß Artikel 128(4) EPÜ nach der Veröffentlichung einer europäischen Patentanmeldung die Möglichkeit der Akteneinsicht bestehe. Artikel 54(2) EPÜ definiere alles als Stand der Technik, was vor dem Zeitraum des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Da D4 aufgrund der Veröffentlichung der D1 auf dem Weg einer Akteneinsicht zugänglich gewesen sei, sei dieses Dokument als Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) anzusehen.
Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
D2 offenbart eine Bandgießmaschine, wobei eine kreisförmige Schiene vorgesehen ist (Ausführungsbeispiel gemäß Figur 7), durch welche die Gießrollen zumindest in der einen Richtung in eine Wartungsposition verschoben werden können. Die Einspruchsabteilung und die Beteiligten haben D2 als nächstliegenden Stand der Technik angesehen.
a) Das Vorbringen der Beschwerdeführer:
Im Vergleich zur in D2 (Figur 7) offenbarten Bandgießmaschine bestimmen die Beschwerdeführer fünf Unterschiedsmerkmale:
1) Die Drehachsen der Gießrollen erstrecken sich rechtwinkelig zu der Transportrichtung des gegossenen Bandes. Da die Gießrollen nach D2 in einer Kurve aus der Gießposition weggeschoben werden, erfolge die Verschiebung nicht entlang der Drehachsen der Gießrollen.
2) Bei der Figur 7 handele es sich um nur eine schematische Skizze ohne wichtige Details der gesamten Konstruktion. Insbesondere sei der Antrieb für die Gießrollen nicht dargestellt; er müsse aber auf einer Seite platziert werden, und deshalb werde eine Bewegung der Gießrollen in diese Richtung verhindert. Die Gießrollen müssten daher in der gleichen Richtung zurück gefahren werden, wie durch den Doppelpfeil in Figur 7 klargestellt sei. Das Merkmal, dass die Verschiebung um eine solche Distanz erfolgt, dass ein zweites Rahmengestell mit vorbereiten Gießrollen von der anderen Seite in die Gießposition verschiebbar ist, sei somit nicht offenbart.
3) In D2 sei kein Gehäuse, das die Gießrollen und das Rahmengestell umgebe, erwähnt.
4) Die Kombination eines Rahmengestells mit Gießrollen und umgebendem Gehäuse, die verschiebbar ist, sei daher in D2 nicht offenbart.
5) D2 offenbare ebenfalls kein zweites Rahmengestell mit einem die Gießrollen umgebenden Gehäuse.
Die Beschwerdeführer führten aus, dass die Bandgießanlage nach Anspruch 1 gegenüber der in D2 offenbarten Anlage die folgenden Vorteile habe:
- die Verschiebung erfolge entlang der Drehachsen der Gießrollen und nicht in einem Kreis; die beanspruchte Anlage habe daher weniger Platzbedarf;
- das Wechseln der Gießrollen sei schneller, weil die Dichtigkeit des Gehäuses schon bestehe und der Gießvorgang daher nur für eine kürzere Zeit unterbrochen werden müsse.
Obwohl D4 eine Gießrollenkassette (13) offenbare, die einen Gießrollen tragenden "Frame" (102) und das Oberteil der hitzbeständigen Einhausung (103) enthalte, habe ein "Frame" eine offene Anordnung und wäre für den Zweck des im Streitpatent definierten Gehäuses nicht geeignet. Ferner sei nach Figur 4 klar zu entnehmen, dass die Anlage nur im Bereich der Gießspalte dicht sei. Ein Rahmengestell mit einem die Gießrollen umgebenden Gehäuse, wie es im Anspruch definiert sei, sei der D4 nicht zu entnehmen. Daher beruhe die Bandgießmaschine nach Anspruch 1 auf einer erfinderische Tätigkeit.
b) Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin:
Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass bei D2 die für die Bezugszeichen (34) und (35) verwendeten Begriffe "Wartungsposition" ("repair workshop") bzw. Warteposition ("holding area") bedeuten, dass die vorbereiteten Gießrollen auf der einen Seite von der Gießposition und von der anderen Seite in die Gießposition verschoben werden, ansonsten müssten die vorbereiteten Gießrollen von der Warteposition (35) zurück durch die Wartungsposition (34) geführt werden.
Bei der in D2 offenbarten Vorrichtung fehle lediglich das Merkmal eines umgebenden Gehäuses.
Ausgehend von der D2 bestehe die Aufgabe, den Gießprozess besser gegenüber der Umgebung zu schützen und die umgebenden Strukturen besser gegen Einwirkungen der Hitze des Gießprozesses zu schützen.
Die Lösung sei der D4 zu entnehmen.
D4 betreffe eine Bandgießmaschine und offenbare ein Gießrollenmodul in Form einer Kassette (13), die Gießrollen trage und zwischen einer Gießposition und einer Warteposition verschiebbar sei. Jede Kassette habe ein Gehäuse ("Frame" 102), welches die Rollen und das Oberteil der hitzbeständigen Einhausung (103) trage. Die Beschwerdegegnerin führte aus, dass dies einem das Rahmengestell mit den Gießrollen umgebenden Gehäuse, wie es in Anspruch 1 definiert sei, entspreche.
Ferner argumentiert die Beschwerdegegnerin, dass Anspruch 1 sowohl offene Ausführungsformen, in welchen ein Gehäuse die Gießrollen und das Rahmengestell nicht allseitig umgebe, als auch geschlossene Gehäuse umfasse. Der englische Begriff "frame" habe im Deutschen nicht nur die Bedeutung "Rahmen", sondern auch "Gehäuse", so dass eine Umschließung in Sinne des Streitpatents in D4 offenbart sei. Dass der "Frame" in D4 als eine gehäuseartige Umschließung gemeint sei, sei auch den Figuren 2, 5 und 6 zu entnehmen.
Bei der D4 wisse der Fachmann, dass der Zweck des Frame sei, die umliegenden Funktionsteile gegen übermäßige Hitze zu schützen und den gegossenen Stahl vor Oxidation zu schützen. Die D15 und D16 zeigten auch, dass am Prioritätstag des Streitpatents der Fachmanns diese Schutzfunktion dem "Frame" der D4 zugeordnet habe.
Für dem Fachmann sei es daher naheliegend, die Gießrollen der D2 mit dem in D4 beschriebenen Gehäuse zu versehen, um den Gießprozess und die umgebenden Strukturen besser zu schützen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 123(2) EPÜ
2.1 Der erteilte Anspruch 1 wurde derart geändert, dass nunmehr definiert ist, dass die Verschiebung der Gießrollen von der Gießposition auf der einen Seite weg und von der anderen Seite in die Gießposition erfolgt.
Die Beschwerdeführer verwiesen auf Figur 3 und den letzten Absatz auf Seite 8 der ursprünglich eingereichten Anmeldung als Stütze für die Änderung. Die Beschwerdegegnerin ist jedoch der Meinung, dass der Doppelpfeil in Figur 3 lediglich andeute, dass die Gehäuse in beide Richtungen verschoben werden könnten; die Zufuhr von der einen Seite und die Abfuhr von der anderen Seite seien aber nicht explizit offenbart.
Gemäß Figur 3 der ursprünglich eingereichten Anmeldung bezeichnet "30" das Gehäuse mit den gebrauchten Gießrollen, und dieses Gehäuse liegt auf der Wartungsposition W. Auf der anderen Seite ist ein zweites Gehäuse (30') mit vorbereiteten Gießrollen gezeigt, welches in die Gießposition verschiebbar ist (siehe die Anmeldung, letzter Absatz, Seite 8 und erster Absatz, Seite 9). Es ist daher klar, dass die Gehäuse mit gebrauchten Gießrollen bzw. neuen Gießrollen auf verschiedene Seiten der Gießposition verschoben werden, wie im vorliegenden Anspruch 1 definiert ist.
2.2 Auf Seite 10 der Anmeldung ist erwähnt, dass die Erfindung sich auch bei einer Zweistrang-Gießanlage applizieren ließe. Eine solche Anlage betrifft üblicherweise ein Verteilergefäß mit zwei dicht nebeneinander angeordneten Auslässen und entsprechenden Strängen, wie die Beschwerdegegnerin den ersten Absatz auf Seite 10 interpretiert hat, schließt aber auch die in Figur 5 dargestellte Anordnung ein. Die Anlage nach Figur 5 ist auch in der Anmeldung als eine Zweistrang-Gießanlage bezeichnet (siehe die Beschreibung der Figur auf Seite 4) und zeigt zwei nebeneinander befindliche Verteilergefäße mit jeweils einen Gießstrang; Schienen sind an beiden Seiten der Gießpositionen angeordnet, so dass ein Rahmengestell mit den Gießrollen auf beide Seiten verschoben werden kann. Als Folge der Änderungen scheinen einige Angaben in der Anmeldung bzw. im Patent widersprüchlich zu sein. Gleichwohl ist eine Bandgießmaschine der Anmeldung zu entnehmen, bei der ein Rahmengestell mit Gießrollen auf Schienen von der Gießposition auf einer Seite weg und auf der anderen Seite in die Gießposition verschiebbar ist.
2.3 Im Gegensatz zu dem erteilten Anspruch 1 enthält der vorliegende Anspruch 1 auch das Merkmal, dass das Rahmengestell zusammen mit einem die Gießrollen umgebenden Gehäuse verschiebbar ist. Die Beschwerdegegnerin trägt vor, dass der Begriff "umgebendes Gehäuse" eine undichte Struktur einschließt. Da die Anmeldung lediglich ein umschließendes dichtes Gehäuse offenbare, um ein Schutzgas zu enthalten, habe die genannte Änderung des Anspruchs 1 einen Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ zur Folge.
Der Ausdruck "umgebendes Gehäuse" ist lediglich auf Seite 5 (erster Absatz) der Anmeldung erwähnt:
"Die Giessrollen 22,24 mit dem Rahmengestell 32 und den Seitenabdichtungen 25 sind rundum von einem verschliessbaren Gehäuse 30 umgeben, wobei das Gehäuseinnere 33 während des Giessens mit einem Schutzgas, vorzugsweise einem Inertgas, gefüllt ist."
Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass auch hier nur offenbart sei, dass das Gehäuse dicht sein müsse, weil es ein Gas enthalte.
Nach dieser Offenbarung sind die Gießrollen mit dem Rahmengestell von einem Gehäuse umgeben, das während des Gießens mit einem Schutzgas gefüllt und daher verschlossen ist. Jedoch betrifft das beanstandete Merkmal im Anspruch 1 das Gehäuse im Zustand während des Gießrollenwechsels bei der Verschiebung weg von der bzw. in die Gießposition. Aus den weiteren Ausführungen auf Seite 5 (zweiter und dritter Absatz) der ursprünglichen Anmeldung ist entnehmbar, dass in diesem Zustand sowohl ein Deckel als auch Seitenabdichtungen entfernt sind, die im Gießzustand die Dichtigkeit des Gehäuses gewährleisten. Es ist also offensichtlich, dass die Gießrollen und das Rahmengestell von einem Gehäuse umgeben sind, das zwar verschließbar und auch während des Gießvorgangs dicht verschlossen ist, aber nicht dauernd dicht ist und auch insbesondere beim Verschieben der Gießrollen nicht dicht verschlossen sein muss. Deshalb folgt die Kammer nicht der Argumentation der Beschwerdegegnerin, dass der Anmeldung nur ein dicht umgebendes Gehäuse zu entnehmen ist.
2.4 Da die ursprünglich eingereichte Anmeldung somit eine Stütze für die Änderungen bietet, liegt kein Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ vor.
2.5 Die Änderungen beschränken den Gegenstand des Anspruchs 1 und verstoßen daher nicht gegen Artikel 123(3) EPÜ.
3. Stand der Technik
3.1 Dokument D4
Die D4 ist eine australische provisorische Anmeldung, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich war. Die D4 bildet jedoch die Priorität der europäischen Anmeldung D1, die zwei Tage vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents veröffentlich worden ist.
Gemäß Artikel 128(4) EPÜ wird nach Veröffentlichung einer europäischen Patentanmeldung auf Antrag Einsicht in die Akten der Anmeldung gewährt wird. Damit ist die öffentliche Zugänglichkeit gewährleistet. Die Beschwerdeführer führten zwar aus, dass zum damaligen Zeitpunkt eine Akteneinsicht bereits innerhalb von zwei Tagen nach der Veröffentlichung aus praktischen Gründen unmöglich gewesen sei, haben aber keinerlei Beweismittel zum Nachweis dieser Behauptung vorgelegt.
Die Kammer folgt daher der Argumentation der Beschwerdegegnerin, dass D4 mittels einer Akteneinsicht der D1 der Öffentlichkeit vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents zugänglich war und Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ ist.
3.2 Dokumente D15 und D16
Die Beschwerdegegnerin hat mit ihrem Schriftsatz vom 11. Januar 2010 die Dokumente D15 und D16 eingereicht, um zu zeigen, dass der Fachmann vor dem Prioritätszeitpunkt den Begriff "Frame", wie er in der D4 benutzt wird, als Gehäuse in Sinne des Streitpatents verstehen würde.
D15 und D16 betreffen ähnliche Gießanlagen, wobei die ganze Anlage innerhalb eines sehr großen abgedichteten Gehäuses angeordnet ist. Obwohl die Gießrollen in der Gießposition von einem Gehäuse umgeben sind, ist es eindeutig, dass das Gehäuse mit den Gießrollen nicht verschoben wird. Der Austausch der Gießrollen ist weder in D15 noch in D16 diskutiert. Das Gehäuse nach D15 und D16 hat daher eine andere Funktion als das Gehäuse des Streitpatents.
In Bezug auf das Fachwissen des Fachmanns gilt in der Regel, dass Standardhandbücher und Nachschlagewerke das allgemeine Fachwissen darstellen. Bei der D15 und D16 handelt sich jedoch um ein Patentschrift bzw. Patentanmeldung, die spezifische Informationen enthalten. Auf Basis von lediglich zwei solcher Dokumente ist es nicht möglich festzustellen, ob diese Information schon Teil des allgemeinen Fachwissen des Fachmanns ist oder nicht. Ferner sind D15 und D16 für das Problem des Austausches der Gießrollen nicht relevant (siehe oben).
Aus diesen Gründen werden die spät eingereichten Dokumente D15 und D16 nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
4.1 Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dass die Bandgießmaschine nach Anspruch 1 hinsichtlich D2 und D4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
4.2 D2 offenbart eine Bandgießmaschine, wobei die Gießrollen auf Schienen von der Gießposition in eine Wartungsposition und umgekehrt verschiebbar sind. Die Figur 7 der D2 zeigt ein Ausführungsbeispiel, bei dem eine Schiene in Form eines Kreises dargestellt ist, welcher von der Gießposition auf einer Seite weg und auf der anderen Seite zurück führt.
4.3 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass bei dieser Ausführungsform der D4 die Gießrollen auf der Kreisbahn auf einer Seite der Gießposition zur Wartungsposition (34) und die vorbereiteten Gießrollen auf der anderen Seite von der Warteposition (35) in die Gießposition verschoben werden. Wegen des in Figur 4 gezeigten Antriebs für die Gießrollen, der eine Seite der Gießposition abblockt, wird dies von den Beschwerdeführern bestritten (siehe VIII oben). Die Kammer ist der Auffassung, dass die in Figur 7 dargestellte Anlage und die entsprechende Beschreibung in D2 nicht klar sind. Insbesondere ist auf Seite 8 erwähnt, dass der Austausch der Gießrollen der Anlage nach Figur 7 auf dem ersten Ausführungsbeispiel basiert; es ist jedoch nicht möglich, der D2 zu entnehmen, wie eine kreisförmige Anlage in der selben Weise wie eine Anlage, die wie das erste Ausführungsbeispiel rechtwinkelig angeordnete Schienen aufweist, funktionieren soll.
4.4 Desgleichen ist nicht klar, ob nach D2 die Verschiebung entlang der Drehachsen der Gießrollen erfolgt. Die Transportrichtung des Bandes liegt in Richtung Z (in Figur 7) und die Drehachsen der Gießrollen erstrecken sich rechtwinkelig dazu. Die Gießrollen werden gemäß Figur 7 jedoch in einer Kurve aus der Gießposition weggeschoben und daher nach der Meinung der Beschwerdeführer nicht entlang der Drehachsen der Gießrollen. Jedoch scheint es in der Praxis sinnvoll zu sein, bei der Gießposition einer kurze gerade Strecke vorzusehen, so dass die Gießrollen in die bzw. aus der Gießposition einfach verschoben werden können. Dieser Punkt ergibt sich aber ebenfalls nicht klar aus der D2.
4.5 Es ist jedoch unstrittig, dass in D2 ein die Gießrollen umgebendes Gehäuse nicht offenbart ist.
Deshalb unterscheidet sich die Vorrichtung nach Anspruch 1 von der in D2 beschriebenen Bandgießmaschine wenigstens dadurch, dass das Rahmengestell mit dem die Gießrollen umgebenden Gehäuse von der Gießposition bzw. in die Gießposition verschiebbar ist.
4.6 Ausgehend von D2 wird die diesem Unterschied zugrundeliegende objektive Aufgabe nicht darin gesehen, den Gießprozess besser gegen die Umgebung zu schützen, wie die Beschwerdegegnerin die Aufgabe formuliert hat, sondern vielmehr darin, das Wechseln der Gießrollen zu verbessern.
4.7 Nach der Auffassung der Beschwerdeführer haben Gießrollen und Rahmengestell, die zusammen in einem Gehäuse enthalten sind, den Vorteil, dass beim Wechseln die Abdichtung der Gießrollen einfacher ist und die Anlage in kurzer Zeit in Betrieb gebracht werden kann.
4.8 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass es hinsichtlich D4 naheliegend sei, die Gießrollen und das Rahmengestell der D2 mit einem umgebenden Gehäuse zu versehen.
D4 offenbart eine Gießrollenkassette (13), die einen Gießrollen tragenden "Frame" (102) und das Oberteil der hitzebeständigen Einhausung (103) enthält. Die Gießrollenkassette ist zwischen einer Gießposition und einer Warteposition verschiebbar, um die Gießrollen auszutauschen. Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass der Begriff "frame" die Bedeutung "Gehäuse" habe, wie er in Anspruch 1 definiert ist, und es daher offensichtlich sei, die in D2 beschriebenen Gießrollen mit einem solchen Gehäuse abzudecken, um die Anlage bzw. den flüssigen Stahl beim Gießen gegen Oxidation und Hitze zu schützen.
4.9 Nach Anspruch 1 sind die Gießrollen von einem Gehäuse umgeben, das wie oben ausgeführt während des Verschiebens zwar nicht dicht sein muss, aber gemäß Absatz [0016] des Patents für den anschließenden Gießvorgang dicht verschließbar ist, um die Füllung des Gehäuses mit Schutzgas zu ermöglichen. Das Vorhandsein eines solchen, mit den Gießrollen verschobenen Gehäuses erleichtert die Abdichtung nach Verschieben der Gießrollen in die Gießposition und verbessert damit den Vorgang des Gießrollenwechsels.
Dass die Gießrollen und das Rahmengestell der D4 von einem solchen Gehäuse umgeben sind, ist der D4 nicht eindeutig zu entnehmen. Seite 8 (Zeilen 22 bis 24) der D4 offenbart, dass das gegossene Band vom Oberteil der hitzebeständigen Einhausung (103) umschlossen ist. Diese Einhausung (103) hat deshalb nicht die gleiche Funktion wie das Gehäuse des Anspruchs 1, nämlich das Rahmengestell mit den Gießrollen zu umgeben. Die Einhausung (103) liegt unter den Gießrollen, die zusammen mit den Gießrollen in einem "frame" (102) bzw. einer Kassette (13) angeordnet sind. Es ist daher zu beurteilen, ob der "frame" oder Kassette selbst als ein derartiges Gehäuse angesehen werden kann, das während des Gießens zur Aufnahme von Schutzgas abgedichtet sein kann. Nach der üblichen Bedeutung des Begriffs "Frame" handelt es sich um eine offene Struktur, und es ist in D4 nirgendwo ausdrücklich erwähnt, dass dieser Frame die genannte Funktion haben soll.
Die Beschwerdegegnerin führt zwar aus, dass dies den Figuren und insbesondere aus dem senkrechten Strich beim Bezugszeichen 102 in der Figur 2 zu entnehmen sei. Diesem Argument kann die Kammer aber nicht folgen. Über die Bedeutung des genannten Strichs kann zwar spekuliert werden. Es ist jedoch ausgeschlossen, ohne weitere Hinweise einem derartigen Strich, der auch noch unterbrochen und in den übrigen Figuren nicht entsprechend dargestellt ist, in einer schematischen Zeichnung wie Figur 2 eine eindeutige Bedeutung zuzumessen. Weitere Hinweise finden sich aber weder in der Beschreibung noch in den übrigen Figuren. Ein Gehäuse im Sinne des Anspruchs 1 ist daher der D4 nicht entnehmbar.
4.10 Zusammenfassung
D2 betrifft das Wechseln der Gießrollen einer Bandgießmaschine und die in Figur 7 dargestellte Ausführungsform ist besonders relevant. Obwohl die Funktion der Anlage gemäß Figur 7 nicht eindeutig ist, ist trotzdem klar, dass bei dem Auswechseln die Gießrollen ohne ein umgebendes Gehäuse weggefahren werden.
Ein umgebendes Gehäuse hat den Vorteil, dass der Gießrollenwechsel schneller erfolgen kann, und löst daher die Aufgabe, den Austausch der Gießrollen zu verbessern.
Diese Lösung ist nicht der D4 zu entnehmen, weil es dieser Druckschrift nicht eindeutig entnehmbar ist, daß beim Auswechseln gemäß D4 die Gießrollen zusammen mit einem Gehäuse im Sinne des Streitpatents verschoben werden.
Da es durch den vorhandenen Stand der Technik nicht nahegelegt ist, die Gießrollen und das Rahmengestell während der Auswechselns mit dem Gehäuse zu umgeben, beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4.11 Dies gilt auch für Ansprüche 2 bis 13 des Hauptantrags.
4.12 Der Verfahrensanspruch wurde von der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren nur insoweit angegriffen, als ausgeführt wurde, dass hinsichtlich der über den Anspruch 1 hinausgehenden Merkmale auf die "Beschwerdebegründung" (gemeint ist offensichtlich die Einspruchsbegründung) verwiesen wird. Da jedoch bereits Anspruch 1 als erfinderisch anzusehen ist, kommt es auf die über den Anspruch 1 hinausgehenden Merkmale nicht an.
5. Zurückverweisung
Die Beschreibung bzw. Figuren des Streitpatents sind den vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorgelegten neuen Ansprüchen nicht angepasst und an mehreren Stellen widersprechend. Eine umfangreiche Überarbeitung ist daher erforderlich, was die Kammer veranlasst, von ihrer Kompetenz nach Artikel 111(1) EPÜ Gebrauch zu machen und die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuweisen, um die Beschreibung nebst Figuren an die vorliegenden Ansprüche anzupassen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit den während der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1 bis 13 und einer noch anzupassenden Beschreibung nebst Figuren aufrechtzuerhalten.